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D Politiker im Dauereinsatz für die Gesundheitsversorgung

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Academic year: 2022

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Bad Segeberg 70. Jahrgang Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein Mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein

ständlich, wahlentscheidend aber wird es kaum sein. Denn die Parteien liegen in wichtigen Fragen der Gesundheits- versorgung gar nicht weit auseinander, zumindest nicht in denen, die sie auf Landesebene ändern können. Eines aber hat der Druck der Wahl schon bewirkt:

In einige wichtige Themen kam zuletzt Bewegung. Bestes Beispiel ist die Inves- titionskostenfinanzierung der Kranken- häuser. Das Thema wurde von Jahr zu Jahr ohne nennenswerte Fortschritte im- mer wieder diskutiert. Erst im vergange- nen Jahr – die Landtagswahl und zusätz- liche Steuereinnahmen schon in Sicht- weite – gab es die lange erhofften Aufsto- ckungen, auch wenn aus Sicht der Kran- kenhäuser und der Krankenkassen noch deutlich mehr passieren sollte.

Während bei der Investitionskos-

D

ie letzten Monate vor einer Wahl werden für Politiker zum Termin- Marathon. Dies gilt auch für die Gesundheitspolitik vor der Land- tagswahl in Schleswig-Holstein.

Die gesundheitspolitischen Spre- cher der derzeit sechs im Land- tag vertretenen Parteien sind auf exter- nen Veranstaltungen im Dauereinsatz.

Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) und ihre Staatssekretärin Anette Langner eilen von einem Grußwort zur nächsten Podiumsdiskussion. Und so- gar Robert Habeck von den Grünen, als Landwirtschaftsminister auch für die Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen zuständig, verteilt Förderbescheide an Projekte in der Gesundheitsversorgung auf dem Land.

Das gesteigerte Engagement ist ver-

tenfinanzierung schon Vollzug gemel- det werden kann, müssen zum Teil noch nicht einmal gestartete Projekte für Er- folgsmeldungen herhalten. So berichte- te das Gesundheitsministerium im März etwa über die vom Innovationsfonds ge- förderte virtuelle Diabetesambulanz, ob- wohl die öffentliche Vorstellung erst für den Sommer geplant ist.

Das Schleswig-Holsteinische Ärz- teblatt hat in den vergangenen Mona- ten alle gesundheitspolitischen Sprecher der Landtagsparteien befragt. Heute schließt die Serie zur Landtagswahl mit einem Überblick über die in den Wahl- programmen formulierten gesundheits- politischen Ziele und über die wichtigs- ten Punkte in der ablaufenden Legisla- turperiode.

W E I T E R A U F S E I T E 6

Stimmenabgabe: Am 7. Mai enstcheiden die Schleswig-Holsteiner über die Zusammensetzung des künftigen Landtages.

L A N D T A G S W A H L

Politiker im Dauereinsatz für die Gesundheitsversorgung

Die gesundheitspolitischen Ziele der Parteien aus den Wahlprogrammen. Überblick über wichtige Themen aus dem Gesundheitswesen in der abgelaufenen Amtsperiode.

T H E M E N

13

Die IDH disku- tiert mit der Landespolitik

14

Hesterberg kann nicht wieder passieren

17

Wacken baut Arztpraxis mit Landesmitteln

18

Nordfriesen stimmen über Kliniken ab

21

Das Medibüro in Kiel sucht noch Mitstreiter

(2)

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt informiert elf mal im Jahr über zentrale Themen aus dem Gesundheitswesen zwischen Nord- und Ostsee.

Das Mitgliedermagazin der Ärztekammer Schleswig-Holstein erreicht neben den Ärzten auch viele Entscheidungsträger aus dem Gesundheitswesen.

Kontakt: Stefanie Beinl 089 55241-240, stefanie.beinl@atlas-verlag.de

BESTER STELLENMARKT FÜR ÄRZTE

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt informiert elfmal im Jahr über zentrale Themen aus dem Gesundheitswesen zwischen Nord- und Ostsee.

Das Mitgliedermagazin der Ärztekammer Schleswig-Holstein erreicht neben den Ärzten auch viele Entscheidungsträger aus dem Gesundheitswesen.

Kontakt: Maxime Lichtenberger, 089 55241-246, maxime.lichtenberger@atlas-verlag.de

(3)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Früher war alles besser“ – Ein Satz, der immer ankommt, auch wenn er einer kriti- schen Analyse nur in den seltensten Fällen standhalten dürfte. Häufig sind es nur ver- schobene Maßstäbe, die die gefühlte Wahrnehmung zu bestätigen scheinen, nicht sel- ten aber auch einfach Unschärfen in der subjektiven Erinnerung, die mit der erfolg- reichen Verdrängung von Negativerfahrungen zusammenhängen. Und Erinnerungen sind nun einmal das Privileg der höheren Lebensjahrgänge. Die jeweils nachwachsen- de Generation strebt dagegen nach Veränderung, sprich Verbesserung, der jeweils vor- gefundenen Situation.

Hoppla – da kommt man doch glatt ins Nachdenken!

Sollten wir Älteren und die Generationen vor uns selbst in unserem jugendlichen Leichtsinn an einer Wendung zum Schlechteren mitgewirkt haben, wo wir doch auch nur das Bessere angestrebt hatten?

Natürlich nicht!

Seit Menschengedenken werden äußere Einflüsse wie der jeweilige Zeitgeist und das Fehlverhalten anderer für die Wahrnehmung der kontinuierlichen Verschlechte- rung der allgemeinen Lebensumstände verantwortlich gemacht. Heute, und speziell im medizinischen Umfeld, ist es das Schlagwort von der „Ökonomisierung“, das im Rati- onalisierungsprozess ganz oben steht. Unstrittig ist dabei, dass die Schere zwischen der Entwicklung medizinischer Behandlungsmöglichkeiten und der gesellschaftlichen Be- reitschaft, diese auch adäquat zu finanzieren, sich immer weiter zu öffnen droht. Des- halb ist es durchaus mutig, auf der Suche nach weitergehenden Ursachen auch eige- nes Gruppenverhalten kritisch zu hinterfragen, wie auf der Tagung „Medizin in der Dienstleistungsgesellschaft“ in der Evangelischen Akademie in Loccum geschehen (S.

22). Zitat eines renommierten Medizinhistorikers: „Der öffentliche Vertrauensverlust [in die ärztliche Selbstverwaltung, Red.] lässt sich kaum angemessen durch das Lamen- to über den zudringlichen Staat, eine von außen aufgezwungene Ökonomisierung und entstellende Medien sowie den Verweis auf eine vermeintlich ideale Vergangenheit be- kämpfen.“

Den akademischen Heilberufekammern in Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Kassen- und Kassenzahnärztlichen Vereinigung und dem Apothekerverband ist diese Erkenntnis seit Langem bewusst und Teil ihres Selbstverständnisses. Das Streben nach neuen, zeitgemäßen Versorgungsformen steht über dem Beharren auf dem scheinbar Bewährten und der eigenen Profilierung beim Streit um die Verteilung der begrenzten Ressourcen. Dass dies durchaus vereinbar ist mit der Suche nach politischen Lösungs- ansätzen, wurde deutlich auf dem Thementag der Interessengemeinschaft der Heilbe- rufe (IdH), einem freiwilligen Zusammenschluss der genannten Organisationen (S. 13).

Im Vorfeld der bevorstehenden Landtagswahl (S. 6) haben wir mit den gesundheitspo- litischen Sprechern der derzeit im Landtag vertretenen Parteien über deren Einstellung zur ärztlichen Selbstverwaltung und die Bedeutung der Freiberuflichkeit für eine hoch- wertige medizinische Versorgung im Lande diskutiert.

Die Vertreter der IdH konnten deutlich machen, dass es ihnen gemeinschaftlich in erster Linie um letzteres und nicht um die Sicherung der Pfründe einzelner Berufs- gruppen geht. Dass wir uns dabei im Sinne des Heilberufekammergesetzes auch inten- siv um die Wahrung der Interessen unserer jeweiligen Mitglieder bemühen, bleibt da- von unbenommen.

Dass Reformwille und Reformfreude im Gesundheitswesen durchaus ein Marken- kennzeichen des „echten Nordens“ sind, wird unter anderem auch deutlich an dem Be- richt über neue Wege in der ambulanten Patientenversorgung, speziell im ländlichen Raum (S. 17).

Schöne alte Welt...

...oder doch eine bessere neue?

Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ihr

Dr. Franz Joseph Bartmann P r ä s i d e n t

Schreiben Sie uns gerne Ihre Meinung – wir freuen uns über Kritik und Anregungen:

aerzteblatt@aeksh.de

Illustration: Bernd Schifferdecker

(4)

Inhalt

NACHRICHTEN 4

Bilanz der Deutschen Rettungsflugwacht für den Norden 4

QuaMaDi wird fortgeführt 4

Dräger macht Gewinn 4

Rechtsmedizin erhält Landesmittel 5

Klinikbeschäftigte streiten für mehr Personal 5 Kurz notiert 5

TITELTHEMA 6

Die Gesundheitspolitik zur Landtagswahl und die Positionen

der Heilberufe 6

GESUNDHEITSPOLITIK 10

Kammerversammlung der Ärztekammer 10

Erster Thementag der IDH 13

Interview zu Hesterberg: „Heute nicht mehr möglich“ 14 Ärztegenossen beraten immer mehr Kommunen 16

Landeszuschüsse für Gemeinden 17

Nordfriesen stimmen über Kliniken ab 18 Schleswig-Holstein schafft Richtgrößen ab 20

IM NORDEN 21

MediBüro in Kiel sucht Mitstreiter 21

Tagung: Offener Diskurs über ärztliche Profession 22

Ärztin kooperiert mit Heilerin 23

Kieler Ärzte zur NS-Zeit: Otto Aichel 24

PERSONALIA 28 SERIE 31

Datenschutz in der Arztpraxis 31

ARZT & RECHT 32

Schlichtungsfall 32

FORTBILDUNGEN/AKADEMIE/ECS 34

Bewegung: Intensität geht vor Dauer 34

Vorschau: Asian Medicine in Kiel 35

Fortbildungstermine 36

KASSENÄRZTLICHE VEREINIGUNG 38 ANZEIGEN 42

TELEFONVERZEICHNIS/IMPRESSUM 50

Titelbild: adobe stock/ ChristianSchwier Foto: DRF Luftrettung

DRF rückte im Norden 2.596 Mal aus

Ein Hubschrauber der DRF im Einsatz – 2016 war dies 2.596 Mal der Fall im Norden.

