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(2)

Die

MORALSTATISTIK

in ihrer Bedeutung für eine

S O C I A L E T H I K .

Von

A L E X A N D E R VON OETT1NGEN

ord. Professor und Doctor der Theologie iu Dorpat.

D r i t t e , v o l l s t ä n d i g u m g e a r b e i t e t e A u f l a g e .

Mit, tabellarischem A n h a n g .

I ГтЬі ЪШи \M .... ,

E R L A N G E N .

V E R L A G V O N A N D R E A S D E I C H E R T.

Ш2.

(3)

n Qcty (лпі tt, äXXci та пеці TtSf 7iQay[ietT(oi> äoyjxata.

Epictct, Enchcir. X .

H Hl A

Druck der UniversüHts-Buchdruckerei von E. Th. Jacob In Erlangen.

(4)

V o r w o r t

zur dritten Auflage der Moralstatistik.

Eine neue Auflage, wenn sie wirklich dem Bedürfniss der Zeit genügen soll, hat bei statistischen Werken eine besondere Schwierigkeit. Man arbeitet sozusagen an einem Brückenbau mitten in starker Strömung; und soll gar eine alte Brücke restaurirt werden, nicht blos zum Schein, sondern in solider Weise, so kann dem Architekten wohl bange werden, wenn er während der Arbeit die Wasser so steigen sieht, wie es gegenwärtig bei dem immer voller fluthenden Strom der Statistik der Fall ist.

Hat doch der Altmeister W a p p ä u s , obwohl seine

„Bevölkerungsstatistik" längst vergriffen w a r , die von allen Seiten dringend gewünschte neue Auflage seines Werkes im Hinblick auf das riesenhaft anwachsende Ma­

terial und bei seiner bekannten Gewissenhaftigkeit nicht mehr in Angriff nehmen wollen.

Manche Statistiker der jüngsten Tage scheinen darin weniger peinlich zu sein. Sie schieben bei ihren Sam­

melwerken — wie z. B: K o l b es thut — einige neuere Daten ein, und die Sache ist gemacht. Oder aber sie ver­

öffentlichen, wie das so eben H a u s h o f e r bei seinem

„Lehr- und Handbuch der Statistik" (Wien, Braumüller 1882) gethan, eine neue „vollständig umgearbeitete Auf­

lage" und begnügen sich zum grossen Theil mit veralteten

Daten. Hat doch H a u s h o f e r kein Bedenken getragen,

bei dem Abschnitt „Moralstatistik" (§. 209 — 244) die

(5)

Daten vorzugsweise aus der bereits vor 14 Jahren erschie­

nenen ersten Auflage meines Werkes zu entnehmen und nur hier und da einige neuere Da,ten, besonders aus den handlichen italienischen Quellen, hinzuzufügen.

Ich hoffe, die Leser meines Buches werden sich selbst davon überzeugen, dass die von m i r versuchte Umar­

beitung in der That eine „vollständige" ist. So viel es mir irgend möglich w a r , habe ich die neuesten, zum Theil noch nicht veröffentlichten Daten aus den Primärquellen (den statistischen Bureaus und dem Actenmaterial der kirchlichen Oberbehörden) entnommen und die stets wach­

sende neuere Literatur eingehend berücksichtigt. Nament­

lich lag mir daran, den Einfluss des sogen. Oulturkampfes in Deutschland ziffermässig zu beleuchten. Der §. 51 ist deshalb neu hinzugekommen und vorzugsweise diesem Zwecke gewidmet. Im tabellarischen A n h a n g , der fast doppelt so umfangreich geworden, wie in der zweiten Auflage, habe ich nur wenige Tabellen aus früherer Zeit zur Vergleichung mit aufgenommen. Von den 120 Ta­

bellen sind über 100 ganz neu. Neben dem voll­

ständigen Autoren - Register habe ich dieses Mal ein geo­

graphisch-statistisches Sachregister mit möglichster Aus­

führlichkeit zusammengestellt, damit die für die einzelnen Länder und Städte vorliegenden, überall im Buch zer­

streut vorkommenden Daten leichter aufgefuuden werden können. Ueber die rein sachlichen und begrifflichen Haupt­

materien kann der Leser n a c h der systematischen Inhalts­

übersicht (pag. IX ff.) sich leicht Orientiren. Von dem veralteten Material habe ich auch im Text des Buches Vieles weggethan, um das Werk nicht über Gebühr an­

schwellen zu lassen. Der geehrten Verlagshandlung, welche bei dieser neuen Ausgabe weder Mühen noch Kosten gescheut hat, sage ich insbesondere meinen Dank für die bei compresse- rem Druck doch saubere und ansprechende Ausstattung. —

