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Arzneimittel- induzierte QT- Zeit- Verlängerung

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Academic year: 2022

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Michaela Krickler

Arzneimittel- induzierte QT- Zeit- Verlängerung

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Pharmazie

an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz

Ao. Univ.-Prof. Mag. pharm. Dr. rer. nat. Astrid Ortner Institut für Pharmazeutische Chemie

Juli 2011

(2)

Seite 1 von 103

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ... 1

Danksagung ... 4

Abkürzungsverzeichnis ... 5

Zusammenfassung ... 6

Abstract ... 7

Einleitung ... 8

1. Allgemeiner Teil ... 9

1.1. Anatomie des Herzens ... 9

1.1.1. Lage, Form und Größe ... 9

1.1.2. Funktionelle Gliederung des Herzens ... 9

1.1.3. Morphologische Gliederung ... 10

1.2. Elektrophysiologie des Herzens ... 11

1.2.1. Erregungsprozesse im Herzen ... 11

1.2.2. Ruhepotential des Arbeitsmyokards ... 12

1.2.3. Aktionspotential des Arbeitsmyokards ... 12

1.2.4. Schnell aktivierende Komponente des verzögerten Gleichrichters (IKr) ... 15

1.2.4.1. Allgemeines über K+- Kanäle ... 15

1.2.4.2. Hauptmerkmale der α- Untereinheit der spannungsabhängigen K+- Kanäle . 16 1.2.4.3. Eigenschaften des IKr- Kanal ... 17

1.3. Elektrokardiogramm (EKG) ... 19

1.3.1. Bedeutung der einzelnen EKG Abschnitte ... 19

1.4. QT- Intervall und Long QT- Syndrom ... 21

1.4.1. Torsade de pointes... 22

1.5. Angeborenes und erworbenes Long QT- Syndrom ... 23

1.5.1. Angeborene (kongenitale) Formen des Long QT- Syndroms (LQTS) ... 23

1.5.2. Erworbene Formen des Long QT- Syndroms ... 25

1.5.2.1. Risikofaktoren ... 25

1.5.2.1.1. Genetische Prädisposition ... 25

(3)

Seite 2 von 103

1.5.2.1.2. Repolarisationsreserve ... 26

1.5.2.1.3. Das weibliche Geschlecht ... 26

1.5.2.1.4. Hypokaliämie ... 27

1.5.2.1.5. Cytochrom- P- 450- System ... 27

1.5.2.2. Arzneimittel mit QT- verlängerter Wirkung ... 29

1.5.2.2.1. Antiarrhythmika ... 30

1.5.2.2.2. Antibiotika ... 31

1.5.2.2.3. Antipsychotische Stoffe ... 34

1.5.2.2.4. Andere Arzneistoffe ... 35

1.5.2.2.5. Strukturelle Basis des IKr- Blocks ... 36

1.5.2.2.5.1. Klinische Konsequenzen des IKr- Blocks ... 38

2. Zielsetzung ... 39

3. Experimenteller Teil ... 40

3.1. Methodik ... 40

3.2. Erfassung der Patientendaten ... 40

3.3. Verwendete Datenbanken ... 43

3.4. Vorerkrankungen ... 43

3.5. QT- Intervall ... 44

3.5.1. QTc- Werte ... 45

3.6. Elektrolyte ... 45

3.7. Niere ... 46

3.7.1. Nierenwerte im Alter ... 46

3.7.2. Formel zur Bestimmung der GFR ... 48

3.8. Schilddrüse ... 49

3.9. Leber ... 51

4. Ergebnisse ... 53

4.1. Anzahl der Patienten ... 53

4.2. Alter der untersuchten Patienten... 56

4.3. QTc- Werte ... 58

(4)

Seite 3 von 103

4.3.1. Mittelwerte und Standardabweichung der QTc- Werte ... 59

4.3.2. Kontroll- EKGs ... 60

4.4. Elektolytwerte ... 61

4.5. Nierenwerte ... 62

4.6. Schilddrüsenwerte ... 64

4.7. Leberwerte ... 65

4.8. Arzneimittel... 67

4.8.1. Arzneimittel, die gemäß Fachinformation die QTc- Zeit verlängern ... 67

5.9. Interaktion ... 71

5.10. Art der Interaktion ... 74

5.10.1. Interaktionen, die das QT- Intervall beeinflussen können ... 84

5.11. Dosisanpassung ... 85

6. Diskussion ... 87

6.1. QTc- Werte ... 88

6.2. Geschlecht der Patienten mit QT- Verlängerung ... 89

6.3. Alter der Patienten ... 90

6.4. Elektrolytwerte ... 90

6.5. Niere ... 91

6.6. Schilddrüsen ... 91

6.7. Leber ... 92

6.8. Arzneimittel... 92

6.8.1. Anzahl der Arzneimittel mit bekannter QT- verlängernder Wirkung ... 92

6.8.2. Art der Arzneimittel mit bekannter QT- verlängernder Wirkung ... 93

6.9. Interaktionen ... 93

6.10. Dosisanpassung ... 94

7. Schlussfolgerung ... 96

8. Literaturverzeichnis ... 98

9. Abbildungsverzeichnis ... 101

10. Tabellenverzeichnis ... 102

(5)

Seite 4 von 103

Danksagung

An erster Stelle möchte ich mich bei Frau Dr. Ingrid Friedl, Leiterin der Apotheke am LKH West, für die Betreuung während der gesamten Zeit der Diplomarbeit, bedanken, bei der sie stets eine große Hilfe war und mich unterstützte, wo sie nur konnte.

Weiters möchte ich mich bei Frau Ao. Univ.-Prof. Mag. pharm. Dr. rer. nat. Astrid Ortner für die Unterstützung sowie bei Herrn Ao. Univ.-Prof .i.R. Mag. pharm. Dr. phil. Reinhold Wintersteiger für die Ermöglichung dieses Themas sehr herzlich bedanken.

Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Mag. pharm. Helga Krautgartner, die mir in der Zeit an der Landesnervenklinik Sigmund Freud eine sehr große Hilfe war.

Außerdem möchte ich mich bei meinen Eltern und meinen Großeltern für die jahrelange mentale wie auch finanzielle Unterstützung bedanken.

Natürlich möchte ich auch René und meinen Freunden sehr herzlich danken. Ohne sie wäre meine Studienzeit nur halb so „schön“ gewesen.

Zum Schluss möchte ich meiner Schwester Doris danken, die mir immer zur Seite stand, und mich auch in schwierigen Zeiten motivierte und unterstützte.

(6)

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Abkürzungsverzeichnis

K+ Kalium

Na+ Natrium

Ca2+ Calcium

Mg2+ Magnesium

LSF Landesnervenklinik Sigmund Freud

CRF Case Record Form

LQTS Long QT- Syndrom

HERG human ether- a- go- go

MiRP1 MinK-related protein

MAP Monophasiges Aktionspotential

EKG Elektrokardiogramm

GFR Glomeruläre Filtrationsrate

TSH Thyreotropin

T4 Thyroxin

T3 Triiodthyronin

AP Alkalische Phosphatase

GGT gamma- Glutaryl- Transferase

CHE Cholinesterase

AST Aspartat- Amino- Transferase

ALT Alanin- Amino- Transferase

AM Arzneimittel

(7)

Seite 6 von 103

Zusammenfassung

Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurden die möglichen Ursachen von QT- Verlängerungen bei Patienten mit verschiedenen Erkrankungen untersucht.

Arzneimittel- induzierte Verlängerung des QT- Intervalls hat in der letzten Zeit viel Aufmerksamkeit erregt. Neben den repolarisationsverlängernden Antiarrhythmika kann es auch bei nicht kardialen Arzneimitteln zu einer QT- Verlängerung kommen. Im Falle der nicht kardialen Arzneimittel (Antibiotika, Neuroleptika, Antidepressiva) ist es aber eine unerwünschte Nebenwirkung. Arzneimittel- induzierte QT- Verlängerung kann zu einer lebensbedrohlichen ventrikulären Herzrhythmusstörung vom Typ Torsade de pointes führen. Torsade de pointes ist eine Kammertachykardie mit ständig wechselnder Vektorachse des QRS- Komplexes.

Obwohl schon einige Medikamente mit diesen Nebenwirkungen vom Markt genommen wurden, wird die Liste der Arzneistoffe mit QT- verlängernder Wirkung immer länger.

Diese Stoffe können den im Herzen vorkommenden, für die Repolarisation sehr wichtigen Kaliumkanal IKr blockieren. Es gibt mehrere Gründe, warum so unterschiedliche Arzneistoffe genau an diesen speziellen Kanal angreifen. Der IKr ist ein spannungsabhängiger K+- Kanal, der durch seine schnelle Aktivierung charakterisiert ist und durch den Ausstrom von K+ die Repolarisation bestimmt.

