INTERNATIONALEN INSTITUT FÜR UMWELT UND GESELLSCHAFT des
WISSENSCHAFTSZENTRUMS BERLIN
11. i
*6? pre IIUG/81-5
Strategien und Implementationschancen der Luftreinhaltepolitik+
von
Peter Knoepfel
Erscheint in: Schweizerisches Jahrbuch für politische Wissen
schaft 1981
Der vorliegende Beitrag erstand im Zusammenhang mit dem
von der Stiftung Volkswagenwerk und der Deutschen Forschungs
gemeinschaft geförderten Projekt "International vergleichende Analyse von Normbildung und Implementation in der SO?-Luft-
reinhaltepolitik der EG-Staaten und der Schweiz".
Das Internationale Institut für Umwelt und Gesellschaft (IIUG) des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) hat zur Auf
gabe, durch internationale empirische sozialwissenschaft
liche Forschung einen Beitrag zur Erweiterung des Wissens über dringende Umweltprobleme zu leisten. Ziel der For
schungsarbeiten des Instituts ist es letztlich, Kenntnisse um Voraussetzungen, Alternativen und Auswirkungen umwelt
politischer Ziele, Maßnahmen und Instrumente bereitzu
stellen.
Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, führt das Institut sowohl anwendungsorientierte als auch Grundlagen-Forschungs Projekte zunächst in seinem ersten Programmschwerpunkt
Adressaten der Umweltpolitik:
Einstellungen, Verhaltensweisen, Reaktionen mit den Fachgebieten
- Umweltbewußtsein: Diffusion, Entwicklung und politischer Stellenwert
- Konsum und Umwelt
- Umwelt und Unternehmen durch.
Darüber hinaus werden durch Einzelforschungsvorhaben die längerfristigen Aufgaben des Instituts in den beiden anderen Programmschwerpunkten
Umweltpolitik: Ziele, Instrumente, Wirkungen und
Umweltpolitik: Technologische Aspekte und internationale Entwicklung wahrgenommen.
Der vorliegende Beitrag gehört zum Forschungsgebiet "Inter nationale vergleichende Analyse von Nonnbildungsprozessen und Implementationsproblemen in der Luftreinhaltepolitik"
innerhalb des Schwerpunktes "Umweltpolitik: Ziele, Instru
mente, Wirkungen". Gegenstand der Forschungstätigkeit ist einerseits die empirische Analyse des zumeist staatlich organisierten Entscheidungsprozesses der zur Festlegung von Umweltqualitätsnormen oder -kriterien im Bereich der Luftreinhaltung führt. Andererseits sollen die Implemen
tationsprobleme (Vollzugsprobleme im weiteren Sinne) bei der Durchführung staatlicher Programme von Luftreinhalte- politiken untersucht werden.
Umweltpolitik der siebziger Jahre ist in den meisten euro
päischen Staaten Luftreinhaltepolitik und insbesondere SC^- Luftreinhaltepolitik (Schwefeldioxid). Nach anfänglichen Erfolgen dieser Politik zeichneten sich fast überall gegen Ende des Jahrzehnts wiederum Belastungsanstiege ab, die die Realisierung der postulierten politischen Programmatik in Frage stellen. Der Aufsatz fragt nach möglichen Gründen da
für, daß ein Teil der gesetzgeberischen Postulate die Voll
zugsfron offensichtlich nicht erreicht hat. Nach einer Dar
stellung der in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz vorfindbaren luftreinhaltepolitischen Kon
zepte wird insbesondere auf Durchsetzungsprobleme sog. re
gionaler Strategien für Belastungsgebiete und auf deren
fehlende Koordination mit der Raumplanung eingegangen, deren - beschränkte - Instrumentalisierung für die Luftreinhalte
politik postuliert wird. In der Schlußfolgerung plädiert der Aufsatz für einen forcierten Ausbau einfach implementier
barer globaler Strategien in den Bereichen Brennstoff- und Technologiesteuerung.
ABSTRACT
In most European countries environmental policies of the seventies were mostly equivalent with ambient air quality control policy and in particular concerned with sulphur dioxid. At first, these policies had distinct positive effects but towards the end of the decade an increase in SC>2 levels was to be observed almost everywhere. This fact makes it questionable whether the postulated political objectives have been realized at all. This article tries to find possible reasons why parts of these objectives as laid down in legislation obviously did not arrive at the
"implementation front." After a presentation of the different concepts of air quality control policy prevailing in the
EC countries and Switzerland, the article deals with problems
strategies with land use planning and its - restricted - instrumentalization for air quality control policy. The article ends with the recommendation to primarily develdp easily implementable global strategies in the fields of
fuel input and control of the combustion technologies applied in production processes.
RESUME
La politique environnementale des annees 70 de la plupart des pays Europeens consiste a la lutte contre la pollution atmospherique et en particuliers contre 1 ’anidride sulfu- reux. Apres des succes considerables au debut de la decade le niveau de pollution a remonte dans la plupart des zones urbaines particulierement affectuees vers la fin des annees
70, ce qui met en question la realisation des programmes politiques postulees dans les actes legislatives. La contri
bution essaie de montrer quelques raisons pour ce fait qu'une bonne partie de ces programmes n ’ait pas ete mise en oeuvre. Apres une analyse des concepts de politique contre la pollution atmospherique . aupres de sources stationnaires dans les Etats membre de la Communautee
Europeenne et la Suisse les problemes de la mise en oeuvre de "strategies regionales" pour des zones de protection
speciale et leur manque de coordination consideree necessaire avec 1'amenagement de territoir est examine de plus pres.
Est favorisees - en conclusion - une extension considerable des "strategies globales" dans les domaines de reduction du contenu de souffre dans les fuels et de la technologie de combustion dont la mise en oeuvre administrative est relativement simple.
ischen Staaten in den ausgehenden 50er Jahren begonnen mit Gewässer
schutz. Der Notwendigkeit einer ebenso systematischen Luftreinhalte- politik wurden sich Bevölkerung, Parteien und Regierungen erst bewußt, nachdem aus großen industriellen Ballungsgebieten Europas Meldungen von folgeschweren Smog-Katastrophen einzutreffen begannen. Die ersten
luftreinhaltepolitischen Wahlversprechungen setzten denn auch Mitte der 60er Jahre ein. Jeder erinnert sich noch an das Wort vom "bläuen Himmel über der Ruhr", mit dem etwa die bundesdeutsche SPD in den erfolgreichen Reformwahlkampf von 1969 gestiegen ist. Es fällt auf, daß in sämtlichen EG-Staaten die Umweltpolitik der 70er Jahre zu einem erheblichen Anteil in Luftreinhaltepolitik besteht. So stammen die wichtigsten Rechtsverordnungen und VerwaltungsvorSchriften, welche die in den späten 60er Jahren beschlossenen Rahmengesetze konkreti- sieren, überall aus der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts. 1) In Aus- führung ihres Umweltprogrammes von 1973 2) erließ 1975 auch der
Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften seine erste luftreinhal- tepolitisch bedeutsame: Richtlinie, die die Mitgliedstaaten auf einen maximalen Schwefelgehalt für leichtes Heizöl verpflichtet, womit vornehmlich im wichtigen Hausbrandbereich eine Belastungsreduktion angestrebt wurde. 3) Die EG setzte erst kürzlich (1979) ihre luft
reinhaltepolitischen Initiativen mit einer Richtlinie über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebstaub 4) fort.
