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Die Bedeutung des Dritten Sektors für Kommunen

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Dietrich Fürst

Die Bedeutung des „Dritten Sektors“ für Kommunen

Einführung

Die zunehmende Finanznot der öffentlichen Hände und die finanziellen Lasten eines schnell wachsenden öffentlichen Wohlfahrtssystems haben bereits in den 1980er Jahren Ansätze hervorgebracht, die Aufgabenlast zu reduzieren („Aufga- benkritik“), sie teilweise zu privatisieren, vor allem aber die Selbsthilfekräfte der Gesellschaft stärker zu fordern (s. Enquete-Kommission 2002). Die auch heute noch immer mal wieder aufleuchtende Suche nach dem „Dritten Weg“ zwischen Sozialismus und Kapitalismus gehört in diese Bemühungen genauso hinein wie die in Politik und Wissenschaft geführten Überlegungen zum Wandel des Staa- tes in Richtung „aktivierender Staat“ und „Gewährleistungsstaat“. Während der aktivierende Staat unmittelbar die Selbsthilfekräfte stärken soll und zivilgesell- schaftliches Engagement enger in die Ko-Produktion öffentlicher Güter einbe- ziehen will, hat das Konzept des „Gewährleistungsstaates“ zum Ziel, den Staat von Aufgaben zu entlasten, die nicht-staatliche Akteure übernehmen können, dafür aber den Staat in der Verantwortung zu halten, dass die geforderten Leis- tungen in der gewünschten Qualität und Erreichbarkeit erbracht werden (Überblick über den Wandel des Staates: Benz 2008; Leibfried/Zürn 2006)

Solche Bemühungen sind keineswegs auf Deutschland beschränkt, sondern finden sich vor allem auch in Groß-Britannien und den USA1. Die Einbindung

1 Unter Präsident Obama wurden in den USA das White House Office of Social Innova- tion and Civic Participation (OSICP) sowie der Social Innovation Fund (SIF) eingerich- tet; in England wurde unter der Labour-Regierung mit Ansätze für einen „Dritten Weg“

operiert (Office of the Third Sector, jetzt: Office of Civil Society), die unter der Regie- rung Cameron mit dem Programm „Big Society“ in neuer Form fortgesetzt werden sollen

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des zivilgesellschaftlichen Engagements hat dabei aber primär nicht die Funk- tion, die öffentlichen Haushalte zu entlasten2. Vielmehr wollen diejenigen, die solche Bemühungen engagiert vorantreiben, auch das gesellschaftliche Sozialka- pital erweitern (s. Putnam 2000, Offe/Fuchs 2001) sowie Staat und Gesellschaft wieder enger miteinander verbinden (s. die Diskussion zur Staats- und Politik- verdrossenheit, zur außerparlamentarischen Protestbewegung/zu Bürgerbewe- gungen (Roth/Rucht 2008)). Neu hinzu gekommen sind Bemühungen, das kapi- talistische System durch kommunitaristische und gemeinschaftsbezogene Steue- rungsmodelle zu ergänzen, die den Wettbewerb zugunsten kooperativer Hand- lungsformen zurückdrängen wollen (Etioni 1993, Felber 2010). Von der Bertels- mannstiftung, aber auch von anderen wird in Deutschland das Konzept der

„Bürgergesellschaft“ (Dettling 2001, 132 ff.) resp. „Bürgerkommune“ (Banner 1999, Bogumil et al. 2003) propagiert. Gemeint ist damit eine Gesellschaft, die den Bürger wieder zum eigentlichen Subjekt der Gesellschaft macht: Bürger sol- len sich stärker für ihr Gemeinwesen engagieren und dafür vom Staat und den Kommunen die notwendigen Möglichkeiten eingeräumt bekommen. Das gilt vor allem für alle sozialen Aufgaben (bezogen auf Kinder, Alte, Arbeitslose, Ausge- grenzte), für Bildungsaufgaben (Kindergärten, Vorschulen, Mitwirkung in Schu- len), für den Bereich „lebendige Stadt“ (Stadtteilmanagement, „soziale Stadt“) u.a. (vgl. die zahlreichen Beispiele bei Dettling 2001, 158 ff.).

