• Keine Ergebnisse gefunden

Erkrankungen des Traumaspektrums bei ruandischen Waisen des Genozids : Epidemiologie und Behandlung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Erkrankungen des Traumaspektrums bei ruandischen Waisen des Genozids : Epidemiologie und Behandlung"

Copied!
197
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Erkrankungen des Traumaspektrums bei ruandischen Waisen des Genozids

- Epidemiologie und Behandlung -

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Naturwissenschaften (Dr.rer.nat.)

Eingereicht an der Universität Konstanz Fachbereich Psychologie

Vorgelegt von Susanne Schaal

Tag der mündlichen Prüfung: 15. Februar 2007 Referent: Prof. Dr. Thomas Elbert Referentin: Prof. Dr. Brigitte Rockstroh

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://www.ub.uni-konstanz.de/kops/volltexte/2007/2895/

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-28958

(2)

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt meinem Betreuer und Begutachter dieser Arbeit, Herrn Prof. Dr.

Thomas Elbert. Ihm danke ich für die ausgezeichnete, kompetente Betreuung, für die Unterstützung von Anfang an, für sein Vertrauen und seine Zuversicht in diese Arbeit.

Vielen Dank auch an Frau Prof. Dr. Brigitte Rockstroh für die Begutachtung dieser Arbeit.

An der Entstehung dieser Arbeit waren viele Personen beteiligt, ohne deren Hilfe die Studie niemals hätte realisiert werden können.

Maria Roth hat zusammen mit mir die Ersterhebung durchgeführt und ganz alleine die 3- Monats Post-Tests, Nadja Jacob führte mit mir zusammen die Therapien durch, und die 6- Monats Untersuchungen wurden durchgeführt von Prof. Thomas Elbert, Prof. Frank Neuner, Dr. Patience Onyut und Verena Ertl. Ihnen allen möchte ich recht herzlich für ihre Unter- stützung und die gemeinsame Zeit in Kigali danken.

Eine solche Studie ist unmöglich ohne die Hilfe und Unterstützung von Personen vor Ort bei denen ich mich hiermit bedanken möchte.

Ich bedanke mich bei den Leitern der Waisenheime: bei Damas Gisimba (Gisimba Memorial Center), James Haganza (PARMARSOR) und dem inzwischen verstorbenen Jean Marie Vianney Ngondo (PEFA). Im Gisimba Memorial Center war mir außerdem Jean Paul Mutabaruka bei der Organisation der Befragungen behilflich.

African Evangelistic Enterprise (AEE), besonders Joseph Nyamutera, war mir bei der Vermittlung der Kontakte zu den Jugendlichen in kindergeführten Haushalten behilflich.

Gilbert Hategekimana war von Anfang an mehr als „nur“ ein wunderbarer, einfühlsamer Übersetzer. Er hat sich für diese Studie voller Motivation eingesetzt und mich bei Planungen vor Ort unterstützt. Neben Gilbert haben Christiane Nyirazaninka, Mathilde Umuraza und Aimable Umwizerwa übersetzt.

Herrn Dr. Nagl danke ich für die freundliche und kompetente Statistikberatung.

Für die finanzielle Unterstützung bedanke ich mich ganz herzlich bei der Falk von Reichenbach Stiftung.

Danke Robert, für Dein Verständnis und dass Du immer für mich da bist.

(3)

Schließlich bedanke mich bei meinen Eltern für die jahrelange Unterstützung.

Mein größter Dank gilt meiner Mutter. Vielen Dank für Deine Unterstützung und Hilfe in jeder Lebenslage. Bei meinem Vater bedanke ich mich für sein großes Verständnis und dass er mir jederzeit zur Seite steht.

Ich bin allen interviewten Jugendlichen dankbar, die uns das Vertrauen entgegenbrachten und uns ihre Probleme und schlimmen Erlebnisse anvertrauten.

Konstanz, im Dezember 2006

Susanne Schaal

(4)

Zusammenfassung

Im Jahre 1994 kamen in Ruanda innerhalb von 100 Tagen fast eine Million Menschen auf brutalste Weise ums Leben. Vorliegende Studie untersuchte die mentalen Gesundheitseffekte dieses staatlich organisierten Genozids bei ruandischen Waisen (n = 118), 11 Jahre nach dem Völkermord. Außerdem wurde die Wirksamkeit zweier Therapieverfahren verglichen.

Diese Untersuchung zeigt, dass Jugendliche und junge Erwachsene in Ruanda, die zur Zeit des Genozids Kinder waren, mit einer großen Anzahl potentiell traumatischer Ereignisse konfrontiert wurden, von denen jedes einzelne als extrem stressvoll betrachtet werden kann.

Bei 34% der interviewten Vollwaisen, die entweder in kindergeführten Haushalten oder in einem Waisenheim in Kigali lebten, wurde eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, Punktprävalenz) diagnostiziert, 36% erfüllten die Kriterien einer Major depressiven Episode und 37% wiesen ein Suizidrisiko auf.

Die PTBS trat in hohem Maße komorbid mit Depression, Suizidalität und Schuldgefühlen auf.

Eine Analyse möglicher Einflussfaktoren (Geschlecht, Wohnort, Alter zum Traumazeitpunkt, Anzahl der erlebten, potentiell traumatischen Ereignisse und Beschäftigungsstatus) auf diese Störungen zeigte, dass das Ausmaß der Traumaexposition ein Prädiktor für alle untersuchten Psychopathologiewerte darstellte und dass weibliche Befragte stärker von der PTBS, Depression und einem Suizidrisiko betroffen waren als männliche Personen.

In einem weiteren Schritt wurde den mit PTBS diagnostizierten Waisen eine Psychotherapie angeboten. 12 Betroffene erhielten Narrative Expositionstherapie (NET; 3 individuelle NET- Sitzungen und eine individuelle Trauersitzung) und 14 Waisen bekamen Interpersonelle Psychotherapie (IPT) in der Gruppe (4 IPT-Gruppensitzungen). 3 Monate nach der Therapie zeigten Teilnehmer beider Therapiegruppen Verbesserungen in der PTBS- und Depressions- symptomatik und es lagen bei allen Messungen keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen vor. Zum 6-Monats Follow-up erwies sich die NET bei der PTBS-Behandlung als die eindeutig bessere Therapie. Während sich die Teilnehmer der NET- Gruppe vom Post-Test zum Follow-up weiter verbesserten, konnten die Teilnehmer der IPT- Gruppe das 3-Monats Ergebnis nicht beibehalten. Teilnehmer beider Therapiegruppen zeigten eine bedeutsame Reduktion der Depressionssymptome; allerdings erwies sich die NET auch hier als wirkungsvoller. Im Gegensatz zu den IPT-Teilnehmern zeigten die NET-Teilnehmer 3 und 6 Monate nach der Therapie einen bedeutsamen Rückgang in der Schuldschwere. Die Suizidalität und das allgemeine und soziale Funktionsniveau verbesserten sich allerdings in keiner Therapiegruppe nennenswert.

(5)

Inhaltsverzeichnis

Seite

1 Ruanda und der Genozid ... 6

1.1 Ruanda in Zahlen ... 6

1.2 Geschichtlicher Hintergrund ... 7

1.3 Der Genozid in Ruanda... 9

2 Die Posttraumatische Belastungsstörung ... 13

2.1 Theorie... 13

2.1.1 Diagnostische Kriterien der PTBS... 13

2.1.2 PTBS bei Kindern und Jugendlichen ... 14

2.1.3 Epidemiologie der PTBS ... 19

2.1.4 Bisherige Forschungen zur Situation in Ruanda ... 26

2.2 Fragestellungen und Hypothesen ... 29

2.3 Empirischer Teil: Epidemiologie der PTBS bei ruandischen Jugendlichen ... 31

2.3.1 Methode ... 31

2.3.2 Ergebnisse... 38

2.3.3 Diskussion... 46

3 Prävalenzraten der Depression, Suizidalität, Schuldgefühle, des Substanzkonsums und Komorbiditäten der Posttraumatischen Belastungsstörung ... 51

3.1 Theorie... 51

3.1.1 Depression, Suizidalität und Substanzmissbrauch ... 51

3.1.2 Epidemiologie der PTBS-Komorbiditäten... 55

3.2 Fragestellungen und Hypothesen ... 59

3.3 Empirischer Teil: Prävalenzraten der Depression, Suizidalität, Schuldgefühle, des Substanzkonsums und Komorbiditäten der Posttraumatischen Belastungsstörung bei ruandischen Jugendlichen... 61

3.3.1 Methode ... 61

3.3.2 Ergebnisse... 63

3.3.3 Diskussion... 69

4 Risikofaktoren für die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Depression, Suizidalität und von Schuldgefühlen ... 76

4.1 Theorie: Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS und einer Depression ... 76

4.1.1 Geschlecht... 76

(6)

4.1.2 Entwicklungsphase... 78

4.1.3 Das traumatische Ereignis... 79

4.1.4 Arbeitslosigkeit ... 81

4.2 Fragestellungen und Hypothesen ... 82

4.3 Empirischer Teil: Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS, Depression, Suizidalität und von Schuldgefühlen bei ruandischen Jugendlichen... 85