Der Grund für diese zunehmenden luftreinhaltepolitischen Aktivitäten liegt zum einen im steigenden Umweltbewußtsein der betroffenen Be
völkerung. Intensivierte wissenschaftliche Forschungen haben außer
dem immer mehr Gesundheitsschäden und Beeinträchtigungen von Öko
systemen auf Luftverschmutzung zurückgeführt. Schon in den späten 60er Jahren bestand kein Zweifel mehr daran, daß insbesondere der ubiquitäre Luftschadstoff Schwefeldioxid (SO2), der bei der Ver
brennung fossiler Brennstoffe (Erdöl, Kohle,) anfällt, ganz erheb
liche Schäden der menschlichen Gesundheit, aber auch von Pflanzen, Bauwerken und Materialien hervorruft. Dieser Schadstoff ist es denn auch, der als Hauptfeind Nummer eins der staatlichen Regulie
rung unterstellt wurde. Dabei ging man von der grundsätzlich zu
treffenden Annahme aus, daß mit der Bekämpfung von SO2 gleichzeitig eine Mehrzahl anderer Luftschadstoffe (insbesondere Rauch und
Schwebstaub Cl ) reduziert werden kann. Luftreinhaltepolitik der 70er Jahre ist daher in ganz auffälligem Ausmaß SO^-Luftreinhaltepolitik.
Das ergibt sich nicht nur aufgrund einer Lektüre der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen; auch eine Analyse der lufthygienischen Verwaltungspraxis der Vollzugsträger in den EG-Staaten führt zu diesem Schluß. Es ist denn auch bezeichnend,. daß für SC^ für die 70er Jahre mit Abstand die meisten Immissionsdaten verfügbar sind:
Gegenwärtig messen täglich beinahe 4000 Stationen in ganz Europa Schwefeldioxidkonzentrationen. 7 Erst in jüngster Zeit setzen syste
matische Messungen für die anderen "klassischen Luftschadstoffe"
wie NO , CI, Fl, CO oder 0-. ein.
Diese Meßdaten zeigen, was auch dem aufmerksamen Laien nicht ent
geht: Die hochtrabenden Wahlversprechen und in der Euphorie der Hochkonjunktur formulierte Zweckartikel der einschlägigen Gesetze haben den gelblich-bräunlichen Dunst über unseren Großstädten bei weitem nicht entfernen können. Besonders Bronchitiker, ältere Leute und Kinder leiden immer noch an Erkrankungen der Atemwege, wenn die Heizperiode in den Großstädten einsetzt. Zwar wurden aus sämtlichen europäischen Großstädten rapide Belastungsreduktionen zu Beginn der 70er Jahre gemeldet. Mit der sog. Energiekrise von 1973/74 gingen die Werte nochmals beträchtlich zurück. Gleichwohl stabili
sierten sie sich in der Zeit danach vielerorts auf einem immer noch bedenklich hohen Niveau. Gegen Ende der 7Oer Jahre werden aus vie
len Großstädten wieder leichte Belastungsanstiege gemeldet, die auch in den 80er Jahren anhalten dürften, wenn die europaweite Renaissanc der schwefelhaltigen Kohle anhält und keine Gegenmaßnahmen (insbe
sondere Rauchgasentschwefelung) getroffen werden. Die Entwicklung bis 1979 geht aus folgenden Daten hervor:
Übersicht über die Jahresmittelwerte der stärkstbelasteten Gebiete in den EG-Staaten
J a h r e s m i t t e l w e r t e in /ig/
f r ü h e r e W erte 1970 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979
BELGIEN
B r ü s s e l 170 ( 1 9 6 8 - 7 3 ) 110 105 88 74 90
A n tv e r p e n 168 ( 1 9 6 8 - 7 3 ) 125 106 94 92 103
G en t 171 (1 9 6 8 - 7 3 ) 116 115 119 86 108
C h a r l e r o i 183 (1 9 6 8 - 7 3 ) 112 113 74 126 101
LUXEMBURG
Luxem burg 100 (1 9 7 2 - 7 3 ) 51 52 55 62 62
E sch - 63 59 34 48 46
J a h r e s m i t t e l w e r t e i n >uq / m3 f r ü h e r e W erte 1970 197
BR DEUTSCHLAND D u is b u r g O b e rh a u se n Dortm und B e r l i n
Bottrop
DÄNEMARK
K openh agen c a . 90 (1 9 6 7 ) c a . 90 c a . F r e d e r i c i a
ENGLAND
G r e a t e r London 152 ( 1 9 6 8 - 6 9 ) L eed s (S tation 4u . 18) 2 5 7 ( 1 9 6 7 - 6 8 ) L i v e r p o o l ( 1 6 , 2 1 ) 2 3 5 ( 1 9 6 8 - 6 9 ) M a n c h e s t e r ( 1 1 , 1 9 ) 2 6 6 ( 1 9 6 7 - 6 8 )
45 (1971)
1974 1975 1976 1977 1978 1979
c a . 55 c a . 55 41 c a . 40 29
110 140
130 140
11O 1 3 0
OQ 105
14o 13o
118 98 103 94 79 82
124 - 89 66 -
- 107 99 113 96 84
143 132 140 147 126 110
FRANKREICH P a r i s Rouen M a r s e i l l e M a r t ig u e s Lyon L i l l e
122 110 130 110 110
(1 9 7 1 ) 139 111 117 89 108 109
(1 9 7 2 ) 149 119 81 100 108
110 84 86 75 82 77
115 63 91 72 74 72
116 53 105 63 76 69
97 72 101 63 61 71
114 85 83 67 60 ITALIEN
M a ila n d 2 3 0 235
Genua 138 121
V e n e d ig 91 115
Rom 183 82 89 79 7 0
T u r in
Modena n u r M o n a t s m it t e lw e r t e v e r f ü g b a r , d e u t l i c h s t e ig e n d e T endenz von 1975-77
B o lo g n a M M H
d e u t l i c h f a l l e n d e ! T en d en z von 1 9 7 5 - 7 8 /7 9 IRLAND
D u b lin - 85 79 71 67 52
SCHWEIZ
Z ü r ic h 115 (1 9 7 1 ) L a u sa n n e
NIEDERLANDE M a a s s l u i s V la a r d in g e n S c h ie d a m
R o t t e r d a m ( M it t e ) S p i j k e n i s s e K oew ach t S a s van G en t P u t t e
100 86 86 62 64
97 99
48 68
60 81
60 77
49 64
43 68
44 70
76
46 68
Quelle: Knoepfel/Weidner: Handbuch der SOo-Luftreinhaltepo- litik, Bd 1, S. 27f. 2
Offensichtlich hat auch in diesem Politikbereich 7) ein Teil der gesetzgeberischen Postulate die Vollzugsfront nicht erreicht. Ver
sprechungen sind im mühsamen Prozeß der Umsetzung politischer Programme in konkretes Verwaltungshandeln auf der Strecke geblie
ben. Vor dem Hintergrund einer gegenwärtig laufenden international vergleichenden Analyse von Programmformulierungs- und Implementa
tionsprozessen in der Luftreinhaltepolitik der EG-Staaten und der Schweiz 8) soll im folgenden versucht werden, am Beispiel der auf stationäre Quellen konzentrierten SC^-Luftreinhaltepolitik einige Ursachen für dieses teilweise Scheitern luftreinhaltepolitischer Konzepte aus den 70er Jahren darzustellen. Weil in dieser Hinsicht
vornehmlich auf Belastungsgebiete konzentrierte Maßnahmen inter
essant sind, soll nach einer übersichtsartigen Darstellung luft- reinhaltepolitischer Konzepte und Strategien (2.) das Hauptaugen
merk auf sog. regionalen Strategien liegen.
