• Keine Ergebnisse gefunden

Auslegung einer tariflichen Regelung über das Bestehen und die Ausgestaltung eines Arbeitszeitkontos

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Auslegung einer tariflichen Regelung über das Bestehen und die Ausgestaltung eines Arbeitszeitkontos"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

ArbG München, Endurteil v. 28.04.2017 – 33 Ca 7172/16 Titel:

Auslegung einer tariflichen Regelung über das Bestehen und die Ausgestaltung eines Arbeitszeitkontos

Normenketten:

TVG § 1

Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 4.7.2002 (BRTV) § 3 Nr. 1.43 SGB III § 101 Abs. 5

Leitsatz:

Die in § 3 Nr. 1.43 BRTV vorgesehene Abbauregelung, nach der auf einem für den Arbeitnehmer geführten Arbeitszeit- und Entgeltkonto (Ausgleichskonto) gutgeschriebener Lohn "nur zum Ausgleich für den

Monatslohn, bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall, am Ende eines Ausgleichzeitraumes nach Maßgabe des folgenden Absatzes, bei Ausscheiden des Arbeitnehmers oder im Todesfall ausgezahlt werden" darf, beschränkt sich nicht auf die Schlechtwetterzeit. (Rn. 12 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Tarifvertrag, Arbeitszeitkonto, Zeitgutschrift, Zeitguthaben, Ausgleichszahlung, witterungsbedingter Arbeitsausfall

Rechtsmittelinstanzen:

LArbG München, Urteil vom 06.03.2019 – 8 Sa 466/17 BAG Erfurt, Urteil vom 23.09.2020 – 5 AZR 367/19 Fundstelle:

BeckRS 2017, 158886  

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 13.05.2016 hinaus unter Führung eines Arbeitszeitkontos nach Maßgabe von § 3 Ziff. 1.4 des Bundesrahmentarifvertrages für das

Baugewerbe (BRTV) besteht.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Der Streitwert wird auf € 4.287,61 festgesetzt.

Tatbestand 1

Die Parteien streiten um einen Lohnanspruch des Klägers und in diesem Zusammenhang um Bestehen und Ausgestaltung eines Arbeitszeitkontos.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 02.04.1984 als Gleisbauer beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft der beiderseitigen

Tarifbindung (sowie kraft Allgemeinverbindlicherklärung) der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 04.07.2002 (im Folgenden: BRTV) Anwendung. Ca. 1998 wurde zwischen den Parteien, bezogen auf ihr Arbeitsverhältnis, entsprechend § 3 Ziffer 1.4 BRTV ein Arbeitszeitkonto eingeführt und seitdem gelebt.

Der Kläger arbeitete in Vollzeit, grundsätzlich montags - donnerstags je 8,5 Stunden sowie freitags 6 Stunden. In der Woche von Montag, den 25.04.2016 bis Freitag, den 29.04.2016, wurde der Kläger nicht zur Arbeit eingesetzt. Die näheren Umstände hierzu sind im Einzelnen zwischen den Parteien streitig. In der Lohnabrechnung des Klägers für den Monat April 2016 (Anlage zur Klage vom 04.07.2016 = Bl. 9 d.A.) ist ein „AZK-Abgang“ in Höhe von 50,75 Einheiten verbucht. Hiervon entfielen 41 Stunden auf den Zeitraum 25.04. bis 30.04.2016. Unter dem 13.05.2016 wandte sich der Kläger über die zuständige

(2)

Einzelgewerkschaft (IG Bau) an die Beklagte und monierte die seiner Auffassung nach rechtswidrige Auszahlung von 50,75 Stunden aus dem Arbeitszeitkonto außerhalb der Schlechtwetterzeit. Mit Schreiben vom 17.05.2016 forderte der Kläger über die IG Bau, „die im April entnommenen Stunden . . . dem

Arbeitszeitkonto wieder gutzuschreiben“. Zudem wurde in beiden Schreiben „aufgrund des . . . wiederholten nicht rechtmäßigen Umgangs mit dem Arbeitszeitkonto“ die Vereinbarung über die Führung eines

Arbeitszeitkontos außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2017 gekündigt (Anlagen zur Klage vom 04.07.2016 = Bl. 10 ff. d.A.).