Dräger gewinnt

D

er Lübecker Medizintechnik-Kon- zern Dräger hat seine Geschäftszah- len für 2016 vorgelegt. Trotz eines Umsatzrückgangs konnte das Er- gebnis verbessert werden. Im vergan- genen Jahr waren erstmals seit der Fi- nanzkrise 2009 die Verkaufserlöse bei Dräger gesunken: Um 3,3 Prozent auf 2,523 Milliarden Euro ging der Umsatz zurück. Dennoch gelang den Lübeckern ein Jahresüberschuss in Höhe von 81,7 Millionen Euro – das sind fast 50 Milli- onen Euro mehr als im Jahr zuvor. Drä- ger sieht darin ein deutliches Zeichen, dass beim Kostenanstieg eine Trend- wende erzielt werden konnte. Dies ist auch auf die verringerte Mitarbeiterzahl zurückzuführen. (PM/Red)

QuaMaDi geht weiter

D

as Brustkrebsfrüherkennungspro- gramm QuaMaDi wird fortgesetzt.

KV und Krankenkassen haben sich Ende März auf eine neue Vereinba- rung geeinigt, die zum 1. Januar 2018 in Kraft tritt. Die Vertragspartner ga- ben bekannt, dass das Programm wei- terentwickelt und modernisiert wer- den soll. So sollen u. a. die Prozessabläu- fe schrittweise auf digitale Vernetzung der beteiligten Ärzte umgestellt werden.

Alle Befunde, Röntgen- und Ultraschal- laufnahmen der Patientinnen sollen di- gital erfasst und über eine gesicher- te IT-Plattform den anderen beteiligten Ärzten übermittelt werden. Damit sol- len die Zweitbefundung beschleunigt und Kosten gespart werden. (PM/Red)

D

ie beiden schleswig-holsteinischen Hubschrauber der Deutschen Ret- tungsflugwacht (DRF) wurden im vergangenen Jahr insgesamt 2.596 Mal alarmiert. Der in Rendsburg stati- onierte „Christoph 42“ rückte zu 1.483 Einsätzen aus, der in Niebüll stationierte

„Christoph Europa 5“ zu 1.113 Einsätzen.

Diese Zahlen nannte die DRF Luftret- tung dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt auf Anfrage. Zu den häu- figsten Alarmierungsgründen zählten Schlaganfälle und Herzinfarkte. Außer- dem wurden die Hubschrauber zu Un- fällen im Straßenverkehr und nach Ver- letzungen bei der Arbeit und in der Frei- zeit gerufen. „Christoph 42“ ist als ein- ziges Luftrettungsmittel im Land rund um die Uhr einsatzbereit. 2016 war in Rendsburg wie berichtet ein neuer Hub- schrauber stationiert worden, der lei- ser als das Vorgängermodell ist. Damit hatte die DRF auf Kritik von Anwoh- nern über Fluglärm reagiert. Die DRF

hob in ihrer Jahresbilanz die Vorteile von „Christoph 42“ heraus: „Er trägt ent- scheidend dazu bei, eine schnelle me- dizinische Notfallversorgung der Men- schen auch in der Nacht sicherzustel- len.“ Um den Nachtflug in der Region si- cherer zu machen, erkunden Mitarbeiter der Station in Zusammenarbeit mit loka- len Feuerwehren Nachtlandeplätze und schulen deren Mitarbeiter für den Fall einer Nachtlandung. Insgesamt setzt die DRF Luftrettung ihre rot-weiß lackier- ten Hubschrauber an 29 Luftrettungs- stationen in Deutschland ein. Neben der Notfallrettung werden sie auch für drin- gende Transporte von Intensivpatien- ten zwischen Klinikstandorten benötigt.

Die DRF wies in ihrer Jahresbilanz dar- auf hin, dass die Wege von Notfallpatien- ten in die für sie optimal geeigneten Kli- niken aufgrund der Spezialisierung län- ger geworden seien – und der Transport per Hubschrauber damit noch wichtiger.

(PM/red)

(5)

D

ie campusübergreifende Rechtsme- dizin des UKSH wird künftig mit einem Sockelbetrag in Höhe von 970.000 Euro pro Jahr vom Land un- terstützt. Dies beschloss die Landes- regierung unter Hinweis auf Leistun- gen, die das Institut für Rechtsmedi- zin für die Strafverfolgungsbehörden er- bringt. Hierzu zählen etwa Obduktionen und weiterführende Untersuchungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Außer- dem bestimmen die Experten am Insti- tut beispielsweise Blutalkoholkonzent- rationen bei auffällig gewordenen Ver- kehrsteilnehmern und anderen Delik- ten. Wissenschaftsministerin Kristin Al- heit (SPD) betonte bei einem Besuch der Rechtsmedizin, dass diese Förderung per Gesetz festgeschrieben wurde. Bis- lang waren diese Leistungen nach Anga- ben von UKSH-Chef Prof. Jens Scholz

Wissenschaftsministerin Kristin Alheit beim Besuch der Rechtsmedizin mit Prof. Jens Scholz (li) und Prof. Ulrich Stephani (re).

Foto: UKSH

R

und 600 Klinikbeschäftigte in Schleswig-Holstein und Mecklen- burg-Vorpommern haben sich im März an einem Verdi-Aktionstag für mehr Personal an den Krankenhäusern beteiligt. Betriebliche Aktivitäten wie Stationsbegehungen und „aktive Pau- sen“ gab es in unserem Bundesland laut Verdi am Friedrich-Ebert-Krankenhaus (FEK) in Neumünster, an den UKSH- Campi Kiel und Lübeck sowie am Heli- os Klinikum Schleswig, am Städtischen Krankenhaus Kiel sowie in Preetz. Nach Angaben der Gewerkschaft fehlen im Norden „tausende Stellen“ in den Klini- ken, vor allem in der Pflege. Dieses The- ma will Verdi auch in den Wahlkämpfen zur Landtags- und zur Bundestagswahl

positionieren. „Wir brauchen zukünftig eine Landespolitik, die sich deutlich für mehr Personal in den Krankenhäusern einsetzt“, sagte Steffen Kühhirt von Ver- di. Die Forderungen sollen notfalls auch mit Warnstreiks unterstrichen werden – terminiert sind diese nach Angaben der Gewerkschaft aber noch nicht. Für eine bessere Personalausstattung tritt wie mehrfach berichtet auch die Alli- anz der schleswig-holsteinischen Kran- kenhäuser ein. Nach einer Einigung auf Bundesebene müssen sich Kliniken und Kassen bis 30. Juni 2018 auf Personal- untergrenzen einigen, am 1. Januar 2019 sollen diese wirksam werden. Ohne Ei- nigung der Selbstverwaltung legt der Bund Untergrenzen fest. (PM/RED)

Kliniken: Bewegung in der Personalfrage

„nicht auskömmlich“ finanziert. Dekan Prof. Ulrich Stephani betonte die Be- deutung der Rechtsmedizin zur wissen- schaftlichen Weiterentwicklung der fo- rensischen Methoden. „Durch die Aus- bildung von Medizinstudierenden und die Weiterbildung im Fach Rechtsme- dizin hat das Institut eine große Verant- wortung für den medizinischen Nach- wuchs“, sagte Stephani.

Ebenfalls aus Mitteln des Ministeri- ums wird die Gewaltopferambulanz als Einrichtung des Instituts für Rechtsme- dizin finanziert. Zusammen mit Koope- rationspartnern bietet das Institut Op- fern von Gewalt, die sich zunächst nicht für eine Strafanzeige entscheiden kön- nen, eine unkomplizierte, zeitnahe und gerichtsverwertbare Dokumentation von Verletzungen und Spurensicherung an. (PM/RED)

Finanzielle Sicherheit für die Rechtsmedizin K U R Z N O T I E R T

„Sim-Mom“ gebärt im Rettungswagen

Geburtshilfliche Notfallsituationen sind selten, wenn sie aber auftreten, stellen sie hohe Anforderungen in emotionaler und fachlicher Hinsicht. Zugleich steigt das Risiko von Kompli- kationen durch Fehllagen oder postpartale Anpassungsstö- rungen. Um Sicherheit und Qualität bei der Versorgung ge- burtshilflicher Notfälle zu sichern, hat das Institut für Ret- tungs- und Notfallmedizin (IRuN) des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) ein Ausbildungs- und Trainings- konzept entwickelt, zu dem auch ein Simulationstraining im Rettungsdienst gehört. Um eine realitätsnahe Schulung anbie- ten zu können, wurde jetzt ein Rettungswagen angeschafft, der neben einer notfallmedizinischen Ausstattung auch über eine Anlage zur audiovisuellen Aufzeichnung für die Trainingskur- se verfügt. Kern der technischen Ausstattung ist ein geburts- hilfliches Patienten-Simulator-System für die Darstellung der Gebärenden und des Neugeborenen. Die lebensgroße Puppe