4.3.1 Methode ... 85

4.3.2 Ergebnisse... 86

4.3.3 Diskussion... 90

5 Psychotherapeutische Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung ... 96

5.1 Theorie... 96

5.1.1 Frühzeitige Interventionen/Kriseninterventionen... 96

5.1.2 Expositionstherapie... 98

5.1.3 Kognitive Therapie ... 100

5.1.4 Augenbewegungsdesensibilisierung... 103

5.1.5 Angstmanagementtechniken ... 104

5.1.6 Psychodynamische Therapie... 105

5.1.7 Kombinierte Behandlungen ... 106

5.1.8 Narrative Expostionstherapie (NET) ... 106

5.1.9 Interpersonelle Psychotherapie (IPT) ... 114

5.2 Fragestellungen und Hypothesen ... 120

5.3 Empirischer Teil: Untersuchungen zur Wirksamkeit der Narrativen Expositionstherapie (NET) und der Interpersonellen Psychotherapie (IPT) bei psychischen Erkrankungen des Traumaspektrums bei ruandischen Jugendlichen ... 122

5.3.1 Methode ... 122

5.3.2 Ergebnisse... 132

5.3.3 Diskussion... 153

6 Einschränkungen der Studie und Schlussbetrachtung ... 164

7 Literaturverzeichnis ... 168

8 Anhang... 189

(7)

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Seite Tabelle 1. Kurz- und langfristige Auswirkungen organisierter Gewalt im

Kindes- und Jugendalter……….24 Tabelle 2. Zusammensetzung der Stichprobe nach Wohnort, Alter und

Geschlecht………...……36 Tabelle 3. Prozentsätze der erlebten, potentiell traumatischen Ereignisse………...39 Tabelle 4. Schlimmstes erlebtes traumatisches Ereignis (Prozentsätze und Anzahl)……..40 Tabelle 5. Vorkommen der 17 PTBS-Symptome in Prozent (%)………43 Tabelle 6. Schwere der posttraumatischen Stressreaktionen anhand des Severity-

Scores in der Gruppe mit PTBS-Diagnose (Klassifizierung nach

Weathers et al., 2001)………..45 Tabelle 7. Depressionssymptome in der Gesamtstichprobe (Anzahl und Prozent)…….…65 Tabelle 8. Komorbide Störungen der PTBS (in %)………...66 Tabelle 9. Mittelwerte des Severity-Scores, des Depressions-Scores und des

Schuld-Scores in den Gruppen mit und ohne PTBS, Major

depressive Episode und Suizidrisiko………...…68 Tabelle 10. Interkorrelationen zwischen Severity-Score, Intrusions-Score,

Vermeidungs-Score, Erregungs-Score, Depressions-Score,

Hamilton-Score, Schuld-Score und Suizidrisiko……….…69 Tabelle 11. Überblick über die demographischen Merkmale der Therapiestichprobe….…129 Tabelle 12. Veränderungen der PTBS-Symptomatik über die

3 Messzeitpunkte hinweg...136 Tabelle 13. Gruppenunterschiede in der PTBS-Symptomatik zwischen NET und

IPT zum Follow-up; Ergebnisse der Kovarianzanalyse……….…137 Tabelle 14. Veränderungen der Depressionssymptomatik über die 3 Messzeitpunkte

hinweg………...….141 Tabelle 15. Gruppenunterschiede in der Depressionssymptomatik zwischen NET und

IPT zum Follow-up; Ergebnisse der Kovarianzanalyse……….…141

(8)

Seite

Abbildung 1. Position und Landkarte von Ruanda……….6 Abbildung 2. Streudiagramm über den Zusammenhang der erlebten Ereignisse

und dem Severity-Score nach dem Geschlecht………...…87 Abbildung 3. Streudiagramm über den Zusammenhang der erlebten Ereignisse

und dem Depressions-Score nach dem Geschlecht……….89 Abbildung 4. PTBS-Diagnose (in Prozent) in der NET- und IPT-Gruppe

vom Prä-Test bis zum Follow-up……….….134 Abbildung 5. Severity-Score (Mittelwerte) in der NET- und IPT-Gruppe

von der Ersterhebung bis zum Follow-up ………....135 Abbildung 6. Vorkommen einer Major depressiven Episode (in Prozent) in der NET-

und IPT-Gruppe von der Ersterhebung bis zum Follow-up ……….139 Abbildung 7. Depressions-Score (Mittelwerte) in der NET- und IPT-Gruppe

von der Ersterhebung bis zum Follow-up ………140 Abbildung 8. Severity-Score (Mittelwerte) in der CHH- und Waisenheim-Gruppe

von der Ersterhebung bis zum Follow-up ………144

(9)

Abkürzungsverzeichnis

AEE: African Evangelistic Enterprise CHH: Child Headed Household

CIDI: Composite International Diagnostic Interview CISD: Critical Incident Stress Debriefing

CAPS: Clinician-Administered PTSD Scale for DSM-IV

DSM: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen EMDR: Eye movement desensitization and reprocessing

FPR: Front Patriotique Rwandais IPT: Interpersonelle Psychotherapie

M.I.N.I.: Mini-International Neuropsychiatric Interview ns: nicht signifikant

NET: Narrative Expositionstherapie NGO: Nongovernmental organization

PARMARSOR: Waisenheim «Programme d´Accompagement des Malades du Sida et des Orphélins Rejetés»

PEFA: Waisenheim «Pentecote Evangelique de la Fraternité en Afrique»

(Waisenheim in Kigali)

PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung

RTLM: Radio Télévision Libre des Milles Collines SIT: Stressimpfungstraining

UNICEF: United Nations Children´s Fund

(10)

1 Ruanda und der Genozid

1.1 Ruanda in Zahlen

••

• Ruanda ist ein Kleinstaat in Afrika (26 340 km2, siehe Abbildung 1)

••

• Bevölkerungszahl bis 19941: 7,5 Millionen Stand April 2006: 8,7 Millionen

• Bevölkerungswachstum: 2,3%

• Ruanda ist in Afrika das Land mit der höchsten Bevölkerungsdichte

• Hauptstadt: Kigali (Einwohnerzahl 800 000)

••

• Ruanda gehört zu den ärmsten Ländern der Welt (Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: 230 US Dollar)

•••

• über 60% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsschwelle, davon 20% unterhalb der Schwelle absoluter Armut

(Stand April 2006, Auswärtiges Amt, 2006)

Abbildung 1

Position2 und Landkarte3 von Ruanda

1 Scherrer, 1997

2 Quelle: www.afrika-start.de/laenderinfos-maps-39-karte.htm

(11)

•••

• 93% aller Ruander leben auf dem Land, 90% in Subsistenzwirtschaft

••

• Volksgruppen der Hutus (85%), Tutsis (14%) und Twa (1%)

••

• Nationalsprache: Kinyarwanda

••

• Religionen: katholisch (55%), protestantisch (38%), Moslems (5%), andere (2%)

(Stand April 2006, Auswärtiges Amt, 2006)

1.2 Geschichtlicher Hintergrund

In Ruanda leben unterschiedliche soziokulturelle Gruppen. Um das Geschehen von 1994 in Ruanda zu verstehen, sind vor allem die Gruppen der Hutus und Tutsis bedeutend. Zunächst wurde mit diesen Begriffen die regionale Herkunft beschrieben, später erhielten sie eine soziale und politische Bedeutung: Tutsis waren die, welche politische und wirtschaftliche Macht hatten, was sich im Besitz des Viehs ausdrückte. Mit mehr als 10 Kühen gehörte man zu den Viehzüchtern, den Tutsis, andernfalls gehörte man zu den Hackbauern, den Hutus (Aguilar, 1998; Gourevitch, 1999; Hoering, 1997).

In Ruanda herrschte seit der Kolonialisierung (ab 1884 deutsche Kolonie) eine rassisch ge- prägte Ideologie zwischen den Hutus und den Tutsis. Dieser ethnische Konflikt zwischen die- sen beiden Gruppen verschärfte sich unter der Führung Belgiens nach dem Ersten Weltkrieg.

Sasserath (zitiert in Destexhe, 1995, S. 39) gibt 1948 folgende Beschreibung der Tutsis: „ ...

are 1,90 metres tall. They are slim. They have straight noses, high foreheads, thin lips ... seem distant, reserved, polite and refined.“

Im Jahre 1933 führten die Belgier eine Volkszählung durch, in der die Gruppenzugehörigkeit ein für allemal festgelegt wurde. Anhand der physischen Merkmale wurde jeder Ruander ent- weder zu einem Hutu oder zu einem Tutsi bestimmt. Jede Person erhielt eine Identitätskarte, in der die ethnische Zugehörigkeit registriert wurde (Barnett, 2002).

Diese Klassifizierung hatte tief greifende Auswirkungen auf die Kultur Ruandas. Aufgrund der Annahme, die Tutsis seien begabter und schöner, sahen die Belgier es als gerechtfertigt an, dass diese Gruppe über die anderen Ruander herrschte und entfernten deshalb alle Hutus aus Machtpositionen. Auch eine höhere Schulbildung war nur für die Tutsis vorgesehen. In ganz Ruanda wurde eine Tutsi-Herrschaft durchgesetzt, denn sie galten als „eine höherwertige

(12)

Rasse, angeblich intelligenter und verlässlicher“ (Scherrer, 1997, S. 23). Damit setzten die Belgier den Meilenstein eines jahrzehntelangen Konfliktes in Ruanda.

In den fünfziger Jahren war das Ende der Kolonialherrschaft gekommen.

Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen 1959 und 1961 (Huturevolution) endeten mit der politischen Machtabgabe der Tutsis und zahlreichen Tutsiflüchtlingen, die in benachbarte Länder flohen. Bis zum Ausbruch des Genozids gab es keine Lösung für die Wiedereinbürgerung der Tutsiflüchtlinge. 1961 wurde in Ruanda der Notstand ausgerufen und durch ein Referendum eine Republik gegründet. Im September 1961 waren in Ruanda Wahlen. Grégoire Kayibanda, ein Hutu, wurde Präsident und die Hutu-dominierten Parteien erhielten die Mehrheit der Stimmen. Von nun an stand Ruanda unter der politischen Macht der Hutus. Am 1. Juli 1962 wurde Ruandas Unabhängigkeit erklärt (Barnett, 2002).

