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Stefan M. Holzer

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EINFÜHRUNG

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WARUM DER ARCHITEKT SICH MIT BAUGESCHICHTE UND DENKMALPFLEGE BESCHÄFTIGEN SOLLTE

Stefan M. Holzer

Architectur ist Construction … Verstecken der Construction ist ein Fehler (Karl Friedrich von Schinkel, Entwurf zu einem Lehrbuch der Baukunst, um 1830)

Form ever follows function, and this is the law (Louis Sullivan, The tall office building artistically considered, 1896)

Die beiden vorstehenden Zitate scheinen eine moderne Architektur zu begründen, die auf einigen wenigen rationalen Prinzipien beruht. Es scheint möglich, allein aus diesen Prinzipien für jedwede nur denkbare Bauaufgabe die angemessene architektonische Form zu entwickeln: Konst- ruktion und Funktion. Die beiden Postulate sind – zusammen mit anderen, ähnlichen – Ausdruck einer Befreiung der Architektur aus der vermeintli- chen Zwangsjacke der Architekturgeschichte und ihrer Stilkanons. Sie lei- teten im 19. Jahrhundert den Bruch mit der damals etablierten, an histori- schen Stilen orientierten Architektur ein und ermöglichten die «klassische Moderne» der Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe usw.

In einem verkürzten Verständnis der Zitate könnte man schlussfolgern: Um zu bauen, braucht man sich nicht mühsam mit der Baugeschichte ausein- anderzusetzen, sondern man kann «auf der grünen Wiese» unbekümmert und nur der eigenen Phantasie verpflichtet eine neue Architektur schaffen, solange man sich nur an die strenge Ratio von Konstruktion und Funktio- nalität hält.

Das mag von prominenten Vertretern der klassischen Moderne wie Adolf Loos (Ornament und Verbrechen, 1908) tatsächlich so beurteilt wor- den sein. Die klassische Moderne ist inzwischen aber selbst auch schon wieder hundert Jahre alt, ist zu einem historischen Stil geworden, und dient heute als Folie oder auch Stein des Anstosses für unsere zeitgenössische Architektur. Aus dem Rückblick sehen wir auch in der klassischen Moderne und Nachkriegsmoderne unzählige Rückgriffe auf die lange Geschichte der Architektur. So sind z. B. in Mies van der Rohes Berliner Nationalga- lerie, einer Ikone der Moderne, Anklänge an die antike Tempelarchitek- tur von Stütze und Balken («trabeated architecture») unverkennbar. Dies allein zeigt schon, dass Architektur niemals quasi «zeitlos» und allein aus Prinzipien entsteht, sondern immer im Dialog mit der Geschichte. Die Geschichtlichkeit von Architektur lässt sich auch durch Postulate und Prin- zipien nicht wegschaffen.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Bauwerke zählen zu den langle-

bigsten Produkten menschlichen Schaffens. Kaum in einem anderen

Bereich der Technik rechnet man mit Lebenszeiten von mindestens 60

bis 100 Jahren, wie sie im Bauwesen normal sind. Gerade unsere heutigen

High-Tech-Geräte sind meist schon nach wenigen Jahren oder gar Mona-

ten veraltet – das Smartphone, der Computer, das Auto – und werden dann

entsorgt. Einfache Gebrauchsgegenstände des Alltagslebens überdauern

vielleicht eine Generation. Nur Kunstwerke und Bauwerke werden län-

ger aufbewahrt und genutzt. Dies allein führt dazu, dass unsere Umwelt

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Abb. 1: Zürich im Jahre 1899 (Quelle: maps.geo.admin.ch)

Abb. 2: Zürich im Jahre 2013 (Quelle: maps.geo.admin.ch)

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automatisch durch «historische» architektonische Produkte massgeblich geprägt ist – mehr als durch irgendwelche anderen Erzeugnisse menschli- cher Tätigkeit. Architektur ist automatisch stärker als jede andere Ingeni- eurwissenschaft und Technik geschichtsbezogen.

Wir sind heute aber mehr denn je zuvor gefordert, uns mit dem über- lieferten Baubestand auch direkt auseinanderzusetzen. Ein Bauen auf der geschichtslosen grünen Wiese ist heute in Europa kaum mehr irgendwo möglich (Abb. 1 und 2). Wir leben in einer dicht besiedelten und dicht bebauten Umgebung. Expansionsräume in eine noch unbesetzte Landschaft gibt es kaum mehr, weil wir die Restbestände unverbauter Natur als Erho- lungsräume unbedingt bewahren wollen. Wachstum durch wirtschaftliche Prosperität, Zuzug und Zuwanderung ist daher nur noch durch «Verdich- ten» möglich – dies gilt in besonderem Masse für ein kleines und bereits sehr dicht besiedeltes Land wie die Schweiz, aber auch für die attraktiven Ballungsräume rings um den Erdball, für die städtischen Agglomerationen, für alle Gebiete, in denen überhaupt aktiv gebaut wird.

