Wenn wir über Langzeitpflege sprechen:
Im Mittelpunkt steht der pflegebedürftige Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen.
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf eine an seinem
persönlichen Bedarf ausgerichtete, gesundheitsfördernde und qualifizierte Pflege, Betreuung und Behandlung (Die Pflege-Charta)
https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94456/4b96ce5d14fbe21a9201d1682c3c8ef4/pflege-charta-plakat-data.pdf
EU-Gesundheitspolitik mit ver.di sozial gestalten!
Haushalt mit pflegebedürftigen Menschen, ambulante Versorgung
Pflegestatistik 2019: Vier von fünf (80 % bzw. 3,3 Millionen) Pflegebedürftigen wurden zu Hause versorgt. Davon erhielten 2 120 000 Pflegebedürftige ausschließlich
Pflegegeld, das bedeutet, sie wurden in der Regel zu Hause „allein“ durch Angehörige gepflegt.
Familienbasiertes Pflegesystem, in der Regel wird die Pflege von Frauen übernommen (Berufstätigkeit, räumliche Distanz, tägliche Unterstützung nicht mehr immer
gewährleistet)
Ausgangspunkt ist die unterfinanzierte, nicht bedarfsdeckende
Pflegeteilleistungsversicherung, fehlende ambulante Strukturen, hohe Fachkräftebedarfe
Teilfinanzierung durch Leistungsanspruch aus der Pflegeversicherung – Pflegegeld § 64a Abs. 1:
„… die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld sicherzustellen.
Mit dem Pflegegeld wird der oder die Leistungsberechtigte vor allem in die Lage versetzt, seinen bzw. ihren Pflege- und Unterstützungsbedarf durch
ehrenamtliche Hilfen, insbesondere durch nahestehende Personen, mittels kleiner Geldzahlungen oder Geschenken sicher zu stellen. Es ist aber auch möglich, das Pflegegeld zur Finanzierung professioneller Hilfen durch einen Pflegedienst zu verwenden.
Quelle: https://www.berlin.de/sen/soziales/themen/berliner-sozialrecht/kategorie/rundschreiben/2015_09_m01-572035.php
Eine im Auftrag der HBS in 2015/16 durchgeführte repräsentative Befragung mit dem Titel „Zwischen Kosten, Zeit und Anspruch“ von Pflegehaushalten ergab:
Jeder zehnte Pflegehaushalt beschäftigt eine im Haushalt lebende osteuropäische Hilfskraft – vor allem in Haushalten mit höheren Einkommen sowie bei schwerer Pflegebedürftigkeit (höherer Pflegegeldbezug).
Dass die Live-ins im Durchschnitt jede Woche 69 Stunden lang mit Tätigkeiten der Pflege, Hauswirtschaft, Betreuung und Aufsicht beschäftigt sind (Hielscher u.a. 2017, 60).
Hielscher u.a. 2017: „Die Daten zu der zeitlichen Beanspruchung der im Haushalt lebenden Hilfskräfte für Pflege und Betreuung weisen auf massive Konflikte mit den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes hin.“
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Charakteristika der (Live-In) Tätigkeit „Rund-um-sorglos-Paket“?
Es handelt sich vorrangig um Arbeitskräfte aus Osteuropa (Frauenanteil ca. 90 Prozent), die sich aufgrund des sozialen Gefälles in Europa auf dem Arbeitsmarkt Privathaushalt wiederfinden (2. Quartalsbericht, Minijobzentrale 2018, 8)
In der Regel keine definierten Qualifikationsanforderungen, Sprachkenntnisse, fehlende Anleitung für die Tätigkeit
Zeitlich befristete Tätigkeiten, Leben im Haushalt mit pflegebedürftigen Menschen und begleiten diese häufig bis zum Tod
Atypische Arbeitsverhältnisse, die nicht mit dem deutschen Arbeitsrecht vereinbar sind Pflegebedürftiger Mensch kann die Rolle als Arbeitgeber/in nicht ausfüllen
Folgen für den pflegebedürftigen Menschen:
Aufgrund in der Regel fehlender Qualifikationen keine gesicherte pflegerische Versorgung (Pflegequalität)
Gesundheitliche Gefahren durch Pflegefehler
Zum Teil Notwendigkeit der Übernahme der Rolle als Arbeitgeber*in
Im Gegensatz zu Zulassungsvoraussetzungen ambulanter Pflegedienste (ständige Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft) zur Erbringung von Leistungen (Inanspruchnahme Pflegesachmittel) bedarf es bei der Verwendung des Pflegegelds keinen Nachweis über die Leistungserbringung bei den sog. 24-Stunden-Hilfen.