Was meinen Standpunkt der Beurtheilung des grossen u n d interessanten Stoffes anbetrifft, so habe ich hier und da — wie in den Partien über Criminal- u n d Selbstmord-

(6)

V o r w ort. V I I

Statistik — denselben in Folge fortschreitender Beobach­

tung und Erfahrung modificiren müssen. Auch sind manche, mehr theologisch gefärbte Excurse weggefallen. Im grossen Ganzen glaubte ich aber, um die Continuität des Werkes nicht zu zerstören, Manches stehen lassen zu können, was ich heute vielleicht anders sagen würde als vor 15 Jahren.

W o aber die Grundauffassung noch dieselbe war, da durfte ich doch auch an dem eigenen Machwerk nicht zu klein­

lich herumbessern.

Wie in dem Vorwort zur zweiten Auflage (1874), so gestehe ich noch heute, nicht „voraussetzungslos" an das mir vorliegende Untersuchungsfeld herangetreten zu sein.

Mir scheint, dass alle diejenigen, welche wirklich ohne be­

stimmte Weltansicht an derartige Forschungen zu gehen meinen, im besten Falle sich selbst täuschen. W a s man von dem ehrlichen Manne der Wissenschaft in dieser Hin­

sicht fordern kann, ist dreierlei: erstens, dass er seinen Standpunkt nicht verhehle, sondern rückhaltslos bekenne;

zweitens, dass er den Thatsachen nicht Gewalt anthue, oder sie im Dienste der Tendenz umbiege; drittens, dass er dem Leser die Möglichkeit einer Controle darbiete.

Ich bitte also, genau zu prüfen. Die Thatsachen will ich reden lassen. Wenn sich mir aus denselben schliess­

lich eine Bestätigung christlicher Weltansicht ergiebt, so kann ich mich dessen nur aufrichtig freuen. Ich werde aber streng methodisch verfahren und lasse zunächst die Resultate offen. Jedenfalls liegt mir die Absicht fern, durch moralstatistische Daten die christliche Sittenlehre zu be­

gründen oder die wahren Gesetze des Guten zu beweisen.

Ich liebe es nicht, fremdes Feuer auf meinen Altar zu tra­

gen, und hasse jeden Versuch, durch Trugschlüsse und

Scheinbeweise die Glaubenswahrheit zu erhärten. Das ist

nur ein Geschäft für die „Kuppler der W a h r h e i t " , wie

Lessing sie nannte. Der ehrliche Forscher verzichtet von

vorn herein darauf, aus der blos äusseren Erfahrung die

sittlichen Principien, die die Welt erhalten, abzuleiten. So

hoffe ich denn, vor jener Gefahr mich ferngehalten zu

(7)

haben, welche R i e h l so treffend als „statistische Krank­

heit" gekennzeichnet hat.

Gleichwohl ist die Beobachtung der uns umgebenden Thatsachen menschlichen Gemeinlebens von tiefgreifender Wichtigkeit wie für den Theologen, so für jeden Menschen­

kenner und Menschenfreund. Er muss seine Weltanschau­

ung mit denselben in Einklang zu bringen suchen. Und namentlich, wenn von verschiedenen Seiten die Gefahr der Missdeutung droht, so wird er bemüht sein, der ihm falsch scheinenden Polgerungen sich zu erwehren.

Das habe ich auch zu thun versucht. Einen doppelten Gegensatz hatte ich dabei im Auge. Auf der einen Seite standen mir die Vertheidiger einer auf naturalistischer Weltanschauung ruhenden Socialphysik (physique sociale) gegenüber; von der anderen hatte ich die Vertreter einer idealistischen Personalethik zu bekämpfen. Im Hinblick auf beide glaubte ich die Berechtigung und N o t w e n d i g ­ keit einer socialethischen Weltansicht durch Verwerthung der moralstatistischen Daten nachweisen zu können. Ob es mir gelungen, auf diesem Wege dem gesunden Realis­

mus einen Dienst zu leisten, mögen die Leser selbst be- urtheilen.