Im Juli 1973 übernahm General Juvenal Habyarimana, ebenfalls ein Hutu, die Macht durch einen Militärputsch. Zwischen 1973 und 1990 gab es eine ruhigere Zeit ohne Massaker. Die ethnische Frage blieb jedoch immer noch aktuell (Destexhe, 1995).

Das Problem verschlimmerte sich, als die Flüchtlinge 1989 in Uganda die Patriotische Ruandische Front (Front Patriotique Rwandais, FPR) gründeten und 1990 Ruanda angriffen.

Mit dem Einmarsch der FPR von Uganda nach Ruanda wollte die FPR die Regierung Habyarimanas durch eine demokratische Regierung ersetzen und die Rückkehr tausender ruandischer Flüchtlinge ermöglichen, die im Exil lebten. Die FPR konnte mit diesem Angriff ihr Ziel jedoch nicht erreichen. Die Hutu-Mehrheit befürchtete, ihre Macht an die Tutsis zu verlieren und schürte den Hass gegen diese mittels bösartiger Propaganda (Des Forges, 2002;

Rutayisire, 2001; Scherrer, 1997).

Zwischen 1993 und April 1994 kam es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Hutus und den Tutsis.

Am 6. April 1994 wurde das Flugzeug, in dem sich der ruandische Diktator Juvenal Habyarimana befand, abgeschossen. Alle Insassen kamen ums Leben. Es ist wahrscheinlich, dass das Flugzeug von einer Gruppe Extremisten abgeschossen wurde, welche eine Ausrottung der Tutsis plante. Dieses Ereignis diente den Hutu-Extremisten jedoch dazu, den

(13)

Tutsis die Verantwortung für diesen Vorfall zuzuschreiben, und das staatliche Radio Ruanda beschuldigte die FPR, den Anschlag verübt zu haben (Aguilar, 1998).

Der Abschuss des Flugzeuges mit dem Präsidenten war für die Extremisten das Signal zum Losschlagen: Ein monatelanger Genozid stand bevor.

1.3 Der Genozid in Ruanda

Der Völkermord in Ruanda war über Jahre hinweg angekündigt worden, und die Vorbereitungen hierfür waren nicht zu übersehen. Dennoch hat niemand die Menschen in ihrem Wahnsinn gestoppt: Die UNO-Menschenrechtskommission reagierte trotz wiederholter Frühwarnungen nicht, und auch die Geberländer (besonders Belgien, Frankreich, Deutschland und die Schweiz) nahmen wenig Einfluss auf das politische Geschehen und intervenierten nicht, obwohl sie über das Geschehen in Ruanda hätten informiert sein müssen. Auch die Kirchen, welche in Ruanda einen besonderen Stellenwert hatten (90% der ruandischen Bevölkerung bekannten sich zum Christentum), spielten während des Genozids eine höchst ambivalente Rolle. Viele Priester und Religiöse haben sich am Völkermord beteiligt, und vor allem die katholische Kirche kollaborierte engstens mit den Extremisten (Des Forges, 2002;

Scherrer, 1997).

Genozid: Begriffsbestimmung

Der Begriff „Genocide“ setzt sich zusammen aus dem Griechischen „genos“ (Rasse oder Stamm) und dem lateinischen Suffix „cide“ (töten). Er wurde 1944 von dem Polen Raphael Lemkin eingeführt und bedeutet „the destruction of a nation or of an ethnic group“ (zitiert in Destexhe, 1995, S. 3). Lemkin war der erste, der davor warnte, den Genozid mit einem Krieg gleichzusetzen, denn Genozid stellt ein Verbrechen gegen die Menschheit dar. Jemanden zu töten, nur weil er/sie existiert ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Genozid impliziert die Intention, eine bestimmte Gruppe vollständig zu vernichten. Die Definition, wie sie von der UN übernommen wurde, basiert auf folgenden Faktoren: “a criminal act, ... with the intention of destroying ... an ethnic, national or religious group, ... targeted as such“ (Destexhe, 1995, S.

5).

Nach Destexhe (1995) ist ein Genozid durch folgende 3 Merkmale gekennzeichnet: Ein Genozid hat weit reichende Folgen über die Zielgruppe und über das Land hinaus, in dem er

(14)

stattfindet, ein Genozid bringt meistens unvorstellbare Grausamkeiten mit sich, ein Genozid ist ein kollektiver Akt.

Propaganda der Extremisten

Der Absturz des Flugzeuges mit dem ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana diente den Extremisten als Anlass zum Losschlagen. Die eingesetzte Interimsregierung, deren Mitglieder ausschließlich Extremisten waren, forderte die Bevölkerung nachdrücklich zur Durchführung des Genozids auf. Es wurde gewarnt, dass jeder, der sich dieser Aufforderung widersetzen sollte, mit Bestrafungen rechnen müsse. Ziel war die totale Vernichtung der Tutsi-Minderheit und der Hutu-Oppositionellen.

Die Tageszeitung Kangura sowie der im April 1993 von den Hutus gegründete private Radiosender „Radio Télévision Libre des Milles Collines“ (RTLM) waren effektive Propa- gandamittel, um eine rassistische Hetze gegen Tutsis und Hutu-Oppositionelle zu betreiben (Des Forges, 2002; Hoering, 1997; Scherrer, 1997).

Täglich wurden die Bürger aufgefordert, ihre „Arbeit zu tun, das hieß, alle Tutsi in ihrer Nachbarschaft umzubringen“ (Scherrer, 1997, S. 85). RTLM aber auch das staatliche Radio Ruanda verkündeten nur noch eine Nachricht: „Der Feind muss vernichtet werden“ (Des Forges, 2002, S. 98). Im Radio RTLM wurden die Menschen mit Parolen wie „die Gräber sind noch nicht voll“ zum weiteren Töten aufgefordert (Hoering, 1997, S. 41).

Zum ersten Mal in der Geschichte gelang es, eine Massenbeteiligung an einem Völkermord zu erreichen.

Strategien der Vernichtung

Während zu Beginn des Völkermordes nur gezielt Personen, welche die Hutu-Vorherrschaft abgelehnt hatten, an Ort und Stelle ermordet wurden, änderte sich die Strategie bereits ein paar Tage nach Ausbruch des Tötens. Als die Menschen ab dem 7. April in Kirchen, Schulen und Krankenhäusern Zuflucht suchten, gab es ausgedehntere Bluttaten. Auch fuhren Klein- laster durch die Strassen, die Tutsis aufsammelten, um sie später in groß angelegten Massakern zu vernichten. In der Regel waren die Mörder nur darauf bedacht, Tutsis zu töten und forderten die übrigen dazu auf, vor Beginn des Niedermetzelns den Schauplatz zu verlassen. Damit keine Tutsis entwischen konnten, wurden die Ausweispapiere sorgfältig kontrolliert (Des Forges, 2002).

(15)

Die bereits während der Kolonialzeit festgelegte ethnische Zugehörigkeit sollte nun über Le- ben und Tod bestimmen. Kinder aus Mischehen überlebten nur, wenn ihre Väter Hutus waren, während ihre Tutsi-Mütter getötet wurden. Waren die Väter Tutsis, wurde die ganze Familie umgebracht, unabhängig davon, ob die Mutter eine Hutu oder Tutsi war. Die obligatorischen Identitätskarten, welche die ethnische Zugehörigkeit angaben, wurden somit an jeder Straßen- sperre entweder „zum Passierschein oder zum Todesurteil“ (Scherrer, 1997, S. 20).

Ehefrauen wurden dazu gebracht, ihre Männer zu töten, Kinder wurden Zeugen, wie ihre Eltern in Stücke gehackt wurden, Kinder töteten Kinder, Mädchen wurden wochenlang vergewaltigt, Alte in ihren Häusern verbrannt und Säuglinge an Wänden zerschmettert -

„Ruanda verfiel dem Wahnsinn“ - (Scherrer, 1997, S. 94).

Hutus, welche mit dem Morden nicht übereinstimmten, wurden gleich zu Beginn des Genozids getötet; so war letztlich fast jeder für das Töten. Die Propaganda postulierte, dass alle töten. Für viele Menschen wurde somit unethisches Verhalten ethisch, denn alle anderen taten es ja auch (Aguilar, 1998).

Die Gewalt wurde durch die Straffreiheit gefördert. Die Totschläger wussten, dass sie für ihre Grausamkeiten nicht bestraft werden. Jedem wurde es offiziell erlaubt, die Tutsis zu töten, ihre Tiere zu schlachten und ihre Häuser auszuplündern. Nach Schätzungen von Scherrer (1997) haben sich 25% der Hutu-Bevölkerung (eingeschlossen Kinder und Frauen) direkt am Völkermord beteiligt.

Brutale Verbrechen

Viele Mörder folterten ihre Opfer oft stundenlang (physisch und psychisch) bevor sie die Opfer schließlich ermordeten oder sie sterbend zurückließen. Beispielsweise wurden den Opfern die Beine abgehackt, um sie dann an Ort und Stelle verbluten zu lassen, oder sie wurden getötet, indem nach und nach die Körperteile abtrennt wurden, beginnend mit den Extremitäten. Oftmals wurden ihnen die Körperteile abgeschnitten, die charakteristisch für die Tutsis waren (lange Finger und dünne Nasen) (Des Forges, 2002).

