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Bericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs

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Bericht des Beirats zur Überprüfung

des Pflegebedürftigkeitsbegriffs

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BERICHT DES BEIRATS ZUR ÜBERPRÜFUNG DES PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS

26. Januar 2009

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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT DES BEIRATSVORSITZENDEN ... 9

EINFÜHRUNG: AUFTRAG UND ZIEL... 11

KAPITEL 1: ARBEITSABLAUF / BERATUNGSSCHRITTE... 16

1.1 MODELLVORHABEN UND AUSSCHREIBUNG... 16

1.2 ARBEITSSCHRITTE... 26

1.2.1 ZEITPLAN... 26

1.2.2 ARBEITSPHASEN... 26

1.3 ARBEITSORGANISATION... 27

1.4 FACHKONFERENZEN UND WORKSHOP... 28

1.5 KOMMUNIKATION... 30

1.6 ERWEITERUNG DER DATENBASIS... 31

1.7 ERGÄNZENDER BERICHT DES BEIRATS... 32

KAPITEL 2: ERKENNTNISPROZESS / STUDIENERGEBNISSE ... 34

2.1 EINLEITUNG... 34

2.2 DAS NEUE BEGUTACHTUNGSASSESSMENT... 34

2.2.1 AUFBAU DES NEUEN INSTRUMENTS... 35

2.2.1.1 Informationserfassung ... 35

2.2.1.2 Befunderhebung... 35

2.2.1.3 Einschätzung der Pflegebedürftigkeit ... 36

2.2.1.4 Ergebnisdarstellung und Empfehlungen ... 36

2.2.2 BEURTEILUNG DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT... 36

2.2.2.1 Berücksichtigte Aspekte der Pflege- und Hilfebedürftigkeit... 36

2.2.2.2 Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit ... 37

2.2.3 BEGUTACHTUNG VON KINDERN... 39

2.2.4 NUTZBARKEIT DES INSTRUMENTS FÜR DIE EINSCHÄTZUNG WEITERER BEDARFSASPEKTE39 2.2.4.1 Erfassung des Präventions- und Rehabilitationsbedarfs ... 39

2.2.4.2 Hilfsmittelversorgung... 40

2.2.4.3 Erstellung eines Hilfe- oder Pflegeplans... 40

2.2.5 ZUSAMMENFASSUNG... 40

2.3 DISKUSSION ZUR NOTWENDIGKEIT EINER ÄNDERUNG DES BEGRIFFS DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT... 41

2.3.1 ARBEITSPROZESS DER ARBEITSGRUPPE PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFF (LEITUNG PROF. DR. PETER UDSCHING) ... 41

2.3.1.1 Ausgangspunkt der Diskussionen in der Arbeitsgruppe ... 41

2.3.1.2 Erster Zwischenschritt: Bewertung vorhandener Alternativen zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit ... 42

2.3.1.3 Das Neue Begutachtungsverfahren (NBA) - eine geeignete Grundlage für einen neuen, umfassenden Pflegebedürftigkeitsbegriff... 43

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2.3.2 STRUKTURELLE GRUNDSÄTZE DES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS AUS

RECHTLICHER SICHT... 44

2.3.2.1 Aufgabe des Faktors "Zeit"... 44

2.3.2.2 Die Kriterien des neuen Bewertungssystems... 45

2.3.2.2.1 Bewertungssystematik und Gewichtung ... 46

2.3.2.2.2 Probleme der Umsetzung ... 47

2.3.3 AUSWIRKUNGEN DES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS AUF DAS LEISTUNGSRECHT DER PFLEGEVERSICHERUNG... 48

2.3.4 VERORTUNG EINES UMFASSENDEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS IM SGB I ... 50

2.3.5 AUSWIRKUNGEN EINES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS AUF DAS VERHÄLTNIS VON PFLEGEVERSICHERUNG UND SOZIALHILFE (EINGLIEDERUNGSHILFE UND HILFE ZUR PFLEGE) ... 51

2.4 ABSCHLUSSBERICHT HAUPTPHASE 2 ... 52

2.4.1 STATISTISCHE ERFASSUNG DER ANTRAGSTELLER NACH DEM GRAD DER SELBSTÄNDIGKEIT ... 52

2.4.2 QUALITÄT DER UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE... 52

2.4.3 ERFASSUNG KOGNITIVER BEEINTRÄCHTIGUNGEN... 53

2.4.4 EMPFEHLUNG VON REHABILITATIONSMAßNAHMEN... 54

2.4.5 PRAKTISCHE ANWENDUNG... 54

2.4.6 KINDERBEGUTACHTUNG... 54

2.4.7 EINTEILUNG IN BEDARFSGRADE... 55

2.4.8 FISKALISCHE AUSWIRKUNGEN AUF DIE PFLEGEVERSICHERUNG... 56

2.4.8.1 SZENARIEN ZUR SCHWELLENWERTFESTLEGUNG... 57

2.4.8.2 ERGEBNISSE... 58

2.4.9 ZUSAMMENFASSUNG... 59

2.5 STRUKTURELLE WECHSELWIRKUNGEN AUF ANDERE SOZIALLEISTUNGSBEREICHE, INSBESONDERE AUF DIE SOZIALHILFE (HILFE ZUR PFLEGE, EINGLIEDERUNGSHILFE)... 60

2.5.1 PROBLEMDARSTELLUNG... 60

2.5.2 SYSTEMATIK DES SOZIALVERSICHERUNGSRECHTS / VERHÄLTNIS SGB XI ZU SGB XII... 60

2.5.3 AUSWIRKUNGEN DES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS... 61

2.6 FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN DER UMSETZUNG DES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS UND DES DAZUGEHÖRIGEN ASSESSMENTS FÜR DIE SOZIALHILFETRÄGER UND DIE PFLEGEKASSEN (ERGÄNZUNGSPROJEKT – DEZEMBER 2008 ROTHGANG ET AL.) ... 63

2.6.1 EINLEITUNG... 63

2.6.2 UNTERSUCHUNGSAUFTRAG... 63

2.6.3. UMSETZUNG... 64

2.6.4 FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN FÜR DIE SOZIALHILFETRÄGER UND DIE PFLEGEKASSEN IM ÜBERBLICK... 65

2.6.5 SOZIALPOLITISCHE SCHLUSSFOLGERUNGEN DER STUDIE... 66

KAPITEL 3: EMPFEHLUNGEN DES BEIRATS... 70

3.1. PRÄAMBEL... 70

3.2 NOTWENDIGKEIT EINER ÄNDERUNG DES BEGRIFFS DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT... 71

3.3 EIN DIFFERENZIERTER, AN LEBENSLAGEN ORIENTIERTER, AUF DEN GRAD DER SELBSTÄNDIGKEIT ABSTELLENDER PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFF... 71

3.4 DAS NEUE BEGUTACHTUNGSINSTRUMENT... 72

3.5 DAS NEUE BEGUTACHTUNGSASSESSMENT ALS INSTRUMENT ZUR BEGUTACHTUNG VON PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT... 73

3.6 ABBILDUNG VON BEDARFSLAGEN DURCH MODULE... 74

3.7 EINTEILUNG IN BEDARFSGRADE... 74

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5

3.8 ERFASSUNG DES REHABILITATIONSBEDARFS... 75

3.9 EIGNUNG ZUR ERSTELLUNG VON PFLEGE-, HILFE- UND VERSORGUNGSPLÄNEN... 75

3.10 VORSCHLAG FÜR EINE GESETZLICHE NEUREGELUNG IN §§ 14, 15 SGB XI ... 76

3.11 AUSWIRKUNGEN DES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS AUF DAS LEISTUNGSRECHT DER PFLEGEVERSICHERUNG... 77

3.12 AUSWIRKUNGEN DES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS AUF ANDERE SOZIALLEISTUNGSSYSTEME... 78

3.13 FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN... 78

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... 81

ANLAGEN ... 82

ANLAGE 1 MITGLIEDER DES BEIRATS ZUR ÜBERPRÜFUNG DES PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS BEIM BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT... 82

ANLAGE 2 ENTWURF DER FÜR DEN BEGRIFF DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT MAßGEBENDEN VORSCHRIFTEN... 85

ANLAGE 3 POSITIONSPAPIERE DER BEIRATSMITGLIEDER... 89

1. STELLUNGNAHME DER AKTION PSYCHISCH KRANKE E.V. VOM 31. OKTOBER 2008.... 89

2. THESEN DER BEAUFTRAGTEN DER BUNDESREGIERUNG FÜR DIE BELANGE BEHINDERTER MENSCHEN ZUM NEUEN BEGRIFF DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT UND ZUM NEUEN BEGUTACHTUNGSINSTRUMENT UNTER DEM GESICHTSPUNKT DER „KONVERGENZ ZUM REHABILITATIONS- UND TEILHABERECHT DES SGB IX“ VOM 19. JANUAR 2009 ... 91

3. POSITIONEN DER BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT DER FREIEN WOHLFAHRTSPFLEGE ZUR ENTWICKLUNG EINES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS UND EINES NEUEN BEGUTACHTUNGSVERFAHRENS VOM 07. JANUAR 2009 ... 95

