Volker Alt Dr. med.
Spongiosaentnahme aus der proximalen Tibia - Eine experimentelle und klinische Studie.
Geboren am 1.12.1970 in Heilbronn am Neckar Reifeprüfung am 27.5.1990 in Brackenheim
Studiengang der Fachrichtung Medizin vom SS 1993 bis zum SS 1999 Physikum am 30.3.1995 an der Universität Heidelberg
Klinisches Studium in Heidelberg
Praktisches Jahr in Heidelberg; Louisville, USA; Paris, Frankreich Staatsexamen am 7.5.1999 an der Universität Heidelberg.
Promotionsfach: Unfallchirurgie Doktorvater: Prof. Dr. P.J. Meeder
Die Arbeit befaßt sich mit der Spongiosaentnahme aus der proximalen Tibia. Sie besteht aus zwei verschiedenen Teilen:
In einem experimentellen Teil wurde erstens das Entnahmevolumen an Spongiosa aus der proximalen Tibiametaphyse an insgesamt 9 Schienbeinen ermittelt und zweitens die Belastungsfähigkeit einer Tibia nach Entnahme von Spongiosa mit der einer Tibia ohne Spongiosaentnahme an 8 Schienbeinpaaren verglichen. Zusätzlich wurden Röntgenaufnahmen der operierten Tibiae angefertigt.
In einem zweiten Teil wurde eine klinische Untersuchung an 54 Patienten, bei denen Spongiosa aus der proximalen Tibia entnommen wurde, durchgeführt. Hierbei wurden intraoperative Komplikationen und postoperative Morbidität dieses Eingriffes untersucht.
Die experimentelle Quantifizierung der entnommen Spongiosamenge an 9 Schienbeinen lieferte ein durchschnittliches Volumen von 5,39 ml. Andere experimentelle Arbeiten
über die Crista iliaca berichteten über ein gewonnenes Volumen von 6,00 ml. Dies bedeutet, daß aus der proximalen Tibia annähernd genauso viel Spongiosa wie aus der Crista iliaca entnommen werden kann. In insgesamt 4 klinischen Studien wurde nachgewiesen, daß die proximale Tibia genügend Spongiosa für unfallchirurgisch- orthopädische Indikationen liefert.
Beim axialen Belastungstest, bei dem die Belastungsfähigkeit der operierten Tibia, der die Spongiosa entnommen wurde, mit derjenigen der nicht-operierten Tibia an 8 Schienbeinpaaren verglichen wurde, konnte mit Hilfe eines t-Tests gezeigt werden, daß die Nullhypothese, daß es zwischen der operierten und der nicht-operierten keinen Unterschied bezüglich des Tibiakopffrakturrisikos gibt, nicht widerlegt werden konnte.
Mit weiteren 480 Fällen aus der Literatur, bei denen sich ebenfalls keine Tibiakopffraktur nach Spongiosaentnahme aus der proximalen Tibiametaphyse zeigte, kann davon ausgegangen werden, daß dieser Eingriff zu keinem erhöhten Tibiaplateaufrakturrisiko führt.
Die klinische Studie an 54 Patienten lieferte eine Gesamtkomplikationsrate von 1,9%.
Hierfür war ein Hämatom verantwortlich. Dieser Prozentsatz deckt sich mit den Ergebnissen anderer Autoren.
Arbeiten, die sich mit postoperativen Komplikationen nach Spongiosaentnahme aus der Crista iliaca beschäftigen, berichten durchweg über höhere Komplikationsraten, v.a.
prolongierte Schmerzsyndrome nach dem Eingriff stellten erhebliche Beschwerden für die Patienten da. Diese Komplikation eines prolongierten Schmerzsyndroms wurde bei keinem Patient in dieser Studie über die proximale Tibia beobachtet. In der Literatur ist nur 1 Fall eines prolongierten Schmerzsyndroms für die Tibia beschrieben, das jedoch nach medialem Zugang zur proximalen Tibiametaphyse auftrat.
Einschränkend muß gesagt werden, daß aus der proximalen Tibia kein Kortikalismaterial gewonnen werden kann. Im Vergleich zur Crista iliaca muß auf kortiko-spongiöse Späne verzichtet werden, was deshalb das Indikationsgebiet für die Spongiosagewinnung aus der proximalen Tibia einschränkt.
Desweiteren muß der Patient darüber aufgeklärt werden, wie auch in dieser Arbeit gezeigt wurde, daß es nach der Spongiosaentnahme aus der Tibia bei Röntgenaufnahmen
zu Befunden kommen kann, die, in Unkenntnis über den durchgeführten Eingriff, an einen tumorösen Prozeß erinnern.
Als Schlußfolgerung kann gesagt werden, daß es sich bei der Spongiosaentnahme aus der proximalen Tibia um einen komplikationsarmen Eingriff handelt, der genügend Material für Spongiosaplastiken liefert.