Nach Ibuka Asbl (1996, zitiert in Turindwanamungu, 2000) waren die am häufigsten verwendeten Folterungs- und Tötungsmittel die Machete (52%) und der Knüppel (16%).

Die Mörder folterten ihre Opfer indem sie von ihnen verlangten, ihre eigenen Kinder oder Ehepartner zu töten. Die Opfer betrachteten die Erschießung als den „bevorzugten Tod“, am wenigsten schmerzhaft, und wenn sie die Mittel besaßen konnten sie dafür bezahlen, auf diese

(16)

Weise sterben zu dürfen (Gourevitch, 1999). Während des gesamten Völkermordes wurden die Tutsi-Frauen vor ihrer Ermordung oftmals vergewaltigt und gefoltert.

Das Ende des Genozid

Innerhalb von 100 Tagen (von April bis Juli 1994) sind in Ruanda zwischen 800 000 und 1 000 000 Menschen getötet worden (Rutayisire, 2001).

Mit dem militärischen Sieg der FPR endete der Genozid. Erst als am 4. Juli 1994 Paul Kagame (der heute amtierende Präsident) mit der in Uganda formierten FPR die Macht im Land an sich nahm konnten die Massaker gestoppt werden. Am 19. Juli 1994 übernahm die FPR die Macht in Ruanda und ernannte eine neue Staatsführung. Staatspräsident wurde Pasteur Bizimungu (FPR), Vizepräsident und Verteidigungsminister Paul Kagame (FPR). Die Pflicht, die ethnische Zugehörigkeit im Pass zu vermerken, wurde sofort abgeschafft.

Etwa 2 Millionen Ruander (vor allem Totschläger und deren Familien) flüchteten in die Nachbarländer, insbesondere nach Zaire und Tansania. Hinzu kamen 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge (Auswärtiges Amt, 2006).

Nach dem Rücktritt von Pasteur Bizimungu wurde Paul Kagame im April 2000 neuer Staatspräsident. Offiziell wurde er im August 2003 mit 95% der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt. Die Präsidentschaftswahlen stellten einen wichtigen Schritt zur Demokratisierung Ruandas dar, auch wenn nicht alle Kriterien freier und fairer Wahlen erfüllt waren (Auswärtiges Amt, 2006).

(17)

2 Die Posttraumatische Belastungsstörung

2.1 Theorie

2.1.1 Diagnostische Kriterien der PTBS

Extrem belastende Ereignisse können häufig die individuelle Anpassungsfähigkeit der Betroffenen überfordern und zur Ausbildung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führen. Solche als traumatisch erlebten Ereignisse können Kriegseinsätze, Vergewal- tigungen, Geiselnahmen, körperliche Angriffe, Folter, Naturkatastrophen oder durch Menschen verursachte Katastrophen, schwere Unfälle oder die Diagnose einer lebens- bedrohlichen Krankheit sein. Das Ereignis selbst zu erleben ist für die Diagnose keine notwendige Voraussetzung. Auch das „bloße“ Beobachten, das Zeugensein eines trauma- tischen Ereignisses kann eine PTBS hervorrufen.

Nach der Konfrontation mit einem traumatischen Ereignis entwickeln einige Menschen eine PTBS. Eine PTBS ist eine extreme Reaktion auf eine sehr starke Belastung, die mit Angst, Vermeidung von traumaverbundenen Reizen und starken emotionalen Reaktionen verbunden ist. Die PTBS ist eine Angststörung, die durch das Vorhandensein eines eindeutigen ätiologischen Ereignisses gekennzeichnet ist. Die Traumaexposition ist folglich eine notwen- dige Voraussetzung für die Diagnose dieser Störung.

Die diagnostischen Kriterien der PTBS des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM-IV, APA, 1994) werden im Folgenden beschrieben.

Kriterium A1 beschreibt das traumatische Ereignis. Die Person wurde mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert (erlebt oder beobachtet), die tatsächlichen oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhalteten. Außerdem muss das Ereignis bei der Person Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen ausgelöst haben.

Kriterium A2 beschreibt die subjektive Reaktion auf das traumatische Ereignis. Der Betrof- fene muss auf den Stressor mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen reagiert haben.

Kriterium B beschreibt die Wiedererlebenssymptomatik. Das traumatische Ereignis wird in Form von belastenden, wiederkehrenden Erinnerungen, Alpträumen, Flashbacks, emotionalen bzw. physischen Reaktionen bei Konfrontation mit internalen/externalen Hinweisreizen

(18)

wiedererlebt. Das traumatische Ereignis muss auf mindestens eine dieser Art und Weisen wiederkehren.

Kriterium C bezieht sich auf die Vermeidung von Gedanken, Gefühlen, Gesprächen, Aktivi- täten, Orten oder Personen, die an das Ereignis erinnern sowie auf passive Vermeidung und Taubheitsgefühle. Dazu zählt die Unfähigkeit, einen wichtigen Aspekt des Traumas zu erinnern, Interessenverlust, ein Gefühl der Losgelöstheit, eingeschränkter Affekt und ein Gefühl der eingeschränkten Zukunft. Von diesen Vermeidungssymptomen müssen mindestens drei erfüllt sein.

Kriterium D beschreibt Symptome einer gesteigerten Erregung wie Schlaf- und Konzen- trationsschwierigkeiten, Reizbarkeit oder Wutausbrüche, übermäßige Wachsamkeit und übertriebene Schreckreaktionen. Die betroffene Person muss über mindestens zwei dieser Symptome berichten.

Kriterium E definiert den Zeitrahmen. Die Person muss an allen 3 Symptomgruppen gleichzeitig über eine Zeitspanne von länger als einem Monat leiden.

Kriterium F definiert Funktionsbeeinträchtigungen in verschiedenen Lebensbereichen. Die Symptome müssen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen Lebensbereichen verursachen.

Im DSM-IV wird zwischen der chronischen und der akuten PTBS unterschieden. Von einer akuten PTBS wird gesprochen, wenn die Kriterien A-F erfüllt sind, die Symptome aber weniger als 3 Monate auftreten. Bestehen die Symptome 3 Monate oder länger, liegt eine chronische PTBS vor.

2.1.2 PTBS bei Kindern und Jugendlichen

Manifestationen von Stressreaktionen

Nach van der Kolk (1987) sind traumatisierte Kinder im Vergleich zu Erwachsenen stärker davon betroffen, schwerwiegende Symptome einer PTBS zu entwickeln. Der Verlust von Sicherheit und des Urvertrauens – vor der Entwicklung eines kohäsiven Egos – behindern die emotionale Entwicklung und die Vertrauensbildung der Kinder. Kognitive Muster, die dem Erlebten einen Sinn geben könnten, sind noch nicht vollständig entwickelt. Auch sind sie noch nicht in der Lage, Bewältigungsstrategien gezielt und bewusst einzusetzen (van der Kolk, 1987).

(19)

Im Wesentlichen treten auch bei Kindern die bereits beschriebenen Symptomcluster der Intrusion, Vermeidung und Erregung auf. Allerdings kann sich die posttraumatische Symptomatik von jener der Erwachsenen unterscheiden, und es ist von einer großen Variation der Symptomausprägung auszugehen.

Unmittelbar nach einem traumatischen Ereignis können die Kinder sehr weinerlich und im Schockzustand sein. Sie brauchen Sicherheit und Schutz, und es ist von besonderer Wichtig- keit, sie baldmöglichst mit ihren Familien zusammenzubringen.

In den ersten Tagen kann es sein, dass die Kinder ihre Eltern nicht mehr aus dem Blick lassen wollen, nicht alleine in ihrem Bett schlafen wollen, und sie können reizbar und ärgerlich werden. Die meisten Kinder werden fast sofort mit repetitiven, intrusiven Gedanken geplagt.

Intrusionen können sich auch in Spielen zeigen, in denen immer wieder Themen oder Aspekte des Traumas ausgedrückt werden, stark beängstigende Träume ohne erkennbaren Inhalt oder eine Neuinszenierung des Traumas können auftreten. In den ersten Wochen sind Schlafstörungen häufig, Angst vor Dunkelheit und Alpträume. Wie Erwachsene berichten auch Kinder über eine Anzahl kognitiver Veränderungen wie Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisprobleme. Viele verlieren den Glauben an die Zukunft und entwickeln ein Gefühl, dass ihre Zukunft verkürzt ist (Yule, 2001). Nach Macksound, Dyregrov und Raundalen (1993) zeigen traumatisierte Kinder auch auf Verhaltensebene enorme Veränderungen, die nicht selten zu sozialer Isolierung führen: Sie werden aggressiver, passiver und fordernder.

Besonders sehr junge Kinder sind von Schlafstörungen wie Schlaflosigkeit, Alpträumen und Schlafsprechen betroffen (Macksound et al., 1993). Auch der Verlust von bereits erworbenen Fähigkeiten wie die Kontrolle über Ausscheidungsfunktionen werden hauptsächlich bei sehr kleinen Kindern beschrieben. Vor allem sehr junge Kinder werden ängstlich, anhänglich an die Eltern und empfinden Angst vor Trennung und vor Fremden. Derartige Trennungs- schwierigkeiten können sogar noch bei Jugendlichen auftreten.

Die traumatischen Reaktionen bei Jugendlichen unterscheiden sich in ihren Manifestationen nicht bedeutend von denen der Erwachsenen. Häufig verwenden sie unangepasste Bewältigungsstrategien wie selbstdestruktive Verhaltensweisen, um sich von der Angst abzulenken. Solche Verhaltensweisen beinhalten Schule schwänzen, Delinquenz, Drogen- missbrauch und frühzeitige sexuelle Aktivität (Macksound et al., 1993).

