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Nochmals Sabbat.
Von H. Zimmern.
Als meine Notiz über Sabbat oben S. 199 ff. bereits gedruckt
war, erscbien noch vor Ausgabe des betr. Heftes der Zeitschrift
ein Artikel von Delitzsch im „Zeitgeist" (Beiblatt zum Berliner
Tageblatt), Nr. 16 vom 18. April 1904, über den assyrisch-baby¬
lonischen Sabbat. Delitzsch handelt darin, veranlaßt durch einen
in derselben Zeitung vorausgegangenen und gegen ihn gerichteten,
in der Form und auch sachlich anfechtbaren Artikel, gleichfalls im
Anschluß an den von mir oben besprochenen Pinches'schen Text
über die Sabbatfrage, unter ausführlicher Erörterung verschiedener
hier in Betracht kommender sprachlicher Einzelheiten. Da die
Ausführungen von Delitzsch mehrfach auch anderweit in die Tages¬
presse, selbstverständlich mit entsprechenden Entstellungen und
Mißverständnissen, übergegangen sind, und da auch der Referent
in der Zeitschriftenschau der Orient. Litt. - Zeitung von Delitzschs
Argumentation überzeugt worden zu sein scheint (vgl. OLZ 1904
Sp. 204), so sehe ich mich bei der Wichtigkeit der Frage ver¬
anlaßt, hier mit wenigen Worten noch einmal auf die Sache zurück-,
zukommen, zumal ich in der Hauptfrage, um die es sich hier]
handelt, mit Delitzsch durchaus nicht übereinstimmen kann, sondernj
bei meinen obigen Ausführungen verharren muß. i
Nachdem Delitzsch, entsprechend wie ich oben, mehrere Irr¬
tümer und Verlesungen in der Ausgabe und Transkription von
Pinches richtig gestellt hat,i) stellt er die These auf, daß die Be-
1) Wobei freilich Delitzschs Lesung mnatan statt Pinches' ümu kal uicht als Verbesserung betrachtet werden kann; s. oben S. J99 Anm. 1. Übrigens bietet das obeu erwähnte Duplikat Ni. 1893 au dieser Stelle statt ümu kal vielmehr ümu{-mu) ak-kal. S. dazu die vollständigere Veröffentlicbung dieses Konstantinopeler Fragmentes durch Scheil in dessen Note XXVII im Recueil de Travaux XIX (1896), auf die mich Scheil ira Anschluß an meinen obigen Artikel persönlich aufmerksam gemacht hat. Zwar bietet Scheil selbst hier SAG-DAN; es ist aber keiu Zweifel, daß SAG hierbei nur auf einer Ver¬
lesung der sehr ähnlichen neubabylonischen Zeichen SAG und AG beruht.
Für „halber Tag» hat dieses Fragment mi-iil umu(-mu), für „dritter Tag"
nach Scheils Angabe Se-lal-iü-nu.
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Zimm&rn, Nochmals Sabbat. 459
Zeichnung des 15. Tages des (30-tägigen) Monats durch Sa pai ti
in diesem Texte zu verstehen sei als: äa pat-ti .der (Tag) des
pattu (seil, des Monats)' d. i. als „der Tag des Einschnittes, der
Teilung, der Scheide" des Monats. Über diese Lesung und Auf¬
fassung der Gruppe Äa pat ti durch Delitzsch, wenn sie mir auch
keineswegs als gesichert oder auch nur als besonders einleuchtend
erscheint, läßt sich immerhin reden : ich hatte oben S. 202 .ja aus¬
drücklich erklärt, daß mir die Etymologie von Sapattu, Sabattu
und damit auch von nac. unsicherer donn .je geworden sei. Da¬
gegen ist es mir ganz unmöglich, Delitzsch nun in dem weiteren
Punkte Recht zu geben , daß diese Bezeichnung Sapatti bezw. Sa
patti für den 15. Tag des Monats und ebenso [S]a-pat-tu bezw.
lS]a pat-tu Schöpf. V 18, wie Delitzsch ebenso wie ich hier liest,
völlig zu trennen sei von dem in den Vokabularien vorkommenden
sapattum, Sabattum, sabattim, welch letzteres nach ihm allein
mit dem hebräischen naip zusammengebracht werden dürfe. Ich
bin fest überzeugt, daß Delitzsch hier nur durch die polemische
Situation, aus der heraus sein Artikel entstanden ist, zu solcher
hyperskeptischen Auseinanderreißung von Zusammengehörigem ge¬
trieben wurde und daß er bei erneuter Prüfung der Sachlage
selbst davon wieder zurückkommen und die Identität von sapatti,
[S^apattu einerseits und von Sapattum, Sabattum, Sabattim anderer¬
seits unumwunden anerkennen wird. In lautlicher Hinsicht sei
dabei noch bemerkt, daß das Schwanken zwischen b und in
diesem Worte möglicherweise nach den Ausführungen Jensens in
Zeitschr. f. Ass. 14 (1899), 182 [p für urspr. b in Wörtern mit
i davor oder dahinter) zu beurteilen ist.i) Sachlich finden die Be¬
denken Delitzschs gegen den 15. des Monats als babylonisch-assy¬
rischen Sabbat ihre Erledigung in dem von mir oben besprochenen
Nebeneinanderbestehen der beiden Systeme einer Sechsteilung und
einer Vierteilung des Monats, wonach das eine Mal der 15.-), das
andere Mal der 14. als der Vollmondstag und darura als kultisch
besonders wichtiger Tag gegolten haben rauß. — In bezug auf
die Siebener-Tage der assyrischen Heraerologien und ihr Verhältnis
zum hebräischen Sabbat sind wir ja beide im übrigen so ziemlich
gleicher Ansicht.