4. POSITIONEN DER BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT DER ÜBERÖRTLICHEN SOZIALHILFETRÄGER VOM 18. DEZEMBER 2008 ... 102

5. POSITIONSPAPIER DES BUNDESVERBANDES PRIVATER ANBIETER SOZIALER DIENSTE E.V. ZUR SCHAFFUNG EINES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS UND EINES BUNDESWEIT EINHEITLICHEN UND RELIABLEN BEGUTACHTUNGSINSTRUMENTS ZUR FESTSTELLUNG DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT VOM 24. OKTOBER 2008 ... 110

6. POSITIONSPAPIER DER BUNDESVEREINIGUNG DER DEUTSCHEN ARBEITGEBERVERBÄNDE VOM OKTOBER 2008 ... 114

7. THESEN DER BUNDESVEREINIGUNG DER KOMMUNALEN SPITZENVERBÄNDE ZUR SCHAFFUNG EINES NEUEN PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS UND EINES NEUEN BEGUTACHTUNGSINSTRUMENTS ZUR FESTSTELLUNG DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT VOM JANUAR 2009 ... 116

8. POSITIONSPAPIER DES DEUTSCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES VOM 20. JANUAR 2009 .... ... 119

9. ECKPUNKTE ZUR POSITIONIERUNG DES DEUTSCHEN PFLEGERATES E.V. ZUR NEUFORMULIERUNG DES PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS NACH SGB XI VOM 23. OKTOBER 2008 ... 121

10. DISKUSSIONSPAPIER DES DEUTSCHEN VEREINS ZUR ABGRENZUNG DER BEGRIFFE UND LEISTUNGEN IN EINEM NEUEN VERSTÄNDNIS DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT VOM 01. OKTOBER 2008 ... 123

11. ECKPUNKTE DER POSITIONIERUNG DES GKV-SPITZENVERBANDES ZUR NEUAUSRICHTUNG DES PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS NACH DEM SGB XI VOM 30. OKTOBER 2008 ... 146

12. STELLUNGNAHME DER LÄNDER VOM 23. JANUAR 2009 ... 148

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6

13. ECKPUNKTE DES SOZIALVERBANDES VDK DEUTSCHLAND E.V., DER DEUTSCHEN

ALZHEIMER GESELLSCHAFT E.V., DER BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE E.V., DER

BAG SELBSTHILFE E.V., DES SOZIALVERBANDS DEUTSCHLAND E.V. (SOVD), DER

VERBRAUCHERZENTRALE BUNDESVERBAND E.V., DER BUNDESARBEITSGEMEINSCHAFT DER SENIOREN-ORGANISATIONEN E.V. ZUR NEUEN BEGUTACHTUNGSINSTRUMENT UND EINEM ERWEITERTEN BEGRIFF DER PFLEGEBEDÜRFTIGKEIT VOM 03. NOVEMBER 2008 ..

... 150 14. POSITIONEN DES VERBANDES DER PRIVATEN KRANKENVERSICHERUNG E.V. ZUR

ÜBERARBEITUNG DES PFLEGEBEDÜRFTIGKEITSBEGRIFFS DES SGB XI VOM 27.

OKTOBER 2008 ... 155

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Materialienband

1. Recherche und Analyse von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Einschätzungsinstrumenten, Gutachten des Instituts für Pflegewissenschaften der Universität Bielefeld, Verfasser: Dr.

Klaus Wingenfeld, Dr. Andreas Büscher, Prof. Dr. Doris Schaeffer, 23. März 2007

2. Das neue Begutachtungsassessment zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit, Abschlussbe- richt Hauptphase 1, Institut für Pflegewissenschaften der Universität Bielefeld, Medizini- scher Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe, Verfasser: Dr. Klaus Wingenfeld, Dr. Andreas Büscher, Dr. Barbara Gansweid, Bielefeld/Münster, 25. März 2008

3. Maßnahmen zur Schaffung eines neuen reliablen Begutachtungsinstruments zur Feststel- lung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI, Abschlussbericht Hauptphase 2, Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen, Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, Verfasser: Prof. Dr. Windeler, Prof. Dr. Gör- res, Stefanie Thomas, Andrea Kimmel, Ingo Langner, Karl Reif, Alexander Wagner, Ok- tober 2008

4. Finanzielle Auswirkungen der Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des dazugehörigen Assessments für die Sozialhilfeträger und die Pflegekassen, Ergänzungs- projekt zum Modellprojekt „Entwicklung und Erprobung eines neuen Begutachtungsin- struments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit“, Abschlussbericht, Zentrum für Sozial- politik der Universität Bremen, Verfasser: Prof. Dr. Heinz Rothgang, M. Holst, D. Kulik, Rainer Unger, unter Mitwirkung von Ulrich Schneekloth (TNS Infratest), Dezember 2008

5. „Möglichkeiten der Berücksichtigung von RAI 2.0 und/oder RAI HC bei der Erarbeitung eines zukünftigen Begutachtungsinstruments“, Expertise erstellt im Kontext von den Spit- zenverbänden der Pflegekassen durchgeführten Modellvorhabens: „Maßnahmen zur Schaf- fung eines neuen reliablen Begutachtungsinstruments zur Feststellung der Pflegebedürftig- keit nach dem SGB XI“, Alice Salomon Fachhochschule Berlin, Verfasser: Prof. Dr. Vjen- ka Garms-Homolovà in Kooperation mit Diplom-Psychologin Katrin Theiss, November 2007

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Vorwort des Beiratsvorsitzenden

Mit dem Vorschlag für einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und des damit verbundenen Begutachtungsverfahrens zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit legt der Beirat zur Überar- beitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs seinen Abschlussbericht vor. Der Abschlussbericht wurde in der Sitzung des Beirats am 26. Januar 2009 einstimmig beschlossen. Sein wesentli- ches Ziel ist die Verbesserung und Veränderung der Lebenslagen von Menschen mit Pflege- bedarf, die in ihrer Selbständigkeit beeinträchtigt sind.

Mit den erarbeiteten Ergebnissen werden der Politik Handlungsoptionen für die Weiterent- wicklung der Pflege aufgezeigt, und zugleich Grundlagen für eine sorgfältige gesellschaftli- che Diskussion eines zentralen Zukunftsthemas an die Hand gegeben: Die qualitätsgesicherte, an den persönlichen Bedarfen der Betroffenen ausgerichtete und menschenwürdige Pflege, Versorgung und Betreuung Hilfebedürftiger Menschen. Das Ergebnis der Beiratsarbeit, der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff, beschreibt einen Paradigmenwechsel.

Mit der vom Bundesministerium für Gesundheit erbetenen Umsetzungsstudie wird der Beirat im Anschluss an diesen Bericht den Verantwortlichen weitere Instrumente und Verfahren zur Implementation der Vorschläge unterbreiten. Die bisherigen Ergebnisse stärken die Erwar- tung, dass eine veränderte Betrachtung des pflegebedürftigen Menschen und eine verbesserte Pflege Wirklichkeit werden können.

Der Beirat konnte in einem konstruktiven, vertrauensvollen Klima arbeiten. Das hat seiner Arbeit gut getan. Mein Dank gilt allen Beiratsmitgliedern für die ergebnisorientierte Mitar- beit, eine offene, respektvolle Diskussionskultur und das erkennbare Ringen um die Gestal- tung zukunftsfähiger Lösungsvorschläge, die von allen getragen werden konnten. Dazu hat in besonderer Weise die Studienarbeit des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (Herr Dr. Wingenfeld und Herr Dr. Büscher) und des Instituts für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen (Herr Prof. Dr. Görres), die Arbeit des Medizini- schen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (Herr Prof. Dr. Windeler) und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (Frau Dr. Gansweid und Herr Dr. Heine), aber auch des Zentrums für Sozialpolitik an der Universität Bremen

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(Herr Prof. Dr. Rothgang) beigetragen. Zu nennen ist weiter die Arbeitsgruppe unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Udsching, die einen Entwurf für eine rechtliche Neufassung der §§ 14 und 15 des SGB XI vorgelegt hat. Ohne diese Arbeiten wäre die Entwicklung und Erprobung eines neuen Begutachtungsinstruments nicht möglich gewesen.

Einen besonderen Dank möchte ich den Mitgliedern der Redaktionsgruppe (Vorsitz Dr. h.c.

Jürgen Gohde) Herrn Klaus Dumeier, Frau Prof. Dr. Kuhn-Zuber, Herrn Gert Nachtigal, Herrn Prof. Dr. Peter Udsching und Frau Dr. Irene Vorholz aussprechen.

Dank gebührt ebenso den Mitgliedern und Vorsitzenden des Steuerungskreises des Modell- projekts, Herrn Paul Jürgen Schiffer und Herrn Klaus Dumeier, den Mitgliedern des Präsidi- ums, Frau Sabine Jansen, Herrn Prof. Dr. Peter Udsching und Herrn K.-Dieter Voß.

Frau Christine Wilcken hat mit größter Sorgfalt die Redaktion des Abschlussberichts über- nommen und seine Herausgabe betreut. Ich danke ihr besonders für diese Unterstützung der Arbeit des Beirats.