Die Blockade des Kanals führt zu einer Verzögerung der Repolarisation, was sich im EKG als Verlängerung des QT- Intervalls manifestiert. Wird diese Verlängerung nicht beachtet, kann es im schlimmsten Fall zum plötzlichen Herztod führen.

Es gibt noch weitere Risikofaktoren, die zu einer QT- Verlängerung führen können, wie etwa das weibliche Geschlecht, Elektrolytstörungen und auch Herzkrankheiten.

Außerdem wurde in einigen Fällen auch genetische Faktoren berichtet.

Ziel dieser Arbeit war die Arzneimittelwirkung auf das QT- Intervall bei einem bestimmten Patientenkollektiv unter Berücksichtigung der Risikofaktoren zu untersuchen.

(8)

Seite 7 von 103

Abstract

Drug- induced QT- prolongation has attracted a lot of interest in the last few years. In addition to the antiarrhythmic drugs there are also a variety of non-cardiac drugs which can also cause QT- prolongation. In case of non- cardiac drugs the prolongation of the repolarization is an unwanted side-effect. Drug- induced QT- prolongation may lead to a life-threatening arrhythmia called torsade de pointes. Torsade de pointes is a ventricular tachycardia that appears on the electrocardiogram as continuous twisting of the vector of the QRS complex.

Although there are many drugs which are taken off the market, there are still many drugs with a QT- prolonging potency.

These drugs can inhibit the rapidly activating component of the delayed rectifier K+ current, named IKr. IKr and other K+ channels determine the repolarization and the duration of the action potential. The IKr channel is target of antiarrhythmic drugs, several antibiotics and antipsychotics. There are a few reasons, why so many drugs can bind to and block the IKr channels. The inhibition of these current can cause a marked prolongation of the action potential duration and a prolongation of the QT- interval.

Although many drugs inhibit the IKr, only a few patients develop Torsade de pointes. The reason could be the different pharmacokinetic and pharmacogenomic of the individuals.

In addition to drugs and genetic predisposition, there are a few other risk factors. For example, electrolyte abnormalities, cardiac disorders, or female gender can enhance the risk of torsade de pointes.

(9)

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Einleitung

Seit den 60er Jahren ist bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen einer medikamentenbedingten, überschießenden Verlängerung des QT- Intervalls und lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen vom Typ Torsade de pointes gibt (1).

Einige Arzneimittel haben die Fähigkeit, die Repolarisation des Herzens zu beeinflussen, was sich im Oberflächenelektrokardiogramm (EKG) als Verlängerung des QT- Intervalls manifestiert. Eine Verzögerung der Repolarisation im Herzen ist ein unerwünschter Effekt vieler nicht- antiarrhythmischer Arzneistoffe, wie Cisaprid, Domperidon, Moxifloxacin und viele andere (2).

Aufgrund klinischer Beobachtungen zählen zu den Risikofaktoren für die Ausbildung von QT- Verlängerungen u.a. das weibliche Geschlecht, Herzkrankheiten (Herzinfarkt, chronische Herzinsuffizienz, Bradykardie), Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie, Hypocalcämie) und ganz besonders antiarrhythmische Arzneimittel (Klasse IA, IB, III) sowie andere Arzneistoffe (Antibiotika, Psychopharmaka) (3).

Für die Repolarisation der Herzmuskelzelle sind vor allem die Kalium- Kanäle verantwortlich. Viele unterschiedliche Arzneistoffe können die schnell aktivierende Komponente des K+- Kanals (IKr) blockieren (3).

Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde der Zusammenhang zwischen den Arzneistoffen und auftretenden QT- Intervall- Verlängerungen bei polymorbiden Patienten untersucht.

Diese Arbeit gliedert sich in einen allgemeinen und einen speziellen Teil.

Im allgemeinen Teil wird der aktuelle Stand der Wissenschaft bezüglich pharmakologischer Beeinflussung von Arzneimitteln auf die Repolarisation mittels Literaturrecherche erhoben.

Im speziellen Teil wurden auf der Abteilung für Gerontopsychiatrie in der Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz (LSF- Graz) Patientendaten für einen Zeitraum von 3 Monaten erhoben und auf diese Fragestellung hin untersucht.

(10)

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1. Allgemeiner Teil

1.1. Anatomie des Herzens 1.1.1. Lage, Form und Größe

Das Herz liegt im vorderen und unteren Teil des Mittelfeldraums. Es wird auf beiden Seiten von den äußeren Pleurablättern der Lungenflügel begrenzt. Aufgrund der engen Beziehung zum Atmungsapparat ändert das Herz seine Lage mit den Atmungsbewegungen des Zwerchfells, der Rippen und der Lungen (4).

Das Herz hat die Form eines abgestumpften Kegels und die Größe einer geballten Faust.

Das Herzgewicht beträgt bei einem erwachsenen Mann ungefähr 320g und bei der Frau 280g (4).

1.1.2. Funktionelle Gliederung des Herzens

Das Herz gliedert sich in das rechte und das linke Herz. Es besteht aus einem Vorhof (Atrium) und einer Kammer (Ventrikel), wobei die vier Hohlräume von unterschiedlich starken Muskelmassen umschlossen sind. Der rechte Vorhof nimmt das sauerstoffarme Blut aus den großen Hohlvenen auf und leitet es in die rechte Kammer. Von dort wird das Blut über die Lungenschlagader in die Lunge transportiert. Das Blut wird mit Sauerstoff angereichert und fließt dann als sauerstoffreiches Blut über die vier Lungenvenen in den linken Vorhof. Von hier gelangt es in die linke Kammer und wird dann in die Hauptschlagader (Aorta) ausgeworfen (Abbildung 1). Das Blut wird durch die rhythmische Kontraktion und Erschlaffung der Herzmuskulatur fortgeleitet. Zuerst werden die beiden muskelschwachen Vorhöfe kontrahiert und sie tragen damit im kleinen Teil zur Füllung der Kammern bei. Dann kontrahieren die Kammern und das Blut gelangt nun in die Lungenschlagader und die Hauptschlagader. Die Ventilwirkung der Herzklappen verhindert, dass das Blut zurück fließt. Der kontrahierte linke Ventrikel und die Arterien bilden das Hochdrucksystem. Der rechte Ventrikel, die Vorhöfe, alle Gefäße des kleinen Kreislaufs, die Kapillaren und Venen des großen Kreislaufs bilden das Niederdrucksystem (4).

(11)

Seite 10 von 103 1.1.3. Morphologische Gliederung

Das Herz wird vom Perikard umschlossen. Es besteht aus dem innen gelegenen Epikard und dem außen gelegenen Perikard im engeren Sinn. Das Endokard bedeckt vollständig den gesamten Innenraum des Herzens. Es besteht aus einer Endothelschicht, die auf einem lockeren Bindegewebe aufliegt (4).

1.1.3.1. Aufbau der Herzwand

Die Herzwand besteht aus drei Schichten:

 Endokard (innen)

 Myokard (in der Mitte)

 Epikard (außen)

Die überwiegende Gewebemasse entfällt auf das Myokard, die Muskelschicht der Herzwand (4).

Abbildung 1: Aufbau des Herzens (34)

(12)

Seite 11 von 103 1.2. Elektrophysiologie des Herzens 1.2.1. Erregungsprozesse im Herzen

Der Kontraktiosablauf der Vorhöfe und Ventrikel wird durch die Ausbreitung der Erregung von den Vorhöfen über die Herzkammern gesteuert und so werden die einzelnen Herzmuskelabschnitte nacheinander zur Kontraktion gebracht (4).

Die Herzmuskeln werden eingeteilt in:

 Fasern, die das Erregungsbildungs- und leitungssystem bilden:

 sie erregen sich selbst (sie besitzen eine Autorhythmie)

 setzen die Erregung des Herzmuskels in Gang

 sie haben ein stetig sich verminderndes Ruhepotential

 Die Erregungsausbreitung geht vom Sinusknoten zu den AV- Knoten, von dort zu den His- Bündeln. Das His- Bündel teilt sich dann in den rechten und linken Kammerschenkel und von dort geht die Erregung in die Purkinje- Fasern, wo es dann in das Arbeitsmyokard gelangt. (Abbildung 2)

(4)

 Fasern, die das Arbeitsmyokard bilden:

 sie bewirken die Kontraktion des Herzmuskels

 das Ruhepotential ist stabil

1.2.1.1. Autorhythmie

Die rhythmischen Aktionen werden von Erregungen ausgelöst, die im Sinusknoten entstehen. Die Fähigkeit dieser Zellen zur Bildung spontaner Erregung, in bestimmten Zeitabständen, ist die Grundlage für die Selbststeuerung der Herzschlagfolge (4).

