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Erfolgreicher Eilantrag eines subsidiär Schutzberechtigten mit Baby und Kleinkind gegen Abschiebungsandrohung nach Italien

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VG Ansbach, Beschluss v. 11.08.2017 – AN 14 S 17.50857 Titel:

Erfolgreicher Eilantrag eines subsidiär Schutzberechtigten mit Baby und Kleinkind gegen Abschiebungsandrohung nach Italien

Normenketten:

AsylG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 29 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 31 Abs. 1 S. 5, S. 7, Abs. 3, § 36 Abs. 3, Abs. 4 S. 1, § 37 Abs. 1

Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 lit. d, Abs. 2, Art. 29 RL 2013/32/EU Art. 2 UAbs. 1

RL 2005/85/EG Art. 25 Abs. 2 lit. a EMRK Art. 3, Art. 8

GRCh Art. 4

GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 6 Abs. 1 AufenthG § 60 Abs. 5, 7

VwZG § 7 Abs. 1 S. 2, § 8 Leitsätze:

1. Auch wenn ein vor dem 20.07.2015 gestellter Asylantrag nicht allein deshalb als unzulässig behandelt werden darf, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist, hindert dies nicht die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig aus anderen Gründen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

2. Auch für Personen, die mit einem Schutzstatus (Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärer Schutz) nach Italien rücküberstellt werden sollen und eine Familie mit Neugeborenen und Kleinkindern bis zu drei Jahren haben, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Abstimmung mit den Behörden Italiens

sicherzustellen, dass die Familie bei der Überführung eine gesicherte Unterkunft erhält. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Aufstockung subsidären Schutzes, Abschiebungsandrohung nach Italien, subsidiär Schutzberechtigter, unzulässiger Asylantrag, Familie mit Kleinkindern, Zustellung, normative Vergewisserung, sicherer Drittstaat, Kindeswohl

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22. Mai 2017 betreffend die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 wird angeordnet.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird für das einstweilige Rechtsschutzverfahren stattgegeben.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, somalischer Staatsangehöriger, reiste am 10. Februar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24. Februar 2014 einen Asylantrag. Auf Grund des Ablaufs der

Überstellungsfrist gemäß Artikel 29 Dublin III-VO ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens auf Deutschland übergegangen. Der Antragsteller hatte aber bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, ihm wurde dort internationaler - subsidiärer - Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt. Die

traditionell islamisch angetraute Ehefrau sowie seine zwei Kinder (3 Jahre; 4 Monate) leben ebenso in Deutschland. Sorgerechtserklärung sowie Vaterschaftsanerkennung liegen vor.

2

(2)

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsandrohung nach Italien.

3

Mit Bescheid des Bundesamts vom 9. Mai 2017 wurde der Antrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Nummer 2 des Bescheides) und seine Abschiebung nach Italien angedroht, falls er nicht binnen einer Woche freiwillig zurückreist (Nummer 4 des Bescheides). Unter Nummer 5 des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

4

Der Antragsteller hat am 22. Mai 2017 Klage erhoben und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt sowie sodann Prozesskostenhilfe beantragt. Die Familieneinheit dürfe nicht zerrissen werden. Italien garantiere nicht die (soziale) Sicherheit der Familie.

5

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung vom 9. Mai 2017 anzuordnen.

6

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

7

Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf ihre Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid.

8

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

9

Der Berichterstatter entscheidet vorliegend kraft Gesetzes als Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 AsylG.

10

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg.

11

1. Der nach § 36 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO gestellte Antrag auf Anordnung der

aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung der Antragsgegnerin ist zulässig.

Gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.

12

Die Klage ist rechtzeitig erhoben, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist fristgemäß gestellt. Unterstellt, die Zustellung an den Antragsteller wäre an den richtigen Adressaten gerichtet, begann die einwöchige Antragsfrist am Tag nach der Zustellung des Bescheids der Beklagten an den Antragsteller (13. Mai 2017, s. Bl. 200 der BAMF-Akte) zu laufen und endete zunächst am Samstag, den 20. Mai, so dass der Ablauf des nächsten Werktags, also Montag, 22. Mai, als letzter Tag der Frist heranzuziehen ist (§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 187, 188 BGB, 193, § 222 Abs. 2 ZPO).

13

Der Bescheid des Bundesamtes vom 9. Mai 2017 hätte indes gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG aber vielmehr an den Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen, da er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (s. Bl.

