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Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht

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In Zusammenarbeit mit der Neuen Juristischen Wochenschrift herausgegeben von:

Prof. Dr. Martin Ahrens, Göttingen – Prof. Dr. Georg Crezelius, München – Michael Dahl, Rechtsanwalt, Köln –Michael Drasdo, Rechtsanwalt, Neuss –Dr. Gero Fischer, Vors. Richter am BGH a. D., Freiburg – Dr. Hans Gerhard Ganter, Vors. Richter am BGH a. D., Weil der Stadt – Prof. Dr. Markus Gehrlein, Richter am BGH, Karlsruhe – Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Gottwald, Regensburg – Prof. Dr. Ulrich Haas, Zürich – Prof. Ulrich Keller, Dipl.-Rpfl., Berlin – Dr. Rolf Leithaus, Rechtsanwalt, Köln – Ilse Lohmann, Richterin am BGH, Karlsruhe – Prof. Dr. Stephan Madaus, Halle – Dr. Jörg Nerlich, Rechtsanwalt, Köln – Irmtraut Pape, Vors. Richterin am LG, Göttingen – Dr. Rainer Riggert, Rechtsanwalt, Achern – Ulrich Schmerbach, Richter am AG, Göttingen – Dr. Heinrich Schoppmeyer, Richter am BGH, Karlsruhe – Christopher Seagon, Rechtsanwalt, Heidelberg –Werner Sternal, Vors. Richter am OLG, Köln – Prof.Dr. Dr. h. c. Rolf Stürner, Freiburg i. Br. – Prof.Dr. Wilhelm Uhlenbruck, Köln – Prof.Dr. Heinz Vallender, Köln – Ralf Zuleger, Rechtsanwalt, München

Schriftleitung: RechtsanwaltDr. Rolf Leithaus, CMS Hasche Sigle, Kranhaus 1, Im Zollhafen 18, 50678 Köln

NZI

12 2020

Seite 497–544 23. Jahrgang 5. Juni 2020

Beiträge

RiAG Frank Frind*

Fehler bei der insolvenzrechtlichen Schuldnerberatung natürlicher Personen

Jeder insolvenzrechtlichen Situation sollte eine Beratung des jeweiligen Schuldners vorausgehen. Im Verbraucherinsol- venzverfahren ist diese sogar obligatorisch (§ 305 I Nr. 1 InsO). In Anbetracht der „Corona-Pandemie“ und der Rechtsfolgen des COVInsAG ist eine Krisenberatung noch wichtiger geworden. Aus Sicht des insolvenzgerichtlichen Rechtsanwenders „rächt“ sich eine fehlerhafte Beratung in verschiedenen Verfahrenssituationen, denn im Insolvenzver- fahren produziert sie neben Reibungs- und Zeitverlusten häufig auch Vermögensschäden. Der Beitrag zeigt dies an- hand von Praxisbeispielen mit vielen Rechtsprechungsbezü- gen auf.

I. Situation und Stellenwert der Schuldnerberatung Die insolvenzrechtliche Beratung von Schuldnern findet in Deutschland einerseits durch die länderspezifisch unter- schiedlich finanzierten1 und zugelassenen Schuldnerbera- tungsstellen statt (die meistens nur Verbraucher beraten [dürfen]), andererseits durch Rechtsanwälte. Sofern der Schuldner sich an seinen Steuerberater wendet, entsteht bereits das erste Problem: Darf dieser überhaupt insolvenz- rechtlich beraten und gegebenenfalls gegenüber dem Insol- venzgericht vertreten? Es könnte ein Konflikt mit§§3, 5 I RDG (iVm §4 InsO, §§79, 157 ZPO) bestehen, denn insolvenzrechtliche Beratung gehört nicht als Nebenleistung zum Haupttätigkeits- und Berufsfeld.2 Im Verbraucher- bereich erlaubt§305 IV InsO die Vertretung im Insolvenz- verfahren für „geeignete Personen“ und durch Angehörige zugelassener Schuldnerberatungsstellen. In diesem Bereich mag durch die Landesausführungsgesetze unterschiedlich geregelt sein, ob Steuerberater in dem Verbraucherverfahren auftreten dürfen, und auch die Bescheinigung nach§305 I

Nr. 1 InsO kann er – sofern im Landesausführungsgesetz die Berufsgruppe nicht iSv des exklusiven Erlaubnistat- bestands nach§8 I Nr. 3 RDG (die Norm gilt nur für die Bescheinigung!) genannt ist – nicht ausstellen,3da die Tätig- keit iSd RDG unerlaubt und die Ergebnisse damit nichtig (§134 BGB) sind.4 Im Regelinsolvenzverfahren kann ein Steuerberater nicht vertreten.5 Die Vollmacht nichtanwalt- licher Vertreter ist auch gem.§88 II ZPO von Amts wegen zu prüfen.6 Der nicht geeignete Vertreter oder nicht zulas- sungsfähige Vertreter kann von Gericht gem. §4 InsO,

§79 III ZPO per Beschluss aus dem Verfahren gewiesen werden.

Der Schuldner, der dem Regelinsolvenzverfahren unterfällt, muss meist die Beratung selbst bezahlen. Prozesskostenhilfe für die Antragstellung wird regelhaft nicht gewährt,7da der

* Der Autor ist Richter amAG Hamburg– Insolvenzgericht – und Mit- glied des Vorstandes des Bundesarbeitskreises Insolvenzgerichte (BA- Kinso) e. V.

1 Überblick beiReinBAG-SB Informationen 2/2013, 116 (122 ff.);Rein/

HerzogZVI 2014, 81 (86); zur neuen gesetzlichen Lage in Bayern HofmeisterZVI 2018, 461.

2 Uhlenbruck/Sternal, InsO, 15. Aufl. 2019,§305 Rn. 61.

3 Krit.WeßlingZInsO 2019, 2511; die Ausführungsgesetze der Länder zu§305 I Nr. 1 InsO definieren „geeignete Personen“ nur teilweise (Uhlenbruck/Sternal,§305 Rn. 47 bis 59) und führen zT Steuerberater und Notare auf (FK-InsO/Grote/Lackmann, 9. Aufl. 2017, §305 Rn. 21), aber ohne sich mit der Frage der Reichweite des RDG zu befassen.

4 Uhlenbruck/Sternal,§305 Rn. 61.

5 Das Gesetz zur Änderung des PKH- und Beratungshilferechts (BT-Drs.

17/11472 idF der Beschlüsse des Rechtsausschusses BT-Drs. 17/13538) erlaubt nunmehr auch eine Beratungshilfe für Steuerberater und Wirt- schaftsprüfer nur im „Umfange ihrer jeweiligen Befugnis zur Rechts- beratung“ (§3 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 Beratungshilfegesetz). Zu den Hin- weis- und Warnpflichten bei der Beratung vgl.PapeNZI 2020, 260.