Abbildung 2: Erregungsübertragung (34)

(13)

Seite 12 von 103 1.2.2. Ruhepotential des Arbeitsmyokards

Die Myokardfaser weist ein Ruhepotential von -90 mV auf (innen gegen außen) (4).

Im Inneren der Faser ist eine 30- 40fach höhere K+- Konzentration als im Außenmedium Dagegen ist im Extrazellulärraum eine 10- bis 20fach höhere Na+- Konzentration als im Inneren der Zelle vorhanden. Im Ruhezustand ist die Permeabilität für K+ hoch und für Na+- Ionen und Anionen niedrig. Es kann zu keinem Konzentrationsausgleich kommen (5).

Jedoch stellt sich ein thermodynamisches Gleichgewicht ein. K+- Ionen wandern aufgrund des Konzentrationsgradienten von innen nach außen, während die Anionen in der Zelle verbleiben. Dadurch entsteht eine elektrische Doppelschicht, mit einer äußeren positiven Schicht und einer inneren negativen Schicht (5).

1.2.3. Aktionspotential des Arbeitsmyokards

Das Aktionspotential beruht auf transienten Änderungen membranärer Ionenströme (5).

1.2.3.1. Ionenströme

Das Öffnen und Schließen der spannungsabhängigen Ionenkanäle führt zu einer Änderung der Permeabilität bzw. Leitfähigkeit der Membran für bestimmte Ionen (5).

Spannungsgesteuerte Ionenströme im Arbeitsmyokard

INa (schneller Na+- Einstrom): er wird durch die Depolarisation aktiviert und erzeugt den Aufstrich des Aktionspotentials.

ICa,L (langsamer Ca2+- Einstrom): dieser Einstrom wird durch die Depolarisation aktiviert und ist verantwortlich für den Aktionspotential- Aufstrich und für die Plateauphase.

INCX (Na+/Ca2+- Austauscherstrom): Austausch von 1 Ca2+ gegen 3 Na+. Er trägt in Phase 1 kurzfristig zum Ca2+- Einwärtsstrom bei und ist damit repolarisierend.

(14)

Seite 13 von 103

Außerdem ist er der wichtigste Mechanismus, um das einfließendes Ca2+ (durch ICaL) wieder aus der Zelle zu transportieren.

IK1 (Einwärtsgleichrichter): er ist hauptverantwortlich für die Aufrechterhaltung des Ruhepotentials. Er wird während der Depolarisation abgeschaltet und springt ab einem Potential von ca. -50 mV wieder an.

It0 (transienter Auswärtsstrom): er ist der für die Kerbe des Aktionspotentials (Phase 1) verantwortliche K+- Strom. Er wird schnell aktiviert und bei Depolarisation rasch wieder inaktiviert.

IK (verzögerter Gleichrichter): er ist hauptverantwortlich für die Repolarisation durch den Ausstrom von K+ und setzt mit Verzögerung ein. Er gliedert sich in unterschiedlich rasch aktivierbare Komponenten, und zwar in IKs (slowly) und IKr

(rapidly). Vor allem der schnell aktivierbare IKr- Kanal stellt den Hauptangriffspunkt für spezifische Hemmstoffe der Repolarisation dar (5) (6).

In Abbildung 3 sind die Ionenströme dargestellt, die das Aktionspotential beeinflussen.

Abbildung 3: Darstellung der einzelnen Ionenströme (7)

(15)

Seite 14 von 103 1.2.3.2. Phasen des Aktionspotentials

Die elektrische Erregung lässt sich in 5 Phasen einteilen (Abbildung 4).

Phase 0: charakterisiert den Beginn des Aktionspotentials und es kommt zu einer raschen und kurzanhaltenden Öffnung der spannungsabhängigen Na+- Kanäle (schneller Einstrom von Na+). Voraussetzung ist ein elektrischer Reiz, der eine ausreichende Stärke besitzt (6). Durch die Zunahme der Na+- Leitfähigkeit kommt es zur Abnahme der K+- Leitfähigkeit, weil die für das Ruhepotential verantwortlichen K+- Kanäle (IK1) bei stärkerer Depolarisation sofort schließen. Durch die erhöhte Na+- Leitfähigkeit steigt das Membranpotential auf +60 mV und das führt zur Aufstrichphase des Aktionspotentials (5).

Phase 1: Die Phase 1- Repolarisation wird hauptsächlich durch den transienten K+- Auswärtsstrom (It0) bestimmt. Zuerst erfolgt eine schnelle Aktivierung bei einem Potential von über -30 mV und dann kommt es zur schnellen Inaktivierung dieses Stroms (5).

Plateau- Phase 2: Während dieser Phase halten sich der Einstrom positiver Ladungen (v.a. Ca2+- Ionen) und der Ausstrom positiver Ladungen (v.a. K+- Ionen) nahezu im Gleichgewicht, sodass während dieser Phase nur ein geringer, aber konstanter Netto- Einwärtsstrom resultiert. So bleibt auch das Membranpotential relativ konstant, wodurch dieses Plateaus gebildet wird. Der depolarisierende Einwärtsstrom wird hauptsächlich von Ca2+- Ionen, die durch spannungsabhängige L- Typ- Ca2+- Kanäle fließen, bestimmt. Diese Kanäle werden wie die schnellen Na+ Kanäle durch Depolarisation aktiviert und dann wieder inaktiviert, allerdings langsamer. Die Aktivierungsschwelle liegt jedoch, im Gegensatz zu Na+ (ca. -60 mV), bei ca. -40 mV (5) (6).

Phase 3: Die endgültige Repolarisationsphase wird bestimmt durch den verzögerten K+- Auswärtsstrom (IK) und durch die Inaktivierung des L- Typ Ca2+- Einstroms. Es gibt zwei Komponenten des IK: eine langsame („slowly) aktivierende Komponente (IKs) und eine eher schnell („rapidly“) aktivierende Komponente (IKr). Die Phase endet mit Erreichen des normalen Ruhepotentials (5) (6).

(16)

Seite 15 von 103

Phase 4: Die Phase 4 korreliert mit dem stabilen, negativen Ruhepotential. Es wird durch eine hohe K+- Leitfähigkeit und der Na+/K+- Pumpe gewährleistet. Die hohe K+- Leitfähigkeit besteht aufgrund der großen Zahl an offener K+- Einwärtsgleichrichter (IK1) (5).

Abbildung 4: Aktionspotential im Arbeitsmyokard (8)

1.2.4. Schnell aktivierende Komponente des verzögerten Gleichrichters (IKr) 1.2.4.1. Allgemeines über K+- Kanäle

K+- Kanäle bestimmen das Ruhepotential, die Herzfrequenz, die Dauer des Aktionspotentials und sie sind wichtige Ziele für die Interaktion mit Neurotransmittern, Hormonen, Arzneimitteln und Toxinen zur Beeinflussung der kardialen Funktion. (9) Substanzen, die diese Kanäle blockieren, verlängern die kardiale Aktionspotentialdauer (Abbildung 5), ohne das Erregungsleitungssystem zu verlangsamen. Leider verlängern diese Arzneistoffe, die die Repolarisation verzögern, auch das QT- Intervall am EKG, was zu einer erworbenen Form des Long QT- Syndroms (LQTS) führen kann (9).

K+-Kanäle werden blockiert, dadurch wird das Aktionspotential verlängert

Abbildung 5: Verlängertes Aktionspotential (3)

(17)

Seite 16 von 103

Kardiale K+- Kanäle können aufgrund ihrer Unterschiede in ihrer Funktion und ihren pharmakologischen Eigenschaften differenziert werden. Sie werden in zwei Kategorien eingeteilt, und zwar in spannungsabhängige und liganden-gesteuerte Kanäle. Die spannungsabhängigen Kanäle werden im Punkt 1.2.4.2. genauer erklärt. Die liganden- gesteuerten Kanäle werden unterteilt in Kanäle, die durch Verminderung der Konzentration von intrazellulärem Adenosintriphosphat (ATP) aktiviert werden (KATP) und in Kanäle, die durch Acetylcholin aktiviert werden (KAch) (9).

Die spannungsabhängigen K+- Kanäle werden durch α- Untereinheiten und zusätzlichen ß- Untereinheiten gebildet. Beim schnell aktivierenden verzögerten Gleichrichter (IKr) wird die α- Untereinheit HERG (human ether- a- go- go) genannt. Wie in Tabelle 1 ersichtlich ist, wird der HERG von KCNH2 und die ß- Untereinheit (MiRP1) von KCNE2 codiert (9).