«Verdichten» heisst automatisch immer «Bauen im Bestand». Wir tref- fen Landschafts- und Stadtstrukturen an, in die sich die Neubauten einfü- gen müssen. Auf dem Baufeld selbst ist in der Regel Bestand vorhanden, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Eine vermeintlich einfa- che Möglichkeit besteht natürlich im Abriss und Neubau. Diese radikale Lösung entspricht aber oft weder dem Prinzip der wirtschaftlichen Nach- haltigkeit noch der Ressourcenschonung. Ausserdem steht selbst das auf einem innerstädtischen Baufeld nach einem Totalabriss der Vorgängersub- stanz neu errichtete Gebäude nicht im leeren Raum, sondern tritt auto- matisch in einen Dialog mit seiner Umgebung. Die Stadtstruktur ändert sich durch einen einzelnen Neubau nicht grundlegend. Der Neubau kann aber entweder die bestehende Stadtstruktur weiterentwickeln und sich in sie integrieren, oder sich als Fremdkörper isolieren, oder gar einen gros- sen Teil der bestehenden Struktur zerstören (Abb. 3). Durch einen unsen- sibel in den historischen Stadtkern oder das ebenso historisch gewachsene Dorf gesetzten Neubau kann wesentlich Lebensqualität und «Baukultur»

verlorengehen. Durch ein Bauwerk, das die Geschichtlichkeit seiner Situa- tion respektiert, kann umgekehrt die bestehende Umgebung kontinuierlich und historisch-logisch fortentwickelt werden, der Neubau wird dann als Gewinn und Bereicherung empfunden.

Ein kleiner Teil der Gebäude (meist nur rund 3 – 6% des Gebäudebe- stands) werden in den Ländern Europas als offizielle «Denkmäler» betrach- tet. Ein Denkmal ist in diesem Sinne ein historischer Bau, für den ein gesellschaftlicher Konsens besteht, dass er erhaltenswert ist, und für den staatliche Schutzmassnahmen ergriffen werden.

Was ein «Baudenkmal» eigentlich ist, ist aber schwer zu definieren. Jedes

historische Gebäude wird – unabhängig von seiner Bedeutung und Grösse

– irgendwann ganz automatisch zum potentiellen «Denkmal»: Für uns als

Individuen war es «schon immer da» und immer am gleichen Ort und ist

daher fester Bestandteil unserer eigenen Lebensgeschichte. Die Bauwerke,

an denen wir alltäglich vorbeigehen, gehören für uns zu unserem Leben

dazu. Wenn eines von ihnen eines Tages weg ist, fehlt etwas, und sei es

nur ein Orientierungspunkt. Das Bauwerk, an dem wir Tag für Tag vor-

beigegangen sind, ist Teil unserer Lebensgeschichte geworden. Auch der

Charakter einer ganzen Gesellschaft wird durch gemeinschaftliche Erfah-

rungen und Erinnerungen mitgeprägt. Ohne jeden Geschichtsbezug sind

wir nur eine Menschenansammlung, aber keine Gesellschaft. Durch den

Bezug auf gemeinsame Erinnerungen spüren wir eine Gemeinsamkeit des

Erlebten, des Ererbten und einen stillschweigenden Konsens, einen ver-

meintlich sicheren Boden, auf dem unsere Gesellschaft steht. Die Werte,

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auf die wir uns beziehen, die politischen Systeme, in denen wir uns einge- richtet haben, die technischen Errungenschaften, die wir nutzen, sind nicht an einem Tag erfunden worden, sondern in einem langen Prozess erarbeitet worden, durch uns und unsere Vorfahren. Die Bauwerke, die aus all die- sen vergangenen Generationen überliefert sind, stehen nicht nur als mehr oder weniger qualitätvolle architektonische Produkte (Kunstwerke) für sich selbst, sondern auch als sozial-, wirtschafts- und technikgeschichtliche Zeugnisse für die Menschen, die sie geschaffen haben und so die Grund- steine für unsere heutige Gesellschaft gelegt haben. Historische Bauwerke dienen also in gewissem Masse als Fixpunkt und Orientierungsmarke zur Selbstvergewisserung des Individuums und auch der ganzen Gesellschaft.

Dies gilt natürlich in besonderem Masse für die jahrhundertealten Monu- mente der Baukunst wie Kathedralen, Türme, Schlösser, Burgen. Vor sol- chen Objekten erstellen Touristen «selfies», die beweisen sollen, dass sie sich am authentischen Ort befunden haben.

Die Erkenntnis, dass historische Bauten einen identitätsstiftenden Erin- nerungswert haben, ist keineswegs neu. Zu allen Zeiten – auch schon lange vor der Entstehung der modernen Idee der «Denkmalpflege» – hatte man vor allem vor den herausragenden Monumenten der Vergangenheit einen gewissen Respekt, ganz besonders, solange man sie an neue Nutzungen adaptieren oder durch Neudekoration, Umbau und Erweiterung an die sich verändernden ästhetischen und praktischen Bedürfnisse anpassen konnte.

Einer der bedeutendsten antiken Sakralbauten überhaupt, das aus der 1.

Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. stammende Pantheon in Rom, konnte so zum Beispiel in einen christlichen Sakralbau umgewandelt werden und hat sich aufgrund dieser ausserordentlichen Nutzungskontinuität bis heute nahezu unverändert erhalten. Andere Bauten wurden – zum Beispiel in der Barockzeit – umdekoriert und dadurch ästhetisch umgedeutet, blieben aber ebenfalls substantiell erhalten.