Für alle diese Ansätze bieten sich primär die Kommunen an, weil sie am un- mittelbarsten mit dem Bürger in Kontakt treten (im Gegensatz zu Bund und Län- dern). Folgerichtig haben die meisten Kommunen zur Mobilisierung bürger- schaftlichen Engagements „Freiwilligenagenturen“ eingerichtet.

Im Folgenden geht es darum, ob der seit einiger Zeit schnell wachsende sog.

„Dritte Sektor“, also der Bereich von Produzenten von Dienstleistungen und Gü- tern, der weder gewinnorientiert noch staatlich/kommunal geführt wird, in der Lage ist, die Finanznot der Kommunen zu mildern. Die Einschätzungen der Li- teratur gehen dabei weit auseinander. Während einige dem zivilgesellschaftli- chen Engagement und den gemeinnützigen Organisationen zutrauen, weite Teile der kommunalen Aufgaben übernehmen zu können, sind andere sehr skeptisch.

Dahinter stehen nicht nur ideologische Differenzen (z.B. über das zugrunde lie- gende Menschenbild: sind Menschen eher altruistisch-gemeinwohl orientiert

(vgl. Ehling 2010). Dabei geht es vor allem um die Mobilisierung des bürgerschaftlichen Engagements sowohl zur Entlastung der öffentlichen Hände als auch zur wirksameren Integration der Gesellschaft.

2 So scheint das Konzept von „Big Society“, das der englische Premierminister Cameron lanciert hat, primär dem Wunsch zu entspringen, den Staatshaushalt zurückzufahren und das britische Welfare-System unter ökonomischen Aspekten umzustrukturieren (Econo- mist, 12.Februar 2011, S.35 f.)

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oder pure Egoisten), sondern auch Überlegungen, wie weit sich ein Dritter Sektor in einem kapitalistischen Umfeld halten kann: Das marktliche Kosten- Nutzen-Denken kann dazu führen, dass das „soziale Klima kälter wird“ (Groß et al. 2010).

Dritter Sektor: Begriff und Erscheinungsformen

Der „Dritte Sektor“ ist in den 1980er Jahren zum Thema geworden, als sich die Sozialwissenschaften der gesellschaftlichen Steuerungstheorie zuwandten und erkannten, dass neben Staat und Markt ein Steuerungsmodus existiert, der „zivil- gesellschaftlich“ gestützt ist: organisierte Gruppen-Kooperationen mit dem Ziel, Gemeinschaftsgüter zu erstellen, ohne gewinnorientiert oder machtorientiert zu agieren. Unter „Zivilgesellschaft“ versteht man den gesellschaftlichen Hand- lungsbereich, der weder staatlich noch privatwirtschaftlich geregelt ist, sondern wo gemeinschaftliche Belange durch bürgerschaftliches Engagement bearbeitet werden.

Der Dritte Sektor ist zwar der Zivilgesellschaft zuzurechnen, aber nicht ganz deckungsgleich mit „bürgerschaftlichem Engagement“. Vielmehr handelt es sich um den sog. „Non-Profit-Sektor“, in dem Akteure „zwischen“ Markt (Privat- wirtschaft), Staat (öffentliche Daseinsvorsorge) und Privatsphäre (Familie) agie- ren (Zimmer/Priller 2007, 16). Der Dritte Sektor geht auch deshalb über bürger- schaftliches Engagement hinaus, weil auch professionalisierte Organisationen dazu gehören, die nur zum Teil noch auf Ehrenamtliche und freiwillig Tätige ab- stellen.

Das Begriffsfeld ist teilweise diffus: „bürgerschaftliches Engagement“ meint individuelles Handeln, „das sich durch Freiwilligkeit, fehlende persönliche ma- terielle Gewinnabsicht und Ausrichtung auf das Gemeinwohl auszeichnet“

(Alscher et al. 2009, 12). Es ist nicht identisch mit dem Begriff der „Zivilgesell- schaft“. Darunter versteht man in erster Linie Zivilität und ziviles Handeln, d.h.

Handeln im öffentlichen Raum, das auf den Austausch, den Diskurs, die Ver- ständigung und auch auf den Konflikt zielt, aber friedliches und gewaltfreies Handeln beinhaltet und stets das allgemeine Wohl mitberücksichtigt (Alscher et al. 2009, 13). Aber auch als konkrete Utopie normativer Demokratiepolitik oder als Norm sozialen Handelns wird der Begriff genutzt (Zimmer 2010, 152).