Obwohl ich in der ersten Auflage dieses Werkes wie­

derholt es ausgesprochen, dass mir eine statistische Be­

gründung der moralischen Grundsätze des Christenthums vollkommen fern liege, so konnte doch der gewagte Titel („Versuch einer Socialethik auf empirischer Grundlage") diesen Missverstand veranlassen. Daher scheue ich mich nicht zu bekennen, dass ich im ersten Eifer für die mich be­

seelende Idee dem Buch eine zu grosse Tragweite gegeben.

Der gegenwärtige vereinfachte Titel, welcher zugleich die Moralstatistik als selbständige Disciplin neben der Social­

ethik hervortreten lässt, scheint mir jener Missdeutung er­

folgreicher begegnen zu können.

D o r p a t , den 1. Juli 1882.

Der Verfasser.

(8)

Inhaltsübersicht.

Seite

Einleitung 1—49

I . Die Statistik als selbständige Wissenschaft und als methodische

Untersuehungsform G—11 I I . Die Moral-Statistik iu ihrer Bedeutung für eine Socialethik . 11—20

I I I . Ueberblick über die geschichtliche E n t w i c k l u n g der Moralsta­

tistik. Literatur 20—40 I V . Grundsätze für die moralstatistische Methodik und Stoff'grnpi-

piruiig 41—49

Erster Abschnitt.

Die Li'benserzeiiininir im Organismus der Menschheit . . . 50—346

E r s t e s C a p i t e l . D i e P o l a r i t ä t u n d d a s G l e i c h g e w i c h t d e r G e s c h l e c h t e r 50—80

§. 1. Ethische Bedeutsamkeit der Frage. Monogamie, Einheit und gliedliche Organisation des Menschengeschlechts S. 50 ff. —

§. 2- Ziffennässiger Nachweis des durchschnittlichen Gleichge­

wichts S. 54 ff. — §. 3. Das Gleichgewicht der Geschlechter in den verschiedenen Altersperioden S. 57 ff. — §. 4- Die Be­

wegung in dem Geschlechtsverhältniss und deren mnthmassHche Ursachen S. 62 ff. — §. 5. Die Compensationstendeiiz S. 67 ff- —

§. 6- Versuch einer Erklärung des Oompensations-Gesetzes, mit Beziehung auf die gangbaren Hypothesen. Bedeutung für eine Socialethik S. 74 ff.

Z w e i t e s C a p i t e l . D i e G e s c h l e c h t s g e m e i n s c h a f t u n d d i e E h e s c h l i e s s u n g e n . 80—146

§. 7- Die Zeugung, in ihrer Bedeutung für eine Socialethik.

Generation und Degeneration S. 75 ff. — §. 8- Die Ehe­

schliessungen als Ausdruck der tendance au mariage. B e ­ denken Drobisch uud Wagner gegenüber. Bertillon's methodische Feststellung der specielleuMatrimonialität S. 00 ff. — §.9- Die Kegelmässigkeit in der Heirathsfrequenz überhaupt und die all­

gemeine Heirathsordnung in verschiedenen Combinationen S. 95 ff. —

§. 10. Die socialen Einflüsse und die dadurch bedingten räum­

lichen Vsrschiedenheiten der Heirathsfrequenz S. 118 ff. — §. Ц . Fortsetzung. Die gemischten Ehen, besonders in Sachsen, Bayern und Preussen, mit Berücksichtigung der provinziellen Unter­

schiede S. 127 ff. — §. 12. Die individuellen Einflüsse und die persönliche Freiheit bei der Eheschliessuiig S. 138 ff.

