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Ein „monströser“ Gänseschädel aus dem frühen Barock in der ornithologischen Sammlung des Senckenberg-Museums

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Academic year: 2022

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Natur und Museum 137(3/4) 2007

wegen Stumpfsinnes und eines Übermaßes an Feuchtigkeit, häufiger als unter anderen Vögeln unnatürliche Bildungen erzeugt wer- den, bezeugt Caspar Schwenckfeld in `The- riotropheum Silesiae´ [ein 1603 erschienenes Werk SCHWENCKFELDS]. Das bestätigt diese Gans mit unnatürlichem Kopf, die ich im Jahre 1664 ernährte, deren Oberschnabel von der linken zur rechten Seite zurückge- krümmt war, so dass sie nur unter großer Schwierigkeit Nahrung vom Boden aufneh- men konnte und der Vogel nach ein paar Wochen sterben musste. Den Schädel aber

verwahre ich wie eine Seltenheit unter den anatomischen Missbildungen. Seine Gestalt ist so beschaffen, wie es beigefügte Abbil- dung zum Ausdruck bringt.“

Wie kam das Präparat zu Senckenberg?

Aus LACHMUNDSMitteilung geht klar hervor dass der Schädel inzwischen 343 Jahre alt ist. Wann er seinen Besitzer wechselte und wie er in unsere Sammlungen gelangte, ist leider ebenso unbekannt, wie die Tatsache, ob es noch mehr Exemplare aus LACHMUNDS

Besitz in den senckenbergischen Sammlun- gen gibt. Offensichtlich ist das Präparat zu einem späteren Zeitpunkt vollständig maze- riert und der Unterkiefer über Drähte mit dem Schädel verbunden worden. Das rechte Trä- nenbein (Lacrimale), auf LACHMUNDSAbbil- dung noch dargestellt, ist verlorengegangen.

Bei dem hier vorgestellten Stück handelt es sich um das älteste bisher dokumentierte zoologische Objekt in der Sammlung des Forschungsinstitutes Senckenberg. Darüber hinaus stützt es die Annahme, dass die Wahrscheinlichkeit, sehr alte Präparate in

Museumsbeständen zu finden, gerade bei pathologischen Objekten hoch ist. Dies nicht nur, weil viele der frühen Naturforscher zugleich Mediziner waren, sondern vor allem, weil solche Objekte aufgrund ihrer Einzigar- tigkeit nicht gegen neue ausgetauscht wer- den konnten.

Danksagung

Ich danke Frau Dr. C. MANEGOLDfür die Kor- rektur meiner Übersetzung des lateinischen Textes.

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Ein „monströser“ Gänseschädel aus dem frühen Barock in der ornithologischen Sammlung des Senckenberg-Museums

Aus dem Forschungsinstitut

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Abb. 1.

Die von Lachmund (1673) veröffentlichte Abbildung (repro- duziert aus Lambrecht 1933, Abb. 25).

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Abb. 2.

Der originale Gänse- schädel aus der ornithologischen Sammlung des Sen- ckenberg-Museums.

Foto: S. Tränkner.

Schriften

DRESSLER, S. (2000): Exponat des Monats Mai: Botanische Kostbarkeiten bei Senckenberg – das J. R. & G. Forster-Herbar. Natur u. Mus. 130 (5): 164–166. LACHMUND, D.F. (1673): Cranio anseris monstroso. Miscellanea Curiosa Medico-Physica Aca- demiae Naturae Curiosorum, Decuriae I, Annus IV, Observatio CLXXXI: 226. Francofurt-Lipsia. LAMBRECHT, K. (1933):

Handbuch der Palaeornithologie, S. 61, 1029 S., Berlin (Gebrüder Borntraeger). STEINHEIMER, F.D. (2005): The whereabou- ts of pre-nineteenth century bird specimens. Zoologische Mededelingen 79 (3): 45–67.

Obwohl eine systematische Sammeltätigkeit erst nach der Gründung der Senckenber- gischen Naturforschenden Gesellschaft im Jahre 1817 begann, befinden sich in einigen der zu Beginn des 19. Jahrhunderts über- nommenen Sammlungen unseres Museums auch Präparate aus dem späten 18. Jahrhun- dert (z. B. DRESSLER2000). Diese sind aller- dings ausgesprochene Raritäten und aufgrund fehlender Daten oft

nicht sicher zu iden- tifizieren. Wie in vielen anderen Naturkunde- museen, wurden zudem vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts sehr alte Exemplare, nachdem sie unansehnlich geworden waren, durch neue ersetzt. Bezüglich der Vogelsamm- lung wurde daher die Anzahl der Präparate aus dem 18. Jahrhundert auf höchstens 25 Stücke geschätzt (STEINHEIMER2005). Zoolo- gisches Sammlungsgut aus der Zeit vor 1750 war bisher für die senckenbergische Samm- lung überhaupt nicht dokumentiert.

Eine Überraschung in der Vogelskelett-Sammlung

Dass solches allerdings durchaus existiert, zeigt die kürzlich erfolgte Zuordnung einer Abbildung aus dem „Handbuch der Paläor- nithologie“ des ungarischen Paläornitholo- gen KÁLMÁNLAMBRECHT, auf der ein patholo-

gisch deformierter Schädel einer Hausgans (Anser anser forma domestica) dargestellt wird (Abb.1). Die mit falscher Seitenangabe reproduzierte Zeichnung stammt ursprüng- lich aus einem Werk des Hildesheimer Arztes FRIEDRICHLACHMUND(1635–1676), und wur- de im Jahre 1673 veröffentlicht. LAMBRECHT

(1933) bildet diese „Gansschnabel-Monstro- sität“ ohne Verweis auf ihren, ihm sicherlich unbekannten, Aufbewahrungsort als Bei- spiel für das Interesse der Anatomen des 17.

Jahrhunderts an pathologischen Vogel- skeletten ab. Das aufgrund seiner ungewöhnlichen Schnabel- deformation überaus cha- rakteristische Exemplar

stimmt exakt mit einem Schädel in der umfangreichen Skelettsamm- lung der ornithologischen Sektion des Sen- ckenbergmuseums überein (Abb.2).

Unser Stück hat keine Herkunftsangabe, aber im damals in der Wissenschaft ge- bräuchlichen Latein schreibt LACHMUND(1673)

„Inter anseres frequentius generari monstra, quam inter alias aves, ob stoliditatem & nimi- um humorem, testatur Caspar Schvvenckfeld in Theriotroph Siles. Confirmat hoc anser, capite monstroso, quem ego anno 1664 alui, rostrum ejus superius a sinistro latere versus dextrum erat recurvatum, ut non nisi magna difficultate alimentum ex terra assumere posset, adeoque post aliquot septimans mori avem oporteret. Cranium autem, tanquam rarum quid, inter extera anatomica asservo.

Cujus figura est, qualem addita pictura expri- mit.“ In der deutschen Übersetzung liest sich der Text wie folgt: „Dass unter Gänsen,

Verfasser Dr. G. Mayr, Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg, Senckenberganlage 25, D-60325 Frankfurt a.M.

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