2. Luftreinhaltepolitische Strategien
Die Luftreinhaltepolitik eines Landes setzt sich regelmäßig aus einer Vielzahl von Einzelregelungen zusammen. Diese bestehen ihrer
seits aus Zielvorgaben, Grenzwerten und Verfahrens- und organisa
tionsrechtlichen Bestimmungen aller Art. Die Gesamtheit dieser Re
gelungen dient der Umsetzung mehr öder weniger konkret formulierter Zielsetzungen und läßt sich in Strategien aufteilen, die regel
mäßig durch ein Set von materiell- und formellrechtlichen Normen als Programmelemente abgestützt werden. Die Luftreinhaltepolitik eines Landes besteht damit aus einer Mehrzahl von Strategien, die rechtlich vielfach in mehreren unterschiedlichen Gesetzes- und Ver
ordnungstexten verankert sind. Eine auf Vollzugsprobleme hin orien
tierte Analyse der luftreinhaltepolitischen Programmatik eines Landes muß daher aus den verstreuten gesetzgeberischen Erlassen zu
nächst diese verschiedenen Strategien herausarbeiten. Solche lassen sich unter Verwendung der folgenden Bausteine 9) definieren:
Steuerungsintention: Die Maßnahmen lassen sich danach einteilen, ob die darin vorgesehenen Vorkehrungen primär die Steuerung der Emissionsgesamtmenge (emissionsorientiert) oder die Kontrolle der örtlichen Schadstoffkonzentration und damit der Immissionsverhält
nisse (immissionsorientiert) bezwecken. Weil emissionsorientierte Maßnahmen überall im Lande gleichermaßen zur Anwendung gelangen,
sprechen wir von globalen Strategien; immissionsorientierte Maß
nahmen wirken gebietsspezifisch und basieren daher auf regionalen Strategien. Die letzteren.sind - im Gegensatz zu globalen Strate
gien - regelmäßig auf Kriterien für die Bewertung der Schadstoff
konzentration angewiesen. Solche Immissionskriterien oder gar
Immissionsstandards definieren die gesundheitlich als erforderlich erachtete Mindestqualität der Umgebungsluft. Sie ermöglichen damit eine objektivierbare Beurteilung von Meßdaten, signalisieren die Erforderlichkeit bestimmter Planungs- und Vollzugsmaßnahmen und können für die Erfolgskontrolle als reale luftreinhaltepolitische Impactdaten herangezogen werden. Mit dieser Kontrollfunktion schaf
fen Immissionsstandards größere Transparenz in luftreinhaltepoli-
tische Vollzugsprozesse und sind geeignet, "bestehende Interessen
berücksicht igungsmuster zugunsten von Drittbetroffenen aufzubre- chen.“ 10) Wie aus der untenstehenden Tabelle hervorgeht, finden wir in einem Land regelmäßig zunächst ein Set von globalen Strategien, welches insbesondere für Belastungsgebiete durch zusätzliche regio
nale Sonderstrategien ergänzt wird.
- Die Qualität der Steuerung: Luftreinhaltepolitische Strategien
können entweder die Steuerung der für ein bestimmtes Emissionsvolumen verantwortlichen Struktur der Emissionsquellen zum Gegenstand haben oder aber das Niveau der Schadstoffbelastung bei gegebener Quellen- Struktur zu kontrollieren beabsichtigen. 11) Als strukturorientierte Strategien gelten die Steuerung der öftlichen Quellensituierung durch Maßnahmen der überörtlichen und örtlichen Raumplanung, die Veränderung der Quellenstruktur durch Substitution der Energieträger
(etwa die Ablösung von Kohle durch Erdgas) und Energiesparmaßnahmen.
Mit hinlänglicher Durchschlagskraft finden sich in den EG-Ländern und in der Schweiz solche Strategien bisher nur selten. Auf die Verkoppelung von Luftreinhaltepolitik und Umweltpolitik als eine dieser drei Strategien soll unten etwas näher eingegangen werden.
Demgegenüber stoßen wir im Bereich der üblicherweise eingesetzten niveauorientierten Strategien in der Regel auf eine Vielzahl mög
licher Varianten.
- Technologische Ansatzpunkte der Steuerung: Wir finden insgesamt drei mögliche Ansatzpunkte:
Steuerung der verwendeten Rohstoffe.insbesondere des Schad
stof fgehalts von Brennstoffen (Input-Steuerung);
Steuerung der Produktions- und Luftreinhaltetechnologien, insbesondere Steuerung von Verbrennungs- und Reinigungs
technologien (Prozeß- und Emissionssteuerung) ;
Steuerung der Art der Transmission und Verteilung austreten
der Luftschadstoffe (horizontale räumliche Steuerung über Maßnahmen der Raumplanung als strukturorientierte Variante;
vertikale räumliche Steuerung über die Festsetzung von Kamin
höhen und Steuerung der zeitlichen Verteilung der Emissions
aktivitäten, insbesondere bei Spitzenbelastungen in ungün
stigen Wetterlagen als niveauorientierte Varianten).
