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In der Warteschleife

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Academic year: 2022

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120 |IP • Mai/Juni 2020

Positionen Buchkritik

Susan Rice: Tough Love. My Story of the Things Worth Fighting For. New York City:

Simon & Schuster 2019. 544 S., 27,99 € Susan Rice, Samantha Power und

Nikki Haley – sie alle verbindet eines: das Amt der Ständigen Vertreterin der USA bei den Ver- einten Nationen in New York.

Rice und Power waren beide un- ter Präsident Barack Obama im Amt, Haley unter Donald Trump, von Anfang 2017 bis Anfang 2019.

Alle drei Frauen haben nahezu zeitgleich im vergangenen Herbst ihre Erfahrungsberichte veröf- fentlicht; für alle drei sind sie ein Mittel, um politisch in den USA im Gespräch zu bleiben und sich für neue politische Ämter ins Ge- spräch zu bringen, wenn die Zeit dafür reif ist. Die haben sie: Alle Frauen sind erst um die 50 Jahre alt; kein Alter, um die politische Karriere mit einer „klassischen“

Autobiografie zu beenden.

Rice, Power und Haley waren als US-Botschafterinnen bei den UN politisch Ernannte und keine Berufsdiplomatinnen. Sie konn- ten damit während ihrer Amts-

Susan Rice und Samantha Po- wer arbeiteten unter Obama di- rekt zusammen: Er ernannte Rice zur Ständigen Vertreterin bei den UN und rekrutierte Power als Sonderberaterin des Präsidenten und leitende Direktorin für Mul- tilaterale Angelegenheiten und Menschenrechte im Nationalen Sicherheitsrat. Anders als die beiden, die in Washington auf- gewachsen sind (Rice) oder die Stadt zumindest lange kennen (Power), kam Nikki Haley neu nach Washington; zuvor war sie Gouverneurin in South Carolina.

In ihrem Buch nimmt Haley kein Blatt vor den Mund, vor allem, was ihre Meinungsverschieden- heiten mit Rex Tillerson angeht, der unter Trump gerade einmal ein Jahr Außenminister war.

Die Strategin

Susan Rice, die zuletzt Natio- nale Sicherheitsberaterin unter Obama war, liefert eine sehr zeit einen relativ großen Einfluss

innerhalb der US-Regierung und damit auch bei den Vereinten Na- tionen ausüben.

Das Amt selbst ist dafür gera- dezu prädestiniert, waren doch die meisten US-UN-Botschafter seit 1953 Mitglied des Präsiden- tenkabinetts und im Nationalen Sicherheitsrat. Zuweilen „mutie- ren“ die Ständigen Vertreter zu einem zweiten US-Außenminis- ter, was zu offenen Konflikten in Washington führen kann.

In der Warteschleife

Drei amerikanische Ex-Botschafterinnen erzählen über ihre Erfahrungen bei den Vereinten Nationen – Frauen, die US-Außen-

politik geprägt haben und sie künftig wieder prägen könnten.

Von Patrick Rosenow

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IP • Mai/Juni 2020 |121

Positionen In der Warteschleife

Samantha Power: The Education of an Idealist: A Memoir. New York City: Dey

Street Books 2019. 592 S., 13,99 € detailreiche, zuweilen geradezu

überfrachtete Autobiografie. Und obwohl sie immer wieder etwas über ihr Privatleben und ihre Fa- miliengeschichte schreibt, bleibt der Mensch Susan Rice selbst nebulös. Rice erwähnt, dass sie kaum Zeit zur Selbstreflexion hat; vermutlich nimmt sie sich aber auch nicht die Zeit. Private Themen sind die Geburt ihrer Kinder, die Herausforderung, Fa- milie und Beruf zu vereinbaren, und ihre Leidenschaft für Basket- ball. Gegen Ende ihrer Autobio- grafie nehmen die persönlichen Schilderungen noch stärker ab.

Dass sie als einzige farbige Frau im UN-Sicherheitsrat saß, war für Rice keine ganz neue Er- fahrung. Schon in ihrer Kindheit hatten sie und ihre Familie mit Diskriminierung zu kämpfen.