54 und 55 der BAMF-Akte). Denn es lagen nicht die Voraussetzungen für eine Zustellung an den Antragsteller nach den Sondervorschriften in § 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG vor. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG ist abweichend von den allgemeinen Vorschriften die Entscheidung dem Ausländer selbst

zuzustellen, wenn der Asylantrag nach § § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgelehnt wird. In diesen Fällen ist dem

(3)

Bevollmächtigten nach § 31 Abs. 1 Satz 7 AsylG lediglich ein Abdruck der Entscheidung zuzuleiten. Diese Voraussetzung lag hier nicht vor, sondern ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, wie es sich auch aus dem Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 ergibt. Zwar hat die Beklagte am 11. Mai 2017 einen Abdruck des Bescheids (irrigerweise nach § 31 Abs. 1 Satz 7 AsylG) an den Bevollmächtigten gesandt (statt der

zutreffenden Zustellung), dies kann aber allenfalls zur Heilung gemäß § 8 VwZG führen. Diese ist am 15.

Mai 2017 eingetreten, dem Tag, an dem der Bescheid gemäß § 8 VwZG dem Prozessbevollmächtigten als dem „Empfangsberechtigten“ tatsächlich zugegangen ist. Klage und Eilantrag wurden also fristgerecht erhoben und gestellt.

14

Die vom Antragsteller erhobene Klage gegen diesen Bescheid entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG). Das Gericht der Hauptsache kann aber nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage dieser Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem

Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann.

15

2. Ein Asylantrag ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.

16

Nach §§ 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG droht das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann; die Ausreisefrist beträgt gemäß 36 Abs. 1 AsylG wie hier korrekt festgesetzt eine Woche.

17

2.1. Zunächst ist die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers als unzulässig (Nr. 2 des Bescheides vom 9. Mai 2017) nicht deshalb rechtswidrig, weil der Asylantrag vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurde, dem Stichtag, den das BVerwG vom 23. Oktober 2015 (1 B 41/15 - NVwZ 2015, 1779 sowie juris) gesetzt hat.

Dass alle bis zu diesem Stichtag gestellten Asylanträge der unter § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG fallenden Personen nicht als unzulässig abgelehnt werden dürften, ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 (1 B 41/15) und auch nicht aus dem Unionsrecht, hier aus der aufgrund der Übergangsvorschrift in Art. 2 Unterabsatz 1 der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU noch für bis zum Stichtag 20. Juli 2015 gestellte Anträge geltenden Regelung des vormaligen Art. 25 Abs. 2 lit. a der Asylverfahrensrichtlinie 2005/85/EG. Zwar judizierte das Bundesverwaltungsgericht, dass vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge nicht allein aus dem Grund als unzulässig behandelt werden dürfen, weil dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Indes wird die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig aus anderen Gründen, nämlich zum Beispiel der

Unzuständigkeit Deutschlands für den nach Weiterreise erneut gestellten Asylantrag, dadurch nicht tangiert.

Hilfreich für diese Erkenntnis ist ein Blick auf den der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrundeliegenden besonderen Sachverhalt: Das Bundesamt hatte irrtümlicherweise die Zuständigkeit Deutschlands für den Asylantrag des Klägers aufgrund der Ausübung des Selbsteintrittsrechts in Bezug auf dessen Ehefrau und seiner Kinder angenommen und sich deshalb für eine Ablehnung des Asylantrages nicht mehr auf seine Unzuständigkeit nach der Dublin-Verordnung berufen können (siehe hierzu Vorinstanz VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.04.2015 - A 11 S 57/15 - juris). Das Bundesamt ging davon aus, dass der in einem anderen EU-Mitgliedsstaat als Flüchtling anerkannte Ausländer keinen Anspruch auf eine neuerliche Statusanerkennung durch das Bundesamt hat, obwohl die Zuständigkeit wegen irrtümlicher Bearbeitung durch das Bundesamt vom eigentlich zuständigen Mitgliedstaat auf Deutschland übergegangen war.

18

Daher ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 nicht

verallgemeinerungsfähig sowie nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Asylbewerber hat sein Recht in dem Dublin-Mitgliedstaat zu suchen, in dem sein Asylantrag in Wahrnehmung der Zuständigkeit

(4)

nach der Dublin-Verordnung beschieden worden ist, denn alles andere wäre unzulässiges „forum shopping“

und ein krasser Gegensatz zu den Grundgedanken der Dublin III-VO.

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Würde die Zuerkennung subsidiären Schutzes (wie hier) durch einen EU-Mitgliedstaat in den anderen EU- Mitgliedstaaten wirkungslos bleiben, könnte der Ausländer sämtliche EU-Staaten durchreisen und wo er möchte Asylaufstockungsanträge stellen, bis er im Mitgliedstaat seiner Wahl das „Update“ seines Schutzstatus erreicht. Dies als geltendes Recht zu erkennen, widerspricht eklatant den Grundzügen des Unionsrechts zur Flüchtlingspolitik. Im Übrigen entstünde ein Wertungswiderspruch zur Rechtslage in den Fällen, in denen der Asylbewerber beispielsweise in Italien eine Ablehnung seines Asylantrages erfahren hat und dann in Deutschland erneut sein Glück versuchen möchte; letzteres ist nach einhelliger