(9)

Seite Drittes Capitel. E h e s c h e i d u n g und W i e d e r v e r e h e l i c h u n g G e s c h i e d e n e r 147—180

§. 13- Socialethische Bedeutsamkeit der Frage S. 147 ff. —

§• 14- Periodische Frequenz der Ehescheidungen S. 151 ff. —

§. 15- Die socialen und confessionellen Einflüsse auf die verschiedene Ehescheidungsfrequenz innerhalb räumlieh be­

grenzter Gruppen S. 162 ff. — §. 16- Gruppirung der individuel­

len Eliescheidungs-Motive mit besonderer Berücksichtigung der Wiedertrauungsgesuche S. 1(18 ft.

Viertes C a p i t e l . D i e ungeordnete Geschlechtsgemeinschaft u n d d i e P r o ­

stitution 181—256

§. 17- Die wilde Ehe und die Prostitution. Allgemeine G e ­ sichtspunkte in socialethischer Beziehung. Literatur S. 181 ff.—

§. 18- Anzahl der Prostituirten. Extensität der periodischen Prostitntionsfrequenz namentlich in Frankreich S. 197 ff. —

§. 19- Die localen Oentren und die verschiedenen socialen Factoren der Prostitutionsfrequenz S. 204 ff. — §.20- 1 >ic individuellen Einflüsse und Motive bei der Prostitution S. 217 ff.—

§. 21. Die Criminalität unter den Prostituirten 8. 224 ff. —

§. 22- Die verbrecherische Geschlechtsgemeiuschaft. Blut­

schande, Bigamie, Sodomie, Nothzucltt S. 232 ff. — §. 23.

Die Repressiv- und Präventivmaassregeln gegen die Zunahme der Prostitution und der Unsittlichkeits-Vergehen 8. 243 ff.

Fünftes Capitel. D i e eheliche F r u c h t b a r k e i t u n d d i e B e v ö l k e r u n g s b e ­

wegung 257—288

§. 24- Socialethische Bedeutung der Bevölkermigsvermehrnng.

Süssmilch's Ansichten darüber. Die Malthus'sche Theorie und ihre Gegner. Cautelen gegen einseitige Consequenzen dersel­

ben S. 250 ff. — §. 25- Statistische Fixirung der Bevölker­

ungsbewegung. T u c k e r und A l l e n über die natürliche Volks­

vennehrung Nordamerika^. Allgemeine Bedeutsamkeit nor­

maler Volksvermehrung. Die Fürstenfamilien. Die Verwandt- schaftsheirathen S. 205 ff. — §. 26- Die Volkszunahme und die eheliche Fruchtbarkeit in europäischen Staaten. Unter­

schied der wirklichen und scheinbaren ehelichen Fruchtbarkeit.

Das tragische Beispiel Frankreichs. Urtheil von Duval, Rau- dot, Jules Simon, Dupin, Bertillon, Leroy-Beaulien und An­

dern. Socialethische Schlussbetrachtung über die Ursachen ver­

minderter ehelicher Progenitur und über die Gefahr der Ueber- völkerung S. 272 ff.

Sechstes C a p i t e l . D i e unehelichen Geburten u n d d a s F i n d e l w e s e n . . 289—346

§. 27- Die aussereheliche Fruchtbarkeit als Maassstab der Volksunsittlichkeit. Begrenzung ihrer socialethischen Bedeu­

tung. Verhältniss zur ehelichen Fruchtbarkeit und Heiraths- frequenz S. 289 ff. — §. 28- Allgemeine periodische Frequenz der unehelichen Geburten. Nachweisbarer Einfluss der Jahres­

zeiten und Nahrnngsmittelpreise. Allgemeiner Einfluss der gei­

stigen Atmosphäre^ erwiesen aus der gesteigerten unehelichen Fruchtbarkeit des Jahres 1849/50. Einfluss der Kriege von 1866 und 1870/71 auf die uneheliche Progenitur S. 295 ff. —

§. 29- Die räumlichen Unterschiede in der periodischen Be­

wegung der unehelichen Geburtsziffer. Stadt und Land. Na­

tionale und confessionelle Einflüsse S. 313 ff. — §. 30. Die individuellen Ursachen und die socialen Folgen der unehelichen Progenitur. Ein Blick auf die Kincleraussetzungen und das Fin­

delwesen. Betheiligung der Bastarde und Findelkinder an der Criminalität. Uebergang zum nächsten Abschnitt S. 326 ff.