Abb. 3: Kleinteiliger historischer Ortskern, durch unmassstäbliche und beziehungslose Neu-

bauten bedrängt, aber noch unzerstört (maps.geo.admin.ch) Abb. 4: «Selfie» vor dem Denkmal, das die Authentizität des Ortes belegt (S.Holzer)

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Sobald die Nutzung schwierig wird oder wegfällt, sind historische Bau- ten allerdings hochgradig in ihrem Bestand bedroht. Das gilt bis heute. Bei fehlender Nutzung fallen auch die kleinen alltäglichen Arbeiten des Bau- unterhalts meist weg, und ein zuerst schleichender, dann galoppierender Verfall setzt ein. Ist das Bauwerk schliesslich eine Ruine, dann ist es meist schon fast verloren.

Die Erfahrung des grassierenden Verlustes historischer Ruinen machte man schon in der Renaissancezeit in Rom. Einerseits nahm sich die Archi- tektur in Italien seit etwa 1450 die antike Architektur – Sinnbild der eins- tigen Grösse Roms und somit Anknüpfungspunkt und identitätsstiftendes Vorbild für das darniederliegende, aber wieder aufstrebende neuzeitliche Italien – als Vorbild; andererseits verlockte der materielle Wert der antiken Reste, die aus wertvollen, über Tausende von Kilometern herbeigeschaff- ten Buntmarmoren bestanden, zum Abbruch und zur Wiederverwendung als Rohmaterial. So riss man beispielsweise 1606 unter Papst Paul V. den noch in einer aussagekräftigen Ruine erhaltenen Tempel des römischen Kaisers Nerva (1. Jh. n. Chr.) bis auf die Fundamentoberkante ab, um das Material für Neubauten zu verwenden. Dieser Abriss war jedoch beileibe kein Einzelfall. Selbst aus dem zum christlichen Sakralbau umgewidme- ten Pantheon entnahm man ja bekanntlicherweise im 17. Jahrhundert den bronzenen Dachstuhl der Vorhalle, was zu der spöttischen Parole «quod non fecerunt barbari, fecerung Barberini» Anlass gab.

Gegen die Zerstörung der historischen Ruinen wandten sich als erste Künstler und Architekten. Als ein Zeugnis des erwachenden Bewusstseins für den Wert der antiken Denkmäler gilt der sogenannte «Raffaelbrief», der wahrscheinlich im 2. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstanden ist und dem Umkreis von Raffael und der Humanisten Baldassare Castiglione und Fra Giovanni Giocondo entstammt. In diesem «Brief», der nie als solcher abgeschickt wurde, sondern eher als Widmungsschreiben einer längeren architekturtheoretischen Abhandlung gedacht war, teilt der Autor mit, dass

Abb. 5: Tempel des Nerva (Stich von Giovanni Antonio Dosio 1569)

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er die antiken Überreste «mit nicht geringer Mühe aufgesucht und sorgfäl- tig vermessen» habe und es ihm daher «allergrössten Schmerz» bereite, zu sehen, wie durch die fortschreitende Zerstörung der Denkmäler «der Leichnam unserer edlen Heimat, die einst Königin der Welt gewesen ist, gewissermassen gefleddert» werde.

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In gewisser Hinsicht war das die

«Geburtsstunde» der modernen westlichen Denkmalpflege.

Den Erinnerungs- und Orientierungswert kann ein historisches Bau- werk allerdings unter Umständen auch dann noch ausweisen, wenn es sub- stantiell gar nicht mehr das «Original» ist, sondern sozusagen eine «Kopie seiner selbst». In anderen Kulturkreisen als dem westlichen werden wich- tige Erinnerungsdenkmäler periodisch von Grund auf erneuert, da es allein auf die Form, nicht aber auf die Substanz ankomme. Dann weisen allein die Architekturformen das Bauwerk als «historisch» aus.

Eine noch so formgetreue Kopie des Bauwerks bewahrt aber nur einen kleinen Teil seiner Aussage: Ein Bauwerk, das tatsächlich substantiell «alt»

ist, wird nicht nur durch eine nicht mehr gebräuchliche Architektursprache geprägt, sondern auch durch unplanbare, unwillkürliche und unvermeidli- che, manchmal fast unsichtbare Spuren: Dazu zählen einerseits die Spuren des Herstellungsprozesses, also Spuren von Werkzeugen und Maschinen.

Andererseits zählen dazu auch die Spuren der Nutzung sowie die Spuren der Witterungseinflüsse und des Alterns. Diese Spuren sind nur am mate- riell überlieferten Objekt vorhanden, nicht an einer vom Aussehen her gleichartigen Kopie in neuem Material. Durch das Weiterbauen am existie- renden Objekt kommen im Lauf der Jahrhunderte stets neue Zeitschichten hinzu, wie beim Sedimentationsvorgang in der Geologie. Das Bauwerk wird so zum «Palimpsest», der mehrfach beschriebenen, schwer zu entziffern- den Papyrusrolle, auf der jede Generation neue Spuren hinterlassen hat.

Wie ein historisches Schriftstück ist ein Bauwerk eine historische Urkunde.