Ehrenamtliche Tätigkeit ist nicht gleichzusetzen mit dem Dritten Sektor: Sie kann auch in nachbarschaftlichen Bezügen erfolgen, nicht-organisiert. Anderer- seits ist der Tatbestand der unentgeltliche Tätigkeiten weiter gefasst als derjeni- ge der Ehrenamtlichkeit3.

3 Man unterscheidet zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit (= freiwillige und unentgeltliche

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Kennzeichnend für Aktivitäten des Dritten Sektors ist:

• es wird ein Kollektivgut erstellt, das gesellschaftliche Wertschätzung er- fährt und i.d.R. eine Dienstleistung oder einen ideellen Zweck (z.B. Um- weltschutz) verfolgt,

• es handelt sich um organisierte Personen-Zusammenschlüsse, die dauer- haft eingerichtet wurden und nicht an bestimmte Mitglieder gebunden sind,

• die Arbeitsmotivation wird von der Ausrichtung an Gemeinwohlzielen be- stimmt, nicht von Gewinn- oder Einkommenszielen; sie verlangen deshalb bürgerschaftliches Engagement der darin agierenden Personen,

• der interne Steuerungsmodus basiert auf Solidarität resp. „Sinnstiftung“, der externe Steuerungsmodus muss sich allerdings den Bedingungen an- passen, in denen die Organisation tätig ist (z.B. marktlicher Vertrieb von Leistungen)

• wegen seiner Stellung zwischen Markt und Staat sowie seiner spezifischen internen Steuerungsmodi arbeiten Organisationen des Dritten Sektors häu- fig mit multifunktionaler Programmgestaltung. I.d.R. werden ökonomi- sche Funktionen (Marktorientierung, z.B. Dienstleistung) mit Interessen- vermittlung (Staatsorientierung, z.B. Lobbyarbeit) und Aktivitäten der So- zialintegration (interne Orientierung, z.B. Motivation der Mitarbeiter) ver- bunden (Zimmer/Priller 2007, 20 f.)

Der Dritte Sektor kann deshalb sowohl als politischer Inputgeber wie als gesell- schaftlicher Outputproduzent wirken. Inputseitig können dessen Organisationen den Belangen der Bürger Stimme verleihen, outputseitig unterstützen sie die Ak- tivitäten des Staates, z.B. im Gesundheitswesen oder bei sozialen Diensten. Des- halb verbinden sich mit dem Dritten Sektor auch hohe Erwartungen hinsichtlich Stärkung der Demokratie, Förderung der sozialen Integration, Unterstützung der Werte- und Normbildungsprozesse zugunsten mehr zivilen Verhaltens und na- türlich auch Beiträge zur Wohlfahrtsproduktion und zur Beschäftigungsförde- rung (vgl. Alscher et al. 2009, 18 f.).

Der Sektor ist außerordentlich heterogen und folglich nicht leicht abzugren- zen – die Literatur begnügt sich häufig mit der Definition dessen, was nicht mehr Dritter Sektor ist, auch wenn damit noch nicht genügend gesagt wird, was er eigentlich ist (Halfpenny/Reid 2002, 535). Auf der einen Seite ist die Grenz- ziehung zur „Gemeinwirtschaft“ schwierig – also zu marktlich orientierten Wirt- schaftsbetrieben, die nicht gewinnorientiert operieren. So werden Genossen- schaften und Unternehmen der Gemeinwirtschaft nicht einbezogen (Zimmer/

Übernahme einer Funktion/eines Amtes) und unentgeltlicher Tätigkeit (= Mitwirkung

ohne Bezahlung).

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Priller 2007, 48). Auf der anderen Seite sind alle Kooperationsformen, die heute unter „regional governance“ laufen, sehr ähnlich gestaltet: immer geht es um or- ganisierte Kollektive mit Kollektivgut-Aufgaben und nicht-gewinnorientiertem Verhalten. Aber solange es sich dabei lediglich um Steuerungsforen handelt, nicht aber um organisierte Leistungsträger, werden sie nicht dazu gerechnet.

