I 060/2007 BVE 16. Mai 2007 BVE C Interpellation
0883 Hofmann, Bern (SP-JUSO)
Weitere Unterschriften: 0 Eingereicht am: 31.01.2007
Gilt beim Bau von Parkplätzen das Verursacherprinzip nicht?
In der Kantonsverfassung steht bei Artikel 31, Abs. 5: „Kosten für Umweltschutzmassnahmen sind in der Regel nach dem Verursacherprinzip zu tragen.“
Beim Bau von Parkplätzen geht es freilich kaum um „Umweltschutzmassnahmen“, sondern eher um das Gegenteil: Damit wird allenfalls eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen, um die Umwelt zu gefährden.
Das heisst, nach dem Geist der Verfassung müssten die Vollkosten für die Parkplatzerstel- lung erst recht vom Verursacher getragen werden.
Im „Bund“ vom 14.12.2006 mit dem Titel: „1’000 Parkplätze im Schermen“ steht Folgendes (Zitat): „Die Ewag hat nach Angaben ihres Geschäftsführers, Jacques Chèvre bei Kanton und Stadt Bern ein Gesuch um finanzielle Unterstützung eingereicht. Die Bauherrschaft erhoffe sich Subventionsbeiträge von einer halben Million Franken. Die Baukosten belaufen sich auf zwei Millionen.“ Dem Vernehmen nach hat die Stadt bereits einen erklecklichen Beitrag zugesichert.
Ein solcher Sachverhalt irritiert einen Leser, der von den Behörden die Durchsetzung des Verursacherprinzips gemäss Verfassung erhofft.
Im Entwurf des Strassengesetzes, das demnächst zur Beurteilung in den Grossen Rat kommt, steht bei Artikel 59, Abs. 1 Folgendes: „Der Kanton kann an Investitionen in Park- and-Ride- und an Bike-and-Ride-Anlagen Beiträge leisten.“ Dabei ist nicht ersichtlich, wie nach der Auszahlung des kantonalen Beitrages das Verursacherprinzip durchgesetzt werden soll. Grundsätzlich wäre das bei einem entsprechenden Betrieb (kostendeckende Parkgebühren) möglich, so dass die kant. Investition etwa verzinst würde. Das müsste aber im Gesetz auch so festgelegt werden. So wie Artikel 59, Abs. 1 lautet, ist der „Beitrag“ als
„Geschenk“ zu verstehen.
Artikel 59 hat noch einen weiteren Aspekt: Beiträge an P&R scheinen generell möglich. Das wäre jedoch ein Rückfall gegenüber früheren Positionen: Im Massnahmenplan zur Luftrein- haltung in der Region Bern (Februar 1991) steht Folgendes, sogar eingerahmt (Seite 46):
„Weitere P&R am Rand der Region, nicht am Rand des Stadtgebietes“. Im Entwurf des Strassengesetzes fehlt, wie schon erwähnt letztere Einschränkung.
Auch dieser zweite Sachverhalt lässt daran zweifeln, ob die Regierung wirklich dem Verur- sacherprinzip nachleben will.
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Unklarheiten in der Art der zwei geschilderten Fälle führen zu den folgenden Fragen:
1. Ist die Regierung nicht auch der Auffassung, dass die BenützerInnen von Parkie- rungsanlagen die vollen Kosten (Erstellung, Betrieb, Landerwerb, Verzinsung, usw.) mit den Parkgebühren selber tragen sollen, insbesondere auch dann, wenn die Erstellung der Anlagen durch öffentliche Mittel ermöglicht wird?
2. Wird das Verursacherprinzip beim zu erstellenden Parkplatz Schermen zum Tragen kommen? Gibt es für diese Anlage einen kantonalen Beitrag (in Form von „Geschenk“) und wie hoch ist dieser allfällige Beitrag?
3. Wie gedenkt die Regierung bei dem nach Art. 59, Abs. 1 des Strassengesetzes mit zu finanzierenden P&R das Verursacherprinzip zum Tragen zu bringen?
4. Ist mit Art. 59, Abs. 1 gegenüber dem erwähnten Massnahmenplan zur Luftreinhaltung von 1991 eine Praxisausweitung in der Finanzierung von P&R beabsichtigt?