6 HmbKomm-InsR/Linker, 7. Aufl. 2020,§13 Rn. 6.

7 BGHNZI 2007, 418.

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Schuldner mithilfe der gerichtlichen Fürsorge seine Belange sachgerecht wahrnehmen kann;8auch Sprachschwierigkeiten oder Behinderung rechtfertigen in der Regel keine Beiord- nung, da die Beiziehung eines Dolmetschers oder von Hilfs- personen genügen soll.9 Die Anwaltsbeiordnung nach

§4 a II 1 InsO wird aus gleichem Grund regelhaft abge- lehnt.10 In Ländern mit Beratungshilfegesetzen wird zuwei- len Beratungshilfe gewährt,11teilweise mit Verweis auf vor- handene Schuldnerberatungsstellen wiederum abgelehnt12 (was nicht gelten kann, wenn diese keine Regelinsolvenz- schuldner beraten).13

Die Schuldnerberatungsstellen sind je nach Bundesland un- terschiedlich finanziert (teilweise mit Fallpauschalen) und meist unterfinanziert.14 Eine geeignete Stelle kann ihre Fi- nanzierung, die „auf Dauer“ angelegt sein muss, nicht auf die monatlichen Beiträge von Schuldnern stützen.15 Eine bessere Finanzierung, insbesondere zur Wahrnehmung der Aufgabenerweiterung nach§305 IV InsO, wird immer wie- der zu Recht angemahnt.16 Die Wartezeit bis zum ersten Beratungstermin übersteigt häufig die gesetzliche „Nachbes- serungsfrist“ des §305 III InsO deutlich, weshalb dann Notfallsprechstunden für die im Eröffnungsverfahren be- findlichen Schuldner eingerichtet werden müssen.17Im Zuge der Corona-Pandemie hatten die Schuldnerberatungsstellen flächendeckend geschlossen und boten nur telefonische Notdienste an. Dieses Vorgehen ist nicht recht nachvollzieh- bar, weil gerade in dieser Krisenzeit persönliche Beratung notwendig erscheint und selbst Supermärkte geöffnet hat- ten. Im Bereich des außergerichtlichen Schuldenberei- nigungsversuches sind allerdings durchaus Erfolge zu ver- zeichnen.18 Die Leitung der Beratungsstelle durch einen Volljuristen ist in den meisten Länderausführungsgesetzen obligatorisch.

II. Fehler bei der Beratung und insolvenzrechtliche Fol- gen

Beratungsfehler bei der Schuldnerberatung sind nicht der

„Regelfall“, kommen aber, wie die nachfolgend dargelegte Rechtsprechung und Aufsatzliteratur zeigen, durchaus vor.

Nicht alle Fälle gelangen überhaupt zur Kenntnis der Insol- venzgerichte. Einige Fallgestaltungen werden häufig erst im eröffneten Verfahren (meist durch aufmerksame Insolvenz- verwalter bzw. deren Mitarbeiter) entdeckt. Die insolvenz- rechtlichen Folgen sind dann teilweise irreparabel (zB die Eröffnung in der falschen Verfahrensart (dazu unten II 3).19 Die Qualität der institutionellen Schuldnerberatung muss im flächendeckenden Durchschnitt als engagiert und gut bewertet werden. Ein Ärgernis für die Insolvenzgerichte (und eine wirkliche Gefährdung für die Schuldner) stellen allerdings diejenigen Rechtsanwälte dar, die entweder „bei Gelegenheit“ einmal im Insolvenzrecht beratend tätig wer- den (die durch diese Gruppe eingereichten Anträge erfahren durchweg häufiger mehrere Bemängelungen) oder die den Bereich der Schuldnerberatung nutzen wollen, um ohne gro- ßen Aufwand Gebühren zu verdienen. Hier ist es Aufgabe der Insolvenzgerichte, durch aufmerksame amtswegige Überprüfung der Anträge (oder der eingereichten weiteren Unterlagen) die „Spreu vom Weizen zu trennen“ (s. insb.

II 4) und der Insolvenzverwalter die Masse später mit der Rückholung der Gebühren wegen Schlechtberatung anzurei- chern.

1. Beratung durch nicht geeignete Stelle/Person

a) Nicht geeignete Stelle. Eine nicht iSv §305 I Nr. 1 aE InsO durch Landesausführungsgesetz anerkannte Stelle ist

zur Schuldnerberatung nicht geeignet.20Die Anerkennung in einem Bundesland bewirkt nicht automatisch die Tätigkeits- erlaubnis in einem anderen, sofern diese Annextätigkeit nicht im jeweiligen Land im Ausführungsgesetz geregelt ist.21

„Stelle“ meint dabei die jeweilige lokale Organisationsstruk- tur, die geeignet sein muss.22

Zuweilen erleben die Insolvenzgerichte nach wie vor, dass so genannte „graue Schuldnerbratungsstellen“ tätig geworden sind. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die Beratungs- tätigkeit vollständig durch deren Angestellte vorgenommen wird, nur die Bescheinigung nach §305 I Nr. 1 InsO wird von einem Rechtsanwalt unterzeichnet. Diese Personen ha- ben in der Regel den zu beratenden Schuldner nie gesehen und werden als „Stempelanwalt“ bezeichnet.23Die „grauen Beratungsstellen“ werben mit Annoncen und Anzeigen in Presse und Internet und verlangen häufig überzogene „Ge- bühren“, zuweilen nehmen sie von den Schuldnern sogar monatliche Akonto-Ratenzahlungen entgegen, die sie vor- geben, unter deren Gläubiger zu verteilen, die aber zum großen Teil dann – nach meist erst eingeklagter Abrechnung – „für Verwaltungsgebühren draufgegangen“ sind.

b)Nicht geeignete Person.Weitere Varianten der Nichteig- nung sind die Einzelperson, die behauptet, geeignete „Stelle“

zu sein und zuweilen auch der im Ausland residierende

8 LG Mannheim NZI 2010, 866; so auch AG Memmingen lt. LG MemmingenNZI 2019, 932.

9 Vgl.LissnerZVI 2012, 441 (447) mwN.

10 AG MannheimZVI 2004, 489;LG BonnZVI 2009, 444 = BeckRS 2009, 25214 (in kompl. Verfahren mit Bewährungsauflagen und Plan- absicht);AG Darmstadt, Beschl. v. 27.10.2009 – 9 IK 188/09, BeckRS 2010, 03864 m. Anm. Beier VIA 2010, 24: Bei Freigabeabsicht des Treuhänders im IK-Verfahren für Wohnungseigentum; abl. die über- wiegende RechtsprechungLG BremenNZI 2002, 675;LG Oldenburg ZVI 2002, 324; Überblick u. Zusf. beiWinterZVI 2005, 346 (353).

11 AG SchwerteNZI 2004, 680;BVerfGNZI 2007, 119; zum Umfang WinterZVI 2008, 200.

12 AG Emmerich, ZVI 2006, 296 = LSK 2006, 330426;AG Lüdenscheid, ZVI 2006, 297 = LSK 2006, 330428;AG MannheimZInsO 2011, 348

= BeckRS 2011, 1009;AG DarmstadtNZI 2012, 974 = ZInsO 2012, 2261 (2262) mwN; ausf. Lissner ZInsO 2017, 371 (373) mwN;

Beicht/Schmitz-WinnenthalZVI 2006, 265. Dies gelte auch, wenn dort uU langjährige Wartezeiten bestünden (AG DarmstadtZVI 2013, 100

= BeckRS 2012, 23624).

13 WinterZVI 2011, 397; so auchLissnerZInsO 2012, 104.

14 Vgl. hierzu und zur Arbeitsweise der SchuldnerberatungenHomann, Praxis und Recht der Schuldnerberatung, 2009;Stephan ZVI 2011, 117;Blome/RichterZVI 2011, 123;HofmeisterZVI 2011, 133;Müller ZVI 2011, 145.

15 OVG Berlin-Brandenburg ZVI 2009, 490 = BeckRS 2009, 35849;

HomannZVI 2009, 477.