Zudem musste sich der Begriff abgrenzen gegenüber Stiftungen und Public- Private Partnerships – beim Dritten Sektor geht es nicht nur um Geldleistungen.

Stiftungen gehören dazu, wenn sie eigene Dienstleistungen erstellen, nicht je- doch, wenn sie lediglich Kapitalsammelstellen sind, die das Geld gemeinnützig verwenden.

Auch der gesamte organisierte nicht-staatliche Wohlfahrtssektor ist schwer abzugrenzen. Den Wohlfahrtsverbänden wurde im Verhältnis zur staatlichen Leistung nach dem Subsidiaritätsprinzip eine Vorrangstellung eingeräumt – mit

„privilegierter Position sowohl gegenüber staatlichen als auch gegenüber kom- merziellen Anbietern“ (Zimmer/Priller 2007, 53). So wird man die hoch-profes- sionalisierten Wohlfahrtsverbände des Gesundheits- und Sozialwesens ausklam- mern, weil sie sich sehr viel ähnlicher wie Unternehmen verhalten. Hier hat der

„feste Einbau in das sozialstaatliche Verbundsystem öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege“ eine Verschränkung von Macht erzeugt, die als „wohlfahrts- staatlicher Komplex“ charakterisiert wird (Zimmer/Priller 2007, 24).

Heute fasst man – beeinflusst durch das Internationale Vergleichsfor- schungsprojekt zum Dritten Sektor der John Hopkins University (Baltimore/

USA) – sehr pragmatisch unter dem „Dritten Sektor“ ein weitgespanntes Feld von Dienstleistungen zusammen (Zimmer/Priller 2007, 32 ff.). Dazu gehören Aktivitäten im Kulturbereich (Musik, Literatur, Kunst), im Bildungsbereich (Schulen, Fortbildungseinrichtungen, Forschung, Politikberatung), im Gesund- heitswesen (psycho-soziale Dienste, medizinische Leistungen, Sanitätsdienste), im Umweltbereich (pflegerische Leistungen, schützende Leistungen, beratende und kontrollierende Funktionen), im Bereich der sozialen Dienste (Jugendarbeit, Familienarbeit, Randgruppenbetreuung, Katastrophenschutz), im Sport-/Frei- zeitbereich (Sport- und Freizeitvereine), im Bereich Wohnen und Arbeiten (Mie- terorganisationen, berufliche Wiedereingliederung, Fortbildung), in der Vertre- tung von Bürgerbelangen (Bürgerinitiativen, Rechtsberatung, Verbraucherbera- tung). Vielfach werden auch Wirtschaftsverbände, Berufsverbände und Gewerk- schaften dazugerechnet, aber auch internationale Non-Profit-Organisationen.

Der Umfang des Dritten Sektors wird wesentlich davon bestimmt,

• ob ein Bedarf für die Leistungen des Dritten Sektors identifiziert wird,

• ob es Akteure gibt, die bereit sind, unter eigenen Opfern (Zeit, Geld) einen Beitrag zur Befriedigung des Bedarfs zu leisten,

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• ob es leistungsfähigere Alternativen gibt (Staat, Wirtschaft),

• ob Staat oder Wirtschaft den Dritten Sektor besonders fördern4

• ob es gelingt, die Arbeit im Dritten Sektor gegenüber Markt und Staat attraktiv zu machen.

Insofern wird der Dritte Sektor auch wesentlich vom jeweiligen Gesellschafts- system beeinflusst: dessen Wertessystem (wohlfahrtsstaatliche Ausrichtung vs.

Ausrichtung an individueller Eigeninitiative), dessen Definition von „Arbeitsge- sellschaft“ (gilt nur das Einkommen als Maßstab oder sind andere nicht-ökono- mische Maßstäbe äquivalent?), dessen Zeitverfügbarkeit (gibt es ausreichend viele Menschen, die nicht-produktiv finanziell abgesichert sind und die notwen- dige Zeitverfügbarkeit haben?) und dessen Tradition in der Förderung des Non- Profit-Sektors.