Tabelle 1: Untereinheiten des IKr- Kanals

α- Untereinheit - Ikr

Name Gen

HERG KCNH2

ß- Untereinheit - Ikr

Name Gen

MiRP1 KCNE2

(9)

1.2.4.2. Hauptmerkmale der α- Untereinheit der spannungsabhängigen K+- Kanäle

a) Sie besitzen eine Porenregion innerhalb der Plasmamembran, durch die K+- Ionen fließen

b) Außerdem ist ein selektiver Filter vorhanden, der nur den K+- Ionen erlaubt, durch die Pore zu fließen

c) Es gibt einen Öffnungsmechanismus, der die Umschaltung zwischen offenem und geschlossenem Zustand reguliert. Er bestimmt auch, ob eine Permeation entweder als Antwort auf eine Veränderung des Membranpotentials oder durch einen Liganden auftritt (9).

(18)

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Die α- Untereinheiten der spannungsabhängigen K+- Kanäle besitzen sechs transmembran- durchspannende Segmente (S1 – S6) mit cytoplasmatischen N- und C- terminalen Domänen und eine Porenschleife zwischen S5 und S6. Die Schleife trägt den K+- Selektivitätsfilter TxGYG (Abbildung 6). Die Porenregion, die durch S5 und S6 Segmente geformt wird, ist verantwortlich für die K+- Ionen- Leitung und Selektivität.

Das S4 Segment enthält positiv geladene Reste an etwa jeder 3. Stelle und dient als Spannungssensor. Viele spannungsabhängige Kanäle enthalten eine Pro- X- Pro Sequenz (PXP), die eine scharfe Kurve in die S6 Helix nahe dem Aktivierungsbereich bildet und reduzieren so den inneren „Vorraum“ der Pore. Die Kanäle können durch vier identische Untereinheiten geformt werden (Homomultimere) oder durch Kombinationen von verschiedenen α- Untereinheiten aus der gleichen Unterfamilie (Heteromultimere) (9).

Abbildung 6: Aufbau der α- Untereinheit von K+- Kanälen (9)

1.2.4.3. Eigenschaften des IKr- Kanal

Der IKr- Kanal ist durch eine schnelle Aktivierung bei -30 mV, einer schnellen Inaktivierung und einer starken Einwärts- Gleichrichtung bei positiven Potential charakterisiert. Die Einwärts- Gleichrichtung resultiert aus der Tatsache, dass sich die Kanal- Inaktivierung schneller entwickelt als die Aktivierung bei positivem Potential und sie limitiert das Maß an Zeit, die die Kanäle im offenen Zustand verbringen (9).

(19)

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Die HERG Kanäle (α- Untereinheit des IKr) gehören zu den Kanälen, die sechs transmembranäre Segmente und eine Poren- formende Region enthalten. Sofort nach der Depolarisation gehen die spannungsabhängigen Kanäle vom geschlossenen in den offenen Zustand über, woraufhin viele Kanäle in einen nichtleitenden Zustand übergehen. Wenn die Membran repolarisiert ist, erholen sich die Kanäle von ihrem inaktivierten Zustand und sind erneut zur Öffnung fähig (9).

Kanal- Gating

Der S4- S5 Verknüpfer und die C- terminale Hälfte von S6 sind entscheidende Komponenten für die Aktivierung. Das N- terminale Ende von HERG ist in den langsamen Deaktivierungsprozess involviert und einige Mutationen in dieser Region, die mit dem Typ 2 des Romano- Ward Syndroms des kongenitalen Long QT- Syndroms (LQTS) verbunden sind, reduzieren den Auswärtsstrom durch den HERG Kanal aufgrund beschleunigter Kanal- Deaktivierung. HERG- Kanäle enthalten auch eine PAS (Per- Arnt- Sim) Domäne auf ihrem cytoplasmatischen N- terminalen Ende. Diese Domäne kann mit anderen Regionen des HERG, wie zum Beispiel mit dem S4- S5 Verknüpfer interagieren, und so die Kanal- Deaktivierung zu beeinflussen (9).

Proteine mit PAS- Domänen sind häufig in Signaltransduktionen involviert. Analysen der Long QT- Syndrom- assoziierten Missense- Mutationen, die in den PAS- Domänen des HERG lokalisiert sind, haben gezeigt, dass diese Region sehr wichtig für die Vermittlung der langsamen Kanal- Deaktivierung ist (10).

(20)

Seite 19 von 103 1.3. Elektrokardiogramm (EKG)

Wenn eine Herzmuskelfaser ein Aktionspotential ausbildet, dann ist sie aufgrund der Umpolarisierung gegenüber einer unerregten Faser elektronegativ. Die Erregung im Herzen folgt einer Sequenz, die durch das Erregungsleitungssystem gesteuert wird. Da das Aktionspotential in den erregten Zellen eine längere Dauer hat, sind zu bestimmten Zeitpunkten einige Teile des Herzens erregt, während andere noch nicht erregt sind. Es besteht eine Potentialdifferenz bzw. ein Dipol oder Vektor zwischen den erregten und unerregten Abschnitten des Herzens. Da das Herz in leitende Medien eingebettet ist, breitet sich ein, durch diesen Dipol erzeugtes Stromliniennetz aus. Dadurch lassen sich die vom Herzen ausgehenden Potentialänderungen von bestimmten Orten der Körperoberfläche als EKG ableiten (4).

1.3.1. Bedeutung der einzelnen EKG Abschnitte

Wie man in Abbildung 7 erkennen kann, ist das EKG in einzelne Abschnitte unterteilt.

 P- Welle:

Diese Welle stellt die Erregungsausbreitung in Vorhöfen dar. Sie entsteht durch einen Summenvektor, der sich innerhalb des Vorhofs von der erregten Vorhofbasis zur nicht erregten Vorhofmuskulatur erstreckt.

 PQ- Strecke:

In diesem Bereich ist die gesamte Vorhofmuskulatur gleichmäßig erregt. Es liegt keine Potentialdifferenz innerhalb des Vorhofmyokards vor.

 PQ- Intervall:

Es entspricht der „Überleitungszeit“, d.h. der Dauer der Vorhoferregung, der AV- Überleitung, der Erregung des His- Bündels und endet mit dem Beginn der Depolarisation des Myokards.

 QRS- Dauer:

Dieses Intervall entsteht durch die Erregungsausbreitung im Ventrikelmyokard.

Es besteht aus der Q, R und der S- Zacke.

Die Phase 0 und 1 des Aktionspotentials entsprechen dem QRS- Komplex.

(21)

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 ST- Strecke:

Diese Strecke ist eine Nulllinie. In diesem Zeitabschnitt sind die beiden Ventrikel gleichmäßig erregt und es besteht daher keine Potentialdifferenz zwischen den einzelnen Ventrikelteilen. Die ST- Strecke entspricht der Phase 2 des Aktionspotentials.

 T- Welle:

Sie kennzeichnet die Rückbildung der Erregung in den Ventrikeln. Es entsteht wieder ein Vektor, denn die Erregungsrückbildung beginnt in der Außenschicht des Myokards und läuft auf die Innenschichten zu. Die 3. Phase des Aktionspotentials entspricht dieser T- Welle.

 U- Welle:

Manchmal tritt im Anschluss an T noch eine U- Welle auf, die durch eine späte Repolarisation der Purkinje- Fasern verursacht ist (4) (11).

Abbildung 7: Darstellung eines EKG (35)

(22)

Seite 21 von 103 1.4. QT- Intervall und Long QT- Syndrom

Das Long QT- Syndrom ist durch ein verlängertes QT- Intervalls am Oberflächen- EKG charakterisiert. Es wird vom Beginn des QRS- Komplexes bis zum Ende der T- Welle gemessen. Ist dieser Wert erhöht, spricht man von einem verlängerten QT- Intervall (3).

Eine Verlängerung des QT- Intervalls ist dann gegeben, wenn der Wert bei Frauen über 470ms und bei Männern über 450 ms liegt.

Abbildung 8 zeigt, dass das QT- Intervall vorwiegend durch die Dauer des Aktionspotentials in den ventrikulären Zellen bestimmt wird (3).

Abbildung 8: Darstellung der Beziehung zw. Aktionspotential und Oberflächen- EKG (3)

(23)

Seite 22 von 103

Das QT- Intervall ist an die Herzfrequenz angepasst. Je höher die Frequenz, desto kürzer ist das Intervall und je niedriger die Herzfrequenz, desto länger ist das QT- Intervall.

Deshalb ist es notwendig, das QT- Intervall einer Korrektur zu unterziehen, um es an die Herzfrequenz anzupassen. Es gibt mehrere Formeln für die Berechnung, aber am häufigsten wird die Formel nach Bazett verwendet (3) (12).

( )

√ ( )

QTc [ms]: korrigierte QT- Zeit QT [ms]: QT- Intervall

RR [s]: Abstand zwischen der ersten R- Zacke und der nächsten R- Zacke

Als Folge einer Verlängerung des QT- Intervalls kann es zur Entwicklung von Synkopen kommen und im schlimmsten Fall auch zu plötzlichem Herztod. In den meisten Fällen entstehen polymorphe ventrikuläre Arrhythmien vom Typ Torsade de pointes (3).