„Sim-Mom“ ermöglicht es, Entbindungssituationen zu simu- lieren, darunter verschiedene notfallmäßige Ausgangslagen wie Schulterdystokien und Säuglinge in Steißlage. Mit dem Neugeborenen-Simulator „SimNewB“ können klinisch wich- tige Symptome eines instabilen Neugeborenen wie eine Zya- nose oder das typische Atemgeräusch realistisch dargestellt werden. „Die Eignung derartiger Kursangebote zur Verrin- gerung spezifischer Risiken für Mütter und Neugeborene so- wie die geeignete Qualifizierung des Fachpersonals ist wissen- schaftlich gut belegt“, sagt IRuN-Direktor PD Dr. Jan-Thors- ten Gräsner. Das Gesundheitsministerium hat für die Beschaf- fung des Simulations-Rettungswagens und der Geburtssimu- latoren rund 112.000 Euro zur Verfügung gestellt. (pm/red)

Dermatologie auf Sylt

Mehr als 50 niedergelassene und klinisch tätige Ärzte sowie über 30 medizinische Fachangestellte kamen Anfang des Jah- res zum 18. Jahrestreffen des Qualitätsnetzes Nord (QNN) auf die Insel Sylt. Ein Schwerpunkt der Tagung war die 2016 ver- öffentlichte Neuerung der Richtlinie des Gemeinsamen Bun- desausschusses (G-BA) zum Qualitätsmanagement in Arzt- praxen: Planung, Umsetzung und Überprüfung des Qualitäts- managements müssen jetzt innerhalb von drei statt wie bis- her fünf Jahren vollzogen sein. Zudem sind nun eine Reihe von Qualitätsmanagement-Aufgaben verpflichtend (u. a. Mit- arbeiter- und Patientenbefragungen); außerdem wurden die Bereiche Arzneimitteltherapiesicherheit sowie Schmerz- und Sturzmanagement in den Anforderungskatalog integriert.

Daneben beschäftigten sich die Dermatologen auf der Nord- seeinsel in Workshops und Vorträgen mit chronisch entzünd- lichen Hauterkrankungen und Onkologie. Die Auswirkungen der neuen Berufskrankheit 5103 („Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürli- che UV-Ausstrahlung“) auf die hautärztliche Dokumentation wurden ebenfalls diskutiert: Beim Vorliegen berufsabhängiger aktinischer Keratosen ist die Anerkennung der BK 5103 nur möglich, wenn das Auftreten von mehr als fünf Läsionen pro Jahr oder eine Feldkanzerisierung, konfluierend auf einer Flä- che von mehr als vier cm², nachgewiesen werden kann. Um entsprechende Anfragen der Berufsgenossenschaft, wie z. B.

einen „Hautkrebsbericht“, sachgerecht beantworten zu kön- nen, ist somit laut Presseinformation eine genaue Dokumen- tation der Dynamik, Anzahl und Fläche der aktinischen Kera- tosen erforderlich.

Die von Dr. Norbert Buhles, Chefarzt der Dermatologie und Allergologie in der Asklepios Nordseeklinik in Westerland, or-

ganisierte und geleitete Veranstaltung beschäftigte sich auch mit den Themen Attraktivität als Arbeitgeber, Team-Coaching und IT-Sicherheit. (pm/red)

(6)

B

evor am 7. Mai das Ergebnis der Landtagswahl bekannt gegeben wird, steht schon fest: Für die Ge- sundheitsversorgung in Schles- wig-Holstein wird der Wahlaus- gang keine revolutionären Ände- rungen mit sich bringen. Ein Blick in die Wahlprogramme der sechs Land- tagsparteien zeigt, dass wichtige Säulen unseres Gesundheitssystems auf so brei- te Akzeptanz stoßen, dass die Parteien in vielen Fragen einer Meinung sind.

Den wohl gravierendsten Unter- schied gibt es in der Frage des Finanzie- rungssystems. Nur: Die Frage, ob wir am bestehenden Nebeneinander von gesetz- licher und privater Krankenversiche- rung festhalten oder die Alternative Bür- gerversicherung wählen, wird nicht in Kiel, sondern ein halbes Jahr später in Berlin entschieden. Dass das Gesund- heitssystem bei allem Wandel auch ro- bust auf neue Einflüsse in der Politik re- agiert, zeigte sich nach der letzten Wahl in Schleswig-Holstein. Da kam es zu ei- ner Regierungsbildung aus drei Parteien, die nur über eine Ein-Stimmen-Mehr- heit im Kieler Landeshaus verfügt. Erst- mals in der Geschichte wurde die däni- sche Minderheitenpartei für die Regie- rungsbildung benötigt und erstmals zog mit den Piraten eine Partei in das Parla- ment ein, die vielen Menschen damals als unberechenbar galt. Einer landes- weit nahezu unbekannten Politikerin na- mens Kristin Alheit wurde das Amt der Gesundheitsministerin anvertraut – und trotz aller Unbekannten funktionierte das Gesundheitswesen, kam mit unvor- hergesehenen Krisen zurecht und ent- wickelte Ideen, die über das Land hinaus Vorbildcharakter entfalten könnten.

Als Alheit (SPD) vor fünf Jahren Gesundheits- und Sozialministerin in Schleswig-Holstein wurde, war ihr Name kaum einem Gesundheitsexper- ten in Schleswig-Holstein bekannt. Mi- nisterpräsident Torsten Albig hatte mit dieser Personalie alle überrascht. Da- mals galt die Juristin, die sich im Ge- sundheitswesen nur als Patientin aus- kannte, als zweite Wahl.

Dass sie sich trotz solcher Start- schwierigkeiten durchsetzen kann, hat- te Alheit zuvor als Bürgermeisterin in Pinneberg unter Beweis gestellt. Die At- traktivität der Gesundheitsberufe woll- te sie verbessern, sich um die Motivati- on der Medizinstudierenden kümmern und Ärzten sollte es möglich sein, neben dem Beruf ein Familienleben zu führen:

Diese Absichten gab sie kurz nach ihrer Ernennung zur Ministerin im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärz- teblatt zu Protokoll – wohlwissend, dass sie als Landesministerin an diesen Zie- len nur bedingt etwas würde ändern können. Seitdem sind fünf Jahre vergan- gen und in vielen Bereichen haben Ver- änderungen dazu geführt, dass bei den

L A N D T A G S W A H L 2 0 1 7

Konsens in

vielen Fragen

Kliniken, Pflege, Demenz: Die wichtigsten Etappen in der schleswig- holsteinischen Gesundheitspolitik in der alten Legislaturperiode.

Foto: thomas eisenkrätzer

(7)

von Alheit angesprochenen Punkten An- näherungen erzielt wurden. Nicht im- mer konnte die Landesregierung die- se Veränderungen anschieben, zum Teil wohlwollend begleiten oder massiv be- fördern. Zu den wichtigen Ereignissen im schleswig-holsteinischen Gesund- heitswesen in Alheits Amtszeit zählten:

2012: Verstärkter Einsatz im Kampf gegen Demenz. In Norderstedt wei- hen die Alzheimer Gesellschaft und das Kompetenzzentrum Demenz Schleswig- Holstein eine Musterwohnung ein. In den kommenden Jahren folgen eine gan- ze Reihe von Maßnahmen (wie etwa die Entwicklung eines Demenzplans), die si- gnalisieren, dass das Thema im Norden

auf der politischen Agenda steht.

2013: Die finanzielle Lage der Kran- kenhäuser spitzt sich an vielen Standor- ten zu. Eine Allianz für die Krankenhäu- ser macht öffentlich auf ihre Lage auf- merksam. Ins gleiche Jahr fällt die Befra- gung der Pflegekräfte im Land zur Grün- dung einer Pflegekammer. Ergebnis:

Eine knappe Mehrheit spricht sich für die Gründung aus, rund ein Viertel da- gegen, ein Viertel hatte sich noch keine Meinung gebildet. Das Ministerium be- ginnt als Folge des Votums mit den Vor- bereitungen zur Kammergründung.

2014: Die Gemeinde Büsum be- schließt als erste Kommune in Deutsch- land, ein kommunales Ärztezentrum zu

gründen, Alheit sichert bei Besuchen politische Unterstützung zu. Im selben Jahr starten die Piraten eine Petition zur Wiedereröffnung der Sylter Geburten- station – vergeblich. Stattdessen schlie- ßen Klinikträger in den Folgejahren auch an anderen Standorten in Schles- wig-Holstein ihre Geburtsabteilungen.

Die Diskussion über das Pro und Con- tra kleiner Geburtenstationen beglei- tet Alheit die komplette Legislaturperi- ode. Die Lehrstühle für Allgemeinmedi- zin werden an den Universitäten in Kiel und Lübeck besetzt. Mit Prof. Hanna Ka- duszkiewicz und Prof. Jost Steinhäu- ser kommen zwei anerkannte Experten nach Schleswig-Holstein, die eine Reihe positiver Entwicklungen für die Allge- meinmedizin anschieben. Alheit wird in diesem Jahr außerdem Wissenschaftsmi- nisterin. Wenige Monate später trifft das Land die Entscheidung, das UKSH neu aufzustellen; der Masterplan sieht Inves- titionen in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro vor.