16 ReinNZI 4/2014, V; Hergenröder/Homann ZVI 2013, 129 (134);

FrindZInsO 2009, 1135 (1138);ReinNZI 12/2011, V;AhrensNZI 2011, 425 (426);ReinINDAT-Report 4/2014, 30. DasBSGhat die Grundlagen der Finanzierung der Schuldnerberatung für Erwerbstätige in Frage gestellt (BSGDZWiR 2010, 495 = BeckRS 2010, 71380).

17 Das Statistische Bundesamt hat mit PM Nr. 201 v. 14.6.2017 eine durchschnittliche Wartezeit für Schuldner vor Beginn einer Schuldner- beratung von zehn Wochen mitgeteilt.

18 Das Statistische Bundesamt hat mit PM Nr. 188 v. 29.5.2018 Zahlen zum Abschluss der 260.000 Beratungsfälle der deutschen Schuldnerbe- ratungsstellen vorgestellt. Nach diesen Zahlen kommt es in 20 Prozent der Fälle zu einer außergerichtlichen Einigung, was ein ordentlicher Erfolg für die Beratungsstellen ist.

19 BGHNZI 2015, 390.

20 Es wird bezweifelt, ob diese Ausführungsgesetze gegen unseriöse An- bieter ausreichend Schutz bieten (RichterZVI 2009, 325; s. zum neuen rheinland-pfälzischen Ausführungsgesetz ab 2009HomannZVI 2009, 359).

21 OVG NRWNZI 2019, 948.

22 Für die Eignung zur Schuldnerberatung kommt es maßgeblich auf die Befähigung der in der örtlichen Organisationsstruktur tätigen Personen und nicht auf die Befähigung des dahinter stehenden (Rechts-)Trägers an. (OVG NRWNZI 2019, 948 Rn. 15).

23 Zu so einem FallBGHNJW 2009, 3242;LG KölnZInsO 2016, 2003

= BeckRS 2016, 17842 – sie „stempeln“ nur die Beratungsbescheini- gung.

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Schuldnerberater.24 Wie ausgeführt (s. oben I) erhalten Schuldner für rechtsanwaltliche Beratung häufig weder PKH noch Beiordnung, weshalb einzelne Anwälte sich als „geeig- nete Person“ öffentlich finanziert zulassen lassen wollten.

Ein Berufsbild des Schuldnerberaters existiert gesetzlich kon- turiert und reguliert eigentlich nicht,25weshalb hier Einfalls- tore für minderqualifizierte Personen bestehen. Zuweilen versuchen auch Rechtsanwälte, sich im Bereich der Schuld- nerberatung eine finanzielle Zukunft zu eröffnen, ohne an wirklicher Schuldnerberatung interessiert zu sein.26 Auch Volljuristen und Fachanwälte für Insolvenzrecht können zur Anerkennung für die entgeltliche und öffentlich finanzierte Schuldnerberatung mit der Auflage nur zugelassen werden, wenn eine zusätzliche Beratungsausbildung mit Zusatzquali- fikation „Schuldnerberatung“ absolviert wurde.27Diese An- forderung ist nicht ermessensfehlerhaft.

c) Ungültige Beratungstätigkeit und Folgen. Die ungültige Bescheinigung der nicht zugelassenen Stelle führt zur Nach- besserungsauflage des Insolvenzgerichtes nach §305 III InsO. Binnen der gesetzlichen Monatsfrist (die, da es sich um eine gesetzliche Frist handelt, nicht verlängerbar ist,§4 InsO,

§224 II ZPO, was selbst bei Rechtsanwälten immer wieder unbekannt zu sein scheint28) ist in der Regel keine Neubera- tung und Absolvierung des vorgerichtlichen Schuldenberei- nigungsversuches (der komplett zu wiederholen ist!29) mög- lich, so dass der Antrag entweder gleich zurückgenommen werden sollte oder der Rücknahmefiktion anheimfällt.

Kommt es schließlich zu einem zulässigen Insolvenzantrag, ist nunmehr seitens des Insolvenzgerichts ein Sachverständi- ger zu bestellen, um bereits zur Meidung einer unnötigen Verfahrenskostenstundung zu ermitteln, ob bei der irregulä- ren Schuldnerberatung schuldnerseitig gezahlte Gelder zu- rückgefordert werden können (dazu unter III). Das Insol- venzeröffnungsgutachten sollte bei Anzeichen für fehlerhafte Beratung immer auch die Rückforderungsfragen von geleis- teten Zahlungen mit betrachten.

d)Geeignete Stelle und Beratungsmängel.Sofern Insolvenz- gerichte fortgesetzte Mängel der Tätigkeit zugelassener Schuldnerberatungsstellen feststellen (zB die nachfolgend ge- nannten), müssen sie diese der zuständigen Landesaufsichts- behörde melden. Dies gilt auch bei Kenntnissen, die die wirt- schaftliche Zuverlässigkeit betreffen.30Der Weg zum Entzug der Zulassung kann langwierig sein (und erfordert eine ge- naue Nennung der betreffenden Verfahren). Auch maßgeb- liche Veränderungen innerhalb der anerkannten Stelle, zB Änderungen bei Leitung und Vorstand wie auch Adress- und Filialänderungen, sind mitzuteilen. Grundlagenstatistiken und Tätigkeitsberichte sind geschuldet, ansonsten ist die An- erkennung zu widerrufen.31

2. Fälschliche Beratung hin zu einem Insolvenzverfah- ren

Diese Problematik kommt in zwei Varianten vor:

a)Insolvenzverfahren für Schuldner ungeeignet.Eine Falsch- beratung kann dann gegeben sein, wenn der Schuldner nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens und zu den auf den Einzelfall bezogenen kostengünstigeren Möglichkeiten bera- ten wird, zB ist die Zwangsversteigerung bei nur einem Gläubiger, der gesichert ist, und einem Sicherungsobjekt

„Hausgrundstück“ kostengünstiger.32 Regelhaft zu prüfen ist auch, ob der Insolvenzantrag durch Unterstützung aus dem Familienkreis abgewendet werden kann.33Ähnlich gela- gert sind Fälle, in denen eine Insolvenzplanoption nicht ge- prüft und beraten wird, der Unterschied zwischen Schulden-

bereinigungsplan und Insolvenzplanverfahren nicht bespro- chen wird34 oder der Unterschied zwischen dem gericht- lichen Schuldenbereinigungsplanverfahren und dem eröffneten Insolvenzverfahren nicht erläutert wird.35 In die- sen Fallgestaltungen findet eine „Optionsvariantenverkür- zung“ zulasten des Schuldners durch Beratungsmängel statt.

b) Insolvenzverfahren für Schuldner nicht erfolgreich im Sinne von Restschuldbefreiung.Durchaus häufiger stellt sich bei geringen Verschuldungssummen heraus, dass Schuldner nicht über die zu erwartende Höhe der Verfahrenskosten und Verfahrenskostennachhaftungsphase nach §4 b InsO innerhalb von 48 Monaten nach Erteilung der Restschuldbe- freiung unterrichtet worden sind. Bei einem Verbraucherin- solvenzverfahren ist durchschnittlich mit Verfahrenskosten zwischen 1.800 und 2.000 Euro zu rechnen,36 falls keine Massegenerierung möglich ist. Schuldner mit Verschul- dungssummen37 in diesem Bereich tauschen durch das Ver- fahren ihre Gläubiger nur gegen den Fiskus aus.38Nach der- zeitigem Rechtsstand wird auf die Gesamtverfahrensdauer von zehn Jahren (§§287 InsO, 4 b InsO,§120 a I 4 ZPO) eine wirkliche Restschuldbefreiung nicht stattfinden (das Verfahren „lohnt“ sich dann nur für Schuldner mit zusätz- lich ungewissem Gläubigerbestand). Die Versuche der Recht- sprechung, über das Merkmal „Rechtsschutzbedürfnis“ die- se Antragstellungen als unsinnig abzulehnen, waren aber nicht erfolgreich.39