Dr. h.c. Jürgen Gohde

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11 Einführung: Auftrag und Ziel

Mit seinem Bericht legt der Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs konzep- tionelle Überlegungen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neu- en bundesweit einheitlichen und reliablen Begutachtungsinstruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vor.

Ausgangslage

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit im SGB XI und das darauf basierende Begutachtungsver- fahren werden bereits seit Einführung der Pflegeversicherung kritisch diskutiert. Pflegebe- dürftigkeit sei, so der Kern der Kritik, im SGB XI zu eng, zu verrichtungsbezogen und zu einseitig somatisch definiert. Dadurch würden wesentliche Aspekte, wie beispielweise die Kommunikation und soziale Teilhabe, ausgeblendet und der Bedarf an allgemeiner Betreu- ung, Beaufsichtigung und Anleitung bei Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz zu wenig berücksichtigt. Diese Ausgrenzung anderer Problem- und Bedarfslagen führe insbe- sondere dazu, dass die wachsende Zahl Hilfebedürftiger mit demenziellen Erkrankungen oder anders verursachten Einschränkungen der Alltagskompetenz keine adäquate Unterstützung durch Leistungen der Pflegeversicherung erhalte. Vielmehr verursache der im SGB XI derzeit geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff (§ 14 SGB XI) erhebliche Defizite bei der Versorgung dieser Personengruppe.

Zwar erhalten demenzkranke Menschen, die pflegebedürftig im Sinne des SGB XI und einer der Pflegestufen I bis III zugeordnet sind (§§ 14, 15 SGB XI), alle Leistungen der Pflegever- sicherung wie andere Versicherte auch. Nicht jeder Demenzkranke ist allerdings allein wegen dieser Erkrankung pflegebedürftig im Sinne des Rechts der Pflegeversicherung.

Bei der Feststellung von Pflegebedürftigkeit wird der Hilfebedarf demenziell erkrankter Men- schen gegenwärtig insbesondere durch die Einbeziehung der Hilfeform „Anleitung“, „Beauf- sichtigung“ und „Unterstützung“ berücksichtigt (vgl. § 14 Abs. 3 SGB XI). Nicht erfasst wird ein darüber hinausgehender allgemeiner Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf (z.B. Weg- lauftendenzen, Selbst- und Fremdgefährdung, Angst, Wahnvorstellungen, Aggressionen).

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Dies wird überwiegend als ungerecht empfunden, da mit dem allgemeinen Bedarf an Beauf- sichtigung und Betreuung regelmäßig eine besonders hohe Belastung der Angehörigen ver- bunden ist und die bisherige isolierte Betrachtung dieses besonderen Bedarfs im Verhältnis zur Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung im Recht der Pflegeversicherung von den Betroffenen nicht verstanden wird.

Aber auch andere Aspekte des gegenwärtigen Verfahrens zur Feststellung von Pflegebedürf- tigkeit stoßen auf Kritik, so beispielsweise die Regularien zur Ermittlung des Pflegebedarfs von Kindern, die trotz punktueller Optimierung im Rahmen der letzten Überarbeitung der Begutachtungsrichtlinien noch immer als unbefriedigend gelten.

Vor diesem Hintergrund wurde im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 festgelegt, dass mittelfristig eine Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vorbereitet werden soll.1 Mit den vom Bundesgesundheitsministerium beschlossenen Maßnahmen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen, bundesweit einheitlichen und reliablen Begutachtungsinstruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI und der damit verbundenen Einberufung des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs wurden konkrete Schritte einer solchen Überarbeitung eingeleitet.

Die Komplexität der Aufgabe erlaubte es nach Auffassung des Bundesministeriums für Ge- sundheit nicht, einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein entsprechend darauf ausge- richtetes Begutachtungsassessment bereits im Rahmen des Pflege- Weiterentwicklungsgesetzes zu etablieren.2 Über die Einführung eines neuen Pflegebedürftig- keitsbegriffs könne nur auf einer pflegewissenschaftlich fundierten Grundlage entschieden werden. Darüber hinaus sei auch die Situation nach Inkrafttreten der jüngsten Reform der Pflegeversicherung einzubeziehen.

1 Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, Kap. 9.2., Z. 4519 (S. 92).

2 Schreiben von Staatssekretär Dr. Schröder, BMG, vom 05. Oktober 2006.

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13 Auftrag und Ziel

Das Bundesministerium für Gesundheit hat dem Beirat den Auftrag erteilt, als Grundlage ei- ner zukünftigen Entscheidung über eine Änderung des geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des damit verbundenen Begutachtungsverfahrens zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit konkrete und wissenschaftlich fundierte Vorschläge und Handlungsoptionen zu erarbeiten, wobei insbesondere die Frage der finanziellen Auswirkungen auf die Pflegeversicherung und/oder andere Sozialleistungsbereiche zu klären war.

Der Pflegebedürftigkeitsgriff ist in seiner Bedeutung und praktischen Anwendung eng mit dem Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit verbunden und gibt diesem den wesentlichen Rahmen vor. Die Entwicklung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbeg- riffs und eines damit korrespondierenden neuen Begutachtungsverfahrens war daher eng auf- einander abzustimmen. Entsprechend musste – unter Berücksichtigung von Alternativformu- lierungen eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs – bereits im Vorfeld dessen Umsetzbarkeit mit einem bundesweit einheitlichen Begutachtungsinstrument geprüft und erprobt sowie dazu das Begutachtungsinstrument selbst neu gestaltet werden. Es bedarf vor einer Entscheidung des Gesetzgebers über eine Änderung des geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des da- mit verbundenen Begutachtungsverfahrens der Eruierung und Erprobung von Handlungsopti- onen.

Ausgangspunkt der Entwicklung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollte ein gegen- über dem SGB XI erweiterter Pflegebegriff sein. In die Diskussion wurde die Empfehlung einer Arbeitsgruppe des Bundespflegeausschusses aus dem Jahr 2002 einbezogen3, einen für alle Leistungsträger umfassenden Pflegebegriff zu schaffen und damit die Hilfe- und Unter- stützungsbedarfe verschiedener Sozialleistungsbereiche übergreifend zu erfassen. Aktivie- rungs-, Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf bezogen auf Lebensbereiche auch außerhalb der Verrichtungen im Sinne des § 14 SGB XI sowie der Bedarf an behandlungspflegerischen Maßnahmen, die Fähigkeit zu kommunizieren und der Bedarf an sozialer Betreuung sollte vom Pflegebedürftigkeitsbegriff umfasst sein. Hiervon ausgehend sollten bei der Entwicklung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs diejenigen Hilfebedarfe in den Pflegebedürftigkeits-

3 Recherche und Analyse von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Einschätzungsinstrumentarien, Institut für Pfle- gewissenschaft an der Universität Bielefeld (Wingenfeld, Büscher, Schaeffer), 23. März 2007, S. 32.

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begriff aufgenommen werden, die realistischer Weise im Leistungsrecht aufgegriffen werden können.4

Im Rahmen des zu dem erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff parallel zu entwickelnden Begutachtungsverfahrens ging es um die modellhafte Entwicklung und Erprobung eines neu- en, durch den Gesetzgeber noch nicht vorgegebenen Begutachtungsinstruments unter Berück- sichtigung der gleichzeitigen Erarbeitung eines vom Gesetzgeber ebenfalls noch nicht ent- schiedenen alternativen Pflegebedürftigkeitsbegriffs.

Die Überarbeitung des geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs muss aus Sicht des Bundesge- sundheitsministeriums „Akzeptanzprobleme“ bei den Versicherten ebenso wie „Finanzie- rungsrisiken“ für die Pflegeversicherung vermeiden. Unter der Prämisse, dass die Pflegeversi- cherung auch in der Zukunft ein "Kernsicherungssystem" bleibt, kann und soll sie auch zu- künftig nicht den gesamten Hilfebedarf pflegebedürftiger und alter Menschen übernehmen und finanzieren.5 Daher umfasste der Auftrag insbesondere auch die Beantwortung der Frage, wie sich die Änderung vor allem finanziell auf die Pflegeversicherung und/oder andere Sozi- alleistungsbereiche auswirkt.

Der Auftrag an den Beirat bezog sich in erster Linie auf die Neuformulierung des Pflegebe- dürftigkeitsbegriffs und die Entwicklung eines Begutachtungsverfahrens im Geltungsbereich des SGB XI und war von daher in besonderem Maße auf die Weiterentwicklung der Pflege- versicherung ausgerichtet. Dennoch galt es im Rahmen der Überprüfung des Pflegebedürftig- keitsbegriffs fachlich zu klären, ob und wie die Pflegeversicherung im Zusammenhang einer übergreifenden Konzeption der Bedarfsermittlung pflegebedürftiger Menschen zu positionie- ren ist. Diese weiter reichende Fragestellung knüpft auf der Ebene der individuellen Hilfepla- nung auch an die im Koalitionsvertrag enthaltene Zielvorgabe eines Gesamtkonzepts an, nach der Hilfen für alte, behinderte und pflegebedürftige Menschen in Bezug zu setzen sind.