(20)

Nach Traumakonfrontation werden die grundlegenden Annahmen der Jugendlichen über ihr Leben, über sich selber und andere stark zerrüttet. Die Folge ist eine stark pessimistische Sichtweise ihrer Zukunft. Sie glauben an eine erneute Traumakonfrontation oder dass etwas Negatives in ihrem Leben passieren wird (Macksound et al., 1993).

Unterschätzung der Psychopathologie

Die Betroffenen erfahren einerseits einen Druck, über die Ereignisse zu sprechen, andererseits empfinden sie es als sehr schwierig, mit ihren Eltern oder anderen Erwachsenen über das Erlebte zu reden. Oft wollen sie ihre Eltern nicht beunruhigen, und somit sind sich die Eltern über das Ausmaß des Leidens ihrer Kinder nicht bewusst (Yule, 2001).

Auch werden die individuelle Psychopathologie und das Ausmaß des Schmerzes der Kinder häufig unterschätzt, da die Kinder nicht selbst nach ihren Symptomen gefragt werden, sondern man sich auf Berichte von Eltern und Lehrern verlässt. Daraus folgt eine geringe Übereinstimmungsrate zwischen Eltern und Kindern hinsichtlich des Vorhandenseins von Kinderpsychopathologie (Yule & Canterbury, 1994). Eine Anzahl von Studien belegen, dass Eltern und Bezugspersonen die Ernsthaftigkeit und Schwere mentaler Gesundheitsprobleme traumatisierter Kinder unterschätzen (Papageorgiou et al., 2000; Sack, Clarke & Seeley, 1996;

Sack et al., 1994; Servan-Schreiber, Lin & Birmaher, 1998; Smith, Perrin, Yule & Rabe- Hesketh, 2001). Auch Almqvist und Brandell-Forsberg (1997) konnten in ihrer Untersuchung mit Kindern zwischen 4 und 8 Jahren zeigen, dass die Eltern die PTBS-Symptomatik, besonders die Wiedererlebenssymptome ihrer Kinder, unterschätzen. Einige der befragten Eltern waren der Meinung, dass es das Beste für die Kinder sei, nicht über die schlimmen Erlebnisse zu sprechen in der Hoffnung, die Kinder könnten somit die schlimmen Erfahrungen vergessen.

Zu dem gleichen Ergebnis kommen Dyregrov, Gjestad und Raundalen (2002) in ihrer Studie irakischer, kriegstraumatisierter Kinder und Jugendlicher zwischen 6 und 18 Jahren. Sie stellten fest, dass die Mehrheit der Befragten nicht mit ihren Eltern über das Erlebte und die Gefühle gesprochen hatte. Die Erwachsenen scheinen den offenen Ausdruck von Gefühlen und Gedanken über die Kriegserlebnisse nicht angeregt zu haben. Stattdessen waren sie der Auffassung, die Kinder sollten alles vergessen, um somit das Erlebte hinter sich lassen zu können. Die Folge war, dass sich die Kinder mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer allein- gelassen fühlten.

(21)

Auch schon sehr junge Kinder sind in der Lage, detaillierte Auskunft über ein traumatisches Ereignis zu geben (Macksound et al., 1993). Wenn sie allerdings aufgrund fehlender oder ein- geschränkter Fähigkeiten nicht in der Lage sind, über das Erlebte verbal Auskunft zu geben, empfiehlt es sich, diagnostische Informationen durch Spielbeobachtungen und/oder durch Befragungen von Bezugspersonen (z.B. Kindergärtner/innen oder Eltern) zu erhalten. Wenn möglich sollte man sich jedoch nicht allein auf Informationen von Bezugspersonen verlassen.

Es gibt Hinweise darauf, dass Eltern mit ihren Kindern nicht über traumatische Ereignisse sprechen aus Angst, sich gegenseitig zu beunruhigen. Mutter und Kind bestärken sich somit gegenseitig, den Verarbeitungsprozess ihrer traumatischen Erinnerungen zu vermeiden. Dies wird in den relativ hohen Korrelationen der Vermeidungswerte von Müttern und ihren Kin- dern reflektiert und könnte mit ein Grund für die Persistenz der Symptome sein (Smith et al., 2001).

Dass Eltern und Lehrer die Verzweiflung und den Schmerz traumatisierter Kinder oftmals unterschätzen geht teilweise darauf zurück, dass viele Kinder den Eltern ihre Gefühle nicht zeigen aus Angst, sie zu verärgern, und teilweise ist der Grund in der Tatsache zu suchen, dass Erwachsene nicht wahrnehmen wollen, dass ihre Kinder betroffen sind. Auch berichten Kinder ihre posttraumatischen Symptome oft nicht, um das Wiedererleben zu vermeiden.

Daher sollte bei den Bewertungen der Schwerpunkt darauf liegen, direkt von den Kindern Informationen zu erhalten.

Alter

Von Pynoos, Steinberg und Goenjian (1996) stammt eine Theorie potentieller Traumaeffekte auf die kindliche Entwicklung, wonach ein Kind bei Konfrontation mit einem traumatischen Ereignis aus der normalen Entwicklungslaufbahn geworfen wird. Demnach werden besonders junge Kinder in ihrem Entwicklungsprozess behindert. Andererseits hängt die Einschätzung der Lebensbedrohung von der Entwicklungsreife eines Kindes ab (Pynoos & Nader, 1993).

Der Entwicklungsstand beeinflusst die Wahrnehmung der Bedrohung, die Bedeutung, die dem Ereignis zugeschrieben wird und die emotionalen und kognitiven Bewältigungsstrategien.

Nach Keppel-Benson und Ollendick (1993) übt die kognitive Entwicklung eines Kindes einen entscheidenden Einfluss auf die Interpretation des traumatischen Ereignisses und der damit verbundenen Traumareaktion aus. Demnach könnten sich jüngere Kinder weniger bewusst

(22)

sein über die realistische Bedrohung, die mit einer traumatischen Situation einhergeht. Die Entwicklung einer PTBS bei Kindern stehe in Verbindung mit ihrem Bewusstsein hinsichtlich möglicher ernster Konsequenzen eines Ereignisses. Manche Kinder werden nicht wahr- nehmen, dass ihr Leben in Gefahr ist und entwickeln womöglich keine ausgeprägten Stressreaktionen. Andere Kinder des gleichen chronologischen Alters sind kognitiv reifer und erkennen, dass ihr Leben bedroht ist und entwickeln somit eine PTBS. Ein Überblick über einige vorliegende Prävalenzstudien zur Psychopathologie bei Kindern unterschiedlichen Alters wird in Kapitel 2.1.3 gegeben.

Kinder, die noch nicht verstehen, was nach und während eines traumatischen Ereignisses um sie herum vorgeht und die Gefahr nicht einschätzen können, orientieren sich an den Reaktionen der Erwachsenen. Sie reflektieren häufig das Verhalten, die Einstellungen und den Angstlevel ihrer Eltern. Mit zunehmendem Alter und realistischerer Einschätzung der bedrohlichen Situation verlassen sie sich weniger auf die Reaktionen ihrer Eltern (Pynoos &

Nader, 1993).

Das familiäre Umfeld

Die Reaktionen der Eltern und Bezugspersonen auf das vom Kind erlittene Trauma haben einen wichtigen Einfluss auf die Stressreaktionen der Kinder (Macksound et al., 1993).

Das soziale Umfeld des Kindes kann eine wichtige Rolle spielen, ob das Kind seine Gefühle ausdrückt und die traumatischen Erinnerungen integrieren kann. Die Art der Familien- interaktion ist besonders bedeutend. Wenn die Eltern z.B. zum Ausdruck bringen, dass sie die Konfrontation mit der traumatischen Erinnerung nicht tolerieren (möglicherweise ausgedrückt durch Überbeschützung, Vermeidung oder Leugnung), kann dies die defensive posttrau- matische Reaktion des Kindes bestätigen und bestärken. Außerdem kann es sein, dass das Kind die Rolle des emotionalen Beschützers übernimmt („parenting the parents“), was mit einem Verlust des Gefühls einhergeht, dass die Eltern sich um das Kind kümmern. Dies kann eine reduzierte Verarbeitung des Erlebten zur Folge haben (Green et al., 1991, zitiert in Greenwald, 2001).

Wenn Eltern mit Vermeidung und Leugnung reagieren, kann sich das Kind missverstanden und abgelehnt fühlen. Eltern, die ihre Kinder entmutigen, über das Ereignis zu sprechen, angeblich weil sie verhindern wollen, dass sich die Kinder schlecht fühlen, verhindern somit eine Verarbeitung und Integration der Erinnerung. Indem sie die Nachricht vermitteln, dass

(23)

das Ereignis zu „furchtbar“ war, um darüber zu sprechen, kann es zu keiner Verbesserung des emotionalen Zustandes des Kindes kommen.

2.1.3 Epidemiologie der PTBS

2.1.3.1 Traumakonfrontation und Epidemiologie der PTBS in industrialisierten Ländern

Zahlreiche Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass die Konfrontation mit trauma- tischen Ereignissen häufig vorkommt.

Solomon und Johnson (2002) gehen davon aus, dass 89% aller Amerikaner in ihrem Leben mit mindestens einem traumatischen Erlebnis konfrontiert werden. Nach Kessler, Sonnega, Bromet, Hughes und Nelson (1995) haben Männer eine größere Wahrscheinlichkeit als Frauen, in ihrem Leben mit mindestens einem derartigen Ereignis konfrontiert zu werden (60,7% versus 51,2%). Auch Creamer, Burgess und McFarlane (2001) nennen mit 64,6% bei Männern und 49,5% bei Frauen vergleichbare Lebenszeitprävalenzraten der Traumakonfron- tation. Eine wesentlich geringere Lebenszeitprävalenz der Konfrontation mit traumatischen Ereignissen fanden Breslau, Davis, Andreski und Peterson (1991) mit 39,1%.