1.4.1. Torsade de pointes

Diese Form der Herz- Rhythmus- Störung ist eine Kammertachykardie mit ständig wechselnder Vektorachse des QRS- Komplexes. Diese Arrhythmie kann zu Synkopen und Unwohlsein führen, bis hin zum plötzlichen Herztod durch Kammerflimmern (13).

Abbildung 9 zeigt Torsade de pointes am Oberflächen- EKG.

(24)

Seite 23 von 103 a.

b.

Abbildung 9: EKG (a.) und Torsade de pointes (b.) (14)

1.5. Angeborenes und erworbenes Long QT- Syndrom

1.5.1. Angeborene (kongenitale) Formen des Long QT- Syndroms (LQTS)

Die angeborenen Formen des LQTS werden durch Mutationen in den Genen verursacht, die für die kardialen Ionenkanal- Untereinheiten kodieren (15).

Es sind zwei Formen des angeborenen LQTS bekannt, das:

 autosomal dominante Romano- Ward Syndrom

 autosomal rezessive Jervell- Lange- Nielsen Syndrom

Sechs menschliche Genorte, die mit dem LQTS verbunden sind, konnten bis jetzt nachgewiesen werden. Fünf von ihnen kodieren für die spezifischen Ionenkanal- Untereinheiten im Herzen und konnten identifiziert werden (15) (16).

(25)

Seite 24 von 103

Tabelle 2: Angeborene Formen des LQTS

Syndrom Gen betroffener Ionen- Strom

Romano- Ward (autosomal- dominant)

LQT1 KCNQ1 IKs

LQT2 HERG IKr

LQT3 SCN5A INa

LQT4

LQT5 KCNE1 IKs

LQT6 KCNE2 IKs

Jervell- Lange- Nielsen (autosomal- rezessiv)

JLN1 KCNQ1 IKs

JLN2 KCNE1 IKs

(15) (16)

Mutationen dieser Gene produzieren entweder eine mangelhafte Inaktivierung der Na+- Kanäle, die den Einwärtsstrom regulieren, oder eine fehlerhafte Funktion der K+- Kanäle, die den Auswärtsstrom regulieren. Dies führt zu einer Verlängerung der ventrikulären Aktionspotentialdauer und des QT- Intervalls und es kommt zu einer Steigerung des Risikos ventrikulärer Tachyarrhythmien. (15).

Am häufigsten treten Mutationen von KCNQ1 (LQT1) und HERG (LQT2) auf. Oft kann eine genetische Untersuchung bei der Diagnosefindung hilfreich sein, vor allem bei Patienten mit grenzwertiger QTc- Zeit und gleichzeitiger schwerwiegender Klinik. Bei 60 bis 70% der Patienten werden genetische Defekte identifiziert. Das spricht dafür, dass es noch weitere bisher noch nicht identifizierte krankheitsverursachende Gene gibt.

Gerade bei diesen betroffenen Patienten reicht oft ein elektrokardiographischer Befund nicht aus, da bei etwa 15% der Fälle trotz Vorliegen eines QT- Syndroms ein normaler QTc- Wert vorhanden ist (16).

(26)

Seite 25 von 103 1.5.2. Erworbene Formen des Long QT- Syndroms

Neben den angeborenen Formen des Long QT- Syndroms gibt es auch die erworbene Form, bedingt durch viele Faktoren, die zu einer Verlängerung des QT- Intervalls führen können. Die häufigste Ursache ist eine durch Arzneimittel bedingte induzierte QT- Verlängerung (3).

1.5.2.1. Risikofaktoren

Arzneimittel mit QT- verlängernder Wirkung

 das weibliche Geschlecht

 Bradykardie

 Hypokaliämie (und deren Ursachen wie Diuretika, Erbrechen, Diarrhoe)

 Hypomagnesiämie

 Hypokalzämie

 Herzkrankheiten (Herzinsuffizienz, KHK u.a.)

 Niereninsuffizienz

 Verschreibung von zwei oder mehreren Medikamenten, die eine QT- verlängerte Wirkung haben

 Medikamenten- Interaktionen, wodurch der Plasmaspiegel des QT- verlängerten Medikaments erhöht wird.

 Genetische Prädisposition (es gibt auch genetische Faktoren, die die Entstehung eines erworbenen LQTS begünstigen) (13)

1.5.2.1.1. Genetische Prädisposition

Lange Zeit wurden das kongenitale und das erworbene LQTS strikt voneinander getrennt. Doch es gibt viele Hinweise, dass zur Entwicklung des erworbenen LQTS eine genetische Disposition vorliegen kann, vor allem bei der medikamenten- induzierten Form (13).

(27)

Seite 26 von 103

Das erworbene Long- QT- Syndrom tritt daher nicht bei allen Menschen auf, sondern nur bei denen mit einer entsprechenden Prädisposition (13).

1.5.2.1.2. Repolarisationsreserve

Jeder Mensch weist eine kardiale Repolarisationsreserve auf. Diese Reserve kann endogene (genetische Defekte, kardiale Erkrankungen) und exogene (Arzneimittel) Faktoren ausgleichen, die entweder die Repolarisation reduzieren, oder die Depolarisations- Ströme während des Aktionspotentials steigern. Das Ausmaß der Repolarisationsreserve variiert und ist nicht bei jedem Menschen gleich. Es kann davon ausgegangen werden, dass Menschen mit einer verringerten Repolarisationsreserve und gleichzeitiger Einnahme von IKr- blockierenden Arzneimitteln eher eine Verlängerung des QT- Intervalls und in weiterer Folge Torsade de pointes ausbilden, als solche mit

„normaler“ Reserve (3).

1.5.2.1.3. Das weibliche Geschlecht

Wie schon im vorigen Kapitel erwähnt, sind Frauen häufiger betroffen, eine QT- Verlängerung auszubilden. Man nimmt an, dass bei Frauen die kardialen Zellen weniger repolarisierende Ionenströme entwickeln, als bei Männern. Diese reduzierte Repolarisationsreserve könne eine Erklärung dafür sein, dass Frauen häufiger betroffen sind, eine Verlängerung des QT- Intervalls bei Einnahme von QT- verlängernden Arzneimitteln auszubilden (3).

Man nimmt an, dass durch den Effekt von Östrogen die Repolarisationsreserve vermindert ist. Tatsächlich ist bekannt, dass Östrogen eine Bradykardie- induzierte Verlängerung des QT- Intervalls ermöglicht, während Androgene das QT- Intervall verkürzen (17).

(28)

Seite 27 von 103 1.5.2.1.4. Hypokaliämie

Auch Hypokaliämie zählt zu den Risikofaktoren, die eine Verlängerung des QT- Intervalls begünstigen.

Im Gegensatz zu den meisten anderen K+- Kanälen, steigt die Amplitude des IKr- Kanals nach einer Erhöhung von extrazellulärem K+ [K+]0 und sinkt nach Entfernung von K+. Erhöhung von K+ reduziert die C-Typ- Inaktivierung und steigert die einzelne Kanal Leitfähigkeit der HERG Kanäle. Das erklärt, warum die Aktionspotentialdauer bei höheren K+- Konzentrationen kürzer ist und bei niedrigen Konzentrationen länger (9).

In einer Studie fand man heraus, dass durch die Verabreichung von K+ die Dauer und Verbreitung (Dispersion) des QT- Intervalls reduziert wurde, sowohl bei gesunden Probanden wie auch bei Patienten, mit chronischer Herzinsuffizienz, die Chinidin verabreicht bekamen (17).

1.5.2.1.5. Cytochrom- P- 450- System

Viele Substanzen, die der Mensch zu sich nimmt, sind lipophil bzw. unpolar. Sie werden zwar im Gastrointestinaltrakt gut resorbiert, können aber schwer ausgeschieden werden, sofern ihre Form unverändert bleibt. Wenn sie also nicht chemisch verändert werden, würden sie nur sehr langsam renal oder biliär ausgeschieden werden, was zu Kumulationen im Körper führen würde bis hin zu einer Schädigung des Organismus (6).

Deshalb werden die aufgenommenen Stoffe durch Biotransformation durch ein Enzymsystem chemisch verändert, um sie in weniger toxische Stoffwechselprodukte überzuführen und sie dann schneller ausscheiden zu können (6).

Die Biotransformationsreaktionen teilen sich in Phase I und Phase II. Bei den Phase I- Reaktionen werden funktionelle Gruppen in das Molekül eingeführt, um es so polarer zu machen. Phase II- Reaktionen sind Konjugationsreaktionen. Dort werden die in Phase I eingeführten funktionellen Gruppen mit sehr polaren oder negativ geladenen Molekülen gekoppelt (6).