(10)

Inhaltsübersicht. X I Seite

Zweiter Abschnitt.

Wie L c h c n s b c t h i ü i g i i n g im O r g a n i s m u s der M e n s c h h e i t . . 347—Г>5Г>

Erstes Capitel. D i e s o c i a l e t h i s c h e Lcbensbethätigung in d e r b ü r g e r l i c h e n

Rechtssphäre 3 4 7 - 520

§. 31- Rückblick und allgemeine Gesichtspunkte. Die collec- tive Lebensbethätigung in der rechtlich-bürgerlichen, intellec- tuell - ästhetischen und religiös-sittlichen Gemcinschaftssphäre.

Staat, Schule und Kirche in nioralstatistischer Hinsicht S. 347 ff. —

§• 32- Der Reehtsorganisimts in seinem Verhältnis« zur Natur und zur Sittlichkeit. Rechtliche Wahrung der Person und des Eigenthums. Uehergang zur socialen und nationalökonomischen Krage S. 35G ff. — §. 33- Die persönliche Arbeit, die Ar­

beitsteilung und die Berufsgruppirung. Adam Smith in seiner Bedeutung für die sociale Frage. Socialisnras und Socialethik S. 304 ff. — §. 34. Kin Blick in die Berufs- und Arbeits­

statistik. Waehstlmm des Indiistrialismus. Accuniulation der Städte. Wohimngsveihältiiisse. Die Arbeiterfrage und das so­

ciale Vcreinswesen S. 372 ff. — §. 35- Das E i g e n t u m im Verhältnis* zur Arbeit. Gegensatz von Oommunismus und So­

cialethik. Das l'apital und der Gcldverkehr in ihrer sittlichen Bedingtheit. Credit und selfiutercst. Der Reichthum und das Volkswohl S. 303 ff. — §. 3<j. Die volkswirtschaftliche Sta­

tistik in ihrer Bedeutung für eine Socialethik. Illustrirende Beispiele aus dem Gebiete des Sparcassenwesens, der Armenver- sorgmig und der Vereine zur Selbsthilfe S. 402 ff. — §. 37- Socialisnms und (Kommunismus in ihrem Einfluss auf die ver­

brecherische Beeinträchtigung von Person und Eigenthum. Das criminelle Proletariat als chronisches Uebel am socialen Kör­

per. Gauner und Vagantenthuiii; Mcndicität, Disposition für die t'riminalität. Der Hang zum Verbrechen (peuchant au crime) nach seiner individuellen und socialen Physiognomie. Aus­

gleichung von Gesetzwidrigkeit und Gesetzmässigkeit durch die Strafe S. 422 ff. — §. 3<S- Methodische Erhebung und Benr- theilung der crimiiialstatistischen Daten. Werthschätzung nach der Qualität der Reate, nach dem Strafinaass oder nach der Zahl der Verurthcilten. Vcrhältniss von Verurtheilung und Freisprechung. Periodische Frequenz (Frankreich, England, Deutschland, Italien, Norwegen). Unmöglichkeit der Ver- gleichung. Verbrechen gegen Person und E i g e n t u m . Rück­

fälligkeit der Verbrecher. Allgemeine Einflüsse. Nahrungs- mittelpreise und Jahreszeiten S. 440 ff. — §. 39- Die räum­

lichen Unterschiede in der Verbrecherfrequenz bei gleicher Strafgesetzgebnng. Differenzen in der Betheiligung an ver­

schiedenen Kategorien des ATerbrechens. Einfluss des Berufs, der Oonfession, der Nationalität, S. 402 ff. — §. 40- Die indi­

viduellen Einflüsse auf die B e t ä t i g u n g des verbrecherischen Hanges. Betheiligung der einzelnen Altersclasser., der Civil- stäiide und der beiden Geschlechter S. 50") ff.

Z w e i t e s C a p i l e l . S o c i a l e t h i s c h e Lebensbethätigung in d e r i n t e l l e c t u e l l -

ästhetiächen B i l d u n g s s p h ä r e 530—(Ю4

§. 41- Allgemeine Bedeutsamkeit der Bildnngssphäre in so- cialethischer Hinsicht S. 530 ff. — §. 42- Die bisherige sta­

tistische Beleuchtung der wesentlichsten Bildungselemeiite i n ' ihrer collectiven Bewegung. Die Kuiistproductiou in ihrer

(11)

Seite

Dritter Abschnitt.