4 Papier des Bundesgesundheitsministeriums „Maßnahmen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbeg- riffs und eines neuen bundesweit einheitlichen und reliablen Begutachtungs-Instruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI“.

5 Papier des Bundesgesundheitsministeriums „Maßnahmen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbeg- riffs und eines neuen bundesweit einheitlichen und reliablen Begutachtungs-Instruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI“.

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15 Diesem Auftrag und Ziel ist der Beirat mit seiner erarbeiteten Empfehlung zur Revision des Pflegebedürftigkeitsbegriffs nachgekommen. Er unterbreitet mit dem vorliegenden Bericht einen realistischen und umsetzbaren Vorschlag für die Neuformulierung eines Pflegebedürf- tigkeitsbegriffs sowie die Gestaltung und Einführung eines bundesweit einheitlichen Begut- achtungsinstruments und gibt auf Fragen der Finanzierung Antwort.

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Kapitel 1: Arbeitsablauf / Beratungsschritte

Am 10. Oktober 2006 hat das Bundesministerium für Gesundheit den Beirat zur Überarbei- tung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs einberufen. Der Beirat setzte sich aus verschiedenen Verbänden und Institutionen, die ihrerseits jeweils einen Vertreter in den Beirat beriefen, so- wie aus Vertretern der Wissenschaft zusammen.6 Die Verbände, Institutionen und die einzel- nen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren so ausgewählt, dass alle Interessenlagen und Kompetenzen des Handlungsfelds „Pflege“ berücksichtigt wurden. Die konstituierende Sitzung des Beirats fand am 13. November 2006 statt.

Am 29. April 2008 wurde das Beiratsmitglied Dr. h. c. Jürgen Gohde (Vorsitzender des Kura- toriums Deutsche Altershilfe) zum Vorsitzenden des Beirats ernannt. Er übernahm den Vor- sitz von Wilhelm Schmidt, Präsident des Deutschen Vereins für öffentliche und private Für- sorge, der vom Vorsitz des Beirats zurückgetreten war. Stellvertretender Vorsitzender des Beirats ist Prof. Dr. Peter Udsching, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht in Kassel.

1.1 Modellvorhaben und Ausschreibung

Parallel dazu hat das Bundesministerium für Gesundheit die Spitzenverbände der Pflegekas- sen gebeten, ein Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung im Rahmen des § 8 Absatz 3 SGB XI durchzuführen. Die Gestaltung und Einführung eines bundesweit einheitlichen Begutachtungsinstruments auf der Grundlage des SGB XI sind Aufgaben der Spitzenverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des MDS/der MDK-Gemeinschaft.7 Auf der Grundlage eines neu zu entwickelnden Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollte modellhaft ein völlig neues, durch den Gesetzgeber noch nicht vorgegebenes, Begutachtungsinstrument zur richtungweisenden Weiterentwicklung der Pflegeversicherung entwickelt und erprobt werden.

Es sollten Handlungsoptionen aufgezeigt werden, ob und wie der bisherigen Kritik an dem geltenden Pflegebedürftigkeitsbegriff und den damit verbundenen Auswirkungen sachgerecht abgeholfen werden kann. Ein Steuerungskreis, gebildet aus Vertretern des Bundesgesund- heitsministeriums, der Spitzenverbände der Pflegekassen, des Medizinischen Dienstes des

6 Mitglieder des Beirats siehe Anlage 1.

7 § 53a Nr. 2 SGB XI.

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17 Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, des Vorsitzenden des Beirats sowie der Wissen- schaft übernahm die unmittelbare Betreuung des Projekts.8

Der Beirat hat diesen Prozess der Entwicklung und Erprobung eines neuen Begutachtungsin- struments zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit begleitet. Seine Aufgabe war es, eine Emp- fehlung zur Formulierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs auszusprechen. Mit den Ergebnis- sen aus dem Modellprojekt sollten dem Beirat die dafür notwendigen Beratungs- und Ent- scheidungsgrundlagen bereitgestellt werden.

Ausschreibung

Das Modellprojekt „Maßnahmen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen bundeseinheitlichen und reliablen Begutachtungsinstruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI“ sollte eine Vor- und zwei Hauptphasen umfassen.

Aufgabe und Ziel der Vorphase bestanden darin, ausgehend von einer umfassenden nationa- len und internationalen Recherche eine Analyse und Bewertung von Pflegebedürftigkeitsbeg- riffen und Begutachtungs- bzw. Einschätzungsinstrumenten vorzunehmen. Hiermit sollten die Wissensgrundlagen zur Verfügung gestellt werden, auf denen weitergehende Schritte der Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der Angleichung des Begutachtungsverfah- rens aufbauen können.

Dieser Vorphase sollten zwei weitere Arbeitsphasen im Rahmen des Modellprojekts folgen.

Es war vorgesehen, dass auf der Grundlage der Vorphase in einer sich anschließenden ersten Hauptphase ein neues, praktikables Begutachtungsverfahren erarbeitet und dieses in einer zweiten Hauptphase praktisch erprobt wird.

Zunächst wurde die Erstellung der Vorstudie von den Spitzenverbänden der Pflegekassen durch eine nationale Ausschreibung ausgeschrieben.9 Aus mehreren Bewerbern erhielt das

8 Mitglied im Steuerungskreis waren Prof. Dr. Martin Moers (Fachhochschule Osnabrück), Klaus Dumeier (Vor- sitzender des Steuerungskreises), Paul Jürgen Schiffer (VdAK/AEV), Hanka Bendig (GKV-SV), Harald Kessel- heim (AOK-BV), Prof. Axel Mühlbacher (Hochschule Neubrandenburg), Wilhelm Schmidt/Dr. h.c. Jürgen Gohde (Vorsitzender des Beirats), Dr. Matthias von Schwanenflügel/Dr. Christian Berringer/Dr. Eckard Gram- bow (BMG), Gerd Kukla (IKK-BV – Teilnahme bis 31.05.2008 ), Meinolf Moldenhauer (BKK BV- Teilnahme bis 30.04.2008 ), Herr Dr. Pick (MDS - Teilnahme bis zum 27.03.2007).

9 Beschränkte Ausschreibung nach § 3 Nr. 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Nr. 3 VOL/A.

(19)

18

Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW) Anfang November 2006 den Zuschlag zur Durchführung der Vorphase.

Recherchebericht

Die als Ergebnis dieser Aufgabe durch das IPW angefertigte Studie „Recherche und Analyse von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Einschätzungsinstrumentarien“ vom 28. Februar 2007 (sog. Recherchebericht) wurde dem Beirat im Rahmen seiner Sitzung am 20. März 2007 vor- gestellt. Auf Anregungen des Beirats nahmen die Projektnehmer in dem Bericht vom 28. Feb- ruar 2007 Ergänzungen und sprachliche Präzisierungen im Hinblick auf die Darstellung des Begutachtungssystems in Japan und des alternativen Begutachtungssystems der MDK- Gemeinschaft vor. Der überarbeitete Bericht lag dem Steuerungskreis am 23. März 2007vor.10

Entsprechend der Ausschreibung steht im Mittelpunkt des Berichts zum einen die Frage nach den Möglichkeiten, ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis von Pflegebedürftigkeit zu formulieren, zum anderen erfolgt eine umfassende Darstellung, Analyse und Vergleich zahl- reicher Einschätzungsinstrumente. Dabei werden die Möglichkeiten und Grenzen der Adapti- on und/oder Kombination von Begutachtungsinstrumenten ausführlich aufgezeigt. Besondere Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf das von der MDK-Gemeinschaft entwickelte „alterna- tive Begutachtungsverfahren“.

Die Recherche nach Pflegebedürftigkeitsbegriffen umfasste verschiedene Quellen, u.a. pflege- theoretische Modelle, Pflegesicherungssysteme in anderen Ländern und Arbeiten internatio- naler Organisationen. Dabei stellten die Gutachter aus der internationalen sozialpolitischen Perspektive die Aspekte der funktionalen Abhängigkeit und personellen Hilfe als zwei für die Charakterisierung von Pflegebedürftigkeit zentrale Begriffe heraus. Aus der Perspektive pfle- getheoretischer Arbeiten gehöre zu einem gemeinsamen Verständnis von Pflegebedürftigkeit die Abhängigkeit von personeller Hilfe, die aus einem Missverhältnis zwischen Beeinträchti- gungen, Belastungen und Anforderungen einerseits sowie den individuellen Bewältigungsres- sourcen andererseits bestehe.

10 Veröffentlicht unter:

http://www.gkv.info/site/fileadmin/user_upload/PDF/Pflegeversicherung/ipw_bericht_20070323.pdf.