Dennoch bleibt es dabei, dass es sich um eine ungenügende Schuldnerberatung handelt, wenn die Schuldner erst im er- öffneten Verfahren vom Verwalter bzw. dessen Mitarbeitern den Inhalt der Norm des§4 b InsO erfahren. Innerhalb der verschiedenen insolvenzrechtlichen Verfahrensalternativen, die zu einer Restschuldbefreiung führen,40hat der Schuldner- berater den Schuldner umfassend aufzuklären, welches die für den jeweiligen Einzelfall Bestgeeignete ist.41

24 Zur Unzulässigkeit einer Tätigkeit eines niederländischen Schuldnerbe- raters wg. Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz BGH NJW 2007, 596; aber ausländischen gewerblichen Anbietern soll vor dem Hintergrund der EU-Dienstleistungsrichtlinie ein Tätigwerden im In- land nicht verboten werden können (HolzerZVI 2011, 237).

25 Zum BerufsbildHergenröder/HomannZVI 2011, 128.

26 Krit.Rein, ZVI 2015, 445 m. Verw. aufLSG Niedersachsen-Bremen ZVI 2015, 453 = BeckRS 2015, 68996; bestätigt durchBSGNJW 2017, 973.

27 BSGNJW 2017, 973; zust.ReinNJW-Spezial 2017, 213 mit der Über- legung, ob hier in der Anwaltskanzlei überhaupt ein fachlich abge- grenzter „Dienst“ iSv§17I 1 SGB II angeboten wird.

28 In der Tat gilt es unter Insolvenzrichtern als „running gag“, dass hier immer wieder „Fristverlängerung“ beantragt wird.

29 Der Schuldenbereinigungsversuch ist entgegen dem RDG durch eine nicht zugelassene Stelle und damit nichtig versucht worden.

30 Der Geeignetheit einer Schuldnerberatungsstelle stehen Steuerschulden entgegen, vgl.VGH KasselZVI 2009, 288 = BeckRS 2009, 139531.

31 VG München NZI 2019, 815 = ZInsO 2019, 2022 (2026); zust.

SchmerbachNZI 2019, 817.

32 Instruktiv der FallOLG BrandenburgNZI 2020, 71 (Verurteilung zu Schadenersatz iHv über 13.000 Euro!); zust.HenningInsbürO 2020, 92, der darauf verweist, dass die Haftung auch bei unentgeltlicher Beratung gegeben ist und solche Fälle gar nicht selten auftreten in denen eine weniger belastende Schuldenbereinigung zu prüfen ist. Er rät zum Abschluss einer Vermögensschadenshaftpflicht.

33 SchmerbachNZI 2020, 74 (75).

34 LarocheVIA 2014, 81 (84).

35 LG BonnZInsO 2016, 1913 = BeckRS 2016, 19691.

36 BT-Drs. 16/7416, 25.

37 Im IK-Verfahren kommen in der Tat solche niedrigen Verschuldungs- summen zuweilen vor.

38 FrindZInsO 2003, 341 (343);A. SchmidtZVI 2005, 621.

39 AG DresdenZVI 2005, 384 = BeckRS 2010, 72698 (980 Euro Schul- den), aufgehoben durch aALG Dresden ZVI 2005, 553 = BeckRS 2011, 9919 unter Hinw. auf§4 b InsO (Erlass der Gerichtskosten nach 48 Monaten;LG GöttingenNZI 2006, 603).

40 Überblick bei Frind, Praxis-HdB. Privatinsolvenz, 2. Aufl. 2017, Rn. 205a.

41 SiebertZInsO 2016, 2408.

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3. Fälschliche Beratung betreffend der richtigen Verfah- rensart

Die Fälle diese Gruppe befassen sich regelhaft mit Falsch- anwendung oder Nichtberücksichtigung von§304 InsO. Die

„Weichenstellungsregelung“ des §304 InsO, die regelt, wann ein Schuldner in das Sonderverfahren der Verbrauche- rinsolvenz einzugruppieren ist, wird seit Jahren von der Pra- xis als so wenig sinnvoll wie dem Schuldnerklientel schlecht vermittelbar bewertet42und gerade bei Gläubigerantrag führt die Norm zunächst zu einem gerichtlichen „Blindflug“ zur Verfahrensart.43 Zu Recht wird die Abschaffung der Norm gefordert,44 zumal die Verfahrensarten sich seit der Reform zum 1.7.2014 weitgehend angeglichen haben. Es sind aber eben noch Unterschiede vorhanden: im Verbraucherverfah- ren geringere Verwaltervergütung (§13 InsVV) und die Möglichkeit des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanver- fahrens (§§306 ff. InsO). Hauptproblem ist und bleibt die gesetzliche Notwendigkeit, den Verbraucherinsolvenzantrag mittels obligatorischer Vorberatung und Einigungsversuch einzuleiten und auf einem verordnungsmäßig festgelegten Antragsvordruck (§305 InsO iVm der VerbrInsFV).

Der im Regelinsolvenzverfahren wegen fehlerhafter Beratung zunächst „beginnende“ Schuldner kann seinen Antrag nach Hinweis auf die falsche Verfahrensart nach dem notwendigen formlosen Überleitungsantrag45im Grunde nur noch zurück- nehmen, da er innerhalb der Frist des§305 III InsO keine Scheiternsbescheinigung (§305 I Nr. 1 InsO) und Vorbera- tung mehr wird erlangen können, da die Wartezeiten bei den kostenfreien/kostenbegrenzten Beratungsstellen länger als vier Wochen sind und die Gläubiger auch noch angeschrie- ben werden müssten. Selbst beim Gang zum Rechtsanwalt (der dann kostenpflichtig wäre) ist die Frist in der Regel nicht einzuhalten. Häufig erfuhren ehemals Selbstständige, die falsch beraten worden waren, erst durch Hinweis des Ge- richts,46 dass sie unter das Verbraucherinsolvenzverfahren fielen und mussten dann ihren Antrag zunächst wegen ob- ligatorischer Absolvierung des außergerichtlichen Schulden- bereinigungsversuches mit Folgekosten zurücknehmen. Zu- weilen trafen die Insolvenzgerichte auch auf „Manipulations- versuche“47 aus Kostengründen (geringere Vergütung nach InsVV im Verbraucherverfahren!) seitens ehemals Selbststän- diger, um sich noch in das Verbraucherverfahren umzude- finieren, indem „vergessen“ wurde, Gläubiger aufzuführen.

Letzteres provozierte unnötige Versagungsanträge, die dann gem.§290 I Nr. 6 InsO unproblematisch erfolgreich waren, und/oder bei vorheriger gerichtlicher Kenntnis von dann er- folgenden Stundungsablehnungen.