Ich benutze die sich mir hier bietende Gelegenheit, um darauf
aufmerksam zu machen, daß sich raeine obigen Erörterungen über
den Sabbat als ursprünglichen Vollraondstag , ohne daß ich darum
wußte, in mehrfacher Hinsicht berühren mit den Ausführungen
1) S. dazu bereits bei KUchler, Beitr. z. ass.-bab. Medizin OO f. (vgl, auch schon oben S, 202 Anm. 3).
2) Für den 15. als Vollmondstag scheint mir u. a. auch die vielerörterte
Stelle Gilgam.-Epos X Kol. III 49 (= KB VI 1, 220 221) in Betracht zu
kommen: malak arfii u VD XV-KAN, wo gegen die bisherigen Erklärungen arlpi und UD A' V-KAN (d. i. Sapatti) vielmehr Gegensätze, Neumond (bezw.
Neulicht) und Vollmond, bilden werden.
Bd. LVIII. 30
460 Zimmern, NochmaU Sabbat.
von Ditlef Nielsen in dessen Schrift: üie altarabische Mondreligion
und die mosaische Überlieferung, Straßburg 1904. Vielen in dieser
Schrift sich findenden kühnen Aufstellungen vermag ich freilich
nicht zu folgen. Speziell kann ich mich auch nicht mit der da¬
selbst S. 69 und S. 87 f. nach Rommels Vorgang gegebenen Er¬
klärung von Sabattum (und danach von raffi) als einer sprach¬
lichen Variante von Subtu in der Bedeutung , (Mond)station ' (von
aia-') und der Reklaraierung von Sabattum als eines altarabischen
Fremdwortes im Assyrischen (aus ^U+J, »-o) befreunden. Immer¬
hin ist anzuerkennen, daß die Schrift Nielsens für das Verständnis
des altorientalischen Mondkultus und damit auch für das Sabbat¬
problem manche Förderung bringt. Auch in der Schrift FViedrich
Bohns: Der Sabbat ira Alten Testaraent und im altjüdischen reli¬
giösen Aberglauben, Gütersloh 1903, findet sich, so wenig dieselbe
ira übrigen das Sabbatproblem ira Alten Testament richtig be-^
handelt, doch gerade für die Frage nach dem ursprünglichen Zu¬
sammenhang der Sabbatfeier mit den Mondphasen mancherlei Be¬
achtenswertes. Vgl. auch Böklen ira Archiv f. Religionswissensch. 6
(1903), 19.
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Digamma und Wau.
Von Franz Fraetorins.
Ein ungelöstes Eätsel ist immer noch das griechische Digamma
(lat. F). Es steht im griechischen Alphabet an der Stelle, wo im
kanaanäischen Alphabete das Wau steht und entspricht diesem dem
Laute nach vollständig ; auch fiihrt es — als Zahlzeichen wenigstens
den gleichen Namen ßav. Aber die Gestalt des Digamma
steht der des kanaanäischen Wau recht fern, wenn auch versucht
worden ist, beide Gestalten mit einander harmonistisch in Einklang
zu bringen. Dazu kommt noch, daß das kanaanäische Wau in fast
unveränderter Gestalt als T dem griechischen Alphabete schon in
frühester Zeit angehängt worden ist.
Ein ungelöstes Rätsel ist gleichfalls die Gestalt des süd¬
semitischen Wau: äthiop. (D, sab. O, ganz ähnlich im Lihjänischen,
Protoarabischen und Safa. Auch hier ist zwar versucht worden,
das stark abweichende südsemitische Zeichen von dem kanaanäischen
T abzuleiten (s. D. H. Müller in Mordtmann und Müller, Sab.
Denkmäler S. 106; König, Neue Studien S. 14); indes wird der
Unbefangene nur Lidzbarski beistimmen können: ,Wie O zu dieser
vom altsemitischen T so sehr verschiedenen Form gelangt ist, da¬
rüber habe ich zu keinem bestimmten Urteil gelangen können"
(Ephemeris Bd. I, S. 127).
Es scheint mir, als habe das südsemitische © mit dem kanaanä¬
ischen T seiner Form nach nichts zu tun, als sei es vielmehr seiner
Form nach identisch mit dem griechischen Digamma.
Man beachte das formale Verhältnis des südsemitischen y, f,
zum kanaanäischen Die beiden parallelen Ansatzlinien links
oben sind zu einem Kreise zusammengefaßt und fügen sich nun¬
mehr in dieser Gestalt symmetrisch dem senkrechten Schafte an.
Die Ansatzlinie rechts unten ist fortgefallen, zeigt ihre Nachwirkung 80*