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19 Aus diesen Überlegungen heraus leiteten die Gutachter Elemente eines Pflegebedürftigkeits- begriffs ab. Danach wäre eine Person als pflegebedürftig zu bezeichnen, wenn sie infolge feh- lender personaler Ressourcen, mit denen körperliche oder psychische Schädigungen, die Be- einträchtigung körperlicher oder kognitiver/psychischer Funktionen, gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen kompensiert oder bewältigt werden könnten, dauerhaft oder vorübergehend zu selbständigen Aktivitäten im Lebensalltag, selbständiger Krankheitsbewäl- tigung oder selbständiger Gestaltung von Lebensbereichen und sozialer Teilhabe nicht in der Lage und daher auf personelle Hilfe angewiesen ist. Die Gutachter der Studie empfahlen, ein solches Grundverständnis bei den anstehenden Beratungen zur Neufassung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Analyse von Einschätzungsinstrumenten nahmen die Gutachter zunächst die Erfahrungen und Entscheidungsprozesse in anderen Ländern in den Blick. Insgesamt sind 38 verschiedene Assessmentinstrumente in die Analyse aufgenommen worden.11 Dabei konnte festgehalten werden, dass weltweit Verfahren favorisiert werden, die analog zu den vorste- hend genannten Elementen eines Pflegebedürftigkeitsbegriffs primär die Abhängigkeit von personeller Hilfe sowie die Ausprägung von funktionellen Einbußen, psychischen Problemla- gen und Verhaltensweisen abbilden und erst auf dieser Grundlage das Ausmaß von Pflegebe- dürftigkeit bestimmen.

Im Rahmen des Vergleichs der verschiedenen Einschätzungsinstrumente wurde den Instru- mente EASY care, FACE, RAI 2.0 und RAI HC eine grundsätzliche Eignung für die Feststel- lung von Pflegebedürftigkeit zuerkannt.12 Eine vorbehaltlose Empfehlung für ein einzelnes dieser Instrumente konnte unter Berücksichtigung inhaltlicher und methodischer Aspekte je- doch nicht ausgesprochen werden. Nach Einschätzung der Gutachter bedürfe jedes der ge- nannten Instrumente kontextspezifischen Anpassungen.13 Dieses Ergebnis liege auch in dem Umstand begründet, dass eine Entscheidung für einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ent- sprechende Auswirkungen auf das Begutachtungsverfahren haben werde, die zu diesem Zeit- punkt nicht vorweg genommen werden könnten.

11 Diese Instrumente teilten sich in drei Gruppen: Instrumente zur Bestimmung eines umfassenden Pflegebe- darfs, Instrumente zur vertiefenden Bestimmung von spezifischen Bereichen und Instrumente zur Einschätzung des Bedarfs bei Kindern.

12 Eine eingeschränkte Empfehlung wurde für die Instrumente CANE, RCN Assessment und RUM abgegeben.

13 Zudem wiesen die genannten Instrumente Schwächen vor allem aufgrund fehlender oder begrenzter Ergebnis- se bzgl. der methodischen Güte sowie deren komplexe Handhabung auf.

(21)

20

Auch das in Entwicklung befindliche „alternative Begutachtungsverfahren“ (ABV) konnte nicht empfohlen werden. Schwächen wies das ABV im Hinblick auf die inhaltliche Reichwei- te, die inhaltliche Systematisierung, die Erfassung von Präventions-/Rehabilitationsbedarf sowie die Abbildung psychischer Problemlagen auf. Auch der bislang erkennbare Ansatz der Bewertungssystematik erschien, ebenso für die anderen Instrumente, optimierungsbedürftig.

Im Hinblick auf die Begutachtung von Kindern wurde im Ergebnis festgehalten, dass keines der analysierten Instrumente einen überzeugenden Ansatz liefere. Ein neues, überzeugendes Verfahren für die Begutachtung bei Kindern im Alter bis zu 14 Jahren könne mit den derzeit verfügbaren Instrumenten nicht etabliert werden.

In Zusammenfassung der Ergebnisse wurde hinsichtlich eines neuen Begutachtungsverfahrens empfohlen, entweder eines der etablierten Instrumente (FACE, EASY Care oder RAI) bzw.

das alternative Begutachtungsverfahren der MDK-Gemeinschaft als mögliche Basis für ein zukünftiges Begutachtungsinstrument in Betracht zu ziehen, oder ein Instrument ohne Rück- griff auf verfügbare Verfahren zu entwickeln und dieses von vornherein mit dem Prozess der Überprüfung und Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs eng zu verzahnen.

Die Gutachter sahen für die zweite Option bessere Chancen, um innerhalb des festgelegten Zeitplans ein tragfähiges Instrument zu entwickeln. Mögliche Adaptionen etablierter Instru- mente und/oder Kombinationen mit anderen Instrumenten würden weitreichende Fragen in- haltlicher, methodischer, praktischer und gegebenenfalls lizenzrechtlicher Art aufwerfen, sei- en mit einem hohen Aufwand verbunden und nähmen daher voraussichtlich viel Zeit in An- spruch. Ähnliches gelte für eine mögliche Weiterentwicklung des alternativen Begutach- tungsverfahrens. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass sich die Frage der Kinderbegutach- tung mit der ersten Option mit großer Wahrscheinlichkeit nicht lösen lasse. Hingegen böte die Alternative der Neuentwicklung eines Begutachtungsinstruments mehr Spielraum für die Harmonisierung des Prozesses der Instrumentenentwicklung und des Prozesses der Überprü- fung und Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Eingriffe in die Struktur eines vorhan- denen Instruments, die aufgrund fehlender inhaltlicher Übereinstimmung mit dem Pflegebe- dürftigkeitsbegriff erforderlich würden, brächten in aller Regel erhebliche Komplikationen mit sich.

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21 Angesichts dieser Tatsachen wurde von den Gutachtern empfohlen, unter Einbeziehung von Ansätzen, die sich in den vorliegenden Instrumenten vorfinden, und unter strikter Orientie- rung am Grundsatz des modularen Aufbaus, die Neuentwicklung eines Begutachtungsinstru- ments einzuleiten.

In Anbetracht dieser Einschätzung, dass keines der untersuchten Begutachtungsverfahren oh- ne weitere Modifikationen einzuführen wäre, sprach sich der Beirat nach Diskussion der al- ternativen Empfehlungen der Gutachter - Übernahme eines bestehenden, etablierten Begut- achtungsinstruments oder Erarbeitung eines neuen Begutachtungsinstrumentes - einvernehm- lich für die letztere Option aus. Gleichzeitig fiel durch den Beirat die Entscheidung, an die in dem Recherchebericht genannten Elemente eines Begriffs der Pflegebedürftigkeit bei der Er- arbeitung eines neuen Begriffs anzuknüpfen. Dieser Entscheidung ging eine Empfehlung der Arbeitsgruppe „Formulierung eines Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ des Beirats voraus.

Der Beirat beschloss daher in seiner zweiten Sitzung am 20. März 2007, ausgehend von ei- nem weit gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriff, ein neues Begutachtungsinstrument und einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff gemeinsam zu entwickeln und in einem verzahnten Prozess modulartig aufeinander abzustimmen.

Leitfragen der Ausschreibung Hauptphase 1 und 2

Auf der Grundlage dieser Entscheidungen wurden durch den Beirat Leitfragen für die Aus- schreibung der Entwicklung und Erprobung eines neuen, modulhaft zu gestaltenden Begut- achtungsinstruments formuliert. Ein erster Entwurf der Leitfragen, die im Rahmen der Aus- schreibung insbesondere zu berücksichtigen sind, ging dabei aus der Beiratssitzung vom 20.

März 2007 hervor. Diese wurden in einem anschließenden Konsultationsprozess überarbeitet und präzisiert.14

14 Die Leitfragen wurden den Beiratsmitgliedern im Umlaufverfahren zugeleitet und abgestimmt. Die verschie- denen Stellungnahmen flossen dabei in die endgültige Formulierung der Leitfragen ein.

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22

Die Beantwortung folgender Leitfragen sollte bei der Erarbeitung der Konzeption des Begut- achtungsinstruments sichergestellt werden:

1. In welcher Weise und wie weit reichend werden durch das neue Begutach- tungsinstrument und den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff Lücken in der Ver- sorgung und Betreuung pflegebedürftiger Menschen geschlossen?

Welche Hilfebedarfe, die die bisherige Definition und das bisherige Begutach- tungsverfahren nicht berücksichtigt haben, werden vom neuen Begriff und Ver- fahren erfasst? Welche Hilfebedarfe bleiben unberücksichtigt?

2. Wie wird in dem neuen Begutachtungsinstrument die Begutachtung pflegebe- dürftiger Kinder geregelt? Wie erfolgt die Feststellung des krankheits- oder be- hinderungsbedingten Mehrbedarfs gegenüber einem gesunden Kind gleichen Alters?

3. Welche Möglichkeiten und Grenzen ergeben sich aus einem modulhaft gestal- teten Begutachtungsinstrument?

4. Wie und in welchem Rahmen werden die unbestimmten Begriffe "Lebensbe- reiche" und "Soziale Teilhabe" in das modulhaft gestaltete Begutachtungsin- strument integriert?

5. Wie berücksichtigt das Begutachtungsinstrument die Strukturen und Anforde- rungen unterschiedlicher Leistungsträger? Leistet bzw. unterstützt das Begut- achtungsinstrument eine leistungsbereichsübergreifende Bedarfserstellung, et- wa als Grundlage für ein persönliches Budget?

6. In welcher Form sollen bzw. werden tatsächlich im Begutachtungsverfahren die Bereiche Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit unterschieden? Wird durch den modulhaften Aufbau des Begutachtungsinstruments eine klare Zu- ordnung von Leistungsverantwortung an unterschiedliche Leistungsträger er- möglicht?

