1.4.4 Laplace-Prinzip in kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsr¨aumen
Das folgende Beispiel zeigt, dass im kontinuierlichen Fall die Bedeutung von
”gleichwahrscheinlich“ nicht immer ganz klar sein muss.
Bertrand’sches Paradoxon
Wir betrachten einen Kreis mit einem eingeschriebenen
gleichseitigen Dreieck. Was ist die Wahrscheinlichkeit, mit der die L¨ange einer zuf¨allig gew¨ahlten Sehne die Seitenl¨ange dieses Dreiecks ¨ubersteigt (Ereignis A).
DS II 1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen 236/247
ľErnst W. Mayr
r
2
120 Æ
M S
' S
M
DS II 1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen 237/247
ľErnst W. Mayr
Beobachtungen:
Die Seiten des Dreiecks haben Abstand r2 vom MittelpunktM.
Die Lage jeder Sehne ist (bis auf Rotation um M) durch einen der folgenden Parameter festgelegt:
Abstanddzum Kreismittelpunkt, Winkelϕmit dem Kreismittelpunkt.
Wir nehmen f¨ur jeden dieser Parameter Gleichverteilung an und ermittelnPr[A].
1 Sei d∈[0, r]gleichverteilt. Atritt ein, wenn d < r2, und es folgt Pr[A] = 12.
2 Sei ϕ∈[0◦,180◦]gleichverteilt. F¨ur Amuss gelten ϕ∈]120◦,180◦], und es folgt somitPr[A] = 13.
DS II 1.4 Rechnen mit kontinuierlichen Zufallsvariablen 238/247
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2. Wichtige stetige Verteilungen 2.1 Gleichverteilung
f(x) = ( 1
b−a f¨ur x∈[a, b], 0 sonst.
F(x) = Z x
−∞
f(t)dt=
0 f¨ur x < a,
x−a
b−a f¨ur a≤x≤b, 1 f¨ur x > b.
E[X] = a+b
2 undVar[X] = (a−b)2 12 .
DS II 2.1 Gleichverteilung 239/247
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2.2 Normalverteilung
Die Normalverteilung nimmt unter den stetigen Verteilungen eine besonders prominente Position ein.
Definition 97
Eine ZufallsvariableX mit Wertebereich WX =R heißt
normalverteiltmit den Parametern µ∈R und σ∈R+, wenn sie die Dichte
f(x) = 1
√
2πσ ·exp
−(x−µ)2 2σ2
=:ϕ(x;µ, σ)
besitzt.
In Zeichen schreiben wirX∼ N(µ, σ2).
N(0,1)heißt Standardnormalverteilung. Die zugeh¨orige Dichte ϕ(x; 0,1)k¨urzen wir durchϕ(x) ab.
DS II 2.2 Normalverteilung 240/247
ľErnst W. Mayr
Die Verteilungsfunktion zuN(µ, σ2) ist
F(x) = 1
√2πσ · Z x
−∞
exp
−(t−µ)2 2σ2
dt=: Φ(x;µ, σ).
Diese Funktion heißtGauß’scheΦ-Funktion(ϕist nicht geschlossen integrierbar).
DS II 2.2 Normalverteilung 241/247
ľErnst W. Mayr
Lemma 98
I :=
Z ∞
−∞
e−x2/2dx=
√ 2π.
Beweis:
Wir berechnen zun¨achst I2: I2 =
Z ∞
−∞
e−x2/2dx
Z ∞
−∞
e−y2/2dy
= Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
e−(x2+y2)/2dxdy .
Wir gehen nun zu Polarkoordinaten ¨uber und setzenx:=rcosφ undy:=rsinφ. Dann ist
∂x
∂r
∂y
∂x ∂r
∂φ
∂y
∂φ
=
cosφ sinφ
−rsinφ rcosφ
=r(cos2φ+ sin2φ) =r
DS II 2.2 Normalverteilung 242/247
ľErnst W. Mayr
Beweis (Forts.):
und wir erhalten I2=
Z 2π 0
Z ∞ 0
e−r2/2rdrdφ = Z 2π
0
h
−e−r2/2i∞ 0 dφ
= Z 2π
0
1dφ = 2π.
DS II 2.2 Normalverteilung 243/247
ľErnst W. Mayr
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
-3,0 -2,0 -1,0 0,0 1,0 2,0 3,0
=1
=2
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
-3,0 -2,0 -1,0 0,0 1,0 2,0 3,0
=1
=2
Dichte und Verteilung von N(0, σ2)
DS II 2.2 Normalverteilung 244/247
ľErnst W. Mayr
Satz 99 (Lineare Transformation der Normalverteilung) SeiX eine normalverteilte Zufallsvariable mitX∼ N(µ, σ2).
Dann gilt f¨ur beliebigesa∈R\ {0}und b∈R, dassY =aX+b normalverteilt ist mitY ∼ N(aµ+b, a2σ2).
Beweis:
Wir betrachten zun¨achst den Fall
”a >0“:
Pr[Y ≤y] = Pr[aX+b≤y] = Pr
X≤ y−b a
= 1
√2πσ ·
Z (y−b)/a
−∞
exp
−(u−µ)2 2σ2
du.
Nach der Substitutionu= (v−b)/a und du= (1/a)·dv erhalten wir
DS II 2.2 Normalverteilung 245/247
ľErnst W. Mayr
Beweis (Forts.):
Pr[Y ≤y] = 1
√ 2πaσ ·
Z y
−∞
exp
−(v−aµ−b)2 2a2σ2
dv . AlsoY ∼ N(aµ+b, a2σ2). F¨ura <0verl¨auft der Beweis analog.
DS II 2.2 Normalverteilung 246/247
ľErnst W. Mayr
Sei alsoX eine beliebige N(µ, σ2)-verteilte ZufallsvariableX und Y := X−µσ .
Dann ist nach Satz99 Y N(0,1)-verteilt.Y heißt auchnormiert.
Ferner gilt
Pr[a < X ≤b] = Pr
a−µ
σ < Y ≤ b−µ σ
= Φ
b−µ σ
−Φ
a−µ σ
.
DS II 2.2 Normalverteilung 247/247
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