Aus der folgenden Tabelle gehen die 14 mit diesen Bausteinen für die EG-Staaten und die Schweiz entwickelten Strategien, ihr Auf
treten in diesen Ländern sowie ihre konkrete Ausgestaltung hervor:
Tabelle: Übersicht über die SO^-Luftreinnaltestrategien
Eng lan d F r a n k r e i c h I r lan d N ie d e r la n d e BR D e u ta c h la n d
Sak’i l tAr ik- Ln * h är tjigk e lt vm BidS»tCTwnqmqi. dl«
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A lam zcnen (Poren.
La Havre, M a r se iile w e ite r e ain d g e - p l m t ) : Produkt! ans- d r o a e lir w c d , Un
g e h alten auf H eizöl e x tr a l e i c h t (11), . wenn Ifcrtä jig/tn' (S b n d e n n i t t e 1) lira-- srhrettrai.
(m ils* u x a n r en tw ert- 500 pj/taJ
□ g lo b a l« Brenn- s t o f f r e g u lle - n n i fü r E in z el o n i t t o it e n vt F a ll zu F a ll
M öglich, «har p r a k t iz ie r t
p « 9 t e steueren, 1
□ g lo b a le Pnduk' t jj w te v h ix 'iö - : c e ste uei i m f Ehu t t e n t e n z r .v
auen' '.ml (lioß - C-.85 q/m3 (KlemanLegen) .
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A issicnan otm en Qyt.
für Rautb. Staub
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j e i t « i SOi-Btisaicns"- ncxmai vch recht
lic h e r Verbind lie h - t e i t .
icuiurgsur t (Rauih-
•ja sen tä S w efelu n g , ProzeOelemente, S - ia u stx and tak e lt e SCt» ■
Chsan<xd.-iunqeri b ei ,-per. Ti la ? sungen
□ Im Rateien d«- F e s t
legung der m.5qlich. jtd och s e i ten p r a k t iz ie r t ( P o lit ik der hohen S c h tr n stcire ) .
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Hei In fu s t r ie un Ratznai der le « so ) der bc p r a c tic a b le r od. Ver.y dr.union der 7«; tra lr eu 1 e x in g . Ai.f lagen werden dv Bergbai I nspek t e r a 1 beantragt u . v m P rä
fektur angeordaxä t .
In spektcxat C Genefmid ir») b g is t r ie n m q m
M arm systa» im Rhein- ikki-lvirgggetoiet (RI jn- ccnd-G ebieti : IVcduk- tl.-n sd r c a se lu r a , U f felärm ere Brennstoff«
'erbot ven Erwin - st o ff e n j e nach A ia n i- it u f e (1-4)
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der Technik "
K a su istlsc lie Auf lagep-r a x is beim arb e l t s - e c h t li c h a i 11»-
H ech tllch m »illc h : fa k t isc h n ich t pr a k t i z i e r t .
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-renzung. Der o ,* 5 bza 1 ,5 » . ' S te llu n g -XW ö l auf Kohle fcewnkt He- dukticm der SO.- a n u ic*i un Iictu-
r für Groaracni 2SQtÄ2Sa: F lü a-
>e B ren n stoffe:
o S f t a t a n o i » .
rer 2 Kraftwerke;
ckinh d i e Bcndeslän- (Brnten-htlrtt.
B a r lin , Phasen, M rhaln -M aatf. ,R hein- L r d - P f a lz , - S» Al arm fall dürfen (ehre Rauchgasen acdxatelung) nur
t e iz - ö l L. H eiaöl S (0,1 1», Kehle: 1»).Alaj w erte: von Sundes 12 d e m f e s t g e l e g t an Dnni s s lcnssaertan (en ter [TI) or te n t i a n (mit B erü ck sicht i -
S i ™ 2 i 2 S
H albetundem i t t e l - über dre ifel 1 ftn»xikrn7w itra-
(40 O l/h b i s 4 TJ/h) g e n e r e ll: Kohle 1»;
H e izö l 111 b e i Kj.- nunl-Che 'T te n X t o .- 0 ,5 » . R a ffir w ri« ! (N o r tr h .w e e tf.): 11
trS q em (H eizöl S:
2,5» durch Steinkoh
le : 0 ,7 5 b i s ’ ,5») b ei Kraftwerken und f i n m a l e l l e Körderun
FVrnwdrw iH brand) l/nni.aalonpnormEn
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ile ic h sw e ia * Arbei tssc h u tz Lia Vcrdergrund
' t . Stark va- r t i e r erd unter
Quelle: Knoepfel/Weidner: Handbuch der SCX-Lugtreinhaltenolitik
Bd. 1 S.73ff. Z
Bei den hier im weiteren nicht interessierenden globalen Strategien fällt zweierlei auf: Zum einen liegt der Schwerpunkt der Brennstoff
regulierungsstrategien eindeutig auf den im Hausbrandbereich einge
setzten leichten oder extraleichten Heizölen; mit Ausnahme der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland kennt kein Land ex
plizite rechtsverbindliche Standards für die im Kraftwerkssektor nunmehr vermehrt eingesetzte Kohle und die Standards für mittleres und schweres Heizöl, das ausschließlich im Industriesektor zur An
wendung gelangt • Alle Länder lassen - mit Ausnahme einiger schweizerischer Kantone und der Niederlande - immer noch die Verwendung von Heizölen zu, die einen Schwefelgehalt von mehr als 2 Volumenprozent aufweisen Die in Belastungsgebieten auch für solche Brennstoffkategorien an
geordneten niedrigeren Werte zeigen indessen, daß technologisch auch hier eine Entschwefelung bis hinunter zu 1 Volumenprozent
möglich ist. Bei den Prozeß- und Emissionssteuerungsstrategien fällt zum anderen auf, daß bisher in keinem Land die in Japan und den USA bereits seit längerem praktizierte Rauchgasentschwefelung 1 2) zum verbindlichen Stand der Vermeidungstechnologie für Großkraft
werke erklärt worden ist. Über ein ausgebautes Ensemble von generel
len Emissionsnormen verfügt mit Ausnahme der BR Deutschland und Belgien kein einziges Vergleichsland. Ansonsten gilt in diesem Be
reich immer noch die Festsetzung von Verbrennungs- und Luftreinhalte technologien von Fall zu Fall, die von den meist dezentral agieren- den 1 3) Behörden in Genehmigungsauflagen angeordnet werden. Insbeson
dere vor dem Hintergrund wiederum ansteigender SO^-Gesamtmengen sollten diese beiden Lücken in den strategischen Konzepten durch den Einbau der erforderlichen globalstrategischen Zusatzelemente baldmöglichst geschlossen werden. Versuche auf EG-Ebene, über den Hausbrandsektor hinausgehende Brennstoffregulierungsmaßnahmen zu initiieren, sind vorläufig am Widerstand der Mitgliedstaaten ge
scheitert. 4)
3. Probleme regionaler Strategien 3.1. Bedeutung regionaler Strategien
Die jedenfalls vor Erlaß wirksamer Raumplanungsgesetzgebungen in allen EG-Staaten weitestgehend marktwirtschaftlichem Allokations
kalkül unterworfene Entwicklung von Besiedlungs- und Industriali
sierungsprozessen hat zu dem bekannten Bild disfunktionaler Raum- nutzungsstrukturen geführt. 15) Wir finden in allen EG-Staaten heute
gigantische industrielle und demographische Ballungsgebiete in unvermitteltem Nebeneinander mit strukturschwachen Ent- leerungsräumen. ' Es versteht sich von selbst, daß primär in solchen Ballungsgebieten problematische Luftverhältnisse herrschen, fallen hier doch sowohl von der Vielzahl priva
ter Haushalte als auch von den Gewerbe- und Industriebetrie ben sowie von verschiedenen Verkehrsträgern gewaltige Emis- sionsvolumina an. 1 7) So hat jedes EG-Land heute gegen zu
nehmende Luftverschmutzungsprobleme in Ballungsgebieten an
zukämpfen. Diese gehen aus der folgenden Tabelle hervor, in der auch die wesentlichen Merkmale der regionalen Sonder
strategien angeführt werden:
L a n d G e b i e t e M aßnahm en
G e b i e t Einw ohner i n Mio.