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23 7. Welche weiteren sozialrechtlichen und fiskalischen Zusammenhänge, Entwick-

lungen und Konsequenzen ergeben sich aus einem erweiterten Pflegebedürftig- keitsbegriff für das SGB V, IX, XI und XII?

8. Welche Möglichkeiten und Grenzen zur Ermittlung des Umfangs an Hilfebe- darf ergeben sich, wenn auf die zeitliche Bemessung verzichtet wird?

9. Welche Möglichkeiten und Grenzen bestehen hinsichtlich dieses Instruments für die Pflegeplanung?

10. Welcher Aufwand (Begutachtungsdauer, Schulung) ist für das neue Begutach- tungsverfahren erforderlich? Welchen Professionen sollen die Gutachter ange- hören und welche Kompetenzen sollen sie erhalten?

11. Wie berücksichtigt das neue Begutachtungsinstrument das Selbstbestimmungs- recht der zu begutachtenden Menschen? Wie werden ihre individuellen Wün- sche und Bedürfnisse berücksichtigt, und wie wird in jeder Verfahrensstufe Transparenz für die Betroffenen hergestellt?

Auf der Grundlage dieser Leitfragen wurden die Hauptphase 1 und 2 des Modellprojekts durch die Spitzenverbände der Pflegekassen im Rahmen des Modellprogramms gemäß § 8 Absatz 3 SGB XI in Form einer europaweiten Ausschreibung öffentlich ausgeschrieben.15

Bei der Erarbeitung eines neuen Begutachtungsinstruments waren neben der Beantwortung der Leitfragen laut Ausschreibung u.a. auch folgende Schwerpunktaufgaben zu beachten:

• Das neue Begutachtungsverfahren soll objektive, nachvollziehbare und wie- derholbare Abbildungen der individuellen Pflegesituation ermöglichen, d.h.

Fähigkeitsstörungen, Ressourcen und Hilfebedarf des Antragstellers berück- sichtigen.

• Die Begutachtungsergebnisse müssen für den Versicherten transparent und nachvollziehbar sein.

15 Öffentliche Ausschreibung vom 23. Mai 2007 (ted.europa.eu).

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24

• Auf der Grundlage des Gutachtens muss die Pflegeeinrichtung in der Lage sein, einen Pflegeplan für den Pflegebedürftigen zu erstellen.

• Zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit, zum Ausgleich von Behinderun- gen und zum Erhalt der Selbständigkeit ist sicherzustellen, dass bei jeder Begutachtung – auch wenn keine Pflegestufe vorliegt - der Präventions- und Rehabilitationsbedarf sowie notwendige Maßnahmen zur Hilfsmittelversor- gung des Antragstellers ermittelt und dokumentiert werden.

• Die Erstellung des Gutachtens muss in einem ökonomisch vertretbaren Zeit- rahmen erfolgen können. Der zeitliche Rahmen für ein Erst- oder Folgegut- achten sollte im Regelfall maximal 45-60 Minuten für die gesamte Dauer des Hausbesuchs betragen.

• Mit der Erarbeitung eines neuen Begutachtungsverfahrens ist sicherzustel- len, dass auch das Verfahren zur Feststellung des Hilfebedarfs von pflege- bedürftigen Kindern situationsgerecht gestaltet ist.

• Erschwernistatbestände und – soweit rechtlich noch erforderlich – die Vor- aussetzungen für die Anerkennung von Härtefällen sind im Begutachtungs- instrument zu prüfen.

• Das Begutachtungsverfahren muss in der Lage sein, Fähigkeitsstörungen und Ressourcen aufzudecken, zu gewichten und eine eindeutige Zuordnung von Leistungsansprüchen ermöglichen. Die Bemessungssystematik des Be- gutachtungsinstruments bzw. die Gewichtung der einzelnen Module des Verfahrens sind so zu gestalten, dass es zu keiner unkontrollierten Auswei- tung von Leistungsberechtigten der Pflegeversicherung kommt.

• Der Modul-Charakter des Begutachtungsinstruments muss gewährleisten, dass eine direkte Zuordnung der Hilfebedarfe zu den jeweiligen Leistungs- trägern möglich ist.

• In einem eigenständigen Modul des Begutachtungsinstruments ist die Teil- habe am Leben in der Gesellschaft hinsichtlich einer möglichst selbständi- gen und selbstbestimmten Lebensführung zu berücksichtigen.

• Plausibilitätsprüfungen zu den Angaben der erbrachten Hilfeleistung sind sicherzustellen.

• Eine formale und inhaltliche Qualitätsprüfung des Begutachtungsverfahrens ist zu gewährleisten.

• Rentenrelevante Angaben zur Pflegeperson sind zu erfassen.

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25 Im Rahmen der Erprobung sollte das Begutachtungsverfahren von einer unabhängigen Ein- richtung wissenschaftlich auf seine Validität16, Reliabilität17, Sensitivität18, Spezifität19 und Änderungssensitivität20 hin überprüft werden. Darüber hinaus sollten im Ergebnis der Erpro- bung klare Aussagen zu den finanziellen Folgewirkungen des neuen Begutachtungsinstru- ments auf die Pflegeversicherung gemacht werden können. Insbesondere sollte eine verglei- chende Bewertung dieser Ergebnisse im Verhältnis zu den aktuellen Begutachtungsgrundla- gen erfolgen.

Das Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK Westfalen-Lippe), der Medizini- schen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) und das Institut für Pub- lic Health und Pflegeforschung der Universität Bremen (IPP) haben als Arbeitsgemeinschaft ein gemeinsames Angebot zu dieser Ausschreibung unterbreitet. Im Juli 2007 wurde diesem Angebot von den Spitzenverbänden der Pflegekassen der Zuschlag erteilt. Zur Durchführung des Auftrags hat die Arbeitsgemeinschaft folgende Aufgabenverteilung vereinbart: Die Erar- beitung des neuen Begutachtungsinstruments (Hauptphase 1) erfolgt gemeinsam durch das IPW, unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Schaeffer, Herrn Dr. Wingenfeld und Herrn Dr.

Büscher, und den MDK Westfalen-Lippe, unter der Leitung von Frau Dr. Gansweid und Herrn Dr. Heine, dessen praktische Erprobung (Hauptphase 2) durch das IPP, unter der Lei- tung von Herrn Prof. Dr. Görres, und den MDS, unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Winde- ler.

Ein begleitender Gutachtenauftrag zu den „Möglichkeiten der Berücksichtigung von RAI 2.0 und/oder RAI HC bei der Erarbeitung eines zukünftigen Begutachtungsinstruments erging im Juli 2007 an Frau Prof. Dr. Garms-Homolovà. Der Auftrag sah vor, zwei Instrumente des in- terRAI-Assessmentsystems (RAI 2.0 und RAI HC) fachlich einzuschätzen und die Fragen zu beantworten, die sich aus dem Recherchebericht des IPW vom 23. März 2007 ergeben. Nach Auffassung des Steuerungskreises ergaben sich aus dem Gutachten jedoch keine neuen zu berücksichtigen Gesichtspunkte im Hinblick auf die Möglichkeit und Grenzen der Adaption

16 Zielgerichtetheit auf die tatsächliche Messung der Pflegebedürftigkeit – Gültigkeit.

17 Reproduzierbarkeit des Tests mit gleichem Ergebnis – Zuverlässigkeit.

18 Erfassung der Betroffenen.

19 Ausschluss der Nicht-Betroffenen.

20 Nachweis wichtiger Veränderungen.

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26

oder Modifikation des interRAI-Assessmentsystems bei der Entwicklung eines neuen Begut- achtungssystems.

1.2 Arbeitsschritte 1.2.1 Zeitplan

Vor dem Hintergrund des durch die am 01. Juli 2008 in Kraft tretende Pflegereform und des den Ablauf der Legislaturperiode im Herbst 2009 gesetzten Rahmens sollten die Arbeiten an dem Modellvorhaben nach Vorgabe des Bundesgesundheitsministeriums zum 1. November 2006 beginnen und bis zum 30. November 2008 abgeschlossen sein. Aufgrund der durch den Steuerungskreis und den Beirat im Juni 2008 beschlossenen Erweiterung der Datenbasis wur- de die Vorlage des Endberichts des Beirats an das Bundesgesundheitsministerium auf den 31.

Dezember 2008 verschoben.

Die Zeitplanung als solche wurde von den Projektnehmern von Beginn an als sehr ehrgeizig eingeschätzt. Die Entwicklung eines wissenschaftlich fundierten und praktikablen Begutach- tungsverfahrens sowie dessen anschließende praktische Erprobung stellten für die Projekt- nehmer ein anspruchsvolles und aufwändiges Unternehmen dar. Der Zeitplan erforderte eine sehr straffe Arbeitsorganisation. Die Arbeiten wurden stets im Rahmen des vorgegebenen Zeitrahmens fertig gestellt.