Urkunden wirft man nicht einfach weg, sondern bewahrt sie sorgsam in Archiven auf. Auch bauliche Urkunden wirft man nicht weg, sondern pflegt und erhält sie, um ihren Inhalt auch zukünftigen Generationen zu überlie- fern. Ein Stück weit gehören die historischen Urkunden nicht uns, sondern unseren Nachfolgern. Selbst Urkunden, die heute nicht entziffert werden können, können vielleicht von den nächsten Generationen gelesen werden und prägen deren Identität mit. Gerade in den letzten Jahrzehnten ist es zum Beispiel gelungen, anhand der materiell erhaltenen Originalsubstanz historischer Bauten mit naturwissenschaftlichen Methoden neue, detail- lierte Aufschlüsse zu gewinnen, zum Beispiel exakte Datierungen durch Dendrochronologie (Jahresringdatierung) oder Isotopenanalyse.

Aus der Erkenntnis der Stimmungs-, Erinnerungs- und Orientierungs- werte historischer Bauten sowie des Zeugniswertes des historischen Baube- standes als «Urkunde» ist im 19. Jahrhundert die Idee der «Denkmalpflege»

entstanden, also des systematischen Schutzes historischer Bausubstanz. Zu den Vorreitern dieser Bewegung zählte der englische Schriftsteller und Kunsttheoretiker John Ruskin (1819 – 1900). Schon 1849 hatte dieser in sei- nen Seven lamps of architecture betitelten Essays die Erinnerung zu einem der leitenden Prinzipien der Baukunst erhoben. Er schrieb über die Archi- tektur: «We may live without her, and worship without her, but we cannot remember without her.»

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Gemeint war damit, dass Bauwerke der Vergan- genheit als authentische Zeugnisse der Geschichte gelesen werden können – und sei es nur durch die sich unvermeidlich einstellenden Spuren des Alterns und des Verfalls. Um auch solche unscheinbaren Spuren zu erhal- ten, wandte sich Ruskin gegen jede Art der «Restaurierung» im Sinne einer Wiederherstellung «im alten Glanze», von der auch heute noch oftmals die Rede ist: «Neither by the public, nor by those who have the care of public monuments, is the true meaning of the word restoration understood. It

1 Visconti, Pietro Ercole: Lettera di Raffaello d’Urbino a Papa Leone X., di nuovo posta in luce. Rom: Tipografia delle Scienze, 1840, S. 15 – 16. Dazu: Germann, Georg: Raffaels «Denkmalpflege- brief». In: Hoffmann, Volker; Schweizer, Jürg; Wolters, Wolfgang (Hg.): Die «Denkmalpflege» vor der Denkmalpflege. Akten des Berner Kongresses 30. Juni bis 3. Juli 1999. Bern: Peter Lang, S. 267 – 286.

2 Ruskin, J.: The seven lamps of architecture. London: Smith, Elder & Co., 1849, S. 164.

Abb. 6: Während der Nerva-Tempel heute verschwun- den ist, stehen die beiden «Colonnacce» noch (S.Holzer)

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means the most total destruction which a building can suffer:

a destruction out of which no remnants can be gathered.«

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Und weiter:

»Do not let us talk then of restoration. The thing is a Lie from beginning to end.«

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Ruskin sprach sich für Strategie des kontrollierten Alternlassens bei angemessenem Bauunterhalt aus: »Take proper care of your monuments, and you will not need to restore them.«

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Im Rahmen der Erhaltungsmass- nahmen am Bauwerk plädierte Ruskin für additive, in den Bestand nicht eingreifende Sicherungskonstruktionen: »Bind it together where it loosens;

stay it with timber where it declines; do not care about the unsightliness of the aid; better a crutch than a lost limb.«

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Das ist die auch heute noch wichtige Idee des maximalen Substanzerhaltes, also des »archivalischen»

Umgangs mit dem Denkmal.

Im Nachgang zu den schweren Substanzverlusten an historischen Bau- werken während der Revolution von 1789 und den folgenden turbulenten Jahrzehnten entstand in Frankreich in der vergleichsweise ruhigen Epo- che 1830 – 48 unter dem «Bürgerkönig» Louis Philippe, also etwa gleich- zeitig zum Wirken Ruskins in England, eine erste staatliche Denkmalpfle- ge-Behörde, der ab 1834 der einflussreiche Schriftsteller Prosper Mérimée (1803 – 70) vorstand. Nach Jahren der Vernachlässigung wurden unter der Leitung dieser Behörde ganz gezielt insbesondere potentiell identitätsstif- tende Sakralbauten vor dem endgültigen Verfall gerettet und als nationale Monumente wiederhergestellt – durchaus auch im ganz profanen Sinn als staatliche Denkmäler mit sakraler Aura, aber ohne Religionsbezug. Ein ers- tes «Leuchtturmprojekt» dieser Bewegung war die Restaurierung der Abtei- und Wallfahrtskirche von Vézelay in Burgund (ab 1840). Sie wurde dem jungen Architekten Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc (1814 – 79) übertra- gen. Er begann mit einer sorgfältigen Bestandsaufnahme, die auch heute noch vorbildlich ist, und mit zurückhaltenden, unerlässlichen Massnah- men zur Stabilisierung des Bestands und zur Verlangsamung des Verfalls.