(29)

Seite 28 von 103

Enzyme des Phase I- Metabolismus: Cytochrom- P- 450- Enzyme

Die für die Phase I zentralen Enzyme sind Monooxygenasen, die eine Vielzahl von Funktionalisierungsreaktionen durchführen. Die Bestandteile dieser Enzyme sind Hämproteine und sie werden als Cytochrom- P- 450- Enzyme bezeichnet. Diese Enzyme kommen ubiquitär in Bakterien, Pflanzen und Tieren vor. Beim Menschen sind bisher 57 unterschiedliche funktionelle CYP- Gene identifiziert worden. Diese werden in 18 Familien und 43 Subfamilien eingeteilt. Für den Arzneismittelstoffwechsel sind 12 Isoformen relevant, die zu 7 Subfamilien der Genfamilie 1, 2 und 3 angehören. Das Organ mit dem höchsten Gehalt (90- 95 %) an CYP- Enzymen ist die Leber (6).

 CYP 1: A1 A2

 CYP 2: A6 B6 C8 C9 C18 C19 D6 E1

 CYP 3: A4 A5

Charakteristisch für die CYP- Enzyme ist ihre breite Substratspezifität. Arzneistoffe mit sehr unterschiedlicher chemischer Struktur können durch ein und dasselbe Enzym verstoffwechselt werden. Oft ist auch ein Arzneistoff Substrat für mehrere CYP- Enzyme (6).

Das CYP 3A4 ist das wichtigste Cytochrom- P- 450- Isoenzym. 60 % aller therapeutisch eingesetzter Arzneistoffe sind CYP 3A4- Substrate (6).

Es gibt zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten im Sinne von Induktionen oder Hemmungen (6).

Enzyminduktoren: Es gibt viele Enzyminduktoren (Rifampicin, Carbamazepin, Johanneskraut), die bewirken, dass ein gleichzeitig aufgenommener Arzneistoff schneller metabolisiert wird, und dadurch kürzer im Organismus verbleibt (6).

Enzyminhibitoren: Zahlreiche Arzneistoffe sind Enzyminhibitoren, das heißt, dass es zu einer verzögerten Metabolisierung andere Substanzen kommt, und diese Substanz dadurch länger im Körper verbleibt (6) (18).

Beispiele für Inhibitoren sind: Ketokonazol, Itraconazol, Clarithromycin, Erythromycin, Fluoxetin, Chinidin (6) (17) (18)

(30)

Seite 29 von 103

Die meisten Arzneistoffe, die das QT- Intervall verlängern, werden durch das Cytochrom- P- 450 Enzym metabolisiert, wobei CYP 3A4 und CYP 2D6 eine besonders wichtige Rolle spielen. Wie schon vorher erwähnt, kann es zum Beispiel durch eine zusätzlich verabreichte Substanz, die das CYP- System hemmt, zu einer langsameren Metabolisierung kommen. Dadurch verbleibt der QT- verlängernde Arzneistoff länger im Körper. Eine solche Hemmung des Enzymsystems kann in weiterer Folge zu einer Entwicklung von QT- Intervall- Verlängerungen führen (1).

Auch genetische Polymorphismen führen zu unterschiedlichen Metabolisierungseigenschaften. Es gibt langsame und schnelle Metabolisierer, wobei die Patienten, die z.B. wegen eines CYP 2D6- Polymorphismus langsamer metabolisieren, höhere Spitzenkonzentrationen des Medikaments aufweisen (1) (18).

1.5.2.2. Arzneimittel mit QT- verlängerter Wirkung

Die Verabreichung von Arzneimitteln ist die häufigste Ursache für die Ausbildung einer QT- Verlängerung. Nicht nur die QT- verlängerten Antiarrhythmika (Sotalol, Amiodaron, Chinidin, Dofetilid) sondern auch nicht kardiovaskuläre Arzneimittel, wie Antibiotika, Antipsychotika oder Medikamente gegen Magen- Darm- Erkrankungen und Pilz- Infektionen können eine Verlängerung des QT- Intervalls hervorrufen (19).

(31)

Seite 30 von 103 1.5.2.2.1. Antiarrhythmika

In der nächsten Tabelle sind einige Antiarrhythmika aufgelistet, die eine QT- verlängernde Wirkung haben.

Tabelle 3: Antiarrhythmika mit QT- verlängerndem Potential

Antiarrhythmika Wirkstoff Arzneispezialität

Klasse Ia Chinidin Chinidin-Duriles®

Disopyramid Rhythmodul®

Klasse III Amiodaron Sedacoron®

Sotalol Sotacor®

Ibutilid Corvert®

(13) (20) nicht berücksichtigt wurden die generischen Präparate

Wirkmechanismus:

a) Klasse Ia (Chinidin, Disopyramid u.a.): sie binden an Na+- Kanäle nur im offenen (aktivierten) Zustand und besitzen daher eine bessere Wirkung bei schnellen Tachykardien. Sie führen zu einer Verlängerung des Aktionspotentials durch eine zusätzliche Blockade der K+- Kanäle. Das erklärt, warum diese Substanzen eine Verlängerung des QT- Intervalls bewirken (6).

b) Klasse III (Amiodaron, Sotalol u.a.): sie blockieren die repolarisierende K+- Kanäle, dadurch kommt es zu einer Verbreitung des Aktionspotentials, zu einer Verlängerung der Refraktärzeit und damit zur Unterbrechung von Reentry- Kreisen. Dies führt zu einer Verlängerung des QT- Intervalls und zur Ausbildung des LQTS (6).

Sotalol:

Sotalol ist ein Arzneimittel aus der Gruppe der Klasse III Antiarrhythmika und hat ein QT- verlängertes Potential. Sotalol ist ein racemisches Gemisch und besteht aus D- und L- Sotalol. D- Sotalol hemmt den IKr- Kanal und verlängert das QT- Intervall. L- Sotalol ist ein β- Blocker. Man fand heraus, dass der antiarrhythmische Effekt des racemischen Gemisches kleiner ist, als der des D- Sotalol. Bei Patienten mit ventrikulärer Dysfunktion wurde eine gesteigerte Mortalität durch Gabe von D- Sotalol festgestellt (17).

(32)

Seite 31 von 103

Der geringere antiarrythmische Effekt des Racemats ist auf die β- blockende Eigenschaft von L- Sotalol zurückzuführen (17).

1.5.2.2.2. Antibiotika

Obwohl die Verlängerung der Repolarisation bei den Antiarrhythmika eine erwünschte Wirkung ist, ist diese Wirkung bei Antibiotika unerwünscht (17).

Bei den Antibiotika gibt es einige Vertreter, die das QT- Intervall verlängern können.

(Tabelle 4).

Tabelle 4: Antibiotika mit QT- verlängerndem Potential

Antibiotika Wirkstoff Arzneispezialität

Makrolid- Antibiotika Erythromycin Erythrozin® Clarithromycin Clarithromycin®

Azithromycin Zithromax®

Fluorchinolon- Antibiotika Moxifloxacin Avelox® Ciprofloxacin Ciprofloxacin®

Levofloxacin Tavanic®

(13) (20) nicht berücksichtigt wurden die generischen Präparate

Wirkmechanismus:

Fluorchinolon- Antibiotika:

Der Hauptangriffspunkt der Chinolone sind die bakteriellen Topoisomerasen. Je nach Substanz wird entweder die Topoisomerase II (DNA- Gyrase) oder die Topoisomerase IV beeinflusst. Die Chinolone haben eine konzentrationsabhängige, bakterizide Wirkung (6).

Es ist schon länger bekannt, dass die Fluorchinolone den IKr Kanal blockieren können, was zu einer Verlängerung des QT- Intervalls und möglicherweise auch zu Torsade de pointes führen kann. Obwohl alle Chinolone den IKr Kanal blockieren, gibt es doch Unterschiede in der Stärke der Blockierung (21). In einigen Studien kam man zu dem Ergebnis, dass das Risiko einer Verzögerung der Repolarisation bei Gabe von Moxifloxacin höher ist, als bei Gabe von Levofloxacin oder Ciprofloxacin (22). Durch die Hemmung des IKr Kanals kommt es zur Verlängerung der Repolarisationsphase. Dadurch

(33)

Seite 32 von 103

entwickelt sich eine frühe Nachdepolarisation, das Potential steigt wieder an und ein weiteres Aktionspotential wird eingeleitet. In weiterer Folge können Kammertachykardien in Form von Torsade de pointes auftreten (23).

Makrolid- Antibiotika:

Der Ansatzpunkt für die antimikrobielle Wirkung von Makroliden sind die 50S- Untereinheiten der bakteriellen 70S- Ribosomen. Makrolid- Antibiotika behindern den Proteinsyntheseprozess während der Elongationsphase der Polypeptidkette am Ribosom. Die Makrolide wirken gegen gram- positive, gram- negative Bakterien, sowie zellwandlose und schraubenförmige Bakterien. Somit werden die Makrolide hauptsächlich gegen Erreger bakterieller Atemwegsinfektionen und sexuell übertragbarer Infektionen eingesetzt (6).