1.2.2 Arbeitsphasen

Entsprechend der drei Arbeitsphasen wurde jeweils vor Eintritt in die nächste Phase unter Bewertung der vorliegenden Ergebnisse überprüft, ob und mit welchen Fragestellungen das Projekt fortgeführt wird. Die Arbeitsweise im Zeitverlauf stellte sich wie folgt dar:

In der Anfang November 2006 beginnenden Vorphase wurde eine umfassende nationale und internationale Analyse und Bewertung von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Begutachtungs- bzw. Einschätzungsinstrumenten vorgenommen. Mit der Recherche wurden die Wissens- grundlagen zur Verfügung gestellt, auf denen weitergehende Schritte der Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und Angleichung des Begutachtungsverfahrens aufbauen konn- ten. Dabei wurden insbesondere vorhandene Assessmentinstrumente auf ihre Verwendungs-

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27 fähigkeit überprüft. Die Vorphase wurde mit Vorlage des Rechercheberichts am 28. Februar 2007 abgeschlossen.21

In der sich unmittelbar anschließenden Hauptphase 1 wurde von den Projektnehmern, dem Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und dem Medizinische Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe, ein neues praktikables, standardisiertes und allgemein anerkanntes Begutachtungsverfahren zur Erhebung des individuellen Hilfebedarfs auf der Basis der Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen mit der Möglichkeit der Zuordnung zu einer Pflegestufe erarbeitet. Die erste Hauptphase umfasste auch einen Pretest, um bereits in dieser Phase wichtige Aufschlüsse hinsichtlich der Entwicklung einer Bewertungssystematik, der Praktikabilität des neuen Begutachtungsinstruments und des Zeitaufwands zu erbringen.

Die Projektnehmer legten am 31. Dezember 2007 ihren Zwischenbericht vor. Die Hauptphase 1 endete am 29. Februar 2008 mit Vorlage des Abschlussberichts.

In der am 01. März 2008 begonnenen Hauptphase 2 wurden Eignung und mögliche Konse- quenzen des in der Hauptphase 1 entwickelten Begutachtungsinstruments mit wissenschaftli- chen Methoden auf der Grundlage empirischen Datenmaterials durch das Institut of Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen und den Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen evaluiert. Hauptzielsetzungen der Hauptphase 2 waren die wissenschaftliche Beurteilung der Güte des neu entwickelten Begutachtungsinstru- ments und die Abschätzung möglicher inhaltlicher und finanzieller Folgen, die sich aus einer Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der Neukonzeption des Begutachtungsin- struments ergäben. Erste Ergebnisse wurden am 31. Juli 2008 in einem Zwischenbericht prä- sentiert, der dem Beirat am 27. August 2008 vorgelegt wurde. Der Abschlussbericht zur Hauptphase 2 wurde fristgerecht am 31. Oktober 2008 durch die Projektnehmer eingereicht und im Rahmen des Treffens des Beirats am 06./07. November 2008 vorgelegt.

1.3 Arbeitsorganisation

Der Ablauf und die Durchführung des Modellprojekts wurden durch den Beirat begleitet. Die- ser arbeitete unabhängig vom Steuerungskreis, von den Projektnehmern sowie vom Bundes- ministerium für Gesundheit. Im Rahmen seiner insgesamt fünfzehn Sitzungen wurde der Bei-

21 Die überarbeitete Fassung des Berichts wurde am 23. März 2007 vorgelegt.

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28

rat über die Projektfortschritte informiert und setzte sich mit den genannten Fragestellungen aktiv auseinander.22 Im Zentrum stand dabei stets eine ergebnis- und konsensorientierte Dis- kussion.

Die Aufgabe des Beirats bestand darin, in Auswertung der durch die Projektnehmer vorgeleg- ten Ergebnisse, dem Gesetzgeber Vorschläge zum weiteren Vorgehen zu machen. Dies um- fasste insbesondere eine Empfehlung zur Formulierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Vor- bereitende Arbeiten hierzu leistete eine Arbeitsgruppe des Beirats, welche sich aus Mitglie- dern des Beirats oder deren Vertretern zusammensetzte.23 Geleitet wurde die Arbeitsgruppe von Herrn Prof. Dr. Udsching.

1.4 Fachkonferenzen und Workshop

Die wissenschaftliche Diskussion im Beirat wurde im Rahmen zweier Fachkonferenzen sowie eines Workshops beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge begleitet und fortgesetzt. Auf Anregung des Beirats machte der damalige Vorsitzende des Beirats Wilhelm Schmidt das Angebot, die Fachkonferenzen unter dem Dach des Deutschen Vereins für öf- fentliche und Private Fürsorge durchzuführen. Sie dienten neben der Einbeziehung der Fach- welt in den Prozess der Entwicklung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen Begutachtungsverfahrens vor allem dem konstruktiven Fachdiskurs und der Betrachtung des Prozesses aus verschiedenen Blickwinkeln.

Fachkonferenz am 14. Dezember 2006

Eine erste Fachkonferenz fand unmittelbar nach der Einberufung des Beirats am 14. Dezem- ber 2006, zum Auftakt des Modellvorhabens zur Entwicklung eines neuen Pflegebedürftig- keitsbegriffs statt.24 Sie bot einen ersten Überblick der Arbeiten an dem Modellprojekt und diente insbesondere dem Austausch, welche Bedürfnisse und konzeptionellen Möglichkeiten es für die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs aus Sicht der beteiligten Akteure

22 Der Beirat tagte am 13. November 2006, 20. März 2007, 04. September 2007, 14. Dezember 2007, 17. Januar 2008, 07. März 2008, 29. April 2008, 27. Juni 2008, 27. August 2008, 15. Oktober 2008, 06./07. November 2008, 24. November 2008, 09. Dezember 2008, 08. Januar 2009 und am 26. Januar 2009.

23 Siehe Anl. 1 (Mitglieder). Die Arbeitsgruppe zur Formulierung eines Begriffs der Pflegebedürftigkeit tagte am 09. März 2007, 03. Dezember 2007, 17. Januar 2008, 06. März 2008, 25. April 2008 und 06. November 2008.

24 Die Referate der Fachtagung sind im Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2/2007 veröffent- licht. Der Ablauf und eine Liste der Diskussionsteilnehmer ist unter: www.deutscher-verein.de abrufbar.

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29 gebe. Die Ergebnisse der Fachkonferenz wurden im Diskussionsprozess im Beirat aufgegrif- fen.

Fachkonferenz am 08. November 2007

Die den Beirat begleitende wissenschaftliche Diskussion wurde in einer weiteren Fachkonfe- renz beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge am 08. November 2007 fortgesetzt.25 In diesem Rahmen fand – neben der Präsentation der Studie von Frau Prof. Dr.

Garms-Homolovà zu zwei Instrumenten des interRAI-Assessmentsystems (S. 20) – insbeson- dere auch eine Debatte über das von Prof. Klie u.a. unterzeichnete Memorandum „Die Quad- ratur des Kreises in der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit“ statt.26 Die Unterzeichner des Memorandums betonten, dass sie die Zielsetzung einer Neuentwicklung eines Pflegebedürf- tigkeitsbegriffs und des dazugehörigen Begutachtungsverfahrens uneingeschränkt begrüßten.

Eine Spaltung der Wissenschaft sei durch das Memorandum weder vorgesehen noch werde dies angestrebt. Anliegen des Memorandums sei es, auf grundlegende methodische Probleme angesichts des politisch vorgegebenen Zeitrahmens hinzuweisen. Die Entwicklung eines Ver- fahrens habe in den meisten Ländern deutlich länger als drei Jahre in Anspruch genommen.

Insofern verfehle die derzeitige Planung Kriterien wie das der Nachhaltigkeit bei der Entwick- lung eines robusten Assessmentverfahrens. Zudem wurden Bedenken im Hinblick auf die Beteiligung von Interessenvertretern geäußert. Die Unterzeichner des Memorandums spra- chen sich daher dafür aus, das Ausschreibungsverfahren kurzfristig zu wiederholen und zu qualifizieren.

Workshop am 02. Juni 2008

Zur Vorbereitung der weitergehender Befassung des Beirats über die leistungsrechtlichen und systematischen Auswirkungen eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs, hat der Beirat den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge gebeten, mit Experten einen Workshop durchzuführen und die Ergebnisse des Workshops im Beirat zu diskutieren. Am 02. Juni 2008 wurde der Workshop „Pflegebedürftigkeit im Kontext von SGB XI, SGB IX und SGB XII“

beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge abgehalten. Im Rahmen dieses

25 Die Referate der Fachtagung sind unter: www.deutscher-verein.de/03-events/2007/gruppe4/f-473-07- fachkonferenz-pflegebeduerftigkeitsbegriff abrufbar.

26 Memorandum, Clemens Becker, Berthold Dietz, Mona Frommelt, Thomas Klie, 2008, veröffentlicht unter:

www.deutscher-verein.de/03-events/2007/gruppe4/f-473-07-fachkonferenz-pflegebeduerftigkeitsbegriff.