Wie so oft, verselbständigte sich der Impetus des Erhaltens durch die wachsende Begeisterung für die ästhetischen und technischen Qualitäten im Laufe der folgenden Jahrzehnte jedoch selbst immer mehr, so dass der Name Viollet-le-Duc heute eher für die Herstellung einer artifiziellen «ide- alen mittelalterlichen Architektur» steht, die es in dieser Form nicht wirk- lich gegeben hat. Die überkommenen mittelalterlichen Bauwerke wurden also nicht nur gesichert, sondern spekulativ zu «perfekten» Bauten ergänzt, wie sie sich die mittelalterlichen Architekten möglicherweise hätten vor-

Abb. 7: Historische Urkunde,Kaufvertrag von 1492 (Privatbesitz Holzer)

4 Ruskin 1849, S. 180.

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stellen können. Ein Beispiel ist die eingreifende pittoreske Ergänzung der südfranzösischen mittelalterlichen Stadt Carcassonne durch Viollet-le-Duc während des zweiten Empires.

Die Architekten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die inzwischen auch beim Neubau den mittelalterlichen Stilen folgten («Historismus», vor allem Neuromanik und Neugotik), scheuten bald nicht mehr davor zurück, auch ohne konkrete historische Belege mittelalterliche Bauwerke weiterzu- entwickeln und auch spätere Zeitschichten spurlos zu entfernen, zum Bei- spiel frühneuzeitliche Ergänzungen, um möglichst bilderbuchreife mittel- alterliche Kulissen herzustellen.

Gegen diese Bewegung regte sich alsbald Widerstand von Wissenschaft- lern, Historikern wie praktischen Architekten, die eher dem Ruskin’schen Gedankengut anhingen und die das Weiterbauen im alten Stil am histo- rischen Originalobjekt zunehmend als Geschichtsklitterung wahrnahmen, das Zerstören späterer Zeitschichten zugunsten eines stilreinen Erschei- nungsbildes als Vernichtung historischer Urkunden. Die Gegenbewegung nahm ihren Ausgangspunkt wiederum von Leuchtturmprojekten, ins- besondere den Planungen zu einer weitreichenden Widerherstellung des seit zweihundert Jahren ruinösen Schlosses von Heidelberg in den 1890er Jahren durch den Architekten Carl Schäfer, sowie den ebenso weitreichen- den Planungen einer «Freistellung» des spätantiken Palastes des römischen Kaisers Diokletian, der bis heute den Stadtkern der Stadt Split (Dalmatien) einnimmt und baulich bestimmt.

Die Protagonisten der Gegenbewegung gegen die freien historistischen

«Restaurierungen» waren Georg Dehio (1850 – 1932, ausgehend von Hei- delberg) und Alois Riegl (1858 – 1905, ausgehend von Split). Riegl stellte in seiner Streitschrift Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen und seine Entstehung (Wien und Leipzig: Braumüller, 1903) die «Denkmalwerte»

zusammen, die die Denkmalpflegebewegung bis dahin herausgearbeitet hatte und die die Debatte bis heute bestimmen; Dehio prägte die griffige Devise «Konservieren, nicht restaurieren». Damit ist gemeint: Die Subs- tanz des Bauwerks selbst muss bestmöglich geschützt werden, weil nicht die äussere Erscheinung, sondern nur die konkrete Materialität den gan- zen Reichtum der Zeitschichten in sich fasst. Daraus folgen Maximen des denkmalpflegerischen Handelns: Der denkmalpflegerische Umgang mit dem Objekt beschränkt sich auf minimalinvasive Methoden, er respektiert den Bestand, ergänzt ihn, falls erforderlich, durch Hinzufügungen, nimmt jedoch nichts weg. Die maximale Authentizität des historischen Doku-

Abb. 8: Viollet-le-Duc, Bestandsdokumentation der Wallfahrtskirche Vézelay vor Beginn der Restaurierungsarbeiten (Archiv der Médiathèque de l’architecture et du Patrimoine, Paris)

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Abb. 9: Die durch Viollet-le-Duc unter Napoléon III. wiederhergestellte Kulisse von Carcassonne (S.Holzer)

mentes wird bewahrt. Wird etwas zum historischen Objekt hinzugefügt, so sollte diese Hinzufügung möglichst reversibel sein, falls sie sich später als wirkungslos erweist oder durch eine bessere Massnahme ersetzt wer- den kann. Diese Grundsätze der Denkmalpflege wurden 1964 bei einer Tagung des International Council on Monument and Sites (ICOMOS) als Charta von Venedig formuliert, die bis heute international den wichtigs- ten Bezugspunkt der institutionalisierten Denkmalpflege darstellt. In der Schweiz wurde 2007 unter dem Titel Leitsätze zur Denkmalpflege in der Schweiz eine ausführliche, praxisorientierte Exegese der Venedig-Charta verabschiedet.

In den 1970er Jahren wurde die Denkmalpflege in den meisten Ländern Europas auch gesetzlich als Staatsziel festgeschrieben und institutionell verankert. Seither werden bei baulichen Eingriffen in geschützte Objekte regelmässig die Behörden und auch externe Experten eingebunden, um die Bewahrung besonders wichtigen Kulturerbes sicherzustellen. Dies alles hat ironischerweise nicht verhindern können, dass man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Teil hochinteressante Zeitschichten des 19. Jahrhunderts wieder entfernte – zum Beispiel neuromanische Ausma- lungen romanischer Kirchen, die man oftmals in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts von ihrer barocken Dekoration befreit hatte und die erneut im Sinne einer modernistisch geprägten Wahrnehmung der Roma- nik als «rustikal-urtümlich» erneut «purifiziert» bzw. «entrestauriert» wur- den – zum Teil inklusive des Abschlagens originaler mittelalterlicher Putze.