B e l g i e n B r ü s s e l 1 ,1 1 1 (2 4 G e rn .) In den 72 Gemeinden, i n denen A n tw e r p e n 0 , 6 5 8 (1 6 G e rn .) c a . 1/4 d e r b e lg is c h e n B e v ö l- L ü t t i c h 0 , 3 4 9 (1 3 G ern.) k eru n g l e b t , g e lte n zw ischen G e n t 0 , 2 4 1 ( 8 G ern.) 20 und 30% s tr e n g e r e E m issio n s C h a r l e r o i 0 , 1 9 9 (11 G e rn .) normen und 1,4 mal h ö h ere
Kaminhöhenwerte. E n tsp re c h e n d den s c h ä rf e r e n E m ission sp o rn en g e l t e n auch s tr e n g e r e S-G e- h a l t s k r i t e r i e n . Au s s c h e i d m g s - k r ite r iu m : B e la stu n g sn iv e a u s von n eh r a l s 150 pg/nr5 J a h r e s - m i t t e l u e r t .
BR D eu tsch lan d B e la stu n g sge b i e t e : F ü r d ie B e la s tu n g s g e b ie te d e r A sch affen b u rg 0 , 0 5 5 BR D e u tsc h la n d , i n denen c a .
Augsburg 0 , 2 4 5 1/6 d e r B evölkenm q l e b t
Burgliausen u n t e r 0 , 0 2 (10 M io .) , g e lte n - abgesehen E rlan g en - F ü r t h - 0 , 6 9 1 von s p e z i e l l e n In fo r m a tio n s -
N ürnberg und M e ß p flic h te n s e i t e n s d e r
In g o l s t a d t -Neu - c a . 0 , 1 1 0 E m itte n te n - k e in e b eso n d ere n ,
s t a d t -Ke lh eim Maßnahmen. In B e la s ttn g s g e b ie -
München 1 ,3 1 5 te n s in d L u f tr e i n h a l t e p l ä n e
R egensburg 0 , 1 3 4 zu e r s t e l l e n . Solche wurden
Würzburg 0 , 1 16 b i s h e r e r s t i n den d r e i n o r d - j B e rlin -fctest 1 ,9 3 7 r h e in w e s tf ä lis c h e n B e lä s tu n g s - ' U n tern ain c a . 0 , 9 0 0 g e b ie te n F h e in sc h ie n e Süd
Rhein-Main c a . 0 , 2 0 0 (Köln) , R h e in sch ien e M itte 1
W etzlar c a . 0 , 0 2 0 (D ü sseld o rf) und R u h rg e b ie t
K assel 0 , 2 0 0 O s t (Dortmmd) v e r a b s c h ie d e t.
(Köln) k e in e an d eren Regeln a l s im
R h e in s c h ie re M itte c a . 0 , 6 5 0 ü b rig e n B u rd e s g e b ie t. D ie V e r- (D ü sseld o rf) w a ltu n g s in s ta n z e n w erden a n g e - R u h rg e b ie t (-fest c a . 0 , 6 0 0 w ie s e n , d i e S a n ie ru n g s - und
(Duiäaurg) K o n tro llm ö g lic h k e ite n d e s B in -
Ruhr g e b i e t M itte c a . 0 , 7 0 0 desim m is s io n s sc h u tz g e s e tz e s
(Essen) nach Maßgabe im fa sse n d e r Maß-
R u h rg e b ie t O s t c a . 0 , 6 5 0 n ahnenoläne v o l l a n fä n g lic h
(D o rtsin d ) a u szu sch ö p fen .
L u d w ig sh afen -F ran - c a . 0 , 2 0 0 A u s w e isu n g s k rite rie n : J a h r e s -
k e n ta l m i t t e i w e r t 14o yig/iri ü b e r -
M ainz-Bodenheim c a . 0 , 2 0 0 s c h r i t t e n o d e r n i e d r i g e r e r
D illin g e n 0 , 0 2 5 W ert zusammen m it an d eren
V ö lk lin g e n 0 , 0 5 0 S c h a d s to ffe n ü b e r s c h r i t t e n .
Saarbrücken 0 , 2 0 2 (L ändervereinbarung)
N eunkirchen 0 , 0 5 5
Dänemark Großraum K cpen- ’ ,77 In dem 7% d e r Gesam tbevölke -
ha gen ru n g um fassenden G e b ie t g i l t
f ü r f l ü s s i g e I n d u s tr ie b r e n n - S to ff e e i n e maximale Schwefel ge h a lts o r e n ze von 1%. In d u - s tr ie a n s ie d lu n g s p lä n e w erden e r s t nach um fassender Umwelt- V e r t r ä g li c h k e it sp rü fv n g a u f g e s t e l l t / w i e d a s auch a rx ie rs w I e r f o l g t .
L a n d
G ro ß b rita n n ie n
F ra n k re ic h
I t a l i e n
N ied erlan d e
G e b i e t e
G e b i e t Einw ohner i n Mio.
Landen (n u r In n e n - S ta d tb e z ir k )
Besondere S c h u tz - zonen:
P a r i s (S ta d t) 2 , 1 5 5
Nord c a . 2 , 5 0 0
Rhone c a . 1 ,5 0 0
P a r is (A gglonera- c a . 7 , 8 3 0 tie n )
M a rs e ille 1 ,0 0 5
AlazSEonen:
Rouen 0 ,2 1 8
l e Havre 0 ,1 1 8
Zone B:
Raun T u rin 1 ,2 7 6 (4 G e rn .) Raum M ailand 2 ,0 0 4 (4 Gern.)