Bereits Kinder und Jugendliche werden relativ häufig mit potentiell traumatischen Ereig- nissen konfrontiert. Nach einer in den USA durchgeführten Studie von Costello, Erkanli, Fairbank und Angold (2002) haben 25% der Befragten bis zum 16. Lebensjahr mindestens ein traumatisches Ereignis schweren Ausmaßes und weitere 30% ein Ereignis geringeren Ausmaßes erlebt.

Eine in Deutschland durchgeführte Studie mit jungen deutschen Frauen (18-24 Jahren) kam zu dem Ergebnis, dass jede vierte Befragte (25,3%) in ihrem Leben bereits mit einem potentiell traumatischen Ereignis konfrontiert wurde (Maercker, Michael, Fehm, Becker &

Margraf, 2004).

Jedoch ist die Prävalenz der PTBS viel geringer, denn nicht alle Personen, die mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert werden, entwickeln eine PTBS. Der Anteil derer, die eine PTBS entwickeln, variiert stark in Abhängigkeit der untersuchten Stichprobe, der Art und Schwere der erlebten Ereignisse, der verwendeten Untersuchungsinstrumente und der diagnostischen Kriterien.

(24)

Nach Kessler et al. (1995) beträgt die Lebenszeitprävalenz der PTBS in der Allgemein- bevölkerung in den USA 7,8%. Sie ist bei Frauen mit 10,4% doppelt so hoch wie bei Männern mit 5%. Breslau et al. (1991) ermittelte in den USA eine Lebenszeitprävalenz der PTBS von 9,2%, und bei Friedman (2000) entwickeln 8% (5% der Männer und 10% der Frauen) aller Amerikaner im Laufe ihres Lebens eine PTBS.

Die PTBS-Punktprävalenz junger deutscher Frauen liegt bei 3,2% (Maercker et al., 2004).

Nach der Konfrontation mit einem traumatischen Ereignis steigt die PTBS-Prävalenz abhängig von der erlebten Traumaart. Je nach Art des Traumas und der Traumaschwere lassen sich unterschiedliche Prävalenzen feststellen: Z.B. fanden Kessler et al. (1995), dass 65% der Männer und 45,9% der Frauen, welche eine Vergewaltigung erlebten, eine PTBS entwickelten. Andere traumatische Ereignisse, die mit einer hohen PTBS-Prävalenz einher- gehen beinhalten Kampfeskonfrontation, Vernachlässigung und physischen Missbrauch in der Kindheit bei Männern (mit einer PTBS-Wahrscheinlichkeit von 38,8%, 23,9% und 22,3%) und sexuelle Belästigung, physischen Angriff, Bedrohung mit einer Waffe und physischen Missbrauch in der Kindheit bei Frauen (mit einer PTBS-Wahrscheinlichkeit von 26,5%, 21,3%, 32,6% und 48,5%) (Kessler et al., 1995).

Zur Prävalenz der PTBS bei Kindern gibt es wenige Untersuchungen. Die existierenden epidemiologischen Untersuchungen fokussieren sich auf Studien mit Kindern, die Risiko- gruppen angehören wie Kinder, die mit Kriegserlebnissen oder Naturkatastrophen konfron- tiert wurden. Prävalenzraten bei Kindern und Jugendlichen nach Kriegserlebnissen werden nachfolgend (2.1.3.2) dargestellt.

2.1.3.2 Epidemiologie der PTBS nach Konfrontation mit organisierter Gewalt

Die Konfrontation mit organisierter Gewalt führt zu besonders schwerwiegenden psychischen Folgen (Weisaeth & Eitinger, 1993). Beim Erleben derartiger Ereignisse werden die Vorstel- lungen des Opfers von Geborgenheit, das Bewusstsein des eigenen Selbstwertes und die Überzeugung, dass dem Leben und der Welt eine sinnvolle Ordnung zugrunde liegt, infrage gestellt oder sogar vernichtet (so genannte „shattered assumptions“, siehe Janoff-Bulman, 1985). Organisierte Gewalterlebnisse sind eine besonders traumatische Erfahrung, denn in den meisten Fällen wird der Schaden den Opfern mit eindeutiger Absicht zugefügt. Somit ist sie

(25)

verbunden mit Beleidigung und Verlust des Selbstwertgefühls der Opfer, was sie anfälliger macht für die Entwicklung einer PTBS, Angst und Depression. Außerdem ist die PTBS nach Kriegserlebnissen signifikant verbunden mit Hass und Rachegefühlen (Lopes Cardozo et al., 2003).

Bei Kindern hat die Konfrontation mit Kriegerlebnissen außerdem einen enormen Einfluss auf die moralische Entwicklung. Ihr Sinn für das, was moralisch „richtig“ und „falsch“ ist, wird in Frage gestellt. Gelernte Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs und der Gerechtigkeit treten außer Kraft und werden durch andere Regeln des Krieges ersetzt. Beispielsweise lernen sie, dass Plündern zu unterscheiden ist von Stehlen und dass das Töten aus politischen Gründen nicht mit Mord gleichgesetzt werden kann. Aufgrund der Auflösung moralischer Normen in Kriegszeiten werden diese Kinder allmählich davon überzeugt sein, dass gewisse Gewalthandlungen angemessen und tolerierbar sind (Macksound et al., 1993).

Epidemiologie der PTBS nach Kriegserlebnissen bei Erwachsenen

Der Charakter von Kriegen hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch geändert. Oftmals stehen sich nicht mehr 2 Armeen gegenüber, sondern zunehmend ist die gesamte Bevöl- kerung von den Auswirkungen betroffen. Die Opfer sind nicht mehr nur Soldaten, sondern vorwiegend Zivilisten. Der Anteil der betroffenen zivilen Opfer in Kriegen ist dramatisch gestiegen und liegt zwischen 5% und 90% (UN, 1996).

Nachfolgende Studien zeigen, dass die Konfrontation mit Kriegserlebnissen zu hohen PTBS- Prävalenzen führt.

De Jong et al. (2001) führten im Zeitraum von 1997-1999 eine epidemiologische Untersu- chung mit Erwachsenen aus vier verschiedenen Ländern durch, die mit organisierter Gewalt (Krieg, Konflikte oder Massengewalt) konfrontiert wurden. Die Lebenszeitprävalenzraten der PTBS waren 37,4% in Algerien, 28,4% in Kambodscha, 15,8% in Äthiopien und 17,8% in Gaza.

Ein Viertel (24,8%) der ruandischen Erwachsenen erfüllte 8 Jahre nach dem Genozid die Kriterien einer PTBS (Pham, Weinstein & Longman, 2004).

Ein Drittel der ruandischen Flüchtlinge (32%) bzw. fast die Hälfte der somalischen Flüchtlinge (48,1%) in Uganda erfüllte die PTBS-Diagnosekriterien (Onyut, 2005).

(26)

Koenen, Mager Stellman, Stellman und Sommer (2003) untersuchten US-Veteranen, die im Vietnamkrieg gedient hatten (Januar 1961-Mai 1975). Die PTBS-Prävalenz lag bei diesen Befragten im Jahre 1984 bei 11,8% und 1998 bei 10,5%.

Bei kriegsverwundeten Flüchtlingen aus neun verschiedenen Ländern wurden nach 8 Jahren im Exil in 50% der Fälle schwere PTBS-Reaktionen festgestellt (Hermansson, Timpka &

Thyberg, 2002).

Bei Kosovo-Albanern lag die PTBS-Rate im Jahre 1999 in der Allgemeinbevölkerung bei 17,1% (19,7% bei Frauen, 12% bei Männern) (Lopes Cardozo, Vergara, Agani & Gotway, 2000).

Marshall, Schell, Ellicott, Berthold und Chun (2005) konnten bei über der Hälfte untersuchter kambodschanischer Erwachsener, die in die USA immigriert waren, über 2 Jahrzehnte nach den Kriegserlebnissen eine PTBS-Diagnose (62%) feststellen (1-Jahres-Prävalenz).

Epidemiologie der PTBS nach Kriegserlebnissen bei Kindern

Kinder sind in zunehmendem Ausmaß Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen. Nach An- gaben von UNICEF (1995) wurden während der achtziger Jahre 2 Millionen Kinder im Krieg umgebracht, 4-5 Millionen wurden verkrüppelt, über eine Million sind zu Waisen geworden und 10 Millionen wurden psychisch traumatisiert.

Eine Anzahl von Studien hat die unmittelbaren und langfristigen Konfrontationseffekte von Kriegsgewalt bei Kindern und Jugendlichen untersucht. Tabelle 1 gibt einen Überblick einiger Untersuchungen posttraumatischer Stressreaktionen über verschiedene Nationalitäten hinweg.

Die Vergleichbarkeit der Studien ist beschränkt aufgrund variierender Zeitabstände seit Traumakonfrontation, unterschiedlicher Untersuchungsalter, abweichender Stichprobengrößen und der Verwendung verschiedener Instrumente. Zahlreiche Studien verwenden Instrumente, die keine PTBS-Diagnose erlauben. Hier wird anhand eines „cut-off“ Wertes eine Diagnose gestellt. Auch über die Auswahl der Stichprobe wird häufig keine Auskunft gegeben.