Heute wiederum sehen wir verbreitete Tendenzen, Bauten der klassischen Moderne und der «Nachkriegsmoderne» unter Negierung ihrer Nutzungs- spuren wieder auf ihren idealisierten «Ursprungszustand» zurückzuführen – Viollet-le-Duc feiert fröhliche Urständ …

In der denkmalpflegerischen Praxis geht es darum, für jedes möglicher- weise erhaltenswerte Objekt einen Konsens auszumitteln, wie möglichst viel von der aussagekräftigen Originalsubstanz erhalten werden kann, ohne künftige Entwicklungen auszuschliessen. Um diesen Konsens zu erzielen, sind fast immer Kompromisse sowohl seitens des Denkmalpflegers – meist eines denkmalfachlich besonders ausgebildeten Architekten – und des Pla- ners – häufig eines bezüglich historischer Bauweisen nicht besonders inter- essierten und kundigen Architekten – sowie des Bauherrn notwendig.

Die wenigsten Architektinnen und Architekten ergreifen ihren Beruf

primär mit dem Ziel, Denkmalpfleger zu werden. Sie wollen aktiv gestalten

und nicht nur bewahren. Denkmalpflege und Bestandsschutz werden dann

oft nicht als Bereicherung, sondern als Einschränkung und Behinderung

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erfahren. Auch die Öffentlichkeit steht nicht allen denkmalpflegerischen Forderungen nach Erhalt aufgeschlossen gegenüber. Was konkret von einer Gesellschaft als «Denkmal» betrachtet und dann geschützt werden muss, lässt sich nicht aus Axiomen ableiten. Denkmalschutz ist immer Gegen- stand eines Prozesses der fortwährenden gesellschaftlichen Diskussion und des Konsenses. Erhalt und Entwicklung stehen oft im Widerspruch, und in unterschiedlichen Regionen und bei Bauten unterschiedlicher Art gehen die Ansichten oft weit auseinander. In der westlichen Welt herrscht ein anderes Denkmalverständnis als in anderen Kulturen. Der gesellschaftliche Konsens in der westlichen Welt ist ebenfalls nicht bei jedem Bauwerk gleich ausgeprägt: Die mittelalterlichen Kathedralen will niemand abreissen, das unscheinbare Tagelöhnerhäuschen im Dorf, das in seinem herunterge- kommenen Zustand als «Schandfleck» empfunden wird, vielleicht schon.

Trotzdem haben beide Objekte unter Umständen eine gleich reichhaltige Aussage als Geschichtsdokument.

Um einen soliden, auch wissenschaftlich fundierten Diskurs über die Werte eines Denkmals führen zu können – den materiellen Wert, den Ori- entierungswert, Stimmungswerte, den Erinnerungswert, den Zeugniswert – sind Grundkenntnisse unabdingbar. Ein auf den ersten Blick unschein- bares Objekt kann besondere Bedeutung haben, weil es die erste erhaltene Realisierung einer neuen Bauweise, einer neuen Technik oder einer neuen Entwurfsidee gewesen ist. Oder es ist das letzte erhaltene Überbleibsel sei- ner Art. Solche Werte des Denkmals sind oft erst durch mühevolle Kleinar- beit zu erschliessen. Ein schneller Abbruch ohne vorausgehende gründliche Analyse kann auf diese Weise dazu führen, dass unversehens das älteste Bauernhaus der Schweiz verlorengeht (Abb. 10), oder vielleicht die älteste Betonbrücke der Welt. Nur durch Erforschung des Kontexts des Denkmals kann das alte Bauwerk richtig beurteilt werden.

Jede Erhaltungsmassnahme am Objekt setzt ein auch technisch sinnvol-

Abb. 10: Holzhaus in Steinen (SZ). Dieses unscheinbare Haus wäre 2017 beinahe abgerissen worden, obwohl es 700 Jahre alt ist und daher zu den ältesten erhaltenen Wohnhäusern in ganz Europa zählt (S.Holzer)

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les Vorgehen voraus, wenn man nicht unnötigerweise historische Substanz beseitigen, unzweckmässige Erhaltungsmassnahmen einleiten oder gar unbeabsichtigt Schaden anrichten will. Die Notwendigkeit von Kenntnis- sen über historische Bauweisen beschränkt sich aber nicht auf den Bereich der Denkmalpflege. Bei jedem Arbeiten im Bestand ist der informierte Planer und Entwerfer gefragt, der nicht einfach drauflosplant und dann beim Bauen «unliebsame Überraschungen» erlebt, sondern von vornhe- rein anhand seines Kontextwissens realistisch einschätzen kann, was ihn erwartet. Bei älteren Bauwerken – wir reden nicht nur von historischen Monumenten, sondern auch von Alltagsbauten, die nur eine Generation auf dem Buckel haben – fehlen fast immer genaue Baupläne. Vor der Bau- massnahme im Bestand ist daher immer eine Bauaufnahme notwendig.

Selbst die gewissenhafteste Bauaufnahme kann aber nur die «Oberfläche»

des Baus erschliessen. Ob die Quaderwand massiv durchgemauert ist oder aus einem Bruchsteinkern mit Werksteinverkleidung besteht, «sieht» nur das informierte Auge: Nur aus dem Kontext gleichzeitiger Bauten wissen wir, wie man «üblicherweise» zur Entstehungszeit konstruiert und gebaut hat, und können daher mit einiger Sicherheit das abschätzen, was auf uns zukommt.