3

Der Kläger trägt vor, er sei in den Vortagen des streitgegenständlichen Zeitraums, nämlich vom 18.04. bis 24.04.2016, in W.-Stadt für die Beklagte tätig gewesen. Am 21.04.2016 habe ein Kollege ihm vom Personaldisponenten, Herrn S., ausgerichtet, dass er nächste Woche zu Hause bleiben und sein Stundenkonto abfeiern solle, weil keine Arbeit da sei. Er, der Kläger, habe am 22.04.2016 telefonisch gegenüber Herrn S. seine Arbeitskraft für die Kalenderwoche 17 des Jahres 2016 (25.04. bis 30.04.2016) angeboten. Herr S. habe ihm zu verstehen gegeben, dass er ihn nicht beschäftigen könne, weil er keine Arbeit für diese Woche für den Kläger habe. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte schulde ihm für den fraglichen Zeitraum unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugslohnes € 787,61 (41 Std. x 19,21 € brutto); zudem seien die 50,75 Stunden im Arbeitszeitkonto wieder gutzuschreiben. Der Abbau von Arbeitszeitguthaben außerhalb der Schlechtwetterzeit bedürfe im Bereich des Bauhauptgewerbes einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, an der es hier fehle. Für

Auftragsmangel oder fehlende Anschlussaufträge sehe der BRTV keine Möglichkeit des Abbaus des Arbeitszeitkontos vor. Der Abbau des Arbeitszeitkontos im April 2016 sei mithin unberechtigterweise erfolgt.

4

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 787,61 € brutto (Annahmeverzugslohnanspruch 25.04. bis 30.04.2016) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 16.05.2016 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Arbeitszeitkonto des Klägers für den Zeitraum 01.04.2016 bis 30.04.2016 50,75 Stunden gutzuschreiben.

5

Die Beklagte beantragt,

Klageabweisung sowie widerklagend:

6

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 13.05.2016 hinaus unter Führung eines Arbeitszeitkontos nach Maßgabe von § 3 Ziff. 1.4 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRTV) besteht.

7

Der Kläger beantragt Abweisung der Widerklage.

8

Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe in der Zeit vom 20.04. bis zum 28.04.2016 eigentlich auf einer Baustelle in U.-Land eingesetzt werden sollen. Dies habe der Kläger abgelehnt, weil er über das

Wochenende 22.04. bis 24.04.2016 mit seiner Frau an den Gardasee haben fahren wollen. Die Beklagte habe dem Kläger deshalb nur einen Einsatz vom 19.04. bis zum 21.04.2016 auf der Baustelle in W.-Stadt anbieten können. Im Anschluss sei ein Einsatz zunächst nicht möglich gewesen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass es die vom Kläger vertretene einschränkende Auslegung des BRTV bezüglich des Abbaus von Arbeitszeitguthaben nicht gäbe. Auch ohne eine gesonderte schriftliche Vereinbarung sei eine Entnahme aus dem Arbeitszeitkonto außerhalb der Schlechtwetterzeit möglich. Die vom Kläger ausgesprochene Teilkündigung bezüglich der Führung eines Arbeitszeitkontos sei unzulässig.

9

Zum Vorbringen der Parteien wird im Übrigen auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

(3)

Entscheidungsgründe

I.

10

Die zulässige Klage ist unbegründet.

11

1. Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Annahmeverzugslohn des § 615 BGB gegeben sind, hat die Beklagte einen etwaigen

Lohnanspruch des Klägers jedenfalls durch den erfolgten Ausgleich bzw. Abbau des Arbeitszeitkontos in Höhe von 41,0 Stunden erfüllt.

12

a. Nach § 3 Ziff. 1.43 des BRTV kann auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebener Lohn nur zum Ausgleich für den Monatslohn, bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall, am Ende eines Ausgleichzeitraumes nach Maßgabe des folgenden Absatzes, bei Ausscheiden des Arbeitnehmers oder im Todesfall ausgezahlt werden. Diese Regelung findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, denn beide haben einzelvertraglich - konkludent - das Führen eines individuellen Ausgleichskonto im Sinne von § 3 Ziffer 1.41/1.43 BRTV vereinbart.

13

b. Die in Ziffer 1.43 BRTV vorgesehene Abbauregelung beschränkt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht auf die Schlechtwetterzeit. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Regelung.

14

i. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die

Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu

berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, Urteil vom 15.02.1990, 6 AZR 386/88, NZA 1990, 848).

15

ii. Vorliegend unterscheidet die Norm deutlich zwischen mehreren Abbaualternativen bzw. - voraussetzungen. Wenn einerseits auf dem Ausgleichskonto gutgeschriebener Lohn „bei

witterungsbedingtem Arbeitsausfall“ ausgezahlt werden darf, ergibt sich bereits im Umkehrschluss, dass mit der Alternative „zum Ausgleich für den Monatslohn“ ein Arbeitsausfall gemeint ist, der gerade nicht

witterungsbedingte Ursachen haben muss. Bei den in der Norm genannten fünf Möglichkeiten, wann der gutgeschriebene Lohn ausgezahlt werden darf, handelt es sich ersichtlich um eine Aufzählung, denn zwischen allen Varianten steht ein Komma, bzw. zwischen der vorletzten und der letzten Variante ein

„oder“. Wortlaut und Satzstellung sprechen mithin deutlich gegen die Auffassung des Klägers. Ein

„Ausgleich für den Monatslohn“ iSd tariflichen Regelung kann etwa bei Beschäftigungsschwankungen, z.B.

bei kurzfristigen Auftragsengpässen erfolgen (Biedermann/Möller BRTV Kommentar, 8. Auflage 2011, § 3, Seite 336). Dabei verlangt die Tarifnorm nach ihrem Wortlaut nicht, dass diese

Beschäftigungsschwankungen witterungsbedingt sind oder in der tariflichen Schlechtwetterzeit (1.