2015: Die Kieler „Keim-Krise“ bringt das Universitätsklinikum Schleswig- Holstein (UKSH) an den Rand seiner Belastbarkeit und Alheit findet sich als Wissenschaftsministerin fast täglich in den Schlagzeilen. Ihr Krisenmanage- ment wird von der Opposition kritisiert und von den Medien hinterfragt. Sie selbst verweist auf ein zügig etabliertes Netzwerk, mit dem über die Schritte zur Bewältigung der Krise informiert wurde, und auf einen Maßnahmenkatalog der Landesregierung, mit dem u. a. auf die beengten räumlichen Verhältnisse auf der betroffenen Station reagiert wurde.

Die Gesundheitsversorgung der Flücht- linge war ebenfalls monatelang ein The- ma. Die Erstaufnahmestelle in Neu- münster und damit deren medizinische Abteilung war zeitweilig stark überlastet.

2016: Schleswig-Holstein führt als eines der ersten Bundesländer die Kran- kenversicherungskarte für Flüchtlin- ge ein. Bei einem anderen vielfach dis- kutierten Thema hat die Landesregie- rung noch immer einen schweren Stand:

Die Investitionskostenfinanzierung für die Krankenhäuser wird 2016 noch stär- ker als in den Vorjahren zum Streitpunkt.

Die Landesregierung entschließt sich zu einer Aufstockung, ohne zunächst die ebenfalls betroffenen Kommunen über- zeugen zu können. Der Streit kann nur mühsam beigelegt werden. Der massi- ve Stau aus den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass Krankenhäuser und Krankenkassen noch immer nicht zu- frieden sind. Das sind die Krankenkas- sen auch nicht mit dem jüngsten Kran- kenhausplan, der nach ihrer Ansicht zu sehr Fortschreibung des Status quo ist, ein Kritikpunkt, den die Opposition vor wenigen Wochen als „fehlende Visi- on“ aufgriff.

Worauf die Parteien in der kommen- Der schleswig-hol-

steinische Landtag in Kiel. Gesundheits- politik war im Lan- deshaus nicht immer das Top-Thema. Aber die gesundheitspoli- tischen Sprecher der sechs Landtagspartei- en waren oft auf Ver- anstaltungen präsent.

(8)

30,8% 30,4%

13,2%

8,2% 8,2%

4,6% 2,3%

1,0% 1,3%

den Amtsperiode Wert legen wollen, verraten sie in ihren Wahlprogrammen.

Dabei zeigen sich zwischen Koalition und Opposition keinesfalls nur Wider- sprüche. Die wichtigsten Punkte aus den Programmen der Landtagsparteien:

CDU: Soziales ist ganz vorn im Wahlprogramm platziert. Einer der zen- tralen Punkte ist die Pflege: Es wird mehr Anerkennung für die Pflegeberu- fe eingefordert, ebenso attraktive Ent- gelte, zusätzliche Ausbildungsplätze und mehr Entlastung für pflegende Angehö- rige. Angekündigt werden u. a. eine Si- tuationsanalyse und Bewertung des be- stehenden Angebotes, eine Entbürokra- tisierung, eine Imagekampagne zur Stär- kung des Berufs, Pflegeübungszentren in Kooperation mit den Kliniken. Die CDU unterstreicht noch einmal ihre ableh- nende Haltung zur Pflegekammer. Für die medizinische Versorgung kündigt sie regionale Gesamtkonzepte zur Versor- gung gemeinsam mit KV und regiona- len Anbietern medizinischer Dienstleis- tungen an. Hier könnte nach CDU-Auf- fassung z. B. das Modell der Gemeinde- schwester berücksichtigt werden. Die Partei will die Niederlassung von Haus- ärzten im ländlichen Raum fördern, ein Landeskrankenhausgesetz beschließen und Telemedizin und E-Health ausbau- en. Die CDU betont: „Wir werden uns für den Erhalt der Beihilfe und der Op- tion der privaten Krankenversicherun- gen einsetzen. In unserem Gesundheits- system muss die Wahlmöglichkeit zwi- schen den Krankenversicherungen be- stehen bleiben.“

SPD: Die Sozialdemokraten stel- len die Investitionsförderung für Kran-

kenhäuser an den Beginn ihres Gesund- heitskapitels und nennen die konkret be- reitgestellte Summe von 124,5 Millionen Euro seit 2014. Auch die begonnene Sa- nierung des UKSH und die Veränderun- gen beim Krebsregister werden als Erfol- ge verbucht. Außerdem nennt die SPD Diabetesprävention, das Krankenhaus- gesetz und die Telemedizin als Erfolge.

„Für die gerechte Finanzierung unseres Gesundheitssystems setzen wir uns wei- terhin für eine solidarische Bürgerversi- cherung ein“, heißt es im Programm. Die Lotsenfunktion der Hausärzte soll ge- stärkt und die allgemeinmedizinische Ausbildung forciert werden. Die ärztli- che Tätigkeit auf dem Land will die SPD attraktiver machen – wie, prüft man noch. Fest steht für die Sozialdemokra- ten dagegen, dass Ärzte und Kranken- häuser sektorenübergreifend besser zu- sammenarbeiten sollten. Zur Stärkung der Krankenhäuser gehört für die SPD auch mehr Wertschätzung des Perso- nals. Zum Landesbasisfallwert stellt die SPD zwar eine Annäherung, aber weiter- hin „nicht hinnehmbare Unterschiede zwischen den Ländern“ fest, mit entspre- chenden Auswirkungen auf die Löhne.

Grüne: Für die Grünen zählen Ge- sundheit und Pflege laut Programm zu den Schlüsselthemen. „Einen gleichbe- rechtigten Zugang zu Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sicherzustellen ist ein zentrales Anliegen grüner Politik“, heißt es am Kapitelbeginn zu Gesund- heit und Pflege. Neben den Chancen der Gesundheitswirtschaft betonen die Grü- nen dort auch: „Von entscheidender Be- deutung ist es, den Bedarf an Ärztinnen und Pflegekräften für die Versorgung der

Wahlergebnis der Schleswig-Holsteinischen Landtagswahl 2012

13 Parteien sind für Landtagswahl am 7. Mai zugelassen: CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Piratenpartei, SSW, Die Linke, Familien-Partei Deutschlands, Freie Wähler Schleswig-Hol- stein, AfD, Liberal-Konservative Reformer, Die Partei und Zukunft.Schleswig-Holstein (Z.SH).

D I E P O S I T I O N E N D E R H E I L B E R U F E

Die Interessengemeinschaft der Heilberufe (IDH) hat vor der Wahl gemeinsame Grundsätze und Handlungsfelder festgelegt.

Dabei werden vier Handlungsfelder betont:

Versorgungssicherheit: Mitglieder der IDH werben für eine freiberuflich-selbstständige Berufsausübung und unterstüt- zen junge Heilberufler bei der Niederlassung. Sie appellieren an die Landespolitik, in den ländlichen Räumen in eine Infra- struktur zu investieren, die diese Regionen attraktiv für freibe- ruflich-selbstständige Heilberufler bleiben lässt. Dabei muss die Erreichbarkeit der Gesundheitseinrichtungen für Patien- ten durch Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und – für die ortsungebundene Kommunikation – durch den Ausbau der Breitbandversorgung sichergestellt werden.

Finanzierungssystem: Begrenzte Mittel und eine sinken- de Zahl an Beitragszahlern treffen auf ein dynamisches Leis- tungsgeschehen und steigende Leistungsansprüche. Deshalb gehört die künftige Finanzierungsstruktur des solidarischen Gesundheitswesens auf die Agenda. Eine Einbeziehung der PKV in die GKV, wie dies in einer Bürgerversicherung der Fall wäre, löst die bestehenden Probleme nicht. Eine auch verfas- sungsrechtlich bedenkliche Abschaffung der PKV würde das Gesamtsystem schwächen und damit letztlich auch den GKV- Versicherten schaden.

Eigenverantwortung: Patienten erfahren heute nicht, wel- che Kosten mit der Inanspruchnahme einer Leistung entste- hen. Selbstbeteiligungen leisten einen Beitrag zu mehr Kosten- bewusstsein und bewirken eine zielgenauere Versorgungssteu- erung. Jede Eigenbeteiligung muss mit Augenmaß ausgestaltet werden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzel- nen Patienten berücksichtigen.

Beschränkungen der Autonomie: Ein staatsnahes System birgt das Risiko von mehr Regulierung und Bürokratie. Der Raum für kreative und flexible Lösungen wird eingeengt, es droht eine Demotivation der Heilberufler und ihrer Mitarbei- ter. Die Folgen solcher Politik sind in vielen staatlich gelenkten Gesundheitssystemen zu beobachten. Eine solche Weichen- stellung muss in Deutschland verhindert werden.

Honorierung: Betriebswirtschaftlich korrekt kalkulierte Ver- gütungssysteme sind für alle Heilberufe unverzichtbar. Ange- messene und regelmäßig angepasste Honorare sind zwingende Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Betrieb von Praxen und Apotheken und damit für eine verlässliche Patientenver- sorgung. Ohne eine leistungsgerechte Vergütung wird die In- vestition in die eigene Praxis oder Apotheke zu einem unkal- kulierbaren wirtschaftlichen Risiko.

Zugleich hat die IDH in ihrem Positionspapier vier Grund- sätze formuliert:

Freiberuflichkeit: Wir treffen diagnostische und therapeuti- sche Entscheidungen gewissenhaft und unabhängig. Wir sind als Heilberufler in unseren Entscheidungen frei von Weisun- gen Dritter. Wir gestalten die Bedingungen unserer berufli- chen Tätigkeit eigenverantwortlich.

Qualität: Wir verpflichten uns zur bestmöglichen Qualität ge- genüber unseren Patienten. Wir ergreifen alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherung einer hohen Qualität in unseren Praxen und Apotheken. Wir stellen die Heilung des Patienten in den Mittelpunkt unseres Handelns.

