Prüfung der elektrischen Ausrüstung von Maschinen
nach VDE 0113-1 / DIN EN 60204-1 TEIL 5 / 8
Einleitung
Im vierten Teil des Fachartikels zur Prüfung der elektrischen Ausrüstung von Maschinen wurde die Einteilung der Schutzmaßnahmen gegen den elektrischen Schlag erläutert.
Der Schutz gegen den elektrischen Schlag wird in drei Schutzstufen eingeteilt.
Nachdem im vorangegangen Teil die Möglichkeiten und die Anforderungen an die erste Stufe - Schutz gegen indirektes Berühren - erörtert wurden, werden in dem vorliegenden fünften Teil die Anforderungen an die zweite und dritte Schutzstufe näher betrachtet.
5.2.3 Schutz durch automatische Abschaltung der Einspeisung
In den meisten Maschinen werden Betriebsmittel der Schutzklasse I, also mit Schutzleiter eingesetzt. Die Schutzmaßnahme „Schutz durch Abschaltung“ ist somit mit Sicherheit in der Praxis die am häufigsten angewendete Schutzmaßnahme.
Die aktuell gültige DIN EN 60204-1 aus dem Jahr 2007 lehnt sich bei den Anforderungen an die Schutzmaßnahmen stärker an die DIN VDE 0100-410 an als die Vorgängernormen.
Je nach Anwendung werden die folgenden Abschaltzeiten unterschieden:
Betriebsmittel; Verwen- dungsart; Anschluss
Nennspannung gegen Erde U0 in V
erforderliche Abschaltzeit in s Maschinen;
stationär betrieben;
fest installiert
alle Spannungen 5
Maschinen;
in der Hand gehalten;
alle Steckdosen
120 0,8
230 / 277 0,4
400 0,2
>400 0,1
Abbildung 19 – Abschaltzeiten
Quelle: BFS-Kälte-Klima-Technik
Abbildung 20 - Wirkprinzip des Schutzes „Automatische Abschaltung im TN-System“
Die elektrische Anlage muss so ausgelegt sein, dass bei dem in Abbildung 20 dargestellten Fehler (Körperschluss) die Überstromschutzeinrichtung mit der Nennstromstärke In in einer festgelegten Zeit sicher den fehlerbehafteten Stromkreis abschaltet.
Das funktioniert allerdings nur, wenn die Abschaltbedingung erfüllt ist.
Zs -Schleifenwiderstand der Fehlerschleife (Widerstand zwischen Außenleiter und PE) Ia -Abschaltstrom der Schutzeinrichtung in der erforderlichen Zeit
U0 -Spannung Außenleiter- Erde (meist 230V) Ik1 -tatsächliche einpolige Kurzschlussstromstärke Z(m) -gemessener Schleifenwiderstand
In -Nennstromstärke der Schutzeinrichtung
Der Nachweis über die Wirksamkeit der Abschaltbedingung ist vor jeder Inbetriebnahme ei- ner elektrischen Anlage zu erbringen. Hierfür gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen, von denen eine im Folgenden näher erläutert wird.
Schritt 1
Bestimmung der notwendigen Abschaltzeit. (Abbildung 19)
Schritt 2
Um die Wirksamkeit der automatischen Abschaltung sicherstellen zu können, müssen die Kennlinien und Abschaltcharakteristiken der eingesetzten Überstromschutzeinrichtungen be- kannt sein. Aus diesen Kennlinien lassen sich die notwendigen Abschaltstromstärken exakt heraus lesen.
In der Praxis werden zur Ermittlung der notwendigen Abschaltstromstärken Ia häufig die in der folgenden Tabelle aufgeführten Faktoren verwendet.
Abschaltbedingung für Überstromschutzeinrichtungen:
oder
Abbildung 21 - Auslösestromstärken der Überstromschutzeinrichtungen
Schritt 3
Der Schleifenwiderstand Zs wird mit einem Schleifenwiderstandsmessgerät am Ende der Lei- tung gemessen.
Da sich der Widerstand der Kupferleitung im Kurzschlussfall aufgrund der Erwärmung der Leitung erhöht (bis zu 24%), bei Verwendung der Messgeräte Gebrauchsfehler bis zu 20% auftreten können und die Netzspannung um +/-10% schwanken kann, ist es in der Praxis notwendig den tatsächlichen Messwert zu Ungunsten des Messwertes zu korrigieren.
Die erfolgt z.B. üblicherweise durch die Abwandlung der Abschaltbedingung
0 a
s I U
Z in:
𝑍
𝑠(𝑚)≤ 2 3 ∙ 𝑈
0𝐼
𝑎Lehrbeispiel:
Ein Verflüssigerlüfter in einer Kälteanlage (230V 1∼) ist mit einem Leitungsschutzschalter Typ B (LS-B) 16A abgesichert.