Rechtsprechung und Auffassung in der Literatur nicht möglich: dann aber muss aber eine „Aufstockung“ in Deutschland erst recht ausscheiden. Der Asylbewerber kann zwar „Aufstockung“ seines Schutzstatus beantragen, aber für die Frage, welcher Mitgliedstaat hier Zuständigkeit besitzt, gilt die Dublin III-VO: hier müsste Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO Wiederaufnahme gewähren, so dass der

Asylbewerber die Möglichkeit hat, den umfassenderen Schutzstatus zu beantragen, Art. 18 Abs. 2 Dublin III- VO (vgl. auch Bergmann ZAR 2015, 81, 83). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht einige auch

diesbezüglich relevante Fragen an den EuGH gerichtet (ausgehend aber von dem hier nicht in Rede stehenden § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, vgl. BVerwG - 1 C 17.16, B.v. 23.03. 2017, juris), doch kann die hier zu entscheidende Frage denknotwendig nicht anders entschieden werden. Sie ist für das

Entscheidungsergebnis aber auch nicht erheblich, vgl.2.2., so dass ein Ruhen des Verfahrens oder eine Aussetzung nicht in Frage kommen.

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2.2. Gemäß § 31 Abs. 3 AsylG ist in den Fällen von Entscheidungen über unzulässige Asylanträge - und der vorliegende Antrag war gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig - festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.

21

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG ist zwar zunächst nicht ersichtlich. Hierfür müsste Italien gegen Art. 3 EMRK verstoßen. Nach wie vor gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber und Flüchtlinge in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gefahr für den

Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta bzw. Art. 3 Europäische

Menschenrechtskonvention ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a.a.O.). Hiervon ausgehend bestehen nach dem der Kammer vorliegenden Erkenntnismaterial im gegenwärtigen Zeitpunkt (vgl. § 77 AsylG) keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung nach Italien auf Grund der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber eine menschenunwürdige oder erniedrigende

Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (GRCh) bzw. Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) drohen würde. Der Antragsteller hat keine

stichhaltigen Argumente dafür vorgetragen, die auf Schwachstellen in Italien schließen lassen, von denen er individuell betroffen sein könnte. Solche sind dem Gericht auch nicht bekannt (vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG NRW vom 23.2.2016, unter 1.1). Die Verneinung von Mängeln der Aufnahmebedingungen in Italien entspricht zudem der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Menschengerichtshofs (vgl. in unterschiedlichen Fallkonstellationen - EGMR, Urteil vom 30.

Juni 2015 - 39350/13 <A.S. v. Schweiz> -, Rn. 36, vom 13.1.2015 - 51428/10 <A.M.E. ./. Niederlande> -, juris, Rn. 35 und v. 4.11.2014 - 29217/12 <Tarakhel ./. Schweiz> -, juris, Rn. 114 f.) sowie der

Rechtsprechung deutscher Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichte (vgl. BayVGH, U.v.

28.2.2014 - 13a B 14.30295 -, juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris; Hess.VGH, B.v.

28.2.2014 - 10 A 681/13.Z.A -, juris; OVG NRW, B.v. 16.2.2017 - 13 A 316/17.A -, juris; U.v.22.09.2016 - 13 A 2248/15.A -, juris; U.v. 18.7.2016 – 13 A 1859/14.A -, juris; OVG Lüneburg, U.v. 25.6.2015 - 11 LB 284/14 -, juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v.

(5)

14.11.2013 - 4 L 44/13 -, juris; VG Ansbach, U.v. 15.1.2016 - AN 14 K 15.50422 -, juris; VG München, B.v.

20.2.2017 - M 9 S. 17.50105 - juris; VG Magdeburg, B.v. 23.1.2017 - 8 B 15/17 -, juris). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Europäischen Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE) für das Projekt AIDA - Asylum Information Database erstellten aktuellen Länderbericht zu Italien vom Dezember 2016 (abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-

download/aida_it_2016update) oder dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom August 2016 (abrufbar unter https://www. fluechtlingshilfe.ch/assets/news/2016/160815-sfh-bericht-italien-

aufnahmebedingungen-final.pdf; vgl. dazu auch VG Schwerin, U.v.26.09.2016 - 16 A 1757/15 As SN -, juris, Rn. 122).

22

Ergänzend wird hierzu auf die ausführliche Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).

23

Zwar sind die Dublin III-VO und damit die Tarakhel-Rechtsprechung des EuGH auf den vorliegenden Drittstaatenbescheid nicht unmittelbar anwendbar.