Unter den Nicht- kardiovaskulären Arzneimitteln, die die Repolarisation verlängern, wurden die Makrolid- Antibiotika am häufigsten beschrieben. Neben ihrem antibiotischen Effekt, können sie auch die Aktionspotentialdauer verlängern. Man weiß, dass Erythromycin den IKr Kanal blockiert und so eine Verlängerung der Repolarisation hervorruft (24).

Clarithromycin hat eine ähnliche Struktur wie Erythromycin und daher nimmt man an, dass auch ihre elektrophysikalischen Eigenschaften sowie ihr proarrhythmisches Potential ähnlich ist. Jedoch gibt es sehr wenige Berichte über Azithromycin- induziertem Torsade de pointes. Aufgrund dieser unterschiedlichen Berichterstattungen kann man davon ausgehen, dass die Makrolid- Antibiotika unterschiedliche elektrophysiologische Eigenschaften trotz ähnlicher QT- Verlängerung besitzen (24).

Erythromycin, Clarithromycin und Azithromycin verlängern die Dauer des monophasigen Aktionspotentials (MAP) und das QT- Intervall, haben jedoch ein unterschiedliches torsadogenes Potential. Es ist auch berichtet worden, dass das arrhythmogene Risiko bei Erythromycin größter ist, als bei Clarithromycin und noch größer als bei Azithromycin. Azithromycin scheint nicht das typische arrhythmogene

(34)

Seite 33 von 103

Profil eines IKr- Blockers aufzuweisen, wie es zum Beispiel bei Erythromycin oder Sotalol der Fall ist. Es kann dafür mehrere Gründe geben (24).

Erythromycin und Clarithromycin verlängern hauptsächlich die Phase 3 des Aktionspotentials. Man nimmt an, dass durch die Verlängerung der Phase 3 eine frühe Nachdepolarisaion entsteht. Dies kommt zustande, wenn zu viel Zeit in der Spannungsphase der Ca2+- Kanal- Reaktivierung (Plateau- Phase 2) verbracht wird, was vor allem durch die Blockierung von IKr auftritt. Durch den erneuten Einstrom von Ca2+

kommt es wieder zu einer Depolarisation. Erythromycin und Clarithromycin können so eine frühe Nachdepolarisation hervorrufen. Der Effekt von Erythromycin, der das QT- Intervall durch die Blockierung des IKr Kanal verlängert, führt zu einem dreieckigen monophasigen Aktionspotential (MAP). Azithromycin erzeugt jedoch ein rechteckiges Aktionspotential. Durch dieses rechteckige Aktionspotential kommt es zu einer späten, jedoch schnellen Repolarisation, die nicht genug Zeit für die Ca2+- Kanal Reaktivierung erlaubt. Es kommt zu keiner frühen Nachdepolarisation. Eine Erklärung für das Aufteten eines rechteckigen Aktionspotentials könnte eine andere Interaktion von Azithromycin mit dem K+- Kanal sein, im Vergleich zu Erythromycin und Clarithromycin (24).

Wie schon im Kapitel 1.5.2.1.5. erwähnt, können alle diese Makrolide auch CYP 3A4 hemmen oder sind Substrate von CYP 3A4 (25).

(35)

Seite 34 von 103 1.5.2.2.3. Antipsychotische Stoffe

Auch antipsychotische Arzneimittel haben ein arrhythmogenes Potential verbunden mit Repolarisations- Abnormalitäten und QT- Verlängerung (17).

Tabelle 5: Antipsychotische Stoffe mit QT- verlängerndem Potential

Antipsychotika Arzneistoff Arzneispezialiät

Antidepressiva Escitalopram Cipralex®

Venlafaxin Efectin®

Sertralin Gladem®

Citalopram Seropram®

Trazodon Trittico®

Neuroleptika Haldol Haloperidol®

Thioridazin Melleril®

Chlorpromazin Chlorazin®

atypische Neuroleptika Risperidon Risperdal®

Quetiapin Seroquel®

Olanzapin Zyprexa®

Sertindol Serdolect®

(13) (20) nicht berücksichtigt wurden die generischen Präparate

Die in der Tabelle 5 genannten Arzneistoffe sind mit einer Verlängerung des QT- Intervalls in Verbindung gebracht worden. Sie alle blockieren den HERG Kanal, manche davon stärker (Thioridazin) und manche schwächer (Chlorpromazin) (17).

Wie schon im Kapitel 1.5.2.1.5. erwähnt, sind viele Antipsychotika Enzyminhibitoren.

Am Beispiel von Thioridazin weiß man, dass es ein CYP 2D6- Substrat und auch ein IKr- Blocker ist. Das Risiko von Thioridazin- induziertem Torsade de pointes wird durch die gleichzeitige Gabe eines CYP 2D6 – Inhibitors noch mehr gesteigert. Thioridazin wird durch den Inhibitor langsamer metabolisiert und verbleibt dadurch länger im Körper (18).

(36)

Seite 35 von 103 1.5.2.2.4. Andere Arzneistoffe

Tabelle 6: Andere Arzneistoffe mit QT- verlängerndem Potential

Arzneimittel- Gruppen

(AM) Arzneistoff Arzneispezialität

AM gegen Magen- Darm-

Erkrankungen Domperidon Motilium®

Sibutramin Reductil®

AM gegen Erkrankungen

der Atmungsorgane Salbutamol Sultanol®

Salmeterol Seretide®

Terbutalin Bricanyl®

AM gegen virale Infektionen

Amantadin PK- Merz®

AM gegen Pilz- Infektionen Ketoconazol Fungoral®

Fluconazol Diflucan®

Itraconazol Sporanox®

(13) (20) nicht berücksichtigt wurden die generischen Präparate

In Tabelle 6 sind noch weitere Arzneistoffe dargestellt, die einen Einfluss auf das QT- Intervall haben.

Die Arzneistoffe gegen Pilz- Infektionen können mit Substanzen, bei denen ein Risiko einer QT- Verlängerung besteht, interagieren. Ketoconazol, Fluconazol und Itraconazol haben zwar auch einen inhibitorischen Effekt auf den IKr- Kanal aber hauptsächlich ist bekannt, dass sie den Metabolismus anderer Substanzen durch Inhibition des CYP- 450 3A4 beeinträchtigen. Wenn sie also mit einem QT verlängernden Arzneimittel, das über diesen Cytochrom- Weg metabolisiert wird, kombiniert werden, kann es zu erhöhten Plasmakonzentrationen und schließlich zu QT- Verlängerungen kommen (17).

Auch das Prokinetikum Domperidon hat einen Einfluss auf das QT- Intervall. Es wird durch CYP 3A4 metabolisiert und bei gleichzeitiger Gabe von Ketoconazol (Enzyminhibitor) sind eine Verlängerung des QT- Intervalls und das Auftreten von Arrhythmien berichtet worden (17).

Eine aktuelle Liste aller QT- verlängernden Arzneimittel findet man im Internet unter www.qtdrugs.org.

(37)

Seite 36 von 103 1.5.2.2.5. Strukturelle Basis des IKr- Blocks

Wie schon in den vorigen Kapiteln erwähnt, blockieren die meisten QT- verlängernden Medikamente den IKr- Kanal und führen damit zu einer Verzögerung der Repolarisation und in Folge zu einer Verlängerung des QT- Intervalls.

Es stellt sich die Frage, warum so viele Arzneistoffe mit unterschiedlichen Strukturen an die α- Untereinheit (HERG) des IKr- Kanals binden und diese blockieren (3) (9).

Sobald der IKr- Blocker in der Pore ist, bindet er innerhalb der zentralen Höhle des Kanals zwischen Selektivitätsfilter und Aktivierungs- Domäne. Wenn der Kanal während der Repolarisation deaktiviert wird, kann der Arzneistoff im inneren Vorraum, bei Verschluss der Aktivierungs- Domäne, gefangen werden. Ist der Arzneistoff geladen und hat er eine gewisse Größe, kann der Block irreversibel sein (9).

Abbildung 10: Darstellung des HERG Kanals mit drei der vier α- Untereinheiten (3)

Es gibt zwei Eigenschaften des HERG Kanals (α- Untereinheit des IKr), die vielleicht eine Antwort auf die Frage geben, warum so viele unterschiedliche chemische Strukturen den IKr- Kanal blockieren (3) (9).

a) Wie schon im Kapitel 1.2.4.2. erklärt, haben α- Untereinheiten der allgemeinen K+- Kanäle zwei Prolin- Reste im letzten transmembranären Segment S6 (PXP=

Pro-X-Pro- Sequenz), die einen scharfen Knick in den vier S6- Helices hervorrufen. Dieser Knick reduziert das Volumen der Höhle innerhalb des Kanals

Hier kann der Arzneistoff binden und so den K+- Ausstrom blockieren

(38)

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und damit kann ausgeschlossen werden, dass ein großes Molekül darin gefangen wird (3).