Regionalität: Wir setzen uns für eine bürgernahe und flächen- deckende Gesundheitsversorgung ein. Wir fördern und un- terstützen eine gesunde und gesundheitsbewusste Lebenswei- se. Wir sind unserem Land verbunden und wollen Schleswig- Holstein als lebenswertes Land fördern.

Interprofessionalität: Wir pflegen die interprofessionel- le Kommunikation und Kooperation zwischen den Heilberu- fen. Wir respektieren die spezifischen Kompetenzen und Auf- gaben der verschiedenen Berufsfelder. Wir treten als Gesund- heitsberufe gemeinsam gegenüber Politik und Öffentlichkeit auf. (Di)

(9)

Bevölkerung zu sichern.“ Für die Ver- sorgung im ländlichen Raum wollen die Grünen die Erfahrungen, die künftig im IVZ Brunsbüttel gesammelt werden, auf ihre Übertragbarkeit auf andere Regio- nen prüfen. Um die Planung zu verbes- sern, will man regionale Gesundheits- konferenzen etablieren, in denen Pati- enten, Gesundheitsberufe und Kommu- nalpolitik gemeinsam künftige Schritte beraten. Weitere Bausteine sind kom- munale Gesundheitszentren, MVZ und Zweigpraxen, Delegation und Teleme- dizin. Im stationären Sektor setzen die Grünen auf ein Landeskrankenhausge- setz, das alle Regelungen zur Planung und Finanzierung der Krankenhäuser zusammenfasst. Auch bei ihnen die For- derung nach einer Angleichung des Lan- desbasisfallwertes und einem Abbau des Sanierungsstaus. Zur ärztlichen Nach- wuchssicherung treten die Grünen für bundesweit 1.000 neue Medizinstudien- plätze ein. Die Geburtshilfe wollen die Grünen stärken, indem die Ausbildungs- plätze für Hebammen ausgebaut werden.

Gemeinsam mit den Kommunen sollte das Land die Sicherung der Haftpflicht- prämien für diesen Beruf übernehmen und in jedem Kreis eine für Geburtshilfe zuständige Hebamme einsetzen.

FDP: Die FDP fordert für die me- dizinische Versorgung, dass „Gesund- heit vom Bürger aus gedacht wird“. Dazu müssten Sektorendenken überwunden und die Leistungen besser abgestimmt werden. Dies sieht die FDP nicht allein als Forderung an die Akteure. Hemm- nisse in der Zusammenarbeit sollten ab- gebaut und für eine faire Honorierung gesorgt werden. Versorgungsdefizite müssten regional identifiziert und flexi- bel gelöst werden. „Diese Gestaltungs- möglichkeiten müssen von den Ver- antwortlichen vor Ort genutzt werden, denn eine gesicherte Versorgung der Be- völkerung ist ein Standortvorteil“, heißt es im Programm. Neben einer Stärkung

der Freiberuflichkeit hält die FDP zu- sätzliche Zweigpraxen und nicht-ärzt- liche Praxisassistenten sowie den ver- stärkten Einsatz von Telemedizin für er- forderlich. Kommunale Arztzentren wie in Büsum sollen unterstützt werden. Im stationären Sektor will die Partei ein An- reizsystem einführen, wonach Bundes- länder, die ihren Investitionsverpflich- tungen nachkommen, vom Bund einen Zuschuss erhalten. Das Vergütungssys- tem soll umfassend überprüft und ver- ändert werden, um Fehlanreize zulasten von Patienten zu verhindern. In der Pfle- ge tritt die FDP für Personalschlüssel mit einer 1:1-Finanzierung durch die Pflege- kassen ein und spricht sich für „neue Di- alog- und Beteiligungsformate“ für pfle- gende Angehörige aus.

Piraten: Die Partei sieht es als Auf- gabe des Staates an, „ein allgemein zu- gängliches, im Alltag funktionierendes und im Krisenfall belastbares Gesund- heitssystem“ zu gewährleisten. Grund- prinzip ist die Bürgerversicherung. Die ortsnahe hausärztliche Versorgung stel-

len die Piraten in der Daseinsvorsorge auf die gleiche Stufe mit Eckpfeilern wie Schulen. „Bricht ein Faktor weg, gefähr- det dies die Existenz der verbleibenden“, heißt es im Programm. Um die Gesund- heitsinfrastruktur im Land ausgewogen zu gestalten, sehen die Piraten Telemedi- zin als „gute Ergänzung“ an. In der fach- ärztlichen Versorgung halten sie eine Kurskorrektur für erforderlich: Anreize sollen dafür sorgen, dass mehr Fachärzte als bislang sich für das Land und seltener für eine Tätigkeit in der Stadt entschei- den. Um Online-Sprechstunden zu etab- lieren, sprechen sich die Piraten für eine angemessene ärztliche Vergütung dieser Leistungen aus. In unterversorgten Ge- bieten sollten Kommunen hausärztliche Vertragsarztsitze übernehmen und Ärzte anstellen. Mobile Arztpraxen sollen Ein- zug in die Regelversorgung finden.

SSW: Die dänische Minderheiten- partei tritt für einen starken Staat ein, der für Solidarität sorgt, „statt die leis- tungsstarken Gruppen durch Privatver- sicherungen davon auszunehmen“. Die wohnortnahe Versorgung will der SSW durch MVZ, erweiterte Kompetenzen für Pflegekräfte und mehr Telemedizin sichern. Ärzte sollen stärkere Anreize für eine Ansiedlung auf dem Land bekom- men, außerdem sollen die integrative Versorgung ausgebaut und die Versor- gungsstrukturen „durchlässiger“ gestal- tet werden. Auch beim SSW findet sich die Forderung nach einer Angleichung der Landesbasisfallwerte, einem verbes- serten Pflegepersonalschlüssel und einer Aufstockung der Investitionsmittel für Krankenhäuser. Wie die Grünen setzt sich auch der SSW für bessere Rahmen- bedingungen im Hebammenberuf ein.

Weitere Forderungen betreffen die Ent- lastung von Angehörigen von Demenz- kranken und präventive Maßnahmen gegen Diabetes.

dirk schnack CDU / 22

SPD/ 22

FDP/ 6 Grüne / 10 SSW/ 3 Piraten / 6

Sitzverteilung im Schleswig-Holsteinischen Landtag nach der Wahl 2012

Wahlergebnisse der Schleswig-Holsteinischen Landtagswahlen 2000 - 2012

60,2 %

betrug die Wahlbetei- ligung bei der Land- tagswahl 2012. Dies war die niedrigste Wahlbeteiligung bis- lang bei einer Land- tagswahl in Schles- wig-Holstein. 2009 lag man noch bei 73,6 Prozent, 2005 bei 66,5 Prozent.

CDU SPD FDP Grüne SSW Piraten

(10)

K A M M E R V E R S A M M L U N G

Reformstau muss aufgelöst werden

Der Deutsche Ärztetag wirft seine Schatten voraus: GOÄ und Weiterbildung spielten in Bad Segeberg schon jetzt eine zentrale Rolle. Ärztezahl geht weiter nach oben.

W

enn wir nicht reformfähig sind, gefährden wir womöglich die mittelfristigen Überlebens- chancen des derzeitigen Kam- mersystems.“ Mit dieser Aus- sage schloss Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann in der jüngsten Kammerversammlung in Bad Segeberg seine Vorschau auf den bevor- stehenden 120. Deutschen Ärztetag (23.- 26. Mai) in Freiburg. Bartmann hat in seiner langen standespolitischen Lauf- bahn zahlreiche Deutsche Ärztetage mit- erlebt – selten hat er im Vorwege einen so besorgten Ausblick gegeben.

Dabei treiben ihn weniger politische Eingriffe und externe Einflussnahmen als die innerärztliche Reformfähigkeit.

Die aber ist aus seiner Sicht in Freiburg gefragt. Die Themen GOÄ, Telemedizin und Weiterbildung nannte Bartmann als Beispiele. Auf zahlreichen Ärztetagen und weiteren Veranstaltungen im gan- zen Bundesgebiet wurden diese Themen in den vergangenen Jahren immer wie- der diskutiert, die Fortschritte aber hal-

ten sich bislang in bescheidenen Gren- zen. Damit sich die Ärzteschaft nicht selbst blockiert, erinnerte Bartmann noch einmal eindringlich an wichtige Aufgaben des Kammersystems, nämlich die Gestaltung und Fortentwicklung ei- nes funktionierenden Gesundheitswe- sens. Und er machte deutlich, dass die Ärzte mit der Selbstverwaltung ein ho- hes Gut besitzen, das sie schützen soll- ten. „Das geht nicht mit einem ‚weiter wie bisher‘, sondern mit dem festen Wil- len und der Bereitschaft zu Veränderung und Fortentwicklung.“

Konkret ging Bartmann zum Bei- spiel auf die anstehende Novellierung der Weiterbildung und die dazu geführ- te Diskussion ein. Bartmann ist auf Bun- desebene seit 2012 dafür verantwortlich.

Der schleppende Veränderungsprozess hat zahlreiche Gründe; nun sollte aus seiner Sicht endlich ein Kompromiss ge- funden werden, um die Kammern nicht noch angreifbarer zu machen. „Fakt ist:

Wir müssen endlich zu Potte kommen.“

Das gilt auch für die Reform der Ge-

bührenordnung. Die steht in Freiburg zwar gar nicht auf der Tagesordnung, Bartmann erwartet gleichwohl konflikt- trächtige Auseinandersetzungen zu die- sem Thema. Er stellte deshalb noch ein- mal klar, was viele Kritiker nach seiner Wahrnehmung gerne ausblenden:

Erstens: Die GOÄ ist eine staatliche Gebührenordnung, für die der Staat al- lein die Spielregeln vorgibt. Im Sinne der Selbstverwaltungsidee hat der Staat Bun- desärztekammer und PKV beauftragt, einen gemeinsamen Vorschlag für die inhaltliche Ausgestaltung zu erarbeiten.