Es gehört zu den Pflichten der Beratungsstelle oder des Rechtsanwalts, den Schuldner (sinnvollerweise bereits) beim Erstgespräch nach derzeitiger oder ehemaliger selbstständi- ger Tätigkeit genau zu befragen (häufig halten Schuldner langjährig zurückliegende Selbstständigkeit mit keinen da- raus resultierenden Verbindlichkeiten für irrelevant), um so- dann gegebenenfalls die Anzahl der Gläubiger und/oder For- derungen aus Arbeitsverhältnissen zu ermitteln. Die Kennt- nis beider Verfahrensarten (und der recht ausführlichen Ka- suistik, gerade bei geringfügiger Selbstständigkeit48) ist zur anwaltlichen Beratung also zwingend notwendig: Ein Rechtsanwalt handelt pflichtwidrig, wenn er dem Schuldner das Regelinsolvenzverfahren als einzig mögliche Verfahrens- art darstellt, obwohl auch ein Verbraucherinsolvenzverfah- ren in Betracht kommt.49

Mit Eröffnung ist die Verfahrensart verbindlich festgelegt,50 auch wenn sich später herausstellt, dass die diese unrichtig

ist. Die möglichen schadensrelevanten Einbußen können bei Antragstellung in der falschen Verfahrensart ganz unter- schiedlich sein: Die vergeblich aufgewandten Gerichtsgebüh- ren (falls Antragsrücknahme und neuer Antrag wegen der Rücknahmefiktion notwendig ist), die unnötig höhere Ver- waltervergütung, der Verlust der Möglichkeit eines gericht- lichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens, etc. Begehrt ein Schuldner von seinem Rechtsanwalt Schadenersatz wegen des Ratschlags zu einem Regelinsolvenzverfahren, weil er in dessen Folge den Verlust von Vermögensgegenständen be- klagt, die er meint, zur gleichmäßigen Befriedigung und au- ßergerichtlichen Einigung mit seinen Gläubigern hätte ein- setzen zu können, muss er aber beweisen, dass er sich mit allen Gläubigern außergerichtlich hätte einigen können.51 4. Unrichtige Handhabung der Insolvenzantragsvor- bereitung

Unter diese Fallgruppe gehören einige sehr praxisrelevante unterschiedliche Fallgestaltungen:

a) Erteilung der „Scheiternsbescheinigung“ nach §305 I Nr. 1 InsO ohne (ausreichende) persönliche Beratung. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hatte im Zuge der Beratungen zur letzten Reform der Privatinsolvenz zum 1.7.2014 eine Neufassung des §305 I Nr. 1 InsO vor- geschlagen, die mit der Pflicht zur „persönlichen Beratung“

und „eingehenden Prüfung der Vermögensverhältnisse des Schuldners“ erstmals Standards für eine ordnungsgemäße Beratung setzte.52In der Folgezeit war die Aufregung in der Fachwelt groß, als die Insolvenzgerichte begannen, diese An- forderung auch umzusetzen und bei Anhaltspunkten für eine nicht dementsprechende Beratung (zB große Entfernung der Beratungskanzlei zum Schuldnerwohnort53) die hinter der

42 VallenderNZI 16/2012, V.

43 Uhlenbruck/Sternal,§304 Rn. 35, 36.

44 Vallender/LarocheVIA 2012, 9;VallenderNZI 16/2012, V; krit. auch Uhlenbruck/Sternal, §304 Rn. 1;Henning inAhrens/Gehrlein/Ring- stmeier, InsolvenzR, 3. Aufl. 2017,§304 Rn. 2;FrindZInsO 2020, 764 (766).

45 FK-InsO/Kothe/Busch, 9. Aufl.,§304 Rn. 53; BüttnerZInsO 2011, 2201 (2211);AG LeipzigZInsO 2011, 2241 = BeckRS 2011, 27322;

FrindZInsO 2011, 412 (413). DerBGHstatuiert eine strenge Abgren- zung der VerfahrensartenBGHNZI 2013, 540.

46 Anhaltspunkte für die falsche Verfahrensart ergeben sich häufig aus den Unterlagen, insb. dem Gläubigerverzeichnis. Im Verbraucherver- fahren aus dem Ankreuzen der Rubrik „ehemals selbständig“ im Vor- druck unter Anlage 1, Feld 12. Erstaunlicherweise zeigt häufiger ein Blick dann in das Gläubigerverzeichnis, dass mehr als 19 Gläubiger vorhanden sind. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Überprüfung der Verfahrensart der Amtsermittlung unterfällt (FK-InsO/Kothe/

Busch,§304 Rn. 51;Uhlenbruck/Sternal,§304 Rn. 35).

47 DazuKraus/BankZInsO 2015, 2197 (2199).

48 FK-InsO/Kothe/Busch,§304 Rn. 22 ff.

49 OLG NaumburgNJW-RR 2012, 247: Verlust der Altersvorsorge im Regelinsolvenzverfahren durch Rechtsstreit über Versicherungspolicen und Zur-Masse-Ziehung des Verwalters, im Verbraucherverfahren wä- re es dazu nach Ansicht desOLGnicht gekommen und die Kosten für den Verwalter wären geringer gewesen. DerBGHhat die Entscheidung aufgehoben (BGH NZI 2011, 202), weil ein Verbraucherverfahren doch nicht in Betracht gekommen wäre, hat aber an der grundsätzli- chen Weichenstellung desOLG, dass ein – hier zumindest teilweiser – Schadenersatzanspruch möglich sei bei falscher Bewertung zur Verfah- rensart, nicht gerüttelt.

50 BGHNZI 2008, 382 Rn. 16; NZI 2011, 410 Rn. 8; NZI 2013, 54;

NZI 2016, 694.

51 OLG NaumburgNJW-RR 2012, 247.

52 BT-Drs. 17/13535, 29.

53 LG DüsseldorfBeschl. v. 21.9.2016 – 25 T 744/16, BeckRS 2016, 119264 (vorliegend nahm das Insolvenzgericht die Distanz zwischen dem Wohnsitz der Schuldnerin in C. und der Kanzleiadresse der Rechtsanwältin B. in D. zum Anlass, konkrete Angaben zu dem Ge- spräch einzufordern, um sichergehen zu können, dass eine persönliche Beratung im Sinne der Vorschrift stattgefunden hat);AG Göttingen ZInsO 2017, 296 = BeckRS 2017, 100547;AG KölnNZI 2015, 863 = ZInsO 2015, 1932 (1934); LG KölnNZI 2016, 171;AG Kaisers- lauternZInsO 2016, 244 = BeckRS 2016, 2549 (150 km Entfernung).