Bei den HERG Kanälen (IKr) fehlt diese PXP- Sequenz im S6 Segment und daher ist das Volumen der inneren Vorhalle größer. Substanzen mit kleinen und großen Strukturen können leichter eindringen und gefangen werden (9).

Abbildung 11: Struktur eines Kalium- Kanals (9)

b) In den HERG- Kanälen beschichten zwei aromatische Reste (Tyrosin und Phenylalanin) die zentrale Höhle des Kanals (Abbildung 11). Diese Aminosäuren erlauben spezifische π- Stacking- Interaktionen mit aromatischen Resten verschiedener Arzneistoffe (3) (9).

extrazellulär

4 x intrazellulär

Abbildung 12: Struktur eines HERG Kanals (3)

Tyrosin Phenylalanin

Diese Sequenz fehlt beim IKr

(39)

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1.5.2.2.5.1. Klinische Konsequenzen des IKr- Blocks

IKr- Blocker verlängern das ventrikuläre Aktionspotential und das QT- Intervall und sie können Arrhythmien vom Typ Torsade de pointes hervorrufen. Folgen der IKr- Blockierung: (9)

 exzessive Verlängerung der Aktionspotentialdauer nahe Plateau- Spannungen, welche die Entwicklung von frühen Nachdepolarisationen begünstigen.

es findet eine deutlich stärkere Verlängerung der Aktionspotentialdauer in den Myokardzellen als in subepikardialen oder subendokardialen Zellen statt. Der Grund dafür könnte die Knappheit an IKr- Kanälen in Myokardzellen sein (9).

Frühe Nachdepolarisaion

Bei der frühen Nachdepolarisation kommt es während der Repolarisation (Phase 3, etwa bei -60 bis -40 mV) zu einem plötzlichen Wiederanstieg des Potentials. Es entsteht ein erneutes Aktionspotential durch das Erreichen der Erregungsschwelle des Calcium- Kanals. Die gefährlichste Konsequenz ist der Reizwiedereintritt (reentry), der zu Kammertachykardien und Torsade de pointes führen kann. Die Ursache der frühen Nachdepolarisation ist die pathologische Verringerung von K+- Strömen (u.a. durch Arzneimittel hervorgerufen) oder einer pathologisch verringerten Inaktivierung von Na+- Strömen (6).

(40)

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2. Zielsetzung

Es ist bekannt, dass viele Faktoren die QTc- Zeit verlängern können. Vor allem bei polymorbiden Patienten, die Arzneimittel mit bekannter QT- verlängernder Wirkung einnehmen, kann es zu einer Verlängerung des Intervalls kommen. Für viele Arzneistoffe repräsentiert der IKr- Kanal den Hauptangriffspunkt, wodurch es zur Blockade dieses Kanals kommen kann (6).

Durch diese Blockade kommt es zu einer Verzögerung der Repolarisation und dadurch wird die Aktionspotentialdauer verlängert, was zu einer Verlängerung des QT- Intervalls führt (3).

Selten ist jedoch, dass ein Medikament allein verantwortlich für die Entwicklung von Torsade de pointes ist. Es können pharmakodynamische und synergistische Effekte vorliegen oder es kann sich um pharmakokinetische Wechselwirkungen handeln, die vorwiegend das Cytochrom- P- 450- System beeinflussen (13).

Vor allem die Kombination aus Arzneimitteleffekten und kardiovaskulären Vorerkrankungen der Patienten, Störungen im Elektrolythaushalt oder eine verminderte Nierenfunktion potenzieren die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer QT- Verlängerung.

Es stellt sich die Frage, ob auch in der Praxis ein Arzneimittel alleine eine Verlängerung des QT- Intervalls hervorrufen kann oder ob pathologische Voraussetzungen vorhanden sein müssen. In weiterer Folge ist zu erfragen, ob es bei der Gabe von QT- verlängernden Arzneimitteln regelmäßige Kontroll- EKGs zur Überprüfung der Herzfunktion gibt, oder werden bestimmte Gentests durchgeführt um eine genetische Prädisposition auszuschließen?

Ziel der Arbeit war es, durch die erhobenen Patientendaten einen Zusammenhang zwischen einer QT- Intervall- Verlängerung und Arzneimittel mit QT- verlängernder Wirkung, sowie anderer Risikofaktoren herzustellen.

(41)

Seite 40 von 103

3. Experimenteller Teil

3.1. Methodik

Die Untersuchung wurde drei Monate lang im Zeitraum von Dezember 2010 bis März 2011 in der Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz in der Abteilung für Alterspsychiatrie durchgeführt. Es wurden folgende Daten erhoben:

 QTc- Werte bei Aufnahme und während stationärer Behandlung

 Alter

 Geschlecht

 Elektrolytwerte

 Nierenwerte

 Schilddrüsenwerte

 Leberfunktion

 Arzneimittel

 Dosis

3.2. Erfassung der Patientendaten

Die Daten wurden mittels CRF (Case Record Form) erfasst und in eine Excel® Datenbank zur weiteren Auswertung übertragen. Insgesamt wurden 220 Patienten einmal erfasst und dokumentiert (Abbildung 13 und 14).

Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt: gesamtes Patientenkollektiv, Patienten mit normaler QTc- Zeit und Patienten mit verlängerter QTc- Zeit.

(42)

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Abbildung 13: CRF (Seite 1)

(43)

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Abbildung 14: CRF (Seite 2)

(44)

Seite 43 von 103 3.3. Verwendete Datenbanken

Die in der Tabelle 7 dargestellten Programme wurden bei der Auswertung der Patientendaten herangezogen.

Tabelle 7: Datenbanken

Programm Erklärung

Ecxel® (Office 2007) Übertragung der Daten vom CRF in die Datenbank

MediQ®

(www.mediq.ch) (26) Interaktionsprogramm zur Überprüfung der Wechselwirkungen

zwischen den Arzneimitteln

www.dosing.de (27) Zur Überprüfung der gegebenen Dosis von Arzneimitteln

3.4. Vorerkrankungen

Alle Patienten, die auf der Alterspsychiatrie untersucht wurden, waren polymorbid.

Tabelle 8: Darstellung der am häufigsten aufgetretenen Erkrankungen der Patienten.

Tabelle 8: Vorerkrankungen der Patienten

Psychiatrische Erkrankungen andere

Depression Hypertonie

Schizophrenie Herzinsuffizienz

Demenz Koronare Herzkrankheit

Angst- und Verhaltensstörungen Niereninsuffizienz

Parkinson Hypercholesterinämie

COPD

(45)

Seite 44 von 103 3.5. QT- Intervall

Wie schon erwähnt, versteht man unter dem QT- Intervall den Abstand im Oberflächen- EKG, vom Beginn der Q-Welle des QRS- Komplexes bis zum Ende der T- Welle. Das QT- Intervall repräsentiert die Dauer der ventrikulären Depolarisation und der darauffolgenden Repolarisation. Ist dieser Abstand (QT- Intervall) verlängert, so spricht man von einer Verlängerung des QT- Intervalls (2).

Abbildung 15: Darstellung eines EKG (28)

(46)

Seite 45 von 103 3.5.1. QTc- Werte

In Tabelle 9 sind die normalen und erhöhten QTc- Werte dargestellt, bezogen auf das weibliche und das männliche Geschlecht.

Tabelle 9: Referenzwerte der QTc- Zeit

männliches Geschlecht weibliches Geschlecht

Normaler QTc- Wert < 430 ms < 450 ms

Grenzwert 430 – 450 ms 450 – 470 ms

Verlängerter QTc- Wert > 450 ms > 470 ms (2)

In dieser Arbeit wurden die Patienten mit einer QTc- Zeit über 440 ms als Patienten mit einer QT- Verlängerung eingestuft, da sie, egal ob männlich oder weiblich, auch in der Klinik ab diesem Wert als QT- verlängert eingestuft wurden.

3.6. Elektrolyte

Die Elektrolyte Natrium, Kalium und Calcium wurden erfasst.

Tabelle 10 zeigt die erniedrigten, normalen und erhöhten Werte für die Elektrolyte Kalium, Natrium und Calcium.

Tabelle 10: Referenzwerte der Elektrolyte

erniedrigter Wert normaler Wert erhöhter Wert Kalium < 3,5 mmol/L 3,5 – 5 mmol/L > 5 mmol/L Natrium < 135 mmol/L 135 – 145 mmol/L > 145 mmol/L Calcium < 2,2 mmol/L 2,2 – 2,65 mmol/L > 2,65 mmol/L (29)

Referenzen

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