Zweitens: PKV-Versicherte verste- hen sich als Teil einer Solidargemein- schaft und werden kaum Bereitschaft zeigen, neben ihren Versicherungsprä- mien nicht erstattete Leistungen aus ei- gener Tasche zu zahlen. Damit unter- scheiden sie sich kaum von den GKV- Versicherten.

Drittens: Über den hohen Anteil von Beamten und Beihilfeberechtigten ist der Staat unmittelbar von der Novellie- rung betroffen und wird utopische Stei-

463

neue Mitglieder ver- zeichnete die Ärzte- kammer Schleswig- Holstein in 2016 – dies entspricht einem An- stieg der Ärztezahl um 2,8 Prozent. Ende 2016 gab es 17.106 Ärz- tinnen und Ärzte in Schleswig-Holstein.

Noch sind die männ- lichen Mitglieder mit 9.246 zwar in der Überzahl gegenüber 7.860 Frauen. Wenn deren Zahl aber wei- ter so steigt wie zu- letzt, wird in einigen Jahren Gleichstand erreicht sein.

Fotos: DI

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gerungserwartungen auch nicht annä- hernd bedienen.

Bartmanns Hoffnungen in Sachen GOÄ ruhen auf Dr. Klaus Reinhardt, der im Vorstand der Bundesärztekam- mer für dieses Thema verantwortlich ist.

„Der richtige Mann am richtigen Ort“ ist er für Bartmann auch aus diesem Grund:

„Er ist alles andere als ein Populist und bereit und auch willens, unbequeme Wahrheiten auszusprechen.“

Besonders aus Kreisen der niederge- lassenen Ärzte kam bislang auf Bundes- ebene massive Kritik am Reformprozess in Sachen Gebührenordnung. Der in Neumünster niedergelassene Kammer- abgeordnete Dr. Dirk Marquardt mach- te nach Bartmanns Bericht noch einmal deutlich, dass die neue GOÄ aus Sicht der niedergelassenen Ärzte die Möglich-

keiten und Patientenwünsche in den ein- zelnen Fachgebieten auch abbilden soll- te. Denn: „Die Anforderungen der Pati- enten sind wesentlich höher als das, was der EBM leistet.“ Augenarzt Marquardt stellte auch unter Hinweis auf den ra- santen Fortschritt etwa in seinem Fach- gebiet klar: „Der Leistungskatalog darf nicht künstlich eingeschränkt werden.“

Bartmann hält solche Probleme für lös- bar, wenn Lösungsvorschläge von Argu- menten begleitet und wie von Marquardt auch in sachlicher Atmosphäre vorgetra- gen werden.

Den zum Teil rauen Ton auf Bundes- ebene, der besonders in der GOÄ-De- batte durchkommt, bekommen mitun- ter auch Mitarbeiter der Ärztekammer Schleswig-Holstein in Telefonaten mit Mitgliedern zu spüren. Der ärztliche Ge-

schäftsführer Dr. Carsten Leffmann be- richtete von einer zum Teil nicht akzep- tablen Wortwahl und Vorwürfen ge- genüber Mitarbeitern. Insbesondere die Abteilung für Weiterbildung und das Krebsregister waren betroffen. Er appel- lierte an die Kammerabgeordneten als Multiplikatoren, dieses Thema vor Ort anzusprechen. Die Kammer ist kein Ein- zelfall: Der Kieler Abgeordnete Matthi- as Seusing berichtete, dass in der Ge- schäftsstelle des Kieler Ärztenetzes ähn- liche Erfahrungen gemacht wurden.

Dass sich Ärzte massiv im Ton gegen- über eigenen Organisationen vergreifen, ist bislang kaum thematisiert worden.

Über mangelnden Respekt von Patienten gegenüber Ärzten, Klinik- und Praxis- mitarbeitern ist dagegen in jüngster Zeit vermehrt berichtet worden.

Es war über Jahrzehnte ein von gegenseitigem Respekt und Sympathie gekennzeichnetes Ver- hältnis, das in Kürze wegen des bevorstehenden Ruhestands von Dr. jur. Klaus Riehl beendet wird. „Herzblut für die Kammer“ hat der für die Heilberufe zuständige Jurist aus dem Kieler Gesundheitsministerium nicht nur nach Wahr- nehmung von Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann gehabt. „Wir haben das stets mehr als ein Mit-, denn als Gegeneinander empfun- den“, sagte Bartmann, der sich dafür auf der für Riehl letzten Kammerversammlung in dieser Funktion bei dem „Mann von der Aufsicht“ be- dankte. Riehl bescheinigte der Ärztekammer, stets nach konstruktiven Lösungen zu suchen – dies sei nach seiner Beobachtung gar ein „Mar- kenzeichen“ dieser Kammer: „Das ist nicht überall so.“ Er betonte die gute Zusammenar- beit speziell mit der Ärztekammer, und zwar mit allen von ihm erlebten Geschäftsführungen.

Themen des kom- menden Deutschen Ärztetages spielten auch in Bad Segeberg eine zentrale Rolle.

Dr. Franz Bartmann (links) machte noch einmal die Rahmen- bedingungen deut- lich, die für die Verab- schiedung einer neu- en GOÄ gelten. Au- genarzt Dr. Dirk Marquardt (rechts) erläuterte aus Sicht ei- nes niedergelassenen Arztes, was eine GOÄ abbilden sollte.

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W E I T E R B I L D U N G 2 0 1 6 I N S - H

Das darf nicht darüber hinwegtäu- schen, dass der Beruf des Arztes und der Medizinischen Fachangestellten (MFA) offenbar als hochattraktiv gilt.

Zumindest lassen die aktuellen Zahlen aus Schleswig-Holstein darauf schlie- ßen. Die Zahl der Ärzte ist 2016 im Nor- den um 463 oder 2,8 Prozent gestiegen.

Die Zahl der in Schleswig-Holstein ab- geschlossenen Ausbildungsverträge mit angehenden MFA kletterte von 571 im Jahr 2014 und 620 2015 auf 671 im Jahr 2016.

In der Struktur der Ärzteschaft ist neben einem Anstieg der Zahl der Ärz- tinnen – 7.860 der 17.106 Kammermit- glieder sind weiblich – der rasante Zu- wachs der angestellten Ärzte im ambu- lanten Bereich auffällig. Jeder vierte Arzt im ambulanten Bereich ist nach Anga- ben Leffmanns inzwischen angestellt.

Die vom Geschäftsführer schon mehr- fach thematisierten Kontakte zu jungen Kollegen werden vertieft. Leffmann be- richtete, dass die Ärztekammer weiter- hin mit Weiterbildungsassistenten im Gespräch ist. Außerdem wird derzeit er- mittelt, an welchen Krankenhäusern im Land Assistentensprecher aktiv sind.

Die Weiterbildungsabteilung der Kammer hat im vergangenen Jahr ne- ben einer dreistelligen Zahl von Anfra- gen und Beratungsgesprächen 857 Prü- fungen und Fachgespräche durchgeführt und 522 Befugnisanträge von mehr als 1.000 Personen bearbeitet. Rund 1.300 Anträge auf Anerkennung einer Be- zeichnung oder Anfragen zum Stand der Weiterbildung wurden bearbeitet, wie Vizepräsident Dr. Henrik Herrmann als verantwortliches Vorstandsmitglied für das Ressort Weiterbildung vortrug. Un- ter diesen 1.300 Anträgen waren 15, in denen es um die Anerkennung auslän- discher Qualifikationen ging, und 20 auf Anerkennung ausländischer Weiterbil- dungszeiten.

Die Zahl von 522 Anträgen auf Wei- terbildungsbefugnisse ist die höchste seit Jahren. 2014 lag sie noch unter 400. 2016 gab es 284 Anträge auf Einzelbefugnis, 218 auf Teambefugnis und 20 auf Ver- bundbefugnis. In 37 Fällen wurde der be- antragte Umfang nur reduziert bewilligt, elf Anträge mussten ganz abgelehnt wer- den. Von den 778 Prüfungen nach Wei- terbildungsordnung wurden 22 nicht bestanden. Die Durchfallquote von 2,8 Prozent bewegt sich laut Herrmann im Vergleich mit anderen Bundesländern an der unteren Grenze. In der Rangliste der erlangten Facharztkompetenzen la- gen erneut die Innere Medizin (74) und die Allgemeinmedizin (54) vorn. Es folg- ten Anästhesiologie (39) und Ortho- pädie und Unfallchirurgie (31). Die am häufigsten erlangte Zusatzweiterbildung war die Notfallmedizin (82), gefolgt von der Palliativmedizin 46) und Intensiv- medizin (37).

Der Weiterbildungsausschuss wird sich nach Angaben Herrmanns in die- sem Jahr außer mit der Novellierung der Musterweiterbildungsordnung u. a. mit der Entwicklung von Befugniskriteri- en für die Kinder- und Jugendmedizin, für die Frauenheilkunde und Geburts- hilfe sowie für die Neurochirurgie be- schäftigen.

In der Akademie haben sich im ver- gangenen Jahr insgesamt 5.137 Teilneh- mer fortgebildet. Nach Angaben von Dr.