Es wird gefordert:
𝑍
𝑠(𝑚)≤
23
∙
𝑈0𝐼𝑎
Für fest angeschlossene Verbraucher gilt die Abschaltzeit
𝑡
𝑎= 5𝑠
. (Abbildung 19) Bei einem LS-B berechnet sich der notwendige Abschaltstrom wie folgt:𝐼
𝑎= 5 ∙ 𝐼
𝑛also 𝐼
𝑎= 5 ∙ 16𝐴 = 80𝐴
Unter Berücksichtigung des Korrekturfaktors gilt:
𝑍
𝑠(𝑚)≤ 2
3 ∙ 230𝑉
80𝐴 = 1,9167𝛺
Der am Verflüssiger gemessene Schleifenwiderstand muss zur Erfüllung der Abschaltbedin- gung somit kleiner als 1,9167Ω sein.
Kann die Abschaltbedingung durch eine Überstromschutzeinrichtung nicht gewährleistet wer- den (Abschaltbedingung nicht erfüllt), sind zusätzliche Maßnahmen notwendig.
Notwendige Abschaltstromstärken Ia:
Schutzeinrichtungen Auslösezeit
0,4 s 5 s
Schmelzsicherung* 8 * I
n (10 * In ab 50A)5 * I
n(6 *In ab 40A)LS Typ H
(Leitungsschutzschalter Typ H)4 * I
n4 * I
nLS Typ L 5 * I
n5 * I
nLS Typ G, U 10 * I
n5 * I
nLS Typ B 5 * I
n5 * I
nLS Typ C 10 * I
n5 * I
nLS Typ K 14 * I
n5 * I
nSchutzleiter der Gesamtwiderstand sinkt. Der Potenzialausgleich erfüllt dabei natürlich auch seine primäre Aufgabe, den Ausgleich unterschiedlicher Potenziale zwischen den Bauteilen.
Die Berührungsspannung zwischen zwei gleichzeitig berührbaren Teilen darf 50V nicht über- schreiten. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn folgende Ungleichung wahr ist:
𝑍
𝑃𝐸≤ 50𝑉 𝑈
0∗ 𝑍
𝑠Dabei ist ZPE die Impedanz des Schutzleitersystems zwischen der Ausrüstung irgendwo in der Installation und der PE-Klemme der Maschine oder zwischen zwei gleichzeitig berührba- ren Körpern.
Die Bedingungen für den Betrieb einer Maschine an einem TT- oder IT - System werden in der EN 60204-1 nicht beschrieben. Es wird auf weiterführende Installationsnormen, wie die IEC 60364-4-61 verwiesen.
Der Anschluss einer Maschine an das TT-System erfordert fast ausnahmslos den Einsatz ei- nes FI-Schutzschalters (RCDs), da es wegen inkonstanter Erdungsverhältnisse nicht immer gewährleistet werden kann, dass eine Überstromschutzeinrichtung auslöst.
Für IT-Systeme wird eine Erdschlussüberwachungseinrichtung oder eine Fehlerstromschutz- einrichtung gefordert.
5.3 Kleinspannung nach PELV
Eine weitere Schutzmaßnahme ist die Verwendung von Kleinspannung PELV in einer Ma- schinensteuerung. PELV = protective extra low voltage
Der Schutz durch Kleinspannung nach PELV wird erfüllt, wenn
- Die Spannungsgrenzen 25V AC / 60V DC (oberschwingungsfrei – kleiner 10%) nicht überschritten werden, unter trockenen Bedingungen und wenn eine großflächige Berührung menschlicher Körperteile mit aktiven Teilen verhindert werden kann.
(ansonsten gilt 6V AC / 12V DC)
- Energiequellen müssen den Anforderungen von Sicherheitstrenntransformatoren nach DIN EN 61558-1 erfüllen. (Spartransformatoren oder Spannungsteiler sind nicht erlaubt)
- Die Stromkreise müssen zur Einspeisung mit höherer Spannung sicher elektrisch getrennt sein. (meist räumliche Trennung)
- Die Unverwechselbarkeit zwischen den Netzversorgungen nach SELV, z.B. über Steckverbindungen, muss gewährleistet sein.
PELV - Stromkreise sind z.B. alle Steuerstromkreise in der Automatisierungstechnik (SPS).
Das Kennzeichen der PELV- Stromkreise besteht darin, das ein Leiter mit der Erde (PE) ver- bunden ist.
Quelle: BFS-Kälte-Klima-Technik
Abbildung 22 - Schaltung nach PELV mit Isolationsfehler
Der Einzelfehler in einem PELV Stromkreis kann zu einem geringen Körperstrom führen. Bei einem Doppelfehler muss eine Überstromschutzeinrichtung zum Abschalten führen.
Die Gefährdung von Personen ist bei dieser Schutzmaßnahme gering.