Dezember bis 31. März) liegen. Ebenso wenig ist für den wirksamen Abbau eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erforderlich.

16

iii. Auch Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen zum Auf- und Abbau von Arbeitszeitkonten - auch unter Beachtung der dazugehörigen arbeitsförderrechtlichen Normen des SGB III - bedingen kein anderes

(4)

Ergebnis. Es ergibt sich allenfalls eine arbeitsförderrechtliche Schadensverhinderungsobliegenheit, Guthaben auf Arbeitszeitkonten außerhalb der Schlechtwetterzeit nicht aufzulösen.

17

Nach § 101 SGB III besteht bei Arbeitsausfällen in der Schlechtwetterzeit ein Anspruch auf Saison- Kurzarbeitergeld, wenn der Arbeitsausfall „nicht vermeidbar“ ist, § 101 Abs. 5 SGB III. Wurden zuvor Arbeitszeitguthaben „zu anderen Zwecken als für einen verstetigten Monatslohn, bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall oder der Freistellung zum Zwecke der Qualifizierung“ aufgelöst, so gelten im Umfang der aufgelösten Arbeitszeitguthaben die Arbeitsausfälle als vermeidbar. Angesammelte Arbeitszeitguthaben müssen also grundsätzlich zur Überbrückung witterungsbedingter Arbeitsausfälle in der Schlechtwetterzeit und zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden, unabhängig davon, ob die Verwendung der Guthaben nach Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag den Betriebsparteien freigestellt ist oder nicht. In dem Umfang, in dem die Guthaben hätten eingesetzt werden können, witterungsbedingte Arbeitsausfälle in der Schlechtwetterzeit zu überbrücken und Saison-Kurzarbeit zu vermeiden, sind die witterungsbedingten Arbeitsausfälle vermeidbar, so dass Saison-Kurzarbeitergeld nicht gewährt werden kann (Bieback in: Gagel, SGB II / SGB III, 65. EL März 2017, § 101 SGB III, Rn. 64). Jedoch kann selbst nach den Regelungen des SGB III (§ 101) das Arbeitszeitguthaben zur „Verstetigung des Monatslohns“, also auch im Sinne des § 3 Nr. 1.42 bzw. 1.43 BRTV eingesetzt werden. Damit kann das Guthaben unschädlich auch schon vor der Schlechtwetterzeit zur Überbrückung fast aller relevanten Zwecke eingesetzt werden (Bieback a.a.O., Rn. 66). Da der gutgeschriebene vorgearbeitete Lohn auch zum Ausgleich für den Monatslohn am Ende des Ausgleichszeitraums ausgezahlt werden kann (vgl. § 3 Ziffer 1.43 Abs. 3 BRTV), dient diese tarifliche Regelung gerade nicht ausschließlich der Beseitigung der Winterarbeitslosigkeit der Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft. Des Weiteren ist entscheidend, dass Arbeitnehmer während des gesamten Ausgleichszeitraums, ungeachtet der jeweiligen monatlichen Arbeitszeit, eine gleichbleibende monatliche Vergütung erhalten und dieser Monatslohn im Regelfall

Bemessungsgrundlage des (Saison-)Kurzarbeitergeldes ist (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31.01.2002 - L 1 AL 156/00, NZS 2002, 439).

18

Da die Beklagte demnach berechtigt war, das Arbeitszeitguthaben für den Monat April wie gehabt

einzusetzen, ist auch der Antrag zu 2) unbegründet. Im Übrigen bezieht sich die Klagebegründung nur auf die nach Ansicht des Klägers unberechtigten 41 Stunden für den streitgegenständlichen Zeitraum 25.04. bis 30.04.2016. Eine Begründung, warum darüber hinaus weitere 8,25 Stunden unberechtigt vom

Arbeitszeitkonto entnommen worden sein sollen, ist nicht erfolgt. II.

19

Die Widerklage ist zulässig und begründet.

20

1. Die Klage ist zulässig. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage folgt aus § 256 ZPO. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - so genannte Elementenfeststellungsklage (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urteil vom 15.03.2006, 4 AZR 75/05, NZA 2006, 690). Vorliegend geht es der Beklagten darum feststellen zu lassen, dass ein Element des Arbeitsverhältnisses, nämlich das Arbeitszeitkonto, mit seinen Rechten und Pflichten weiter besteht.