(5)

Bescheinigung stehende Beratungsweise zu prüfen und gege- benenfalls den Antrag als unzulässig abzuweisen. Dies ent- sprach dem Zweck der Gesetzesveränderung, künftig bessere und belastbarerer Anträge, insbesondere Gläubigerlisten und Vermögensangaben des Schuldners, aber auch mehr Vorwis- sen des Schuldners zum Ablauf des Verfahrens, zu möglichen

„Versagungsfallen“ und zu seinen verwertbaren Vermögens- gegenständen sicherstellen zu wollen.54

Die gegenteilige Ansicht,55 es genüge gegebenenfalls, die

„Aufsichtsbehörden“ von falschen Bescheinigungen zu un- terrichten56oder die vollkommen unsachliche Kritik, Insol- venzrichter würden Beschäftigungstherapie betreiben,57 hat dann in der Folgezeit in der Rechtsprechung keine Gefolg- schaft gefunden.58

Nachdem die „Stempelanwälte“ (s. zum Begriff unter Teil I59) und „graue Schuldnerberatungsstellen“ spätestens durch Aufdeckung einiger signifikanter Fälle der organisierten Nicht-/oder Schlechtberatung von Schuldnern „aufgeflogen“

waren, ist die Kritik an der Prüfung der Bescheinigung (bei ersichtlichen Anhaltspunkten wohlgemerkt) verstummt: So ist der im Bereich desAG Düsseldorfspielende Fall, bei dem ein Schuldner als Fahrer eines LKW während der Fahrt über Skype beraten worden sein soll, während der Laptop auf dem Beifahrersitz stand, erinnerlich.60 Oder der im Bereich des LG Bonn spielende Fall, in dem der Schuldner später eine Beratungsrechnung über 4.410,14 Euro erhielt.61 In ei- nem weiteren Fall wurde der Schuldenbereinigungsplan mit dem Schuldner gar nicht besprochen.62

Durch die Überprüfungspraxis ist der Ruf nach qualitäts- voller Schuldnerberatung gestärkt63 und die „Ablehnungs- phalanx“ von wenigen Wenigen, die ersichtlich gesetzwid- rige Bescheinigungen nicht anhalten wollten, faktisch zusam- mengebrochen – wenn auch zu befürchten steht, dass bei vielen kleineren Insolvenzgerichten und/oder mit wechseln- dem Richterpersonal besetzten Abteilungen die „Stempel- anwälte“ noch (ungewollte oder unbeabsichtigte) Chancen haben. Jedenfalls sind durch die Rechtsprechung sämtliche Umgehungsvarianten einer Pflicht zu persönlichen Beratung (per Mail,64Telefon, Mitarbeiterdelegation, Überlassung der Gläubigeranschreiben und Fristenkontrolle an den Schuld- ner,65 etc. ) weitgehend „erledigt“ worden.66Bedauerlicher- weise hatten die Schuldnerberatungsstellen in der Pandemie- Krise flächendeckend geschlossen und verweigerten sich ei- ner direkten persönlichen Beratung. Hier mag dann zuweilen das Telefon ausreichen, wird aber selten genügen. Aufgabe der Insolvenzverwalter ist es, nach Eröffnung des gegebenen- falls zweiten Verfahrens(sofern eine Abweisung im Erstver- fahren wegen mangelhafter Bescheinigung erfolgte), die von Schuldner gezahlten Beratungskosten wieder zurückzuholen.

Dafür muss die Bescheinigung nicht gerichtlicherseits an- gehalten worden sein, denn eine mangelhafte Beratung liegt auch dann vor, wenn das Gericht den Mangel nicht erkannt hat. Gegebenenfalls kann der Mangel der eingehenden per- sönlichen Beratung sich in Folgeszenarien auch noch fortset- zen und in Schaden umschlagen (s. 4 b und c).

b)Mangelhafte Beratung über die Möglichkeiten der Erzie- lung einer Restschuldbefreiung bei möglicher Drittzahlung.

Durchaus häufiger vermögen Schuldner aus dem Verwand- ten- und Freundeskreis Drittzahlungen zur Abfindung der Gläubiger einzuwerben (im Verbraucherverfahren wird dies bereits beim außer- und gerichtlichen Schuldenbereinigungs- planverfahren angeboten werden können, diese Verfahren führen aber zu keiner Restschuldbefreiung und bieten sich daher bei unklarem Gläubigerbestand nicht an). Eine Bera- tung der Schuldner über die unterschiedlichen vergütungs-

rechtlichen Folgen und Anforderungen der „Quotenvari- ante“ nach §300 I 2 Nr. 2 InsO und einem möglichen Insolvenzplan mit Drittzahlung ist dann notwendig. Der In- solvenzplan sollte nicht wegen des vermeintlich höheren Aufwands gescheut werden;67 er bietet sich zumindest an, wenn ersichtlich keine Anmeldung von Forderungen nach

§302 InsO und/oder RSB-Versagungsanträge zu erwarten sind.68 Denn der Insolvenzplan bietet vergütungstechnisch deutlich Vorteile und kann schneller sein, als drei Jahre bis zur Quotenvariante nach§300 I Nr. 2 InsO zu warten,69da bei der Quotenverkürzungsvariante der Drittzahlungsbetrag die Vergütungsberechnungsgrundlage des Insolvenzverwal- ters erhöht, wohingegen dies beim Planverfahren gem.§1 II Nr. 5 InsVV nicht der Fall ist.70

Im Rahmen eines vorzubereitenden Insolvenzplanverfahrens treten dann weitere Beratungsmängel hinzu, die sich häufig aus der mangelnden Berater- (zuweilen auch Verwalter-)Fä- higkeit zur Vorlage eines belastbaren Insolvenzplans er- geben.71 Insbesondere bei Drittzahlungen fehlt häufig eine Sicherstellung des Drittzahlungsbetrags (eine Bescheinigung gem. §230 III InsO genügt nicht!).72 So sind in der Recht- sprechung durchaus Fälle bekannt geworden, in denen eine

„garantierte“ Drittleistung später überhaupt nicht zur Ver- fügung stand.73Weiterhin gehört eine belastbare und eindeu- tig formulierte „Nachzügler-Klausel“74zum Standardreper- toire. Begehrt der Berater eine zusätzliche Gebühr für die Erstellung eines Insolvenzplans, ist diese nur geschuldet, wenn der Plan die gerichtliche Vorprüfung anstandslos

54 AG KölnNZI 2015, 863;AG DüsseldorfZInsO 2015, 1753 = BeckRS 2015, 15417;FrindZInsO 2017, 1079;SchmerbachNZI 2015, 866 mit Hinw. auf die Gesetzesbegründung, die die Eignung einer qualifi- zierten Beratung betont; MüKoInsO/Vuia, 4. Aufl.,§305 Rn. 98;Sie- bert VIA 2015, 56; BAKinso e. V., Entschliessung v. 21.11.2014, ZInsO 2014, 2565.

55 Zipperer ZVI 2015, 363; Eberhardt ZInsO 2016, 1704; Ludwig ZInsO 2017, 863.

56 HenningInsbürO 2015, 408.

57 A. SchmidtZVI 2017, 129.

58 LG AachenZInsO 2017, 786 = BeckRS 2016, 117111; LG Köln ZInsO 2016, 288 = BeckRS 2016, 2200; NZI 2016, 171;AG Göttin- genNZI 2017, 113;AG OldenburgZVI 2017, 268 = BeckRS 2017, 116987.

59 S. auch MüKoInsO/Vuia,§304 Rn. 42 aE.

60 LG DüsseldorfZInsO 2017, 615 = BeckRS 2017, 104737.

61 LG BonnZInsO 2016, 1913 = BeckRS 2016, 19691.

62 AG OldenburgZVI 2017, 268 = BeckRS 2017, 116987.

63 LackmannVIA 2018, 1.

64 AG KaiserslauternZInsO 2016, 244 = BeckRS 2016, 2549.

65 AG HamburgZInsO 2016, 1026 = BeckRS 2016, 9399.

66 LackmannVIA 2018, 1;ZerhusenZVI 2017, 331, 332 mwN;Dahl/

Taras, NJW-Spezial 2016, 277; MüKoInsO/Vuia,§304 Rn. 24, 34, 42 mwN; s. oben den „Ruf“ vonMöhringZVI 2020, 117, per zugelas- sener Rechtsbeschwerde „endlich“ denBGHranzulassen.