Ausführlich schildert Rice dies anhand der Migrationsgeschich- te ihrer Großeltern aus Jamaika und ihrer Eltern. Die Eltern er- kämpften sich vieles: Ihr Vater Emmett Rice war Mitglied des Gouverneurrats der US-Zent- ralbank und Manager bei der Weltbank. Mutter Lois Rice war lange Jahre Vizepräsidentin des College Boards, einer amerikani- schen gemeinnützigen Prüfungs- kommission, bestens vernetzt in Washington.

Susan Rice, die nach eigener Aussage bereits mit zehn Jahren wusste, dass sie Senatorin wer- den wollte, profitierte von die- sen Verbindungen sehr. Bereits in frühen Jahren waren ihre El- tern mit der ehemaligen UN-Bot- schafterin und späteren Außen-

ministerin Madeleine Albright und ihrer Familie befreundet.

Albright war es schließlich, die Obama Susan Rice für das Amt der UN-Botschafterin empfahl.

Zuvor hatte Rice Obama als au- ßenpolitische Beraterin im Wahl- kampf unterstützt.

Krisen und Konflikte in den Vereinten Nationen erlebte Rice jedoch nicht erst im UN-Sicher- heitsrat. Eindringlich beschreibt sie, wie sehr der Bürgerkrieg in Somalia und die Tötung ame- rikanischer Soldaten sowie der Genozid in Ruanda und die Machtlosigkeit der UN sie scho- ckiert hätten. Mit Ende 20 war sie unter Bill Clinton Direktorin für internationale Organisationen und Friedenssicherung und spä- ter Direktorin für afrikanische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat. Dabei erlebte sie hautnah die regierungsinternen Handlungsblockaden.

Diese Ereignisse waren für Rice im Libyen-Konflikt 2011 handlungsleitend, weshalb sie sich zusammen mit Samantha

Power und der damaligen Au- ßenministerin Hillary Clinton gegenüber Präsident Obama für ein stärkeres Engagement der USA einsetzte, um einen Geno- zid zu verhindern. In ihrer Au- tobiografie wird immer wieder deutlich, dass Rice sich primär für sicherheitspolitische The- men interessiert und eher stra- tegisch vorgeht als normativ, wie es Samantha Power tut. Ihr rauer Ton spricht sich auch bei den UN herum. Als Beispiel für ihren Verhandlungsstil führt sie an, dass sie Delegationen immer mal wieder mit einem Foto des UN-kritischen Botschafters John Bolton drohte: Der könne gern zurückkehren, wenn ihre Forde- rungen nicht erfüllt würden.

Die Idealistin

Wesentlich persönlicher und emotionaler als die Autobiografie von Susan Rice fällt die der Pulit- zer-Preisträgerin Samantha Pow- er aus. In ihrem Buch geht es um eine sehr grundsätzliche Frage:

Welche Prinzipien entwickeln die Menschen im Laufe ihres Leben?

Und wie hart werden diese von der Politik auf die Probe gestellt?

Power schreibt über ihre Kind- heit in Irland, über ihren Vater, der sich zu Tode trank, und da- rüber, wie sie zusammen mit ihrem Bruder Stephen und ihrer Mutter in die USA auswanderte, um ein neues Leben zu begin- nen. Wie Rice interessierte sich Power schon früh für amerika- nische Außenpolitik; zunächst plante sie jedoch nicht, Teil des Systems zu werden. Während die

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122 |IP • Mai/Juni 2020

Positionen Buchkritik

Nikki Haley: With All Due Respect:

Defending America with Grit and Grace.

New York: St. Martin’s Press 2019.

320 Seiten, 13,44 € politischen Schlüsselerlebnisse

für Rice in Afrika stattfanden, war es für Power der Jugosla- wien-Krieg in den 1990er Jah- ren – die Massenmorde an der Zivilbevölkerung und das lange tatenlose Zuschauen der interna- tionalen Gemeinschaft, gerade der USA.

Als junge Berichterstatterin schmuggelte sie sich als angeb- liche Reporterin in das Krisen- gebiet, um aus erster Hand über die Geschehnisse zu erzählen.