Gisa Andresen, im Vorstand der Ärzte- kammer für Fortbildung zuständig, ent- fielen fast zwei Drittel der wahrgenom- menen Inhalte auf die Fortbildung, 36 Prozent auf die Weiterbildung. Über 90 Prozent der Teilnehmer (4.729) nahmen gebührenpflichtige Angebote in An- spruch.

Die Zahl der ausgestellten Fortbil- dungszertifikate lag erneut im vierstel- ligen Bereich und nur knapp unter Vor- jahresniveau. Die Zahl der von der Ärz- tekammer Schleswig-Holstein aner- kannten Veranstaltungen ist im vergan- genen Jahr auf rund 13.916 gestiegen.

Davon entfielen 4.512 auf klinikinter- ne Veranstaltungen und 1.696 auf Qua- litätszirkel.

Zur Vorbereitung einer Satzungsän- derung im Versorgungswerk erläuter- te Geschäftsführer Harald Spiegel den Kammerabgeordneten die Grundprin- zipien der Arbeit der Versorgungswer- ke und erklärte, welche Annahmen, wel- che demografischen Entwicklungen und welche möglichen Risiken in die Berech- nung späterer Renten einfließen müssen.

In einer der nächsten Sitzungen werden sich die Abgeordneten dann mit der Fra- ge beschäftigen müssen, wie das Versor- gungswerk mittelfristig auf das anhal- tende Zinstief und die demografische Entwicklung reagieren soll. Aktuell be- steht kein Anlass zur Besorgnis: Das Ver- sorgungswerk erwirtschaftet für seine über 20.000 Mitglieder derzeit Rendi- ten, die über denen anderer Kapitalanla- gen liegen.

Weitere positive wirtschaftliche Nachrichten gab es von Bertram Bartel als Vorsitzender des Finanzausschusses und von Kammer-Geschäftsführer Dr.

Carsten Leffmann. Erstens: Beim Neu- bau des Kammergebäudes in der Bad Se- geberger Bismarckallee liegt die Kam- mer voll im Zeit- und im Kostenplan.

Zweitens: Durch die wachsende Zahl an Kammermitgliedern sind die Ein- nahmen aus den Beiträgen für die Ärz- tekammer im vergangenen Jahr stärker als erwartet gestiegen. Daraus resultierte im Jahresabschluss ein nicht eingeplan- ter Überschuss. Die Kammerabgeordne- ten beschlossen mehrheitlich, dass diese Mittel in die Bauunterhaltsrücklage ein- gestellt wird.

Dirk Schnack

3.000

522

320

72

857

81

Über 3.000 Anfragen gingen per E-Mail bei der Weiterbil- dungsabteilung ein.

Es wurden 522 Befugnisan- träge von insgesamt 1.039 Personen gestellt.

320 persönliche Beratungs- gespräche wurden geführt, hinzu kamen zahlreiche tele- fonische Anfragen, die nicht erfasst werden.

Es gab 72 Anträge auf Zu- lassung als Weiterbildungs- stätte.

Es wurden insgesamt 857 Prüfungen und Fachgesprä- che durchgeführt.

81 Anträge auf Kursanerken- nung wurden von externen Anbietern gestellt.

(13)

H E I L B E R U F E

Die gemeinsame Klammer

Ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit wünschten sich die

Mitglieder der Heilberufe von der Politik bei ihrem Thementag in Kiel.

A

ls „glühende Verfechter der Frei- beruflichkeit“ bezeichnete Dr. Pe- ter Froese, Vorsitzender des Apo- thekerverbandes, die Interes- sengemeinschaft der Heilberufe (IdH) bei ihrem ersten Themen- tag in Kiel. Dies sei die Klammer, die alle acht Mitgliedsorganisationen zu- sammenhalte. Dr. Michael Brandt, Prä- sident der Zahnärztekammer im Land, wünschte sich zwei Monate vor der Landtagswahl ein klares Bekenntnis zum Erhalt der Freiberuflichkeit von der Po- litik. Und das sollten er und die rund 50 weiteren Gäste aus verschiedenen Berei- chen des Gesundheitswesens an diesem Nachmittag auch erhalten.

Staatssekretärin Dr. Anette Langner würdigte in ihrem Grußwort die Ver- dienste der Freiberufler für die Siche- rung der Versorgung in Schleswig-Hol- stein. Nur mit allen Beteiligten gemein- sam könnten Lösungen für eine flächen- deckende Versorgung gefunden wer-

den. Schon jetzt gebe es einige Modelle im Land wie in Büsum, die Vorbildcha- rakter für andere Bundesländer hät- ten. „Wandel wird nicht mit alten Rezep- ten durchzuführen sein. Wir müssen uns auch auf ungewohnte Ideen einlassen“, so Langner. Dies betonte auch Gastred- ner Prof. Winfried Kluth, Jurist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wit- tenberg in seinem Vortrag zu den gesetz- geberischen Hintergründen der Selbst- verwaltung der Heilberufe: „Es ist wich- tig, dass Kammern sich auch an Innova- tionen beteiligen.“ Denn die Selbstver- waltung ist nicht durch die Verfassung explizit geschützt, führte Kluth aus.

Der Gesetzgeber könnte die Selbstver- waltung auch abschaffen oder umbau- en. „Umso wichtiger ist es, dass man in der politischen Debatte auch die Vorzü- ge der Selbstverwaltung herausstellt“, so Kluth, der das besondere Wissen und den Sachverstand der jeweiligen Beru- fe für die Erfüllung staatlicher Aufga-

ben herausstellte, die der Staat so nutzen kann, ohne eigene Ärzte, Apotheker etc.

anstellen zu müssen.

Dr. Heiner Garg, gesundheitspoli- tischer Sprecher der FDP, hob die Un- trennbarkeit von Selbstverwaltung und Freiberuflichkeit hervor. Dass Deutsch- land im Ländervergleich so weit vorn in der Gesundheitsversorgung sei, habe man der Freiberuflichkeit der Heilberu- fe zu verdanken. Mitten im Wahlkampf kritisierte er den Kurs anderer Partei- en, die mehr auf eine Industrialisierung der Medizin setzten: „Da stören Frei- berufler nur.“ Er zielte damit vor allem auf Landtags-Vizepräsident Bernd Hei- nemann von der SPD ab, der zuvor be- tont hatte, dass der Kern der Freiberuf- lichkeit in Schleswig-Holstein nicht ge- fährdet sei. KVSH-Vize Dr. rer. nat. Ral- ph Ennenbach sieht in der Freiberuflich- keit aufgrund der Eigenverantwortung die höchste Garantie für Qualität. Dem stimmten sowohl Dr. Marret Bohn von den Grünen, Wolfgang Dudda von der Piratenpartei („Freiberuflichkeit geht mit Verantwortung einher“) und der ge- sundheitspolitische Sprecher der CDU, Karsten Jasper, zu: „Der Patient hat ein Recht auf Qualität und Qualität gehört auch zur Vertrauensbildung.“ Dass Qua- litätsmanagement und -sicherung aber auch eine Frage der Finanzierung ist, stellte Gerd Ehmen, Präsident der Apo- thekerkammer, heraus, der sich hier mehr Unterstützung durch die Politik wünschen würde.

Alle Mitgliedsorganisationen merk- ten außerdem an, wie schwierig es vor al- lem in den ländlichen Räumen ist, Nach- folger für Arztpraxen, Apotheken oder Psychotherapeutensitze zu finden. En- nenbach hält einen finanziellen Anreiz zur Niederlassung auf dem Land „für ei- nen teuren Fehler“. Es entstehe so kei- ne Bindung. „Ärzte müssen sich auch wohlfühlen auf dem Land.“ Die IdH be- kennt sich in ihren Grundsätzen neben der Freiberuflichkeit, Qualität und In- terprofessionalität eben auch zur Regio- nalität und setzt sich für eine bürgerna- he und flächendeckende Versorgung ein.

„Wir stellen qualitativ hochwertige Ver- sorgung sicher, indem wir miteinander statt übereinander reden. Gemeinsam sind wir stark“, hob Dr. Franz Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig- Holstein, den Kern der IdH hervor, die die Landespolitik u. a. auffordert, in den ländlichen Räumen in eine Infrastruktur zu investieren, damit diese Regionen at- traktiv für die Heilberufe bleiben.

Die IdH ist ein bundesweit einma- liger Zusammenschluss der Mitglieds- organisationen von Ärzten, Zahnärzten, Apothekern, Psychotherapeuten und Tierärzten, die gemeinsam als Gesund- heitsberufe gegenüber Politik und Öf- fentlichkeit auftreten.

Anne Lütke Schelhowe Vertraten ihre Organisationen beim IDH-Thementag (v. l.): Dr. Michael Brandt (Zahnärztekammer), Dr. Peter Froese

(Apothekerverband), Dr. Evelin Stampa (Tierärztekammer), Gerd Ehmen (Apothekerkammer), Dr. Franz Bartmann (Ärz- tekammer), Dr. rer.nat. Ralph Ennenbach (KVSH) und Dr. Oswald Rogner (Psychotherapeutenkammer).

1. Mal

Die IdH wird in die- sem Jahr zum ersten Mal einen gemeinsa- men parlamentari- schen Abend der Heil- berufe ausrichten.

Foto: Volker Rebehn

(14)

H E S T E R B E R G

„Ethisch in keiner Weise zu vertreten“

Dr. Henrik Herrmann zu den Versuchsreihen, die in den 1950er und 60er Jahren im früheren Landeskrankenhaus Schleswig an Patienten vorgenommen wurden.