21

2. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Zwischen den Parteien ist spätestens seit dem Jahr 1998 die Führung eines Arbeitszeitkontos gemäß den tariflichen Regelungen konkludent vereinbart. Als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses kann diese Vereinbarung nicht isoliert gekündigt werden; eine Änderung wäre nur einvernehmlich möglich.

22

a. Eine Teilkündigung ist die einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei. Im Gegensatz zur Kündigung oder Änderungskündigung erfasst die Teilkündigung nicht das Arbeitsverhältnis in seinem gesamten Bestand. Sie löst nur einzelne Rechte und Pflichten aus dem weiter

(5)

fortbestehenden Arbeitsverhältnis heraus. Eine solche nicht vereinbarte einseitige Änderung einzelner Vertragsbedingungen durch Teilkündigung ist regelmäßig unzulässig, da sie das vereinbarte Ordnungs- und Äquivalenzgefüge des Vertrags stört. Die einzelnen Teile eines Arbeitsvertrages kommen regelmäßig nicht isoliert zu Stande, sondern stehen in einem inneren Zusammenhang und in Wechselwirkungen. Dem würde es zuwiderlaufen, wollte man einer Vertragspartei das Recht zubilligen, einseitig einzelne unwillkommene Teile des Vertrags aufzukündigen und dadurch den Vertragspartner zur Fortsetzung des

Arbeitsverhältnisses unter für ihn ungünstigeren oder zumindest ungewollt veränderten Bedingungen zu zwingen. Die Teilkündigung ist deshalb nur ausnahmsweise zulässig. Sie wird als Gestaltungsmittel anerkannt, wenn ein Gesamtvertragsverhältnis sich aus mehreren Teilverträgen zusammensetzt und diese Teilverträge nach dem Gesamtbild des Vertrags jeweils für sich als selbständig lösbar aufgefasst werden müssen. Die Teilkündigung darf allerdings nicht zu einer Umgehung von zwingenden

Kündigungsvorschriften führen (Urteil vom 13.03.2007, 9 AZR 612/05, NZA 2007, 563 mwN.).

23

b. Die fragliche Vereinbarung betreffend das Arbeitszeitkonto ist ein Bestandteil des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien, eine wesentliche Vertragsbedingung. Ein diesbezügliches Teilkündigungsrecht ist weder einzelvertraglich vereinbart noch tarifvertraglich vorgesehen. § 3 Ziffer 1.41 erlaubt die Einführung eines Arbeitszeitkontos entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen, durch Betriebsvereinbarung oder durch Individualvereinbarung. Dies ist auch nur befristet möglich, allerdings muss diese zeitliche

Begrenzung in der Vereinbarung selbst enthalten sein. Der in der Tarifnorm genannte „zwölfmonatige Ausgleichszeitraum“ ist in diesem Sinne kein Zeitpunkt, zu dem die Vereinbarung endet oder gekündigt werden kann, sondern ist lediglich der Bezugspunkt für die Regelungen zu Auf- und Abbau des

Arbeitszeitkontos. Im Übrigen ist der Kläger durch eine ggf. rechtswidrige Ausgestaltung und Führung des Arbeitszeitkontos durch die Beklagte auch nicht schutzlos gestellt, sondern es steht ihm jeweils der Klageweg zur Überprüfung des Handelns der Beklagten zu. III.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.

25

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.

26

Die Voraussetzungen für eine gesonderte Zulassung der Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Kontostand für den Account des Klägers bei der Beklagten beträgt Null (Anlage K 14). Das Gericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Klägervertreters,

Es wird auch deutlich, wie sich die Unternehmen mithilfe der SAP Business Technology Platform strategisch neu aufgestellt und fit für die digitale Zukunft gemacht haben..

Umgekehrt soll der Gläu- biger angehalten werden, innerhalb kurzer Fristen Begründetheit und Erfolg- saussichten seiner Ansprüche zu prüfen (BAG 10. b EMTV an die

Es handelt sich um eine Leistungsstörung auf Seiten des Arbeit- nehmers (BAG 25. b) Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit dem Recht der Europäi- schen Union.

(2) Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Sie rügt, das Landesarbeitsgericht habe die in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2012 beantragte

Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers (BAG 15. Oktober 1983 kei- ne Gesamtzusage. Das Schreiben war ausschließlich an die

Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers (BAG 15.. Oktober 1983 kei- ne Gesamtzusage. Das Schreiben war ausschließlich an die

Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks schließt staatliche Maßnahmen nicht aus, welche der Herstellung oder Erhaltung der Rundfunkfreiheit dienen; diese können