Früh entwickelte sie ein En- gagement für den Schutz von Menschenrechten weltweit, früh begann sie, Forderungen an die amerikanische Politik zu formu- lieren. Mit Anfang 30 verfasste Power ihr preisgekröntes Buch

„A Problem from Hell: America and the Age of Genocide“, in dem sie Amerikas internationale Ver- antwortung für die Verhinderung von Genoziden akribisch her- leitet. Darin verurteilt sie auch Rices abwartendes Verhalten beim Genozid in Ruanda.

Im jungen US-Senator Obama findet sie ihren „Seelenverwand- ten“ und arbeitet mit ihm zusam- men, insbesondere beim Dar- fur-Konflikt. Später unterstützt sie mit Rice Obamas Präsident- schaftswahlkampf. Als Obama sie nach seiner Amtsübernahme zunächst in den Nationalen Si- cherheitsrat beruft, muss sich Power als Außenstehende erst einmal in ihre Arbeit einfinden – es gelingt ihr nicht immer. Einer ihrer Mentoren ist der Diplomat Richard Holbrooke, der ihr zeigt, wo sie etwas gezielt bewirken

dass ihre normativen Ansprüche nicht immer politisch durch- setzbar waren.

Die Dogmatikerin

Eine ganz andere Geschichte präsentiert Nikki Haley in ihrem Bericht über ihre zweijährige Amtszeit als US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Ihr Buch zeichnet sich durch eine im Vergleich zu Rice oder Power wesentlich einfacher gehaltene Sprache aus. Zudem schreibt Haley selten Persönliches, was der Tatsache geschuldet sein mag, dass sie ihre Autobiografie bereits 2012 veröffentlicht hatte.

Insgesamt liest sich ihr Buch wie ein Pamphlet gegen die Politik Obamas und wie ein Lob des ihrer Ansicht nach notwendigen Neustarts unter Donald Trump.

Immer wieder betont sie, dass amerikanische Interessen zu we- nig berücksichtigt würden, sei es beim Iran-Konflikt oder bei der multilateralen Arbeit in den Ver- einten Nationen insgesamt.

Haley zufolge hatte Trump schon länger ihre politische Kar- riere in South Carolina beobach- tet, bevor er sie überraschender- weise nach New York einlud, um mit ihr darüber zu sprechen, ob sie sich die Position der US-Bot- schafterin bei den UN vorstellen könne. Sie nahm das Angebot gern an, obwohl sie keinerlei außenpolitische, geschweige denn UN-Erfahrung hatte. Trump schätzte allerdings ihr Verhand- lungsgeschick – eine Fähigkeit, die im komplexen UN-System wichtig ist.

kann, ohne auf große Widerstän- de zu stoßen. Sie widmet ihm 2011 eine ganze Biografie.

Als Ständige Vertreterin der USA bei den UN ist Power auf der anderen Seite angekommen, in der Politik. Nun, so ihre Erkennt- nis, kann und muss sie selbst zur Verbesserung der US-Außenpo- litik beitragen, statt sie nur zu kritisieren. Trotz zahlreicher Er- folge wie der amerikanischen Un- terstützung bei der Bekämpfung der Ebola-Krise 2014 muss Power erfahren, dass der Syrien-Kon- flikt weiter unlösbar bleibt und die Ukraine-Krise die Spannun- gen mit Russland erhöht. Power lieferte sich im UN-Sicherheitsrat mit ihrem russischen Amtskolle- gen Vitaly Churkin einen regel- mäßigen Schlagabtausch. Privat dagegen verstanden sich die bei- den offenbar recht gut.

Power blieb im Grundsatz stets eine Idealistin – sicher nicht leicht durchzuhalten, wenn man seine politische Sozialisation in- nerhalb der US-Regierung erlebt.

Schmerzhaft musste sie erfahren,

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IP • Mai/Juni 2020 |123

Positionen In der Warteschleife

Dr. Patrick Rosenow ist Leitender Redakteur der Zeitschrift Vereinte Nationen.

Haley nutzte die UN in erster Linie als Bühne, um gegen ande- re Staaten Vorwürfe zu richten, aber auch dafür, ihren eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern.