Der T o d i m O r g a n i s m u s d e r M e n s c h h e i t 656—699

Erstes Capitel. S i e c h t h u m u n d Sterblichkeit i m Z u s a m m e n h a n g e mit

sittlichen F a c t o r e n 656—699

§• 53. Der Tod in seiner socialethischen Bedeutung. Das Siechthum als Vorbote des Todes. Epidemische Krankheiten, Ansteckung und Vererbung. Leibliche und geistige Verkrüp- peluug. Einfluss des Willens auf Morbilität und Mortalität.

Unterschied von Stadt und Land. Die Constanz in der Herr­

schaft des Todes S. 656 ff. — §. 54- Der Irrsin als Fr- zeugniss gesellschaftlicher Verhältnisse. Statistische Beleuch­

tung der constanten Zunahme desselben in der Neuzeit. Ver­

schiedene Formen des Irrsinns, mit besonderer Berücksich- socialethischen Bedeutung S. 540 ff. — §. 43. Der allgemeine Gedankenverkehr in der Presse nnd der literarische Bücher­

markt. Periodische Statistik der verschiedenen Verlagsar­

tikel S. 54G ff. — §. 44- Die höheren und niederen Schulen.

Bedeutung der Universitätsbilduiig für die socialethische Zeit­

richtung. Statistische Beleuchtung der Fachstudien S. 558 ff. —

§. 45. Die Briefcirculation als Bildungsmassstab in verschie­

denen Ländern. Unzulänglichkeit dieser Methode, die Volks­

bildung zu bemessen S. 5(!0 ff. — §. 46- Schreibfähigkeit der Ehecoutrahenten und die Elementarbildung der Rekruten als Massstab für die intellectuelle Gesammtentwickelung des Volkes S. 576 ff. — §. 47. Die numerische Feststellung des wirklichen Schulunterrichtes und seiner Resultate. Mängel der Schulstatistik S. 584 ff. — §. 48- Der Einfluss der intellec- tuellen Bildung auf die Volkssittlichkeit. Relativer Werth der Crimiualstatistik in dieser Hinsicht. Die intellectuelle Bildung bessert nicht, sondern steigert nur eventuell die Verantwort­

lichkeit und die Verfeinerung in der Sphäre der Gesetzwidrig­

keit. Uebergang zur religiösen Bildungssphäre S. 594 ff.

Drittes C a p i t e l . D i e s o c i a l e t h i s c h e Lebensbethätigung i n n e r h a l b d e r r e ­

l i g i ö s - s i t t l i c h e n S p h ä r e 605—655

§. 49. Religion und Sittlichkeit. Die religiös-sittliche G e - sinnnngs-EntWickelung und Lebensbethätigung als eine kirch­

liehe vom socialethischen Gesichtspunkte aus. Anwendbarkeif der numerischen Methode in der Religionssphäre S. 605 ff. —

§• 50- Verschiedene Bewegung (monvement) der Culte in E u ­ ropa. Mangelhaftigkeit der Religionsstatistik und Vorschläge zu geordnender Massenbeobachtung in Betreff religiös-sittlicher Lebensbethätigung. Statistische Beleuchtung der Oonfessions- bewegung und Cominunionsbetheiligung, als Erweis für die corporativ organische Einheit kirchlicher Gemeinschaft S. 612 ff.

— §. 51- Die Bewegung der kirchlichen Handlungen in der evangelischen Kirche Deutschlands seit dem Civilstandsgesetz (Traunngen, Taufen, Kirchlichkeitsziffer). Die verschiedenen Symptome der Hebung des kirchlichen Sinnes seit dem J a h r 1876. Zunahme des theologischen Studiums, der theologischen Literatur, der inneren Missionsarbeit S. 631 ff. — 52- Ein­

fluss der Confession auf die Volksbildung und Volkssittlichkeit, auf uneheliche Geburten, Criminalität und Selbstmord S.646 ff.