67 Skeptisch für das Verbraucherverfahren Lissner ZInsO 2014, 2480 (2484);Stephan VIA 2014, 25;Allemand/Dobiey/Henning INDAT- Report 4/2014, 28: Nur, wenn „lohnenswerte Umstände vorliegen“, sollte Plan in Erwägung gezogen werden.

68 FrindZInsO 2014, 280.

69 Das Gericht hat keine Hinweispflicht auf die Verkürzungsmöglichkei- ten (BGHNZI 2019, 934 Rn. 27, 29;FrindZInsO 2017, 814 [816];

GroteInsbürO 2014, 47 [52]).

70 HergenröderKTS 2013, 385 (413);HarderNJW-Spezial 2014, 277;

Grote/PapeZInsO 2013, 1433; Grote/PapeInsbürO 2014, 47. Der RefE des BMJV v. 13.2.2020 sieht deshalb zugunsten der noch laufen- den Verfahren eine künftige gesetzliche Erstreckung dieser Vorschrift auf die Quotenvariante vor.

71 FrindInsbürO 2019, 402;FrindWM 2018, 1920; FrindBB 2014, 2179; Stahlschmidt ZInsO 2018, 494; Martini/Horstkotte ZInsO 2017, 1913; einen Praxisfall mit vielen Fehlermöglichkeiten zeigtWie- denhauptInsbürO 2018, 295.

72 BGHNZI 2017, 753 beim „Meckerfonds“;LG HamburgNZI 2016, 34; abl. jüngst zur SicherstellungWeßlingZInsO 2020, 714, der aber die Gefahr des Eingehungsbetrugs zugesteht.

73 Vgl.LG HeilbronnZInsO 2018, 1873 = BeckRS 2017, 150750.

74 Ausf. hierzuFrindZInsO 2019, 598.

(6)

(rechtsmittelfest) übersteht (oder kostenfrei entsprechend nachgebessert wird).

c)Mangelhafte Ausfüllung der Antragsunterlagen – Verursa- chung eines RSB-Versagungsanlasses.Sowohl im Regel- als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren soll die Schuldner- beratung sich auf eine Unterstützung bei der Ausfüllung (sofern gesetzlicher Antragsbogen gem. VerbrInsFV) bzw.

bei der Erstellung des Eigenantrags (im Regelverfahren gibt es keinen Vordruck, da §13 IV InsO nicht umgesetzt ist) erstrecken. Im Verbraucherinsolvenzverfahren führt dies so- gar gem.§13 InsVV zu einer Vergütungsminderung für den Insolvenzverwalter. Hier sind leider immer wieder Verstöße gegen die Verpflichtung zur umfassenden und vollständigen Darlegung des Vermögens und der Gläubiger bzw. des For- derungsbestands zu beobachten. In Betracht kommt dann der Versagungsgrund des§290 I Nr. 6 InsO oder, nach der nach wie vor fortgeltenden Vorwirkungsrechtsprechung bei unzweifelhaftem, bereits zur Kenntnis des Gerichts vorlie- genden diesbezüglichen Fehlern, die Stundungsablehnung oder -aufhebung (§§4 a, 4 c InsO). Hierzu gibt es Fallkon- stellationen, in denen der Schuldner dem Berater durchaus bestimmte Vermögenswerte oder Gläubigerforderungen mit- geteilt hat, diese aber in die Antragsunterlagen keine Auf- nahme finden, sei es, weil der Berater die Forderungen nicht für gegeben oder den Vermögenswert für unpfändbar erach- tet.

Von dieser Art der „Vorfilterung“ ist dringend abzuraten.

Sie ignoriert die Rechtsprechungsanforderung von der voll- ständigen Angabe aller möglichenrelevanten Umstände im Insolvenzantrag. Es ist nicht Sache des Schuldners (oder seines Beraters) zu beurteilen, ob ein Anspruch zur Masse gehört und/oder werthaltig ist; anzugeben ist auch ein ver- meintlich „wertloser“ Gegenstand oder Anspruch;75 zB be- gründen bereits konkrete Anhaltspunkte, die eine Anfecht- barkeit möglich erscheinen lassen, die Pflicht des Schuldners, den Sachverhalt zu offenbaren,76 denn die Schärfe des Ver- sagungsgrunds des §290 I Nr. 6 InsO beruht darauf, dass eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung nicht zur Erfüllung des Tatbestands erforderlich ist und eine „Hei- lung“ durch nachgeschobene Angaben nur bis zur Eröffnung möglich ist.77Das „Korrektiv“ stellt das subjektive Merkmal der mindestens groben Fahrlässigkeit dar und eine Kenntnis- abwägung in Bezug zur Verhältnismäßigkeit von Forderung oder Vermögensgegenstand.78Zuweilen werden aber verita- ble Vermögensgegenstände verschwiegen, wie zB bestehende Versicherungen oder Genossenschaftsanteile.

Ein Verschulden des Schuldnerberaters bei der außergericht- lichen Beratung ist dem Schuldner gem. §85 II ZPO zu- zurechnen.79DerBGHhat angedeutet, dass diese Vorschrift über§4 InsO auf Versäumung von Verfahrenshandlungen entsprechende Anwendung im Insolvenzverfahren finden kann.80 Eine Korrektur erfolgt über den Verschuldensmaß- stab: Hier kommt es nur auf das Verhalten des Schuldners selbst an.81 Eine Versagung der Restschuldbefreiung allein wegen des Fehlverhaltens einer Hilfsperson kommt daher nicht in Betracht. Aber das ungeprüfte Unterschreiben eines von dritter Seite ausgefüllten oder noch auszufüllenden For- mulars wird regelmäßig als grob fahrlässig wegen eigenen Verschuldens des Schuldners, unter Umständen sogar als bedingt vorsätzlich hinsichtlich jeglicher im Text enthaltenen Unrichtigkeit, angesehen werden können,82denn der Schuld- ner muss vor Unterzeichnung alle Antragsbestandteile auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen, denn er muss diese ja persönlich versichern (VerbrInsFV-Vordruck bzw.

§§13 I 7, 287 I 4 InsO). Dies gilt auch bei der ungeprüften

Übernahme eines vom Berater vorbereiteten Gläubigerver- zeichnisses, in dem eine titulierte Forderung fehlt.83 Ändert aber der Verfahrensbevollmächtigte eigenhändig ohne Wis- sen des Schuldners insolvenzrechtliche Erklärungen ab, ist dem Schuldner dies nicht zuzurechnen.84Auch bei der Aus- wahl einer ersichtlich ungeeigneten, nicht fachkundigen oder mit den tatsächlichen Umständen des Falls nicht vertrauten Hilfsperson kann dem Schuldner aber vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zur Last fallen.85

Bei der notwendigen Angabe zum „insolvenzrechtlichen Vorleben“ des Schuldners gem.§287 I 3 InsO, die nunmehr ebenfalls – und damit auch für das Regelverfahren, wo diese auch abzugeben ist – dem Versagungsgrund des §290 I Nr. 6 InsO unterfällt, darf der Schuldner gegenüber seinem Berater natürlich nicht verschweigen, sofern ihm bereits ein- mal RSB erteilt oder diese versagt worden ist.

