Infrastrukturdezernat 69/3
F 2 26 93
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (BaustellV ) Entstehung –Erläuterung –Anwendung
- Entwicklung der Baustell V -
Die Bauwirtschaft, eine der wichtigsten Branchen der europäischen Wirtschaft, hat die schlechteste Unfallbilanz. Auf Baustellen in Deutschland, und das dürfte in den übrigen Ländern nicht anders sein, ist die Unfallhäufigkeit mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft. Zudem haben Unfälle auf Baustellen meist schwerere Folgen als die in anderen Wirtschaftszweigen (Bild 1).
Arbeitsunfälle und Wegeunfälle 1999
Bau Wirtschaftszweige Insgesamt
Meldepflichtige Arbeitsunfälle je 1000
Vollarbeiter 97,45 38,72
Meldepflichtige Arbeitsunfälle je 1
Million geleisteter Arbeitsstunden 62,47 24,82 Meldepflichtige Wegeunfälle je 1000
Versicherungsverhältnisse 5,09 5,36
Neue Arbeitsunfallrenten je 1000
Vollarbeiter 2,226 0,795
Neue Arbeitsunfallrenten je 1 Million
geleisteter Arbeitsstunden 1,427 0,51
Neue Wegeunfallrenten je 1000
Versicherungsverhältnisse 0,238 0,211
Tödliche Arbeitsunfälle 229 977
Tödliche Wegeunfälle 102 747
Bild 1
erlassen. Das war die EG-Baustellenrichtlinie, die bis Ende 1993 in nationales Recht umgesetzt werden sollte. Dass die Umsetzung 6 Jahre - bis 1998 – gedauert hat, hängt wohl auch damit zusammen, dass sich die branchenkundigen Beteiligten klar waren, dass die Baustellenverordnung im wesentlichen nur eine Zusammenfassung der in Deutschland teilweise schon seit mehr als hundert Jahren – natürlich der Entwicklung folgend aktualisierten – zwingend
einzuhaltenden arbeitschutzrechtlichen Bestimmungen sein konnte (Bild 2).
Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen
Rechtliche Grundlagen Technische Regeln Informationsschriften Arbeitsschutz mit den
zugehörigen Verordnungen Normen, DIN, EN, ISO Berufsgenossenschaftliche Informationen (BGI)
Arbeitssicherheitsgesetz Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen
Gerätesicherheitsgesetz mit den zugehörigen Verordnungen
Berufsgenossenschaftliche Regeln (BGR)
Sozialgesetzbuch VII
Unfallverhütungsvorschriften Chemikaliengesetz und Gefahrstoffverordnung Arbeitszeitgesetz
Bild 2
Selbst das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, das für die Umsetzung der BaustellV zuständig ist, hat festgestellt, dass es in Deutschlang in Bezug auf Sicherheitsvorschriften nichts gibt, was nicht geregelt ist.
- Inhalte der Baustell V -
Die Baustellenverordnung beinhaltet die neuen Instrumente Vorankündigung(der Baumaßnahme), Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes(SiGe-Plan), und Koordinierung(SiGe-Koordinator), (Bild 3).
Mit ihrem kurzen Text (nur 8 Paragraphen) „lässt sie den am Baugeschehen Beteiligten einen großen
Gestaltungsspielraum für Arbeitsschutzmaßnahmen, fordert ihnen aber hierdurch ein Mehr an Verantwortung ab“ (Zitat Bundesminister Riester).
Das Neue an der BaustellV ist, dass der Bauherr für die Umsetzung der neuen Instrumente verantwortlichist.
Da, wie Eingangs erwähnt, ein großer Anteil der Unfälle „auf dem Bau“ schon in der Planung die Ursache hat, setzt auch die BaustellV bei der Planung der Ausführungan.
Für Baustellen ab einer bestimmten Dauer und einem bestimmten Personaleinsatz ist der zuständigen Behörde eine Vorankündigung mit entsprechenden Angaben zu übermitteln.
Wenn für eine Baustelle, auf der Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden, eine Vorankündigung erforderlich ist,
B a u s t e l l e
Neubau
Änderung des konstruktiven Gefüges
Abbruch
Instandhaltung
Berück- sichtigung
§4 ArbSchG
Arbeiten geringen Umfangs
Baustellenverordnung
Ablaufschema
Arbeits- umfang*
Ø20 P + >30 d
Øoder > 500
ØPxd
Mehrere Arbeitgeber
Voran- kündigung Voran-
kündigung
SiGe- Koordinator
Unterlage für spätere
Arbeiten
Keine Maßnahmen
SiGe Plan
SiGePlan f.ür besonders gefährliche
Arbeiten Besonders
gefährliche Arbeiten
Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz
ja ja
ja ja
ja
nein
nein ja
nein nein
ja * P = Personen d = Tage P x d = Personentage
Bild 3
Aufgaben des Koordinators während
der Planung der Ausführung des Bauvorhabens
Einbinden von Sicherheit und Gesundheitsschutz in das Organisations- und Führungskonzept zur Bauausführung
Entwickeln von Maßnahmen zum Schutz vor Gefährdungen durch und bei der Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber
Entwickeln von Maßnahmen zur gemeinsamen Nutzung sicherheitstechnischer Einrichtungen sowie Einrichtungen für den Gesundheitsschutz
Einordnen von Sicherheit und Gesundheitsschutz in ein Konzept für spätere Arbeiten an der baulichen Anlage
Bild 4
Der oder die Koordinatoren haben sowohl während der „Planung der Ausführung“als auch während der
„Ausführung des Bauvorhabens“die in der BaustellV beschriebenen Aufgaben zu erfüllen. (Bild 5)
Aufgaben des Koordinators während der Ausführung des Bauvorhabens
Organisieren und Koordinieren der Zusammenarbeit der bauausführenden Unternehmen hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz im Bauablauf
Überprüfen der Einhaltung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen bei der Zusammenarbeit der bauausführenden Unternehmen
Fortschreiben und Anpassen des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes und gegebenenfalls der Unterlage für spätere Arbeiten an der baulichen Anlage
Bild 5
Besonders wichtig ist, und dies wird öfter von Auftragnehmerseite übersehen, dass „ die Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes... zu treffen sowie die Hinweise des Koordinators und den Sicherheits- und
Gesundheitsschutzplan zu berücksichtigen“ haben.