Zum Beispiel untersuchten Thabet und Vostanis (1999) die PTBS bei palästinensischen Kindern zwischen 6 und 11 Jahren, welche Kriegstraumata erlebt hatten und fanden, dass 72,8% über PTSB-Reaktionen von mindestens milder Intensität berichteten, während 41%

moderate bis schlimme PTBS-Reaktionen aufwiesen. In ihrer neueren Studie (Thabet, Abed &

Vostanis, 2004) fanden sie bei palästinensischen Kindern zwischen 9 und 15 Jahren bei 73,7%

(27)

posttraumatische Stressreaktionen von mindestens milder Intensität. Fast 24% berichteten über schlimme bis sehr starke posttraumatische Stressreaktionen.

Eine Reihe von Studien legen nahe, dass die psychologischen Folgen eines Krieges lang anhaltend sind.

Kinzie, Sack und Angell (1986) haben sich mit den Auswirkungen traumatischer Kriegs- erfahrungen auf Kinder und Jugendliche beschäftigt. Sie untersuchten kambodschanische Jugendliche ca. 4 Jahre nach Traumakonfrontation, die nach dem Fall des Terrorregimes von Pol Pot (1975-1979) in die USA immigriert waren. Diese Kinder waren im Alter von 6-12 Jahren potentiell traumatischen Ereignissen ausgesetzt (eingeschlossen Trennung von ihren Familien, Hunger, mussten häufig mit ansehen, wie Menschen ums Leben kamen...). 50% der untersuchten Jugendlichen, die im Durchschnitt 17 Jahre alt waren, wiesen die PTBS- Kriterien auf. Diese kriegstraumatisierten Kinder und Jugendlichen wurden über eine Zeitspanne von 12 Jahren untersucht, und es konnte eine bemerkenswerte Persistenz der PTBS-Diagnose festgestellt werden (Sack, Him & Dickason, 1999). 8 Jahre nach Traumakonfrontation lag die Punktprävalenz fast genauso hoch wie 4-5 Jahre nach den Erlebnissen (48% vs. 50%). Auch 11 bzw. 17 Jahre nach Kriegskonfrontation ist die PTBS- Prävalenz mit 38% bzw. 35% noch relativ hoch. Fast ein Fünftel (18%) der Jugendlichen entwickelte erst 5-8 Jahre nach Kriegskonfrontation eine PTBS. Die Autoren schlussfolgern:

„Clinicians need to be aware that the absence of PTSD following trauma at one point in time does not guarantee its future absence” (Sack et al., 1999, S. 1177).

Untersuchungen von Holocaust-Überlebenden von Trappler, Braunstein, Moskowitz und Friedman (2002) und Amir und Lev-Wiesel (2003) kamen zu dem Ergebnis, dass die so genannten „Holocaust-Kinder“ auch noch 50 bzw. 55 Jahre nach den Erlebnissen stark von posttraumatischen Stresssymptomen betroffen sind. Trappler et al. (2002) konnten sogar bei 74% der Überlebenden derartige Symptome feststellen.

Dass Kriegserfahrungen in der Kindheit lang anhaltende Auswirkungen haben, zeigten auch Teegen und Meister (2000). Sie untersuchten die PTBS von Erwachsenen, welche als damalige Jugendliche (Durchschnittsalter 15 Jahre) traumatische Erfahrungen als deutsche Flüchtlinge am Ende des Zweiten Weltkrieges erlebten. Sie schlussfolgern, dass 62% der Betroffenen 50 Jahre später an intrusiven Symptomen litten, bei 5% eine voll ausgeprägte PTBS und bei weiteren 25% eine partielle PTBS festgestellt wurde.

(28)

Tabelle 1. Kurz- und langfristige Auswirkungen organisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter

Autor Jahr

Untersuchungszeitpunkt

nach Traumaexposition Population N Alter Instrument

PTBS- Reaktionen Allwood et al. 2002 während bewaffneten

Konflikten

Bosnische Kinder 791 6-16 IES, CPTSD-RI 41% geschätzte Diagnose Dyregrov et al. 2000 13 Monate Ruandische Kinder 3030 8-19 RIES 79% geschätzte Diagnose Dyregrov et al. 2002 6 Monate

1 Jahr 2 Jahre

Irakische Kinder Irakische Kinder Irakische Kinder

94 94 94

6-18 6-18 6-18

IES IES IES

84% geschätzte Diagnose 88% geschätzte Diagnose 78% geschätzte Diagnose

Kinzie et al. 1986 4 Jahre Kambodschanische

Flüchtlingskinder in USA

40 14- 20

DIS 50% Diagnose

Kuterovac-Jagodić 2003 während Krieg 2,5 Jahre nach Krieg

Kroatische Kinder Kroatische Kinder

252 252

7-10 9-12

QPTSR-C QPTSR-C

84,1% moderate und schlimme 64,3% PTBS-Reaktionen Papageorgiou et al. 2000 4 Monate Bosnische Flüchtlings-

kinder in Griechenland

95 8-13 IES 28% geschätzte Diagnose

Schaal & Elbert 2006 10 Jahre Ruandische Waisen 68 13- 23

CIDI 44% Diagnose

(29)

Autor Jahr

Untersuchungszeitpunkt

nach Traumaexposition Population N Alter Instrument

PTBS- Reaktionen

Smith et al. 2001 2 Jahre Bosnische Kinder 339 9-14 RIES 58% geschätzte Diagnose

Smith et al. 2002 2 Jahre Bosnische Kinder 2976 9-14 RIES 52% geschätzte Diagnose

Teegen & Meister 2000 54 Jahre Deutsche Flüchtlinge des II. Weltkrieges

269 56- 86

PCL-C 5% Diagnose

25% Partielle PTBS Thabet & Vostanis 1999 keine Angabe Palästinensische Kinder 239 6-11 CPTSD-RI 41% geschätzte Diagnose

(moderate u. schlimme Reaktionen)

Thabet et al. 2004 Während bewaffneten Konflikten

Palästinensische Kinder v. Flüchtlingslagern

403 9-15 CPTSD-RI 24% geschätzte Diagnose (schlimme u. sehr schlimme Reaktionen) Sack et al. 1996 10-12 Jahre Kambodschanische

Flüchtlingsjugendliche in USA

170 M = 20

DICA 26,5% Diagnose

Sack et al. 1999 Ca. 17 Jahre Kambodschanische Flüchtlingsjugendliche in USA

31 M = 29

DICA 35% Diagnose

Anmerkung.

DICA: Diagnostic Instrument for Children and Adolescents (Welner, Reich, Herjanic, Jung & Amando, 1987) CIDI: Composite International Diagnostic Interview (World Health Organization, WHO, 1997)

CPTSD-RI: Revised Child Post-Traumatic Stress Reaction Index (Pynoos et al., 1987) IES: Impact of Event Scale (Horowitz, Wilner & Alvarez, 1979)

PCL-C: Post-traumatic Stress Disorder Checklist (Weathers, Litz, Huska & Keane, 1994)

QPTSR-C: Questionnaire for Examination of Posttraumatic Stress Reactions in Children (Kuterovac, Franc & Vizek-Vidović, 1993) RIES: Revised Impact of Event Scale (Dyregrov & Yule, 1995)

DIS: Diagnostic Interview Schedule (Robins & Helzer, 1994)

(30)

2.1.4 Bisherige Forschungen zur Situation in Ruanda

Seit dem Ende des Genozids wurden verschiedene Untersuchungen in Ruanda durchgeführt, um die Auswirkungen des Genozids zu erfassen.

Bolton (2001) untersuchte, wie die Überlebenden in Ruanda die mentalen Effekte des Genozids wahrnehmen und fragte 41 lokale Personen nach den Hauptproblemen, die durch den Genozid entstanden sind. Er kam zu dem Ergebnis, dass viele der berichteten mentalen und emotionalen Probleme die DSM-IV Diagnosekriterien für eine PTBS und Depression beinhalten. 18 frei aufgezählte Probleme wurden genannt, worunter die am häufigsten genannten folgende waren: Armut, Mangel an Essen, Verluste von Nahestehenden, Misstrauen in den nachbarschaftlichen Beziehungen, zu viele Witwen und Waisen, Eigentumsverluste (Land, Unterkunft...), physische Krankheit sowie mentales Trauma.

Mentales Trauma wurde von den befragten Ruandern wie folgt beschrieben: seinen Verstand verlieren, sich isoliert fühlen, sich fühlen, als würde man Suizid begehen, fehlende Liebe, Gefühl der Hoffnungslosigkeit, den Eindruck haben, dass das Leben nicht lebenswert sei, das Gefühl haben, als wäre man tot und der Gedanke, dass es besser wäre, tot zu sein. Auf die Frage, mit wem sie ihre emotionalen Probleme besprechen, gaben 58,5% an, dass sie mit niemandem über ihre Probleme sprechen würden.

Eine Studie von UNICEF in Zusammenarbeit mit dem Arbeits- und Sozialministerium von Ruanda im Jahre 1995 (zitiert in Ntete, 2000) lässt die Ernsthaftigkeit der psychosozialen Situation in der ruandischen Gesellschaft erkennen:

• 165 839 Witwen

• 45 000 Kinder sind von ihren Eltern getrennt

• 19 000 traumatisierte Personen

• 22 626 physisch behinderte Personen

• 1 191 Kinder leben in Gefängnissen

• 2 670 Kinder leben auf der Strasse

• 716 Frauen haben Kinder, die aus Vergewaltigungen entstanden sind

• 77 Waisenheime

Im Jahre 1999 waren zwischen 45 000 und 60 000 Haushalte in Ruanda unter der Führung einer Person unter 18 Jahren, bzw. 300 000 Betroffene lebten in kindergeführten Haushalten

(31)

(Child Headed Households, CHH4). Fast alle diese Haushalte (90%) sind unter der Führung einer Person ohne Einkommen (Organisation der Afrikanischen Einheit, OAE, 2000, zitiert in Gishoma, 2005).