T r i e n t 0 , 0 7 8 (1 Gern.)
Bozen 0 , 1 0 7 (1 G e rn .)
Genua 0 , 8 0 1 (1 G ern.)
V enedig 0 , 3 6 3 (1 G ern.)
Rom 2 , 8 8 4 ( 1 Gern.)
N eapel 1 ,2 2 4 (1 Gern.)
T a re n t 0 , 2 4 4 (1 G ern.)
Zone A:
c a . 380 Gemeinden
Rheinm indungsge- 1,040
b i e t , i n c l . R otterdam
M aßnahm en
H ie r g i l t durchgehend e in e - p a r la m e n ta ri sc h b e s c h lo ss e n e -
S c h w e fe lg e h a ltsb eg renzunu w n 1%.
In t o ca . 30% (15 Mio .) d e r G esam thevölkeru n g um fassenden b eso n d ere n S chutzzonen g i l t e in e g e n e r e l l e S -G e h a ltsb e - sc h rä n k in q a u f 2 (Nord, A gglo
m e ra tio n P a r i s , M a rs e ille ) bzw. n ( P a r i s - S t a d t , Rhöne).
Daneben: I n t e n s iv ie r u n g d e r K o n t r o l l a k t i v i t a t e n und R e v i
s i o n s p f l i c h t f ü r k l e i n e r e An
la g e n . I n Alarrnzonen: Reduk
t i o n d as S -G e h a lts a u f 1% b e i Alarm.
I n den c a . 40% d e r B evölkerung umfassenden S chutzzonen A und B (d aw n c a . d i e H ä lf te i n d e r Zone B) g e l t e n d i e s p e z i e l l e n Inrnis s i o n s - , E m issio n s - , P ro d u k t- und Prozeßnormen des A n ti smog-G e se tz e s f ü r Haus
b r a n d - w d I n d u s tr ie a n la g e n sow ie d i e e n tsp re c h e n d e n Kon- t r o l l - und G enehm iguigsver - fa h re n . Das A ntism og-G esetz g i l t n i c h t a u ß e rh a lb d e r Schutzzonen.
In diesem G e b ie t von 614 km 2 f i n d e t e in e kcmmunale Grenzen ü b e rg re if e n d e K o o rd in a tio n d e r Orweltschutzmaßnahmen (i n c l . Überwachung) d u rch e in e "Supra- B ehörde’' s t a t t .
Quelle: Knoepfel/Weidner, Handbuch der SO~-Luftreinhalte- politik, Teil I, S. 92f.
Daß diese Quellengebiete, insbesondere was den Luftschad
stoff Schwefeldioxid anbelangt, nicht nur für die örtliche und regionale ümweltsituation von Bedeutung sind, sondern auch für die Belastungssituation weit abgelegener Gebiete ln Nachbarstaaten verantwortlich zeichnen, kann hier nur
18) Seit Jahren klagen angedeutet werden
vor allem die Skandinavier über saure Böden und Fischsterben in den Seen infolge riesiger Mengen von Schwefelverbindungen, die aus den Kaminschloten der englischen, belgischen und bundesdeutschen Ballungsgebiete stammen. Ähnliche Importe aus den Industriegebieten der USA haben zu einer katastrophalen Versäuerung der kanadischen Seen geführt. Bisherige Versuche, internationale Vereinbarungen zur Reduktion dieser ungewünschten Importe zu treffen, sind am zähen Widerstand der "Spenderländer" weitgehend gescheitert. 19)
Es ist bezeichnend, daß keine Karte der luftreinhaltepolitisch
besonders schutzwürdigen Gebieten Europas verfügbar ist. Vergleichbar der Situationen in der Raumordnungspolitik 20) befaßte sich auch die Luftreinhaltepolitik bisher primär mit Siedlungs- und Industrie
räumen. Besondere regionale Schutzstrategiert für noch intakte länd- liehe Räume, wie sie etwa in den USA zunehmend entwickelt werden,21) finden sich in der Luftreinhaltepolitik der EG-Staaten mit Ausnahme der Ansätze in der BR Deutschland und in der Schweiz 22) kaum. Man wird hier weiterhin auf das - in jüngster Zeit in manchen Staaten etwas gestärkte - Instrumentarium des raumplanerischen Naturschutz- und Landschaftspflegerechts abstellen müssen.2 3)
3.2. Zu den niveauorientierten regionalen Strategien
Definitionsgemäß ist allen neun, in der obigen Tabelle herausgear
beiteten Arten regionaler niveauorientierter Strategien gemeinsam, daß sie mit Immissionskriterien oder -standards für die maximal zulässige Schadstoffkonzentration in der örtlichen Umgebungsluft arbeiten. Diese Orientierungsgrößen unterscheiden sich bei einer vor
sichtig vergleichenden Betrachtung im wesentlichen bezüglich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und ihrer Vollzugsrelevanz; Ein inhalt
licher Vergleich ist schon deshalb kaum möglich, weil insbesondere die Kurzzeitwerte je Land für unterschiedliche Zeitintervalle mit unterschiedlichen Beurteilungskriterien gelten. Einigermaßen ver
gleichbar sind lediglich die Jahresmittelwerte; hier bestehen ganz erhebliche Differenzen. So liegt der zulässige Jahresmittelwert für S0„ in der Schweiz bei 60 pg/m , in den Nie-
3 2 24)
derlanden bei 75 pg/m , in den USA und nach 1983 in der EG bei
3 3
80 pg/m , in der BR Deutschland bei 140 pg/m ; der für die Aus
scheidung von Belastungsgebieten in Belgien einschlägige Jahres- 3 25)
mitteiwert liegt gar bei 150 pg/m . Diese Spannweite ist gewiß weniger auf die unterschiedliche Resistenz von Menschen und Öko-
Systemen gegenüber Schadstoffbelastungen als vielmehr auf Diffe
renzen bezüglich angewandter Schutzkriterien und Interessenberück
sichtigungsmustern in den nationalen Programmformulierungsprozessen zurückzuführen. 7 Bei Transmissionssteuerungsstrategien über die Steuerung der Kaminhöhen finden sich "verkappte" Immissionsgrenz
werte in sog. Kaminhöhenformeln. Interessant sind zum zweiten die drei Stufen unterschiedlicher Vollzugsrelevanz solcher Immis
sionsgrenzwerte: Ausschließlich als Kriterium für die planerische Ausscheidung von Gemeinden als Belastungsgebiete wird der ansonsten bedeutungslose belgische Wert herangezogen. Demgegenüber kommt
insbesondere dem bundesdeutschen Grenzwert die Funktion einer ver
bindlichen Genehmigungsbedingung für Neuanlagen zu. Der belgische und französische Tagesmittelwert von 500 pg/m erlangt lediglich 3 insoweit Vollzugsrelevanz, als bei dessen Überschreitung Alarm aus- gelöst wird und entsprechende Drosselungen der Feuerungsaktivitäten angeordnet werden.