Die «Zeitschichten» des Bauwerks erschliessen sich nur demjenigen, der die typischen konstruktiven und gestalterischen Merkmale jeder Epoche einigermassen zuverlässig erkennen und einordnen kann. Da fast jedes historische Bauwerk das Produkt des «Weiterbauens» ist, ist eine Kenntnis historischer Bauformen und Konstruktionselemente als Kompass unent- behrlich für jeden, der «im Bestand» bauen will – also für praktisch jeden, der überhaupt bauen will.

Die Kenntnis der historischen Architektur ist aber auch auf einer ganz konkreten gestalterischen Ebene «nützlich» für den Architekten jeder Epo- che, auch der heutigen: Das Bauwesen zählt zu den am langsamsten sich entwickelnden Bereichen menschlicher Tätigkeit überhaupt. Heute wie schon vor Jahrtausenden bauen wir noch mit Backsteinen, Quadern, Holz, wenn auch inzwischen Stahl, Glas und Stahlbeton sowie Kunststoffe als neue Materialien hinzugekommen sind. Heute wie schon vor Jahrtausenden sind die Dimensionen und Proportionen unserer Gebäude an menschlichen Massen orientiert: Wir steigen eine Treppe mit derselben Bequemlichkeit hinauf wie ein alter Römer, wenn sie korrekt entworfen ist und das richtige Steigungsverhältnis besitzt, wir gehen mit derselben Selbstverständlichkeit durch eine Tür der richtigen Abmessungen. Auch die Elemente des Bau- werks sind seit Jahrtausenden dieselben geblieben, die «Grammatik» des Bauens: Stützen, Decken, Wände, Dach. Aufgabe der Architektur ist es, mit Hilfe dieser Elemente Räume zu schaffen: Innen- und Aussenräume. Die Organisation von Räumen und Raumfolgen orientiert sich an grundsätz- lichen Modellen, von denen ebenfalls kaum eines noch nie zuvor in der Baugeschichte ausprobiert worden ist: Agglomeration von Nebenräumen um einen Hauptraum herum, axiale Erschliessung, Gruppierung um einen Hof, … Eine gewisse Kenntnis historischer Bauwerke kann daher eine fruchtbare Inspiration auch für neuestes Bauen darstellen. Und natürlich kann man auch explizit auf das historische Bauen Bezug nehmen. Dies geht bis hin zum Zitieren historischer Versatzstücke, sei es materiell als «Spo- lien», also originale historische Versatzstücke, sei es nur formal.

Die vorliegende Vorlesung versteht sich als Einführung in das geschichts-

bewusste Bauen. Sie will anleiten zu einer fruchtbringenden Lektüre des

historischen Baubestands und zu einem verantwortungsvollen Umgang

damit. Damit angehende Architektinnen und Architekten überhaupt mit

den Denkmalfachleuten in einen konstruktiven Dialog treten können,

müssen alle Baubeteiligten zunächst dieselbe Sprache sprechen. Das Thema

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«Bauen im Bestand» geht also nicht ohne das manchmal etwas mühselige Auswendiglernen von Begriffen und Bauformen, Konstruktionsdetails und historischen Techniken. Ohne deren Kenntnis ist ein konstruktives Arbei- ten am Denkmal unmöglich.

Die vorliegende Vorlesung bietet im Einzelnen eine Einführung in fol- gende Teilgebiete des grossen Themas:

1. Baugeschichtliche Stratigraphie:

Jede Epoche der Baugeschichte hat gewisse charakteristische Bauty- pen, Bauformen, Dekorationsdetails und konstruktive Elemente mit sich gebracht. Kennt man diese charakteristischen Formen und ihre zeitliche Einordnung, so kann man sie als «Leitfossilien» verwenden. Schon die erste Begehung eines Objektes zeigt dann – auch ganz ohne Reiseführer oder Denkmalliste –, in welche geschichtlichen Epochen die einzelnen Baupha- sen eines Bauwerks grob zu datieren sind. Ein einzelnes kleines Detail kann unter Umständen verraten, dass ein Bauwerk, das aussieht, als wäre es in der Barockzeit errichtet worden, in Wirklichkeit noch umfangreiche Subs- tanz aus dem 12. Jahrhundert enthält; andere Details zeugen von vorausge- henden Restaurierungen und Umbauten. Solche Informationen sind natür- lich grundlegend, wenn man sich mit einem Bestandsbauwerk beschäftigt, weil die Zeitstellung eines Bauwerks wesentlichen Einfluss auf seinen Sel- tenheitswert haben kann.

2. Bauforschung:

Obwohl die architektonischen Formen eines Baus viel über dessen Geschichte erzählen können, lässt sich die genaue Geschichte eines Bau- werks doch meist erst nach ganz genauem Hinsehen in vollem Umfang entschlüsseln. Ob zum Beispiel ein einzelner Stein eines Bauwerks tatsäch- lich noch aus dem 12. Jahrhundert stammt oder vielleicht seither schon mehrfach ausgewechselt worden ist, darüber sagen die Architekturformen des betreffenden Bauabschnitts nichts. Jedoch ist es fast immer möglich, anhand der unwillkürlichen Spuren der vom Steinmetz eingesetzten Werk- zeuge auch nach Jahrhunderten die Entstehungszeit zu ermitteln, da jede Zeit mit ihren eigenen Techniken gearbeitet hat und daher eigene Spuren erzeugt hat. Die Bauforschung ist in der Regel besonders ausgebildeten Spe- zialisten anvertraut. Auch mit ihnen muss die im Bestand arbeitende Archi- tektin oder der am Denkmal planende und entwerfende Architekt jedoch konstruktiv zusammenarbeiten können, weshalb Grundkenntnisse dieses Faches notwendig sind.