Antwort des Regierungsrates Zu Frage 1
Aufgrund der geltenden gesetzlichen Grundlagen kann das generell nicht so gesagt wer- den. Das geltende Strassenbaugesetz vom 2. Februar 1964 (SBG, BSG 732.11) sieht in Art. 39 Abs. 1 Bst. b vor, dass der Kanton Beiträge an P+R-Anlagen leisten kann. Die Vor- aussetzungen für die Ausrichtung sind in Art. 14 Strassenfinanzierungsdekret vom 12.
Februar 1985 (SFD, BSG 732.123.42) aufgeführt. Es handelt sich um Anlagen, welche für die Transportkette zwischen Individual- und öffentlichem Verkehr notwendig sind. An an- dere Parkplätze richtet der Kanton keine Beiträge aus.
Beim angesprochenen Parkplatzprojekt handelt es sich nicht um neue B+R oder P+R-An- lagen, sondern um einen Ersatzstandort im Schermen für die Anzahl Parkplätze, die auf der kleinen Allmend aufgehoben werden sollen. Die Partner des ESP Wankdorf haben das Konzept „Parkierung bei Grossanlässen“ gemeinsam erarbeitet. Dieses ist im Mitwir- kungsverfahren des Richtplans ESP Wankdorf vom 1. November 2006 berücksichtigt. Ge- stützt darauf haben die Stadt und der Kanton Bern mit der Betreiberin der Parkierungsan- lagen, der BEA bern expo, das Finanzierungskonzept sowie das Bauprojekt für den Er- satzstandort Schermen ausgearbeitet.
Zu Frage 2
Es ist vorgesehen, den Schermen an 50 Tagen für die Parkierung freizugeben. Während den übrigen 300 Tagen soll das Areal der Öffentlichkeit als Freifläche zur Verfügung ste- hen. Für die Ausgestaltung dieser Freifläche, nicht für die Parkplätze, hat die Stadt Bern beim Amt für Gemeinden und Raumordnung des Kantons Bern ein Gesuch für die Aus- richtung eines Investitionsbeitrages im Sinne von Art. 139 Baugesetz (BauG) eingereicht.
Ein allfälliger Beitrag des Kantons würde gestützt auf Art. 139 Abs. 1 Bst. b BauG ausge- richtet. Gemäss diesem Artikel kann der Kanton Projekte (Grundlagen, Planungen oder Massnahmen) von Gemeinden, Regionen und Privaten mit ökologischer oder wirtschaftli- cher Bedeutung unterstützen, sofern sie von besonderem kantonalem Interesse sind.
Kantonsbeiträge sind generell nur möglich, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage besteht, weshalb nicht von einem Geschenk gesprochen werden könnte.
Zu Frage 3
Der Entwurf des Strassengesetzes sieht in Art. 60 Beiträge an B+R- und P+R-Anlagen vor, wenn sie Gegenstand des Strassennetzplanes sind. In der Regel werden diese Anlagen, wie bereits erwähnt, Bestandteile der Transportkette sein. Die Bewirtschaftung dieser Anlagen wird Sache der Eigentümer sein (Transportunternehmungen, Gemeinden).
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Zu Frage 4
Art. 60 des Entwurfes zum neuen Strassengesetz sieht im Interesse der nachhaltigen Entwicklung und damit auch der Luftreinhaltung nur Beiträge an P+R- sowie B+R-Anlagen vor. Für andere Parkplatzanlagen sind weiterhin keine Beiträge vorgesehen. Vorausset- zung für eine Beitragsausrichtung ist die Aufnahme der P+R- sowie der B+R-Anlagen in den Strassennetzplan. Die Praxis wird also im wesentlichen Ausmass durch die Aufnahme resp. Nichtaufnahme einer Anlage in den Strassennetzplan bestimmt werden.
Es ist vorgesehen, einen Beitrag von einheitlich 40 % an die Erstellungskosten auszurich- ten. Das geltende SFD sah in Art. 14 Abs. 2 vor, einen Beitrag von höchstens 50 % der Erstellungskosten, aber höchstens CHF 3'000.-- pro PW-Abstellplatz auszurichten.
Zurzeit liegt das neue Strassengesetz erst im Entwurf vor.
An den Grossen Rat