Von zunehmender Bedeutung sind die regionalen Brennstoffregülierungs strategieh ( 2 ),die im Verlaufe der 70er Jahre sukzessive auf
immer größere Gebiete belgischer, britischer, italienischer und französischer Belastungsgebiete ausgedehnt wurden. Durch
die vielfach die 50%-Marke überschreitende Reduktion des zulässigen Schwefelgehalts für industrielle Brennstoffe konnte in diesen Ge
bieten die Immissionssituation anfänglich ganz erheblich verbessert werden. Nur für die Bekämpfung von Spitzenbelastungen ist die re
gionale Brennstoffregulierung im Alarmfall ( □ ) geeignet,wie sie sich i Belgien,Frankreich,den Niederlanden , der BR Deutschland und Däne
mark findet. Solche extremen Belastungssituationen treten meist bei Inversionswetterlagen auf und verlangen nach einem unmittelbar reaktionsfähigen Alarmsystem. Die - idealtypische - Strategie der regionalen Produktionstechnologiesteuerung mittels Immissions- und EmissionsStandards ( 5 kennt bisher praktisch nur die Bundesrepu
blik Deutschland; ihr formales italienisches Pendant krankt - abge
sehen von vollzugspraktischen Unzulänglichkeiten - an der meß
technisch nicht realisierbaren Beschränkung des Immissionswertes auf industrielle Emissionen. Im Gegensatz zu den bundesdeutschen sind außerdem die italienischen Emissionswerte auf Hausbrandemis
sionen beschränkt. Regionale Produktionstechnologiesteuerung über besondere regionale Emissionsnormen ([~9~| ) kann als zentrale Kompo
nente des belgischen strategischen Konzepts angesehen werden. Dem
gegenüber liegt der Schwerpunkt etwa der'italienischen Luftrein- haltepolitik deutlich auf der regionalen Produktionstechnologie
steuerung von Fall zu Fall ( 1101 ) . Regionale Produktionstechnologie
steuerung über besondere Maßnahmen im Alarmfall ( ITT1 ) kann in Belgien zum Einsatz gelangen. Wie für den Bereich der globalen
gilt auch für die regionalen Strategien der Produktionstechnologiestei e-rung daß bisher die außerordentlich wirksame Rauchgasentschwefe
lung den ihr gebührenden Stellenwert nirgendwo erlangt hat.
Die Strategie der TransmissionsSteuerung über die Festlegung von Kaminhöhen ( |13 1) findet sich in allen Vergleichsländern mit Aus
nahme der Niederlande, die diese Strategie unter Hinweis auf ihre problematischen Auswirkungen für Drittländer infolge transnationaler Schadstoffverfrachtungen explizit ablehnen. Die Politik der hohen Schornsteine gilt insbesondere für Großbritannien, Italien und Frankreich, aber auch für Dänemark und die BR Deutschland immer noch als wesentlicher Eckpfeiler der Luftreinhaltepolitik. 27) Die zeitliche Streuung der Emissionen im Alarmfall ( |14 1), wie sie in Frankreich, den Niederlanden, der BR Deutschland und Italien prak
tiziert wird, ist wie das zeitweilige Umstellen auf schwefelarme Brennstoffe ( 31 ) eine adäquate Strategie zur Überwindung von wetter bedingten Hochbelastungssituationen.
Alle hier angeführten niveauorientierten regionalen Strategien ent
falten ihre Wirksamkeit in Belastungsgebieten und sind regelmäßig als Zusatzstrategien zu landesweit praktizierten lufthygienischen Maßnahmen anzusehen. Nur für das extrem immissionsorientierte Kon
zept der italienischen Luftreinhaltepolitik trifft dies nicht zu:
Das beinahe die Gesamtheit luftreinhaltepolitischer Maßnahmen um
fassende Anti-£mog-Ceset£ von 1965 (Nr. 615 "Legge Anti-Smog") gilt ausschließlich für die Belastungsgebiete der Zonen A und B. In den übrigen Landesteilen findet - wenn überhaupt - Luftreinhaltepolitik nur über gesundheitspolizeiliche Interventionen von Fall zu Fall statt.
3.3. Strukturorientierte regionale Strategien, insbesondere Raumordnungspolitik
Die Nachteile der dargestellten niveauorientierten regionalen Strategien liegen in ihrer oft nicht vorhandenen oder ".nur schwach ausgebildeten planerischen Dimension und in den damit fast zwangs
läufig einhergehenden mangelnden Einwirkungsmöglichkeiten auf
andere über differenzierte Planungsprozesse verfügende Politikbe
reiche wie Energie- und Raumordnungspolitik. Sie konstituieren alle
samt insoweit symptomtherapeutische Ex-post-Aktivitäten, als sie Lokalisierung, Art und Zahl der Quellen nur im Vollzugsstadium über Interventionen im Einzelfall mitbeeinflussen können. Wie er
wähnt, finden sich auf nationaler Ebene keine Hinweise auf luftrein- haltepolitisch motivierte Energiesubstitutions- oder Energiespar- Strategien; ’ zu vermuten ist allerdings, daß solche insbesondere auf lokaler Ebene bereits zum Einsatz gelangen. Wie die Strategie
tabelle zeigt, finden sich in der Mehrzahl der EG-Staaten auch kaum Hinweise auf eine effektive und verfahrensrechtlich hinlänglich abgestützte Koordination von Luftreinhaltepolitik und Raumordnungs
politik. Die Praxis läßt vermuten, daß auch dort, wo dazu einige programmatische Aussagen bestehen, der für den Analytiker nahelie- gende 29) systematische Brückenschlag zwischen diesen beiden Politik
bereichen bisher ausgeblieben ist. Dieser könnte der Luftreinhalte
politik den Weg für eine über bloß punktuelle Interventionen hinaus
gehende "Rückkehr in den Raum"bereiten. Erst dadurch läßt sich Luft- reinhaltepolitik ernsthaft explizit auf Mitgestaltung jener räum
lichen Erlebnistotalität verpflichten, deren Veränderung das stark partizipations- und mobilisierungsfähige Potential räumlicher Be
troffenheit^0 ^ sozialer Gruppen freilegt, das für deren erfolgreiche Implementation erforderlich ist. 31) Das bisher zweifellos inter
essanteste Modell für einen solchen Brückenschlag sind die ver- schiedenen Konzepte öffentlicher Umweltverträglichkeitsprüfungen, 32) mit denen Verfahren zur Verfügung gestellt werden, die eine u m
fassende Informationsbeschaffung über Umwelteinwirkungen von Ein- zelvorhaben und Planungswerken und deren öffentlich kontrollier
bare Evaluation ermöglichen sollen . Gegenüber bisherigen raum
planerischen Konzepten liegt der Vorteil dieser Verfahren darin, daß sie den Umweltaspekt durch seine verfahrensmäßige Verselbstän
digung gegenüber anderen Aspekten privilegieren sollen und dessen Berücksichtigung nicht nur auf Projektebene, sondern prinzipiell auf allen drei raumpolitisch relevanten Ebenen sicherstellen könnten:
- Auf der Zielebene ist es einleuchtend und wegen der räumlich noch nicht gebundenen Inhalte 341 technisch realisierbar, jedes raumord
nungspolitische Zielelement unter dem besonderen Gesichtswinkel seiner umweltpolitischen Auswirkungen und deren Wünschbarkeit zu evaluieren. Infolge der einfachen Korrelation zwischen Besiedlungs-
bzw. Industrialisierungsgrad und zu erwartenden Emissionen ließe sich dabei insbesondere die Wünschbarkeit der in den Planungsregio
nen anfallenden Luftschadstoffmengen evaluieren. Zielsetzungen der gewichtigen Regionalplanung über die gewünschte Verteilung von Be- siedlungs- und Industrieaktivitäten ließen überdies umfassende Im
missionsprognosen für Entwicklungsräume und deren Bewertung zu.