3. Konstruktionsgeschichte:

Beim Bauen im Bestand ist nichts wichtiger als eine gute Kenntnis his-

torischer Baukonstruktionen. Unsachgemässe Eingriffe, die in Unkenntnis

historischer Konstruktionsarten vorgenommen worden sind, haben sogar

schon zu Einstürzen geführt. Zum Beispiel muss man beim Einziehen einer

neuen Deckenkonstruktion zwischen historischen Umfassungswänden

wissen, dass historische Mauerwerkswände fast immer mehrschalig kon-

struiert sind. Zwischen einer solide gemauerten Innen- und Aussenschale

befindet sich häufig eine wenig sorgfältig ausgeführte und wenig tragfähige

Füllung. Belastet man diese, so können die Aussenschalen nach aussen aus-

brechen. Belastet man wiederum nur die äusseren Wandschalen, so kann

dies ebenfalls zu deren Versagen führen. Solches Grundwissen ist also vor

dem Eingriff in einen historischen Baubestand unabdingbar notwendig.

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4. Geschichte und Theorie der Denkmalpflege:

Hat man es tatsächlich mit einem wertvollen historischen Zeugnis zu tun, so sollte sich das bauliche Handeln an diesem Objekt an den seit mehr als hundert Jahren etablierten Maximen des Denkmalschutzes orientieren.

Da jedoch der Denkmalbegriff keineswegs statisch ist, sondern von jeder Generation neu definiert wird, kann man das gesamte Thema der Denk- malpflege nur dann wirklich verstehen, wenn man es aus der Geschicht- lichkeit des Faches selbst begreift. Grundkenntnisse der Geschichte und Theorie der Denkmalpflege sind daher für jede Architektin und jeden Architekten hilfreich.

Zusammenfassung

Die Denkmalpflege wird von jeder Generation neu verhandelt. Diese Entwicklung wird von einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs getrieben.

Die Leitsätze der Denkmalpflege, die in den letzten knapp zweihundert Jahren in Europa entwickelt worden sind, sind keine mathematischen Axiome, sondern unterliegen, wie auch die vorliegenden kurzen Notizen zur geschichtlichen Entwicklung demonstriert haben, einem ständigen Wandel. Der wirtschaftliche und bauliche Druck auf unsere Denkmäler hat zugenommen. Das Ausmass der baulichen Verdichtung, dem wir uns heute stellen müssen, hat kaum historische Präzedenzen. Im Bewusstsein der bedeutenden Werte, die sich mit dem baulichen Kulturerbe verbinden, müssen wir uns einer Weiterentwicklung dieses Erbes stellen, das seine Wei- ternutzung ermöglicht und damit sein langfristiges Überleben sichert. Das Konzept des «schonenden Weiterbauens» spielt hierbei eine Schlüsselrolle:

Denkmalpflege nicht als Totalblockade unter einer axiomatisch fixierten

Maxime des «maximalen Substanzerhalts», aber auch nicht als blosse Pflege

einiger unumstrittener, musealer «Landmarken». Baukultur lebt. Wertvolle

geschichtliche Bausubstanz ist überall – im kleinen Nebengebäude wie im

Dom, im historischen Dachstuhl wie im Gewölbekeller. Der verantwor-

tungsvolle Umgang mit diesem Kulturerbe und die Bewahrung einer hohen

Baukultur fordert vor allem eines: den informierten, sachkundigen Archi-

tekten. Wer ahnungslos oder desinteressiert ist, wird fast unweigerlich und

selbst unwillkürlich Kulturgut zerstören. Die Denkmalwerte liegen oft in

kleinen, schnell übersehenen Details. Eine gewisse Aufmerksamkeit und

Liebe zum Detail ist beim Weiterbauen unabdingbar. Architektinnen und

Architekten kommen bei Baumassnahmen als Allererste mit historischer

Baukultur in Kontakt. Ihnen obliegt auch meist die Gesamtverantwortung

bei Eingriffen und Umbauten aller Art. Sie stehen in der Pflicht, alle not-

wendigen Fachexperten adäquat hinzuzuziehen – vom Bauforscher über

den Vertreter der institutionalisierten Denkmalpflege bis zum historisch

kundigen und bei Sicherungs- und Erhaltungsmassnahmen ausgewiesenen

Tragwerksplaner – und die von diesen eingebrachten Erkenntnisse gewis-

senhaft zu einer Synthese zu bringen. Dazu muss jede Architektin und jeder

Architekt die Sprache der beteiligten Fachexperten sprechen und Grund-

kenntnisse von deren spezifischen Zugang zum Denkmal besitzen. Der

Generalist steht in einer hohen Verantwortung. Die vorliegende Vorlesung

möchte die Grundlagen dafür schaffen, dass angehende Architekten und

Architektinnen dieser Verantwortung gerecht werden.

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