Ihr großes Vorbild war dabei, so schreibt sie, die UN-kritische Jeane Kirkpatrick, die in Prä- sident Ronald Reagans erster Amtszeit Ständige Vertreterin der USA bei den UN war und seiner- zeit schon das Abstimmungsver- halten von Staaten in der Gene- ralversammlung dokumentierte.

Ähnlich ging Haley vor – wo- bei sie diesen undiplomatischen Schritt als vornehmlich eigene Erfindung ausgibt –, um mehr Druck auf die übrigen Mitglied- staaten auszuüben; immer in der Hoffnung, dass diese den USA folgen. Haley betont wiederholt ihren direkten Kontakt zu Trump, der ihr sowohl in Washington als auch in New York größeren Ein- fluss und Handlungsspielraum ermöglichte. Auffällig oft weist sie darauf hin, dass sie im Guten mit Trump ihre Botschaftertätig- keit bei den UN beendet habe. So nutzt sie ihr Buch für eine mög- liche weitere politische Karriere nach einem Präsidenten Trump.

Ohnmächtige Weltmacht Es liegt in der Natur der Sache, dass die Autorinnen ihre Bücher zur Rechtfertigung ihres politi- schen Handelns nutzen. Bei Su- san Rice geht es unter anderem darum, sich gegen die Vorwürfe zu wehren, ihr Krisenmanage- ment beim Terroranschlag auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi 2012 sei unzulänglich

gewesen. Dies hatte sie seiner- zeit die mögliche Beförderung zur Außenministerin gekostet.

Bei Samantha Power sind es ihre ursprünglich hohen normativen Ansprüche an US-Außenpolitik und das Aufzeigen von Grenzen ihres Handelns. Nikki Haley geht es vor allem darum, sich von Trump abzugrenzen, ohne in seine Ungnade zu fallen.

Auf der Habenseite stehen bei Rice und Power vor allem eine positivere Rolle der USA in der Weltgemeinschaft nach den schwierigen Jahren unter Prä- sident George W. Bush. Haley schließlich mag darin einen Er- folg gesehen haben, unabhängig von Mehrheitsmeinungen in den UN eine klare Haltung der USA zu Israel, Menschenrechten und an- deren Themen gezeigt zu haben.

Die größten Misserfolge für Rice, Power und Haley, die alle drei begleitet haben, waren und sind der noch immer ungelöste Konflikt in Syrien und generell Amerikas Abwesenheit in der Re- gion. Das zeigt die Grenzen von Individuen und des Amtes auf:

wenn eine Weltmacht in Zeiten einer multipolaren Weltordnung selbst ohnmächtig ist.

Was Susan Rice in ihrer Au- tobiografie nicht erwähnt: Seit dem Ende der Regierung Obama geht sie ihrer Leidenschaft für außenpolitische Themen weiter-

hin nach, indem sie regelmäßig Kommentare für die New York Times schreibt. Außerdem ist sie Gastwissenschaftlerin an der School of International Service der American University und Se- nior Fellow am Belfer Center for Science and International Affairs der Harvard Kennedy School.

Samantha Power lehrt wieder an der Harvard University, wo sie einst arbeitete. An der Harvard Kennedy School ist sie sowohl dem Carr Center als auch, wie Rice, dem Belfer Center angeglie- dert, wo sie als Direktorin eines neuen internationalen Friedens- und Sicherheitsprojekts tätig ist.

Nikki Haley war zuletzt Verwal- tungsrätin bei Boeing. Vor Kur- zem trat sie jedoch zurück. Grund war ein Konflikt um Staatsgelder in der Corona-Krise. Haley lehnte aus Prinzip ab, dass sich Boeing bei der Regierung um Unterstüt- zung bemüht und reichte deshalb im März ihren sofortigen Rück- tritt ein. Sie fürchtet, dass mit staatlichen Rettungsaktionen von Unternehmen in den USA politisch nichts gewonnen wer- den kann.

Für alle drei Frauen gilt: Sie warten höchstwahrscheinlich auf den richtigen Zeitpunkt nach Trump, um sich wieder um poli- tische Ämter in einer neuen Re- gierung ins Gespräch zu bringen – oder im Kongress.

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