Die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber für die Erfüllung ihrer Arbeitsschutzpflichten gem. den gültigen Gesetzen, Richtlinien und Vorschriften bleibt voll aufrecht erhalten.
Obwohl der Koordinator keine Weisungsbefugnis hat (es sei denn, der Bauherr hat sie ihm vertraglich übertragen), sind sich die Beteiligten bisher nicht sicher, welche Haftung er zu übernehmen hat und ob er haftungsmäßig besonders versichert sein muß.
Der einzusetzende Koordinator muß für die Aufgabenerfüllung der jeweiligen Baumaßnahme geeignet sein. Seine Ausbildung und Kenntnisse muß er nachweisen können. Es bedarf jedoch keiner Zertifizierung, wie bisher oft von geschäftstüchtigen Ausbildungsinstitutionen betont wurde.
- Wahrnehmung der SiGeKo - Aufgaben durch die Stadt Dortmund -
Um die dem Bauherrn übertragenen Aufgaben gem. BaustellV erfüllen zu können, setzt besonders der öffentliche Auftraggeber Dritte als Koordinatoren ein.
Die bauausführenden Ämter der Stadt Dortmund haben für die Aufgaben der SiGeKo sowohl externe Ing.-Büros beauftragt als auch die Bestellung eines Koordinators als Bestandteil der jeweiligen Baumaßnahme ausgeschrieben und beauftragt.
Bei der Honorarermittlung wird eine Vereinheitlichung angestrebt.
Die angebotenen Honorarsätze für SiGeKo-Leistungen durch Externe liegen z.B. beim Stadtbahnbauamt zwischen 0,1%
und 1,75% der Netto-Auftragssumme. Vergeben wurden zwischen 0,1 und 0,7 % der Nettorohbausummen. Inzwischen wurden ca. 350.000,00 DM bei einer Rohbausumme von 260 Mio. DM aufgewendet. Zu diesen Kosten für den Bauherren kommt noch der Verwaltungs- und Betreuungsaufwand.
- Regeln zur Anwendung der Baustell V -
Da gegenwärtig noch große Unsicherheiten bei der Auslegung und Anwendung des Verordnungstextes bestehen, hat der Bundesarbeitsminister einen „Ausschuss für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen“ eingerichtet. Ihm gehören jeweils zwei Vertreter der Bauherren-, der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, der Arbeitsschutzbehörden sowie der Unfallversicherungsträger an. Aufgabe ist es, Regeln für die Anwendung der Baustellenverordnung aufzustellen unter Berücksichtigung des Arbeitsschutzgesetzes, zu ermitteln, wie die Anforderungen der BaustellV erfüllt werden können, dem Stand der Technik entsprechende Vorschriften vorzuschlagen sowie das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in Fragen des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes zu beraten.
3 Regeln sind im Bundesarbeitsblatt veröffentlicht und damit gültig 1. Begriffsdefinitionen zur BaustellV
2. Erforderliche Eignung von Koordinatoren 3. Form und Inhalt von SiGe-Plänen
Mindestmaß hat schon Eingang gefunden in die Normungsarbeit der Normungsorganisationen (zum Beispiel DIN, VDE, CEN, ISO usw.).
„Zur Zeit werden sämtliche Unfallverhütungsvorschriften entrümpelt, reduziert und neu geordnet. Hier kommt es nun verstärkt darauf an, dass Arbeitsschutzexperten ... mitarbeiten, um unsinnige Regelungen zu verhindern ... . Die noch für die Unfallverhütungsvorschriften verbleibenden Arbeits- und Benutzungsanforderungen sollen ... so gestrafft werden, dass sie les- und lebbar sind. Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass Doppelregelungen mit staatlichem Recht vermieden werden und Neuregelungen ein angemessenes Verhältnis zwischen Folgekosten und
Gefährdungspotenzial beinhalten.“
(aus faktor arbeitsschutz 2/2001) (Bild 6).
Bild 6 Fazit:
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass durch die Umsetung derEU-Baustellenrichtlinie in Deutschland ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand auch auf die öffentlichen Bauherren zugekommen ist. Es bleibt zu beobachten, welche der im einzelnen gewählten Ausgestaltungsmöglichkeiten der deutschen Baustellenverordnung effizient zur weiteren Reduzierung von Arbeitsunfällen im Baubereich beiträgt.
Weniger Vorschriften = Mehr Arbeitsschutz ?
42 Gesetze 79 BG-Vorschriften 89 BG-Regeln 195 BG-Informationen 478 DIN-Normen
Im Wörterbuch “Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz“ gibt es Hinweise auf