Funktionsweise des Dritten Sektors

Der Dritte Sektor ist nicht unbedeutend. Man rechnet heute ca. 1 Mio. Organisa- tionen dazu (Alscher et al. 2009, 66). Bezogen auf den Dritten Sektor wuchs die Beschäftigtenzahl gegenüber 1960 (=100) um 373% verglichen mit derjenigen des öffentlichen Bereichs, die in diesem Zeitraum um 201% zunahm (Zimmer /Priller 2007, 55). Sofern die Mitarbeiter bezahlt werden, befinden sich die Be- schäftigten immer stärker in Teilzeit- oder befristeten Arbeitsplätzen, während die Vollarbeitsplätze deutlich zurück gehen. Zudem gehört ein rasch wachsender Anteil davon dem Bereich Gesundheit und Soziales an (1996: 26% der Organi- sationen des Dritten Sektors, 2007 bereits 42%). In Vollzeitäquivalenten ausge- drückt5 waren 1990 ca. 1 Mio Beschäftigte zu verzeichnen, aber 2007 bereits ca.

3 Mio (Alscher et al. 2009, 68). Nicht alle sind ehrenamtlich beschäftigt. Rech- net man den Beitrag, den Ehrenamtliche für den Dritten Sektor leisten, auf Voll- zeitarbeitskräfte um, so sind ca. 1 Mio Personen im Dritten Sektor beschäftigt (Zimmer/Priller 2007, 60)6

4 Der Anteil des Dritten Sektors ist vor allem dort hoch, wo Staat und Non-Profit-Sektor eine enge Kooperation entwickelten (Zimmer/Priller 2007, 39).

5 Vollzeitäquivalente: hier werden die Arbeitsstunden der Freiwilligen auf den Arbeitsum- fang eines Vollzeitbeschäftigten umgerechnet

6 Die Umrechnung auf Vollzeitäquivalente ist eine fiktive Größe und nicht zu verwechseln mit dem Anteil der Bevölkerung, die sich ehrenamtlich oder freiwillig in Gemeinwe- senarbeit oder sozialen Beschäftigungen engagiert; dieser liegt weit höher: Für ehrenamt- liche Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden oder sozialen Diensten wurde 2007 ein Anteil von 30% ermittelt (Alscher et al. 2009, 23, Bezug auf die Erhebung des Sozio-ökonomi- schen Panels des DIW/Berlin). Wenn man den Begriff der Ehrenamtlichkeit relativ weit fasst und alle Aktivitäten dazu rechnen, auch wenn sie nur für begrenzte Zeit ausgeübt

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Der relativ große Umfang der Ehrenamtlichkeit im Dritten Sektor ist zum ei- nen Folge des Wandels der Gesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft, zum anderen aber auch des demographischen Wandels (mehr ältere Menschen, mehr Einpersonenhaushalte). Dienstleistungen sind weniger leicht durch Maschinen zu ersetzen, infolgedessen besonders personalintensiv. Aber bei genauerer Ana- lyse stellt man fest, dass die Aufgabenschwerpunkte des Dritten Sektors relativ konzentriert vorliegen: Soziale Dienste, Gesundheitswesen sowie Bildung und Forschung dominieren – darauf entfallen 80% aller Beschäftigten des Dritten Sektors (1995). Das hängt damit zusammen, dass dieser Bereich intensiv von öf- fentlichen Geldern gefördert wird – bei sozialen Diensten und Gesundheits- wesen ist der Staat/ sind die Kommunen „mehr oder weniger verpflichtet, bei der Ausführung öffentlicher Aufgaben auf bestimmte private Anbieter – nament- lich die Wohlfahrtsverbände – zurückzugreifen“ (Zimmer/Priller 2007, 57).

Deutlich geringer ist folglich der Anteil von Organisationen des Dritten Sektors, der sich mit Kultur und Freizeit, Umwelt und Naturschutz befasst.

Ehrenamtliche sind in den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz für den Dritten Sektor besonders wichtig (Zimmer/Priller 2007, 43). Bezogen auf die Ehrenamtlichen insgesamt, war ihr Anteil für Soziale Dienste und Gesund- heitswesen 1995 relativ hoch (10,2% resp. 11,4% aller Ehrenamtlichen), aber bezogen auf alle Beschäftigten in diesen Feldern ist ihr Anteil natürlich gering (hohe Professionalisierung als Folge der staatlichen Funktionen dieser Berei- che). Der größte Teil der Ehrenamtlichen, die im Dritten Sektor tätig sind, arbei- tet lieber in Bereichen, die weniger professionalisiert sind und ihnen mehr Spiel- raum geben, das ist insbesondere der Fall in den Bereichen Kunst, Religion und Freizeit: Hier arbeiten knapp 51% aller Ehrenamtlichen des Dritten Sektors (Umwelt- und Naturschutz im Vergleich: 7%).