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Folgen für die beschäftigten „Live-Ins“ häufig auf Grundlage „persönlicher Vereinbarungen“:
Vielfach nicht sichergestellt:
Anwendung der gesetzlichen deutschen Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen Abführung Beiträge in die sozialen Sicherungssysteme (Heimatland)
Unfallversicherungsschutz, Arbeits- und Gesundheitsschutz Rechts- und Versicherungsschutz im Schadensfall
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Juni 2021 die Klage einer bulgarischen
Beschäftigten, die als sogenannte 24-Stunden-Kraft in Privathaushalten pflegebedürftiger Menschen gearbeitet hat, an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zugleich stellten die
obersten Arbeitsrichter klar, dass die deutschen Gesetze wie der Mindestlohn auch auf diese Arbeitsverhältnisse und auf jede Arbeitsstunde angewendet werden müssen (5 AZR
Und wenn es sich um „legale“ Beschäftigte handeln soll…
Ihre Aufgabe kann bei fehlender Qualifikationsanforderung nur die Unterstützung im Alltag sein, zu festgelegten Arbeitszeiten und in keinem Fall rund um die Uhr! Eine Betreuung durch eine einzelne Person rund um die Uhr ist generell unrealistisch.
Pflegerische Leistungen sind qualifizierten Pflegekräften zu überlassen. Den Zugang zu hauswirtschaftlicher Unterstützung gilt es zu verbessern, hier müssen steuerfinanzierte Anreize ausgebaut werden.
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Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will mit den geplanten Zuschüssen für Haushaltshilfen Schwarzarbeit in Deutschlands Privathaushalten spürbar
eindämmen. Zunächst sollen Familien, Alleinerziehende und pflegende Angehörige bei der Beschäftigung einer Haushaltshilfe 40 Prozent der Kosten vom Staat
bezuschusst bekommen. „Wir rechnen mit einem Aufwand von 400 Millionen Euro im Jahr in der Anfangsstufe“, sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
In den kommenden Jahren solle das System Schritt für Schritt ausgebaut und für andere Haushalte geöffnet werden, so Heil. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) drang darauf, dass Haushalte mit schmalem Budget nicht leer ausgehen. DGB-
Vorstandsmitglied Anja Piel sagte der dpa, es müsse sichergestellt werden, „dass die Förderung Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen erreicht, die sich legal beschäftigte Haushaltshilfen ohne Zuschuss nicht leisten können“.
https://www.weser-kurier.de/wirtschaft/hubertus-heil-will-haushaltshilfen-aus-der-schwarzarbeit-holen-doc7j8fqfiowypsfayfiij
Unsere Forderungen
Ziel muss ebenso die Professionalisierung haushaltsnaher Dienstleistungen als legale Erwerbsarbeit sein
Kontrollierbare und einklagbare Arbeitsschutzstandards müssen für alle Beschäftigten grundsätzlich gleichermaßen gelten
Der Deutsche Gewerkschaftsbund spricht sich in diesem Zusammenhang für das
sogenannte Zuschussmodell aus, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart und in die Nationale Gleichstellungsstrategie aufgenommen wurde. Mit ihm kann ein funktionierendes
Gesamtsystem der gewerblich organisierten Sorgearbeit aufgebaut, ergänzt und nachhaltig weiterentwickelt werden
Es ist denkbar, dass einige diese beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten in der Pflege oder in der Hauswirtschaft annehmen und für den deutschen
Arbeitsmarkt gewonnen werden können.
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Unsere pflegepolitischen Forderungen
Ambulante und stationäre Versorgungs- und Beratungsstrukturen massiv ausbauen Gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen - Tarifverträge
Ausstattung mit qualifizierten Personal – Personal finden und in der Tätigkeit halten
Solidarische Finanzierung für Gesundheit und Pflege – Weiterentwicklung zur Pflegevollversicherung
www.gesundheitspolitik.verdi.de 14
Dietmar Erdmeier
Bereich Gesundheitswesen/Gesundheitspolitik ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Paula-Thiede-Ufer 10
10179 Berlin Tel. 030 6956 1815
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