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30

Workshops wurden drei Arbeitsgruppen gebildet (AG 1 Begriff der Pflegebedürftigkeit und der Behinderung – Beschreibung der Lebenslagen behinderter und pflegebedürftiger Men- schen / AG 2 Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und Eingliederungshilfe für behinderte Men- schen / AG 3 Feststellung der Bedarfe zur Pflege, Teilhabe und Rehabilitation) und die Er- gebnisse der Arbeit in den Arbeitsgruppen in einer anschließenden Plenumsdiskussion erör- tert.

1.5 Kommunikation

Der Beirat hat im Rahmen seiner Arbeit stets die Grundsätze von Transparenz und Beteili- gung gewahrt und gefördert. Dies wurde zum einen durch die genannten Fachkonferenzen und Workshops beim Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge gewährleistet.

Zum anderen wurden die während des Modellprojekts erstellten Berichte – Recherchebericht sowie die Abschlussberichte Hauptphase 1 und 2 – im Internet veröffentlicht.27 Darüber hin- aus war die Kommunikation „nach innen“ über die dem Beirat angehörigen Verbände und Institutionen und deren jeweilige Vertreter fortwährend gegeben.

Am 07. Mai 2008 berichtete Frau Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf Anfrage der Fraktion der FDP dem Gesundheitssauschuss des Deutschen Bundestags über den Stand der Arbeit des Beirats.28 Der Ausschuss wurde umfänglich über das Modellprojekt und die bereits vorliegenden Ergebnisse unterrichtet.29

Im Hinblick auf die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft findet ein verbindli- cher Dialog zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und den Ländern statt.30 Im Beirat wurde die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft angeregt.

27 Veröffentlicht unter:

http://www.gkv.info/site/fileadmin/user_upload/PDF/Pflegeversicherung/ipw_bericht_20070323.pdf;

https://www.gkv-spitzenverband.de/upload/Abschlussbericht_25.03.08_1652.pdf und https://www.gkv- spitzenverband.de/upload/081127_Abschlussbericht_Endfassung(neu)_3868.pdf.

28 Ausschuss für Gesundheit im Deutschen Bundestag - Ausschussdrucksache 16(14)0383.

29 Bereits unmittelbar nach der Einberufung des Beirats Information des Bundetages durch Antworten der Bun- desregierung auf die kleinen Anfragen der FDP Fraktion zu der Zusammensetzung und den Arbeitsinhalten des Beirats, BT-Drs. 16/3389 und BT-Drs. 16/3399.

30 Schreiben von Herrn Staatssekretär Dr. Körner, Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein sowie gleichlautendes Schreiben von Friedrich Seitz, Amtschef des Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, beide vom 22. August 2008 an Herrn Staatssekretär Dr. Schröder, BMG, sowie entsprechendes Antwortschreiben vom 06. Oktober 2008.

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31 1.6 Erweiterung der Datenbasis

Im weiteren Beratungs- und Diskussionsprozess innerhalb des Beirats kristallisierte sich die Notwendigkeit der zusätzlichen Klärung von strukturellen und finanziellen Folgen eines neu- en Pflegebedürftigkeitsbegriffs und Begutachtungsverfahrens für die Sozialhilfe heraus. Aus- gangspunkt der Diskussion war, dass die Erprobung des neuen Assessementverfahrens bislang ausschließlich bei SGB XI-Antragstellern erfolgte. Dies war insoweit auch zweckmäßig, da auf diese Weise der große Teil der zukünftigen Leistungsbezieher erfasst wurde und die Be- gutachtung in so großer Zahl auf anderem Weg in der vorgegebenen Zeit nicht darstellbar schien. Jedoch wurden durch diese Vorgehensweise die Personengruppen nicht erfasst, die bislang keinen Antrag auf Pflegeleistungen nach dem SGB XI gestellt hatten, nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und Begutachtungsverfahrens jedoch zukünftig möglicherweise leistungsberechtigt wären, beispielweise behinderte Menschen in Einrichtungen der Einglie- derungshilfe, demenziell Erkrankte oder sonstige Hilfebedürftige. Darüber hinaus wurden bis zu diesem Zeitpunkt die fiskalischen Auswirkungen auf die Sozialhilfeträger nicht themati- siert.

Daraufhin verständigte sich der Beirat, der Beantwortung dieser Fragestellungen durch eine Erweiterung des laufenden Modellprojekts Rechnung zu tragen. Dabei war sich der Beirat der daraus folgenden zeitlichen Verschiebung des Abgabetermins seines Berichts an das Bun- desministerium für Gesundheit bewusst. Mit der Durchführung einer erweiterten Studie wollte der Beirat die Gelegenheit nutzen, aussagekräftige Daten für die Bezieher von Eingliede- rungshilfe, demenziell Erkrankte und sonstige Hilfebedürftige vorzulegen.

Die Anfertigung einer Studie zu den Auswirkungen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs auf die Sozialhilfeträger erfolgte durch die Vergabe des GKV-Spitzenverbands gemäß § 8 Absatz 3 SGB XI an den Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkas- sen. Der Erweiterungsantrag zielte darauf ab, abzuschätzen, in welchem Umfang mit zusätzli- chen Leistungsbeziehern zu rechnen ist, die bisher keinen Antrag nach dem SGB XI gestellt haben und davon erfasst sind. Weiterhin sollten die fiskalischen Auswirkungen für die Pfle- geversicherung und die Sozialhilfeträger untersucht werden; auch im Hinblick auf die im lau- fenden Hauptprojekt erfassten Personen. Die Projektnehmer haben die entsprechende Studie am 08. Januar 2009 vorgelegt.

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1.7 Ergänzender Bericht des Beirats

Nach einem Zwischenbericht des Vorsitzenden an die Ministerin zur Vorbereitung des Endbe- richts des Beirats bat diese den Beirat in der Sitzung vom 15. Oktober 2008 um einen ergän- zenden Bericht bis Ostern 2009. Der Beirat wurde gebeten, auf der Grundlage der Ergebnisse und Empfehlungen des Endberichts, mögliche Strategien und konkrete Umsetzungsschritte der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen Begutachtungsver- fahrens in das SGB XI zu prüfen, mögliche Alternativen zu bewerten und Empfehlungen zu erarbeiten.

Dabei sollen insbesondere die folgenden Fragestellungen berücksichtigt werden:

1. Welche vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen sind aus Sicht des Bei- rats zur Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen Begutachtungsverfahrens erforderlich? Müssen zusätzliche administrative Vor- aussetzungen geschaffen werden, und wenn ja, welche?

2. Ist eine schrittweise Einführung des neuen Begutachtungsverfahrens möglich und wie könnte dieses gestaltet werden? Ist ein Nebeneinander von "altem" und

"neuem" Begutachtungsverfahren – ggf. mit individueller Wahlfreiheit durch den Antragsteller – möglich, und welche Folgen hätte dies?

3. Welche Möglichkeiten bestehen, im Rahmen eines Umsetzungskonzepts den Zeitpunkt der Einführung eines neuen Begutachtungsverfahrens nach bestimm- ten Gesichtspunkten zu differenzieren (z.B. regional unterschiedliche Einfüh- rungs- bzw. Erprobungsphasen; Unterscheidung nach bestimmten Gruppen der Antragsteller bzw. Leistungsberechtigten, z.B. schrittweise Einführung zu- nächst nur bei allen über 90-jährigen oder allen unter 65-jährigen Antragstel- lern)?

4. In welcher Form und in welchem Zeitraum soll und kann bisherigen Leistungs- empfängern in der sozialen und privaten Pflegeversicherung Bestandschutz gewährt werden? Welche Wirkungen können in diesem Zusammenhang neue Begutachtungen haben?

(34)

33 5. Wie können die Leistungen der Pflegeversicherung an die neue Differenzie-

rung der Bedarfsgrade angepasst werden? Sollen die Leistungsansprüche ein- heitlich nach den neuen Bedarfsgraden differenziert werden, oder ist eine Dif- ferenzierung nach dem Schwerpunkt der Einschränkung der Selbständigkeit sinnvoll?

6. Welche sonstigen Möglichkeiten bestehen, um das Risiko unerwünschter Kos- tenfolgen insbesondere für die soziale und private Pflegeversicherung zu be- grenzen?

7. Welche Kostenwirkungen haben Maßnahmen und Szenarien, die auf der Grundlage der Fragen 1 bis 6 entwickelt werden, für die soziale und private Pflegeversicherung (Leistungsausgaben, Verwaltungsausgaben der Pflegekas- sen und der MDKen)?

In der Sitzung vom 09. Dezember 2008 erläuterte Staatssekretär Dr. Schröder nochmals die Intention, ebenso die Einsetzung der Bund- Länderarbeitsgruppe zur Bearbeitung der Schnitt- stellenproblematik von Pflegeversicherung, Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege. Dem Beirat wurde über das Präsidium am 08. Januar 2009 eine Arbeitsskizze vorgelegt.

Abbildung

Tabelle  1  enthält  die  in  Modellrechnung  verwendeten  Schwellenwerte  für  die  insgesamt  5  Szenarien:
Tabelle 3:  Art  und  Richtung  der  finanziellen  Auswirkungen  für  Pflegeversicherung  und Sozialhilfeträger
Tabelle  4:  Fiskalische  Effekte  des  Neuen  Begutachtungsassessment  bei  verschiedenen  Szenarien zur Schwellenwertbildung

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