24

Es gelten vielmehr die Regelungen zur Abschiebung in einen sicheren Drittstaat. Nach dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat gelten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union als sicher, da sie bereits aufgrund ihrer eigenen Verpflichtungen durch das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -) und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) den gebotenen Schutz gewährleisten (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris). Daraus folgt, dass sich der Ausländer gegenüber einer Abschiebung in den sicheren Drittstaat nicht auf Abschiebungsschutz gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AsylG sowie nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG berufen kann, weil dieser Abschiebungsschutz bereits im Konzept der normativen Vergewisserung enthalten ist.

25

Eine Ausnahme kommt in Frage, wenn der Ausländer von einem im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen ist.

26

Soweit der Antragsteller geltend macht, dass Asylbewerber in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt seien, führt dies aber nicht zum Erfolg. Denn der Rechtsbegriff der systemischen Mängel entstammt der hier nicht anwendbaren Dublin III-VO (EuGH, U.v.

21.12.2011 - C-411/10, juris). Er ist damit nicht relevant für die Prüfung, ob die Vermutung des Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ausnahmsweise im Sinne der Rechtsprechung des

Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris) durchbrochen ist.

27

Der Antragsteller ist kein Asylantragsteller mehr, sondern genießt als nach der Gewährung internationalen Schutzes durch Italien im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG grundsätzlich die gleichen Rechte wie

italienische Staatsbürger. Es kann indes ein Ausnahmefall vom normativen Vergewisserungskonzept dadurch begründet werden, dass Art. 3 und 8 EMRK, Art. 6 GG verletzt sind. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen genießen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär geschützte Personen in Italien zwar dieselben Rechte wie italienische Staatsangehörige. Aber auch italienische Staatsangehörige haben kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen: es gilt das Prinzip der Eigenverantwortung.

28

Der Antragsteller sowie seine beiden Kleinkinder gehören als Familie zu einer Gruppe besonders schutzbedürftiger („vulnerabler“) Personen, die anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland bei der Rückführung nach Italien regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen können. Da in Bezug auf Italien aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen und des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer bestehen, hat das Bundesamt dem angemessen Rechnung zu

(6)

tragen. Angesichts der hier in Rede stehenden hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art.

6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 EMRK und der bei der Durchführung von Überstellungen vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls hat es jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen und Kleinkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden Italiens sicherzustellen, dass die Familie bei der Überführung eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete sozialen Gefahren oder Gefahren für die Gesundheit für die in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen. Diese Wertung der Tarakhel-Rechtsprechung des EuGH (EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10, juris) betreffend das Land Italien ist auch auf Drittstaatenbescheide im Lichte der genannten Grundrechte analog heranzuziehen, also auch auf Personen anzuwenden, die mit einem Schutzstatus (Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärer Schutz) nach Italien rücküberstellt werden sollen (so auch VG Lüneburg, U.v. 13.12.2016, 8 A 175/16, VG Stade, U.v. 12.10.2016 - 5 A 350/15 -; VG

Braunschweig, U.v. 20.09.2016 - 5 A 378/15 -, unter Hinweis auf VG Hannover, Urt. v. 08.06.2016 - 4 A 6042/15 -).

29

Die also notwendige, aber hier nicht vorhandene Zusicherung betrifft zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, für deren Prüfung im Übrigen die Beklagte (und nicht etwa die

Ausländerbehörde) zuständig ist (vgl. BVerwG, U.v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 - NVwZ 2013, 1167).

30

Entweder wird der Antragsteller entgegen Art. 3 und 8 EMRK, Art. 6 GG von seinen beiden Klein- und Kleinstkindern getrennt, oder er begegnet mit ihnen (unter Berücksichtigung der Kindesmutter, seiner allerdings mit ihm nur traditionell verheirateten Ehefrau) in Italien ohne eine entsprechende

Garantieerklärung oder sonstige Absicherung nicht zumutbaren Verhältnissen.

31

Bei dem Antragsteller ist mithin ein Sonderfall gegeben, der vom Konzept der normativen Vergewisserung i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 -, BVerfG 94, 49ff.) nicht abgedeckt ist (vgl. § 60 Abs. 1, 5 und 7 AufenthG). Zwar ist Italien als Mitgliedstaat der Europäischen Union gem. Art. 16a Abs. 1 Satz 1 GG generell sicherer Drittstaat, doch eben nicht ausnahmslos, falls wie hier die Eingriffsschwelle der Art. 3, 8 EMRK, Art. 6 GG, Art. 4 GRCharta überschritten ist.

III.

32

Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG werden die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 des Antrags und die Abschiebungsandrohung unwirksam, wenn das

Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entspricht. Das

Bundesamt hat das Asylverfahren fortzuführen. Es wird bereits hiermit Gelegenheit zu prozessbeendenden Erklärungen gegeben.

IV.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit folgt aus

§ 83b AsylG.

V.

34

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war für dieses Verfahren stattzugeben, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und er nach seinen

persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann.

35

Nach summarischer Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides der Beklagten, mit dem die Abschiebung nach Italien angedroht wurde.

(7)

VI.

36

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG)

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