M

edien haben mehrfach über die fragwürdigen medizinischen Versuchsreihen berichtet, die es in früheren Jahrzehnten im ehemaligen Landeskranken- haus Schleswig gegeben hat. Zu- nächst waren solche Versuchs- reihen an Kindern bekannt geworden.

In diesem Jahr stellte sich heraus, dass auch Patienten der Erwachsenenpsych- iatrie solchen Versuchen ausgesetzt wa- ren. Die Betroffenen sollen aufgrund ih- rer psychischen Erkrankungen oft nicht einwilligungsfähig gewesen sein. Außer- dem sollen die Medikamente zum Teil allen neuen Patienten einer Station ver- abreicht worden sein, unabhängig von der individuellen Diagnose. Bekannt wurde dies aus historischen Fachaufsät- zen, die die Mediziner im Anschluss an ihre Forschungen veröffentlichten. Nach Medienberichten sollen mehr als 800 Pa- tienten betroffen sein. Ärzte sollen die Wirksamkeit von Psychopharmaka, die u. a. gegen Schizophrenie oder Psycho- sen helfen sollten, getestet haben. Dabei soll es zu Nebenwirkungen wie Bewe- gungsstarre oder Muskelsteifheit gekom- men sein. In der Landespolitik diskutiert man, ob eine Aufarbeitung der Vorfälle ausschließlich auf Bundes- oder auch auf Landesebene geschehen soll. Dr. Hen- rik Herrmann, Vizepräsident der Ärz- tekammer Schleswig-Holstein, erläu- tert im Gespräch mit Dirk Schnack, wie die Ärztekammer zu diesen Versuchsrei- hen steht.

SHÄB: Warum haben Ärzte an den jetzt publik gewordenen Versuchsrei- hen mitgewirkt – wollten die primär helfen oder experimentieren?

Dr. Henrik Herrmann: Schon seit der Antike gibt es die beiden Grundfun- damente ärztlichen Handelns: den Kran- ken zu helfen und ihnen keinen Scha- den zuzufügen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Ärzte pri- mär helfen wollten und dass dies der

Ausgangspunkt ihres Handelns war. Das Foto: marburger bund

schließt Experimente an gesunden und kranken Menschen aus, sofern nicht eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffe- nen mit einer sehr umfangreichen Auf- klärung zuvor vorliegt. Wissenschaftli- cher Fortschritt braucht Studien unter strikter Einhaltung ethischer Normen, die sich die ärztliche Profession selber gibt und die auch vom Rechtsstaat vor- gegeben sind. Experimente ohne Einhal- tung dieser Normen sind vollkommen inakzeptabel und aufs Entschiedenste abzulehnen.

Wie ist diese Mitwirkung ethisch ein- zustufen?

Herrmann: Medikamentöse Studi- en an Patienten, die nicht einwilligungs- fähig sind und bei denen es auch kei- ne Einwilligung von dritter Seite gibt, die sogar gegen den Willen der Patien- ten und unabhängig von den Diagno- sen erfolgen, sind ethisch in keiner Wei- se vertretbar und dürfen auf keinen Fall durchgeführt werden. Ein Vorgehen, so wie es bei den Medikamentenversu- chen Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre in Schleswig-Holstein vorgekom- men ist, ist schon längst nicht mehr hin- nehmbar. Inzwischen hat es in der Ärz-

teschaft weltweit einen Bewusstseins- wandel durch die Helsinki-Deklaration gegeben.

Müssen wir dennoch befürchten, dass solche Versuchsreihen auch heute noch möglich sind?

Herrmann: Das ist heutzutage voll- kommen undenkbar und somit nicht möglich. Seit mehreren Jahrzehnten ha- ben wir in Schleswig-Holstein und bun- desweit Ethikkommissionen, durch die jede Studie an Patienten in einem auf- wendigen Verfahren überprüft und ge- nehmigt werden muss. Diese Ethikkom- missionen sind z. B. an den Universitäts- klinika oder bei den jeweiligen Landes- ärztekammern angesiedelt und müssen im Vorwege zu jeder klinischen Studie eine Zustimmung geben.

Welchen Schutz / welche Sicherheit gibt es heute für Patienten?

Herrmann: Patienten, die heutzu- tage an Studien teilnehmen, haben ei- nen eindeutigen rechtlichen Schutz und eine versicherungsrechtliche Sicher- heit. Ohne ausführliche Aufklärung und Einwilligung ist eine Teilnahme an sol- chen Studien nicht möglich. Die Patien- tenrechte haben heute einen sehr hohen Stellenwert und sind vollständig zu be- rücksichtigen. Das hat sich z. B. schon im letzten Jahr auch bei der Bundestags- debatte über Studien an Menschen mit kognitiven Einschränkungen gezeigt, wo intensiv diskutiert wurde, ob eine schriftliche Zustimmung nach Aufklä- rung zur Teilnahme an solchen Studi- en vor Eintritt der kognitiven Einschrän- kung ausreichend sein kann. Auch hierin zeigt sich die enorme Bedeutung der Zu- stimmung des Betroffenen und die hohe Hürde, welche eine Teilnahme an Studi- en beinhaltet.

Haben Aufsichtsgremien damals ver- sagt?

Herrmann: Aufsichtsgremien wie heutzutage gab es in diesem Umfang in Dr. Henrik Herr-

mann, Vize-Präsi- dent der Ärztekam- mer Schleswig-Hol- stein, sieht Patienten heute deutlich besser geschützt. Versuchs- reihen, wie sie früher im Landeskranken- haus Schleswig vor- genommen wurden, hält er heute für un- denkbar.

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den 50er und Anfang der 60er Jahre lei- der noch nicht. Die Deklaration von Hel- sinki, die als erste weltweit in der Ärzte- schaft die Regeln der guten klinischen Praxis und insbesondere zur Teilnahme an Studien festlegt, wurde erst 1964 ver- abschiedet. Dies ist auch vor dem Hin- tergrund zu sehen, dass erst Mitte bis Ende der 50er Jahre in zunehmendem Maße eine pharmakologische Therapie von Krankheiten möglich war. Die ers- ten Psychopharmaka kamen Anfang der 50er Jahre auf den Markt, vorher hat- ten die Ärzte nur wenige Medikamen- te, die sie einsetzen konnten. Dennoch ist festzuhalten, dass es natürlich auch in den 50er Jahren eine ärztliche Berufs- ordnung gab und ein ethisches Han- deln der Ärzte festgelegt war. Doch lei- der zeigt die Geschichte des 20. Jahrhun- derts, dass auch in der Ärzteschaft diese Regeln nicht immer befolgt wurden, be- sonders leidvoll in den Jahren des Natio- nalsozialismus.

Wer sollte mit der Aufklärung beauf- tragt werden?

Herrmann: Zunächst einmal ist auch im historischen Sinne die Aufarbei- tung dieser Vorfälle von äußerster Wich-

tigkeit. Nur so können wir aus der Ver- gangenheit lernen, dass wir auch in Zu- kunft wachsam sind, dass die ethischen Regeln gerade im ärztlichen Handeln vollkommen eingehalten werden. Auch die Rolle der deutschen Ärzteschaft im Nationalsozialismus ist erst in den letz- ten zehn Jahren historisch umfang- reich aufgearbeitet worden. Auch hier hat Schleswig-Holstein eine Vorreiter- rolle übernommen. Diese Aufklärung ist nicht ganz einfach, da grundlegende his- torische Arbeit geleistet werden muss, um die Fakten nach 50 Jahren ans Licht zu bringen. Es ist wünschenswert, wenn dies auf Landesebene aktiv betrieben wird und die Landespolitik sich dieser Aufarbeitung annimmt. Auch der Land- tag selber hat ja seine Geschichte aus den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts aufge- arbeitet, genauso sollte dies auch mit den Medikamentenversuchen geschehen. Es ist sehr zu begrüßen, dass durch die Me- dienberichte diese Medikamentenversu- che aufgedeckt wurden, jetzt muss eine genaue Aufarbeitung erfolgen.

Kann die Ärztekammer etwas tun?

Herrmann: Die Ärztekammer Schleswig-Holstein als Körperschaft des

öffentlichen Rechts kann selber und von sich aus eine genaue historische Auf- arbeitung der Ereignisse vor 50 Jahren nicht vornehmen. Sie kann aber unter- stützend tätig werden und diesen Auf- arbeitungsprozess aktiv begleiten. Eine zentrale Aufgabe der Ärztekammer ist es, das ethische Handeln der ärztlichen Profession als oberstes Gebot hervor- zuheben und immer dafür einzutreten, dass die Arzt-Patienten-Beziehung ei- nen äußerst hohen Stellenwert hat. Es ist dabei nicht zu verschweigen, dass heut- zutage gerade vor dem Hintergrund der ökonomischen Rahmenbedingungen dieses Arzt-Patienten-Verhältnis gestört werden kann. In dieser Hinsicht müs- sen die Ärztekammern sehr wachsam sein und aus der Geschichte lernen, da- mit sich solche Ereignisse nie wieder- holen. Gerade dafür tun die Ärztekam- mern heute und in Zukunft viel und wer- den diese Aufgabe immer intensiv wahr- nehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

2,1 Mio

Euro bringt das Land Schleswig-Holstein in die „Stiftung Aner- kennung und Hilfe“

ein, auf die sich Bund und Länder Ende 2016 geeinigt hat- ten, damit Vorgän- ge in stationären Ein- richtungen der Behin- dertenhilfe und der Psychiatrie zwischen 1949 und 1975 aufge- arbeitet werden kön- nen. Für Betroffe- ne in Schleswig-Hol- stein wurde eine An- lauf- und Beratungs- stelle beim Landesamt für Soziale Dienste in Neumünster einge- richtet.

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