Zwar figuriert in den meisten Vergleichsländern die Berücksichti
gung von Belangen des Umweltschutzes regelmäßig als einer der ge- setzlich festgeschriebenen Grundsätze der Raumordnungspolitik.35) Weil dieser Aspekt nur einer unter vielen Gesichtspunkten ohne be
sondere verfahrensmäßige Qualifizierung darstellt, kommt ihm die m.E. gebotene Bedeutung für konkrete Zielsys.tsne der Raumordnungpolitik nicht zu.
- Ähnliches gilt für die Ebene der überörtlichen und der kommunalen Pläne selbst. Bei der Regionalplanung droht der Umweltschutz in den’’ungefährlichen zoologischen Garten" eines im Vergleich mit an
deren Plänen durchsetzungsschwachen regionalen Landschaftsrahmen
plans oder ähnlicher Schönwetterdokumente abgedrängt zu werden, die bestenfalls für besondere Naturschutzgebiete, kaum aber für die Regulierung harter Konflikte in Entwicklungsräumen von Bedeutung sind. Im Bereich der kommunalen Nutzungsplanung stößt die Inte
gration luftreinhaltepolitischer Konzepte in den meisten Staaten schon deshalb auf Grenzen, weil die landesweit einheitliche Um
schreibung insbesondere der verschiedenen Gruppen von Industriege
bieten bisher nur selten luftreinhaltepolitisch motivierte Diffe- renzierungen vorgenommen hat. 7 Auch hier figuriert die Berück
sichtigung umweltpolitischer Belange im Plangenehmigungsverfahren nur als ein Aspekt unter vielen; eine umfassende und institutionell verselbständigte Umweltverträglichkeitsprüfung des Planungswerks selbst findet sich ansatzweise erst in Dänemark und Großbritannien. 37) Dies mag auch daran liegen, daß man bislang Umwelt- und insbesondere Luftreinhaltepolitik auf Mikro-Ereignisse bei individuellen Anlagen beschränkt hat, was. u. a. darin zum Ausdruck kommt / daß der Be
griff der Umweltverträglichkeitsprüfung in den bisherigen Diskus- sionen weitgehend für die Projektebene reserviert geblieben ist.38) Diese Tendenz hat nunmehr auch durch den Entwurf für eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft für die Einführung solcher Prüfungsverfahren Auf- trieb erhalten. 39) Jeder Planer weiß, daß die Möglichkeit der
Durchsetzung umweltverträglicher Raumnutzung im individuellen Ge
nehmigungsfall vielfach nicht mehr besteht, weil durch die Nutzungs
plane Umweltbelastungsrechte gleichsam schon rechtsverbindlich zu
gesagt sind.
- Auf der Projektebene ist die Integration von Luftreinhalte- und Raumordnungspolitik in der BR Deutschland, Dänemark, Frankreich und in einzelnen schweizerischen Kantonen durch ein mehr oder weni
ger ausgebautes Konzentrationsprinzip beim immissionsrechtliehen Ge- nehmigungsverfahren jedenfalls verfahrensrechtlich sichergestellt. 4C Für ausgewählte Bereiche kennen Frankreich, Irland, die BR Deutsch
land und Luxemburg bereits eigentliche Umweltverträglichkeitsprü- fungen. 41) In sechs EG-Staaten (Belgien, Luxemburg, England, Irland, Italien und Holland) fehlt gegenwärtig eine generelle Koppelung von umweltrechtlicher und baurechtlicher Anlagegenehmigung. Dieses
Nebeneinander dürfte immer dann zu Lasten der Luftreinhaltepolitik ausschlagen, wenn die - weniger komplexe - Baugenehmigung vor der immissionsrechtliehen Genehmigung erteilt wird und die Umweltbe
hörden quasi vor ein fait accompli gestellt werden.
Diese gegenwärtig offensichtlich schwache Integration von Raumord- nungs- und Luftreinhaltepolitik insbesondere auf der Ebene der Regional- und Kommunalplanung dürfte verschiedene Ursachen haben.
Einmal sind die beiden Politikbereiche aus traditionellen Gründen sehr oft unterschiedlichen Verwaltungseinheiten zugeordnet.42)
Hinzukommt, daß bislang die verwendeten Instrumente, die Qualifi
kation des Personals und die Sprache so unterschiedlich waren, daß an Zusammenarbeit kaum zu denken war. 43) Während sich Raumpla
nung nach anfänglichen Schwierigkeiten nunmehr als Fachdisziplin etabliert zu haben scheint, finden sich in umweltpolitischen Ver
waltungen derzeit noch kaum einheitliche instrumentelle oder per
sonelle Profile, welche eine Institutionalisierung wechselseitiger Kommunikation hin zu anderen Ressorts ermöglichten -. Ein wesentlicher Grund für die mangelhafte Integration dürfte außerdem auch in den unterschiedlichen Klientelgruppen der beiden Politikbereiche und deren interessenspezifischen Instrumentalisierung liegen. Luft
reinhaltepolitik ist gegenüber dem Industriesystem gegenwärtig in
folge erhöhter legitimatorischer Anforderungen wohl immer noch autonomer als Raumordnungspolitik. 44) Dementsprechend läßt sich die letztere realistischerweise nur beschränkt für aktive Umwelt
politik mobilisieren. Integration luftreinhaltepolitischer Belange in die Raumordnungspolitik sollte daher nicht zur Aufgabe der ad
ministrativen Eigenständigkeit luftreinhaltepolitischer Behörden