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (2006) werden 34% aller Haushalte in Ruanda von Witwen und Waisen geführt.

Dyregrov et al. (2000) interviewten 3 030 Kinder zwischen 8 und 19 Jahren aus Ruanda über ihre Kriegserfahrungen und Reaktionen 13 Monate nach dem Genozid. Die Mehrheit dieser Kinder (90,3%) glaubte, dass sie sterben werden, die meisten (79,7%) mussten sich verstecken um zu überleben, und 16% mussten sich unter Leichen verstecken. 87,4% sahen Leichen oder Körperteile, 69,8% wurden Zeuge wie jemand verletzt oder getötet wurde, 52,5% wurden Zeuge eines Massakers, 12,7% sind physisch verletzt worden und 30,8% wurden vergewaltigt oder sexuell belästigt. Es wurden Jugendliche interviewt, welche im Waisenheim wohnen und Jugendliche, welche in Familiensettings (Eltern, anderen Verwandten oder Gastfamilien) le- ben. Beim Vergleich dieser beiden Gruppen zeigte sich, dass Kinder, die in Waisenheimen wohnen mehr traumatischen Ereignissen ausgesetzt waren, dass sie aber weniger post- traumatische Reaktionen aufwiesen. Kinder, die in Familiensettings wohnen, berichteten über signifikant mehr Intrusions- und Erregungssymptome als die Kinder in den Heimen. 79% der Kinder wiesen ein Jahr nach dem Genozid Symptome auf, die eine PTBS-Diagnose rechtfertigen würden.

Im Zeitraum Dezember 2003/Januar 2004 wurde retrospektiv untersucht, welche potentiell traumatischen Erlebnisse Kinder während des Genozids 1994 in Ruanda erfahren haben und inwiefern die nun Jugendlichen in Folge dieser Erlebnisse nach 10 Jahren an einer PTBS leiden (Schaal & Elbert, 2006). Hierzu wurden 68 ruandische Waisen zwischen 13 und 23 Jahren von CHH und einem Waisenheim befragt.Die Interviewten waren Vollwaisen, die ihre Eltern während des Genozids verloren haben. Neben dem Verlust der Eltern sind alle Jugendlichen mit potentiell traumatischen Ereignissen konfrontiert worden. Beispielsweise haben fast alle befragten Jugendlichen Leichen oder verstümmelte Personen gesehen (97,1%), wurden Zeuge wie eine Person ermordet wurde (76,5%) oder wie Personen in Massakern

4 Der Genozid löschte ganze Familien aus, und viele Kinder blieben zurück ohne einen überlebenden Erwachsenen in der Familie. Die Folge war, dass sich viele Kinder entschlossen, mit ihren Geschwistern zusammenzuleben (CHH). Das älteste Geschwisterteil wurde für seine jüngeren Geschwister zum Elternersatz.

(32)

umgebracht wurden (57,4%). Viele wurden Zeuge, wie ihre Mutter oder ihr Vater vor ihren Augen umgebracht wurde (41,2%). Fast alle Befragten glaubten, dass sie sterben werden (88,2%) und mussten sich verstecken, um zu überleben (91,2%). Über ein Drittel aller Jugendlichen hat sich unter Leichen versteckt (35,3%).

Alle Interviewten zeigten 10 Jahre nach dem Völkermord massive Einschränkungen der psychischen Gesundheit und wiesen posttraumatische Stresssymptome auf. Bei 44% konnte auf Grundlage des CIDI (WHO, 1997) die Diagnose der PTBS nach den Kriterien des DSM- IV gestellt werden.

Gishoma (2005) befragte 150 Kinder und Jugendliche bzw. junge Erwachsene zwischen 7 und 21 Jahren aus verschiedenen Provinzen Ruandas, die in CHH lebten 11 Jahre nach dem Geno- zid. Die Mehrheit (78,7%) der Befragten gab den Tod der Eltern als schlimmstes Erlebnis an, für 43,3% war es das Leben nach dem Tod der Eltern, für ein Viertel (25,3%) war es am allerschlimmsten, ohnmächtig dem Tod von Nahestehenden gegenüberstehen zu müssen, 12%

gaben extreme Gewaltszenen und 22% ein anderes Erlebnis als schlimmstes Vorkommnis an.

Zwei Drittel der Befragten (66%) litten zum Interviewzeitpunkt an depressiven Gedanken, ein Viertel (24,7%) an suizidalen Gedanken und jeder 10. Befragte (10%) wies einen Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch auf. 30% der Befragten erfüllten die PTBS-Diagnosekriterien nach dem DSM-IV. Das B-Kriterium war das am häufigsten erfüllte Kriterium (72,7%) gefolgt vom C-Kriterium (48%) und D-Kriterium (46,7%).

Eine vergleichbare PTBS-Prävalenz fand Rubyutsa (2000, zitiert in Gishoma, 2005) mit 32,8% bei Waisenkindern, die in Waisenheimen in Kigali leben.

Nyirazinyoye (2002, zitiert in Gishoma, 2005) konnte 8 Jahre nach dem Genozid bei fast der Hälfte (45,6%) aller befragten ruandischen Schüler (n = 384) aus Sekundarschulen eine PTBS-Diagnose feststellen.

Pham et al. (2004) interviewten 2 074 Erwachsene aus vier verschiedenen Kommunen (Ngoma, Mabanza, Buyoga, Mutura) im Jahre 2002 und identifizierten eine PTBS-Prävalenz von 24,8%. Die Prävalenz der PTBS-Symptome variierte stark nach Region (12,2% in Buyoga und 33,8% in Ngoma). Bei Betrachtung der einzelnen Symptomgruppen hatten 56,8%

mindestens ein Intrusionssymptom, 43,2% drei Vermeidungssymptome und 25,7% erfüllten mindestens z Symptome einer erhöhten Erregung.

(33)

Bolton, Neugebauer und Ndogoni (2002) untersuchten die Prävalenz der Major Depression bei Ruandern 5 Jahre nach dem Genozid und kamen zu dem Schluss, dass ein signifikanter Anteil dieser Population an einer ernsten Depression leidet: Bei 15,5% der Personen wurde auf Grundlage des DSM-IV eine Depression festgestellt.

Auch sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen stellen ein Problem in der ruandischen Gesellschaft dar. Das Nationale Traumazentrum in Ruanda postuliert in seinem Bericht von 1997 (zitiert in Musonera, 1999), dass 80% der Personen, die zur Beratung kommen Frauen sind, von denen 50% vergewaltigt wurden und die Mehrheit dieser Frauen unter 25 Jahre ist.

Hagengimana, Hinton, Bird, Pollack und Pitman (2003) kamen in ihrer Untersuchung ruandischer Witwen zu dem Schluss, dass Panikstörungen eine verbreitete Reaktion auf die Ereignisse des Genozids sind: 35% der Gesamtstichprobe litten in den letzten 4 Wochen vor Interviewdurchführung an einer Panikstörung.

Geltman und Stover (1997) führten im Zeitraum August 1994 bis Februar 1996 Interviews in Ruanda und Nord-Ost-Zaire durch, um das Ausmaß des Genozids und seine Auswirkungen auf Kinder zu bewerten. Hierzu wurden Kinder, Ärzte, Mitglieder der ruandischen Regierung sowie Repräsentanten verschiedener Hilfsorganisationen befragt. Sie schlussfolgerten, dass viele ruandische Kinder unvorstellbaren und in einigen Fällen auch irreparablen physischen und psychologischen Schaden erlitten haben und weisen auf die Wichtigkeit der Aus- und Versöhnung hin. Diese müsste allerdings bald erfolgen, bevor die künftige Generation ihren Ärger und Hass ausspielt. Die begangenen Taten dürften nicht verschwiegen werden sondern müssten öffentlich missbilligt werden. Durch die Betonung individueller Schuld würden Gerichtsverfahren den Begriff der kollektiven Schuld für den Genozid verdrängen und demonstrieren, dass diese Verbrechen nicht unbestraft begangen werden können.

2.2 Fragestellungen und Hypothesen

In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, welche Art von traumatischen Ereignissen Jugendliche und junge Erwachsene, welche zum Zeitpunkt des Genozids in Ruanda 1994

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

In einer 40-seitigen Broschüre sind die Kurse von August bis Dezember zusammengefasst: Neben den regelmäßigen Angeboten wie Führungen, Kunst aus dem Koffer oder Kindergeburtstag

Alter: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Zeit: 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr (Montag bis Freitag) Kosten: 380,00 Euro Betreuungskosten für. Kinder

Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre alt, mit oder ohne Hauptschulabschluss Wohnsitz in Frankfurt. 12 Dreijährig, Beginn August, Nachbe-

Während sich die Status vor Teilnahmebeginn zwischen jungen Frauen und jungen Männern kaum unterscheiden 11 , zeigen sich in Abhängigkeit vom Alter der Befragten

Es gibt für alle einen Fahrdienst für den Hinweg und für den Rückweg?.

Jesus sagt zu den Menschen: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein.. Wenn es aber stirbt, bringt es reiche

Wohnstätte der Lebenshilfe Pirckheimerstraße 2-4 Herzogenaurach 30,00 € für Mitglieder 35,00 € für Nichtmitglieder 15,00 € Eigenanteil bei!. Abrechnung mit der Pflegekasse

Mitzubringen: Bundstifte, Lineal, Schere, Malblock Kosten: 2€ (Bezuschussung durch die Gemeinde Nohfelden, FairTrade Town Nohfelden).. Veranstalter: FairTrade