Die Organisationsform ist in Deutschland überwiegend der Verein (über 80%), aber auch die gemeinnützige GmbH, wenngleich noch wenig genutzt (3%

(1998)) gewinnt wachsende Bedeutung (Haftungsbeschränkung). Die Organisa- tionen des Dritten Sektors sind überwiegend lokal oder regional tätig, aber fast alle sind überlokal in irgendeiner Form vernetzt, davon 89% über Spitzenver- bände oder Dachorganisationen.

Die Finanzierung erfolgt meist aus dem öffentlichen Sektor verbunden mit Beiträgen und (zum kleineren Teil) Spenden sowie Entgelten für Leistungen. Im internationalen Vergleich zeigt der Dritte Sektor in Deutschland – bezogen auf die Finanzierung – deutliche Besonderheiten auf.

werden, so kommt man sogar auf 70% der Bevölkerung, die in irgendeiner Form ehren- amtlich tätig sind (Gensicke 2006, 11).

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Tab. 1: Finanzierungsstruktur (in Prozent der Gesamteinnahmen)

Deutschland 19-Länder-Durchschnitt Öffentliche Hand 64,3 42,0

Spenden/Sponsoring 3,4 11,0 Selbsterwirtschaftet/

Mitgliedsbeiträge

32,3 47,0

GESAMT 100 100 Quelle: Zimmer/Priller 2007, 61

Die öffentlichen Haushalte gelten in Deutschland deshalb als die zentrale Finan- zierungsquelle des Dritten Sektors, insbesondere in den Bereichen: Gesundheit, Soziale Dienste sowie Bildung/Forschung. (öffentlicher Finanzierungsanteil (1995): 94%, 66%, 76%). Bei den meisten anderen Organisationen des Dritten Sektors zeigt sich dagegen (Organisationsbefragung 1998: Zimmer/Priller 2007, 73 ff.), dass die öffentlichen Zuwendungen nur ca. 20% der Organisationsfinan- zierung ausmachen: Mehr als 36% stammen aus Leistungsentgelten und sonstige eigenerwirtschaftete Mittel sowie Mitgliedsbeiträge machen nochmals knapp 25% aus (Zimmer/Priller 2007, 81). Befragt nach der dominanten Einnahme- quelle (mehr als 50% der Einnahmen), verwiesen 26% auf Mitgliedsbeiträge (mehr als 80% der Organisationen sind Vereine), 28% auf eigenerwirtschaftete Mittel (Entgelte, Spenden, Kapitalerträge, Einnahmen aus Immobilien)7 und nur 23% auf öffentliche Zuwendungen.

Gleichwohl sind alle in irgendeiner Form von öffentlichen Geldern abhängig – werden diese als Folge der öffentlichen Finanznot gekürzt oder anders verteilt, kommen viele Organisationen des Dritten Sektors in Schwierigkeiten.

Da der Dritte Sektor sehr heterogen ist - die oben genannten Versuche zur Abgrenzung des Dritten Sektors machen das deutlich - sind generelle Aussagen zur Finanzierung, Organisation, internen Steuerungsstruktur, zu externen Steue- rungsimperativen und Konkurrenzsituationen wenig hilfreich. So richtet sich beispielsweise die Finanzierung daran aus, ob die Organisation im staatlichen Interesse oder Auftrag arbeitet oder sich gruppenspezifischen Vorteilen zuwen- det, ob sie marktfähige Dienstleistungen anbieten kann oder ob sie eine gesell- schaftlich besonders hoch bewertete Aktivität durchführt, für die leicht Spenden- gelder einzuwerben sind.

7 Spenden spielen zwar relativ zu den Gesamteinnahmen eine geringe Rolle, aber immer- hin beliefen sie sich auf 4,6 Mrd Mark (1995).

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