III. Folgen der Falschberatung

Der Schuldner erwirbt einen Schadenersatzanspruch aus Verletzung des Rechtsberatungsvertrags gegen den/die Bera- ter, wenn die fehlerhafte Beratung einen Vermögensschaden auslöst. Begehrt ein Schuldner Schadenersatz von seinem Rechtsanwalt wegen des Ratschlages zu einem Regelins- olvenzverfahren, weil er in dessen Folge den Verlust von Vermögensgegenständen beklagt, die er meint zur gleich- mäßigen Befriedigung und außergerichtlichen Einigung im Vorfeld des richtigerweise zu beschreitenden Verbraucherin- solvenzverfahrens mit seinen Gläubigern hätte einsetzen zu können, muss er beweisen, dass er sich mit allen Gläubigern außergerichtlich hätte einigen können.86 Wie der FallOLG Brandenburg von 13.11.201987 zeigt, kann die Schaden- ersatzsumme in der Höhe zuweilen (bei unnötigem Insol- venzantrag, s. II 2 a) in den Gerichtskosten, den Kosten der Verwaltervergütung und den Kosten der anwaltlichen Bera- tung bestehen. Allerdings ist die falsche Ausfüllung von Be- standteilen der Antragsformulare – isoliert – dann nicht schadensstiftend, wenn der Schuldner eigene Sorgfaltspflich- ten auf deren Überprüfung verletzt (s. unten II 4 c).88 Kommt es (gegebenenfalls erst später, zB wenn die fehler- hafte Beratung zunächst zur Antragsabweisung führt) zur Verfahrenseröffnung, stellt der Schadenersatzanspruch einen Neuerwerb (§35 I InsO) für den Schuldner dar.

Der Verwalter kann auch (und gerade) bei einem Verstoß gegen das RDG nach Eröffnung die gezahlten Honorare nach§§812 I 1 BGB wegen Nichtigkeit des Dienstleistungs- vertrags zurückfordern.89Auch ein Rechtsanwalt, der Bera- tungsleistungen erbringt, kann formfrei in den Grenzen der

75 BGHNZI 2007, 173; NZI 2011, 66 (hier: Schadenersatzforderung, die der Schuldner durch anwaltliche Beratung für unbegründet hielt);

ZInsO 2011, 396 = BeckRS 2011, 2858;LG HamburgNZI 2011, 413 m. zust. Anm.Schmittmann VIA 2011 38;AG Frankfurt/Oder ZInsO 2012, 1687 = BeckRS 2012, 14862;LG WürzburgZVI 2015, 313 = BeckRS 2015, 08014;AG GöttingenNZI 2000, 92.

76 BGHNZI 2017, 674.

77 Frind,Praxis-HdB. Privatinsolvenz, Rn. 971 – 973 mwN.

78 Uhlenbruck/Sternal,§290 Rn. 98, 110 mwN.

79 AG DuisburgNZI 2005, 462;Uhlenbruck/Sternal,§290 Rn. 107; abl.

Rein, NJW-Spezial 2016, 661;K. Schmidt/Henning, InsO, 19. Aufl.

2016,§290 Rn. 11.

80 BGHNZI 2011, 254 Rn. 8.

81 LG HamburgNZI 2017, 859.

82 Vgl.BGHNZI 2010, 655 Rn. 9, 11.

83 LG HamburgNZI 2017, 859.

84 BGHNZI 2011, 254 Rn. 10.

85 BGHNZI 2011, 254 Rn. 9.

86 OLG Naumburgvon 11.8.2011, NJW-RR 2012, 247.

87 OLG BrandenburgNZI 2020, 71.

88 OLG Brandenburg, NZI 2020, 71 Rn. 24; s. auch unter 4 II c.

89 LG FuldaNZI 2015, 438.

(7)

§§4 b, 3 a I RDG eine Vergütungsvereinbarung mit höheren Sätzen vereinbaren, sofern ausschließlich Leistungen iSv§34 RDG vereinbart werden.90Die gewerbliche Schuldenregulie- rung gegen Entgelt ist eine Rechtsdienstleistung, wie auch die Vortätigkeiten nach§305 I Nr. 1 InsO bei der Schuld- nerberatung.91Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch eine Schuldnerberatungs-GmbH in Einzelfällen lässt den Verstoß gegen das RDG nicht entfallen. Bereits die Durch- führung außergerichtlicher Verhandlungen mit den Gläubi- gern ist eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung nach dem RDG. Die Aufteilung der für den Schuldner erbrachten Dienstleistungen in einen kaufmännischen und einen recht- lichen Teil stellt eine Umgehung der Vorschriften des RDG dar.92

Auch bei Ansprüchen wegen Falschberatung ist der Verwal- ter – notwendigenfalls bei einem höheren Streitwert mit Be- schluss der Gläubigerversammlung (§160 InsO) – aktivlegi- timiert (§§35 I, 80 I InsO).93 Sofern die falsche Beratung aber anderseits zur Mehrung der Masse durch längere Ver- fahrenslaufzeit mit gegebenenfalls pfändbarem Einkommen führt,94 kann der Anspruch für die Masse entfallen, wenn der Beratungsverstoß nachweislich zu einer solchen Meh- rung der Insolvenzmasse geführt hat.95 Die Prüfung dieser Fragen gehört zwingend in ein entsprechendes Eröffnungs- gutachten, sofern Anlässe ersichtlich sind, dass Falschbera- tungskonstellationen vorliegen könnten. Insbesondere bei Verfahren mit Verfahrenskostenstundungsanträgen könnte sich aufgrund positiver Schadenverfolgungswertung eine Stundung der Verfahrenskosten erübrigen, da der Verwalter für die Durchführung des Schadenersatzprozesses gegebe- nenfalls PKH beantragen kann.

IV. Fazit

Die Einleitung und die Durchführungsoptionen eines Insol- venzverfahrens sind, selbst im Bereich der Verbraucherinsol- venz, komplex und erfordern eine sorgfältige Analyse des Einzelfalls sowie eine darauf abgestellte Schuldnerberatung.

Die Qualität der Schuldnerberatung ist durchweg als gut zu bezeichnen, allerdings kommen – insbesondere im Bereich der nicht fachanwaltlich geleisteten Beratung – durchaus fehlerhafte Beratungen vor, die in der Rechtsprechung im- mer wieder in den unterschiedlichsten Gestaltungen berichtet werden. Der Insolvenzsachverständige oder Insolvenzver- walter sollte das Insolvenzgericht gegebenenfalls rechtzeitig auf solche Sachverhalte hinweisen, denn auf Falschberatung beruhende gerichtliche, verfahrensweichenstellende Be- schlüsse können nur binnen der Beschwerdefrist amtswegig aufgehoben werden.96Zuweilen offenbaren bereits die insol- venzgerichtlichen Vorprüfungen der Anträge solche fehler- haften Beratungen. Schuldner und Gläubigern gebührt sol- cherart Schutz vor Falschberatungen. Die Insolvenzmassen werden gegebenenfalls durch spätere Schadenersatzeinforde- rungen zugunsten der Masse angereichert und solche Beitrei- bungen erhöhen auch den Abschreckungseffekt für systema-

tische Falschberatungen. &

90 BGHNJW 2016, 1596.

91 AG DortmundNZI 2015, 564;LG UlmZInsO 2013, 394 = BeckRS 2011, 9511.

92 LG FuldaNZI 2015, 438.

93 AG GöttingenZInsO 2016, 769 = BeckRS 2016, 03424.

94 ZB bei Beratungsverschulden zu den Verkürzungsmöglichkeiten des

§300 InsO.

95 AG Göttingen, ZInsO 2016, 769=BeckRS 2016, 03424.

96 BGHNZI 2006, 599;AG KölnZInsO 2016, 1334 = BeckRS 2016, 9542; signifikant der FallAG GöttingenNZI 2016, 586.

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