(12)

Inhaltsübersicht. Х Ш Seite' tigung des Grössenwahnes S. GG7 ft. — §, 55. Grassirende

Krankheiten in Folge sittlicher Entartung. Branntweingenuss und Trunksucht. Alcoholismus und Delirium. Syphilis. Der chronische Selbstmord S. 684 ff.

Z w e i t e s C a p i t e l . D a s V e r b r e c h e n des M o r d e s , als A u s d r u c k e i n e r C o l l e c -

tivschuld 700—736

§. 56- Verschuldete Kindersterblichkeit oder der collective Kindesmord im Zusammenhange mit unehelicher Progenitur.

Fahrlässigkeit und Findelwesen S. 700 ff. — §. 57- Das Ver­

brechen des Mordes. Statistik der Todesstrafe. Die Folgen der Strafrelaxation, namentlich in England. Factische Unum­

gänglichkeit und principielle Berechtigung der Todesstrafe als Sühnemittel S. 717 ff. — §. 58- Der Krieg und seine Opfer.

Das Militär und die Mordwaffen. Der chronische und acute Selbstmord unter den Soldaten. Uebergang zum nächsten Ca­

pitel S. 726 ff.

Drittes C a p i t e l . D e r S e l b s t m o r d 737—785

§. 59- Socialethische Bedeutung des Selbstmordes. Literatur.

Periodische Frequenz und allgemeine Zunahme desselben.

S. 737 ff. — §. 60- Universelle Einflüsse. Jahreszeiten. Wochen­

tage. Die Regelmässigkeit in der Selbstmordart S. 747 ff. —

§. 61- Locale Gegensätze u. geograph. Verbreitung der Selbst­

mordfrequenz unter dem Einfluss dos socialen Lebens: Natio­

nalität, Religion und Confession, Stadt und L a n d , Beruf und Bildung S. 757 ff. — §. 62- Individuelle Einflüsse auf die Selbstmordfrequenz. Alter und Geschlecht. Civilstand. Motive

§. 63- Rückblick auf die beobachteten Thatsachen. Recht­

fertigung der Socialethik im Gegensatz zur personalethischcn und soeialphysische» Weltanschauung S. 786 ff. — §. 64- Zu­

sammenfassung der auf dem Wege der Indnction gefundenen allgemeinen Gesetze sittlicher Lebensbewegung. Die Gesetze der Contiuuität im Gegensatz zum Indiffcrontismus. Die Ge­

setze der Normativität im Gegensatz zum Determinismus.

Vereinbarkeit sittlicher Notwendigkeit und Freiheit in der moralischen Weltordnung des persönlichen Gottes oder in dem Gesetz der Teleologie S. 704. — §. 65- Zusammenfassung der auf dem Wege der Induction gefundenen socialen Gesetze sitt­

licher Lebcnsbowcgung. Die Gesetze der Organisation im Ge­

gensatz zum socialistischeu Atomismus. Die Gesetze der Soli­

darität im Gegensatz zum socialistischen Naturalismus. Verein­

barkeit socialer Gebundenheit und Freiheit in dem Gesetz der geschichtlichen Tradition oder der Sitte auf rechtlichem, iuteüec- tuellem und religiösem Gebiete S. 799 ff. — §. 66. Zusammen­

fassung der auf dem Wege der Induction gefundenen Gesetze individueller sittlicher Lebensbewegung. Die immanenten Ge­

setze der Individualität (der individuellen. Naturbestimmtheit) im Gegensatz zum Subjectivismus. Die normativen Gesetze der Personalität (der persönlichen Freiheit) im Gegensatz zum Objectivismus. Vereinbarkeit beider in dem Gesetz persönlicher Charakterentwickelung S. 803 ff. — §. 67- Der Unterschied empirischer und absoluter, formaler und materialer Gesetze sitt­

licher Lebcnsbcwegnng. Die Idee des sittlich Guten und sitt­

lich Bösen. Das Gute als Gesetz der Geistesfreiheit und des Lebens im Zusammenhange mit normaler Lebensbewegung. Das des Selbstmords S. 767 ff.

S c h l u s s e r ö r t e r u n g 786-832

(13)

Seite

Tab. 1—IS. H e i r a t h s f r e q u e n z i n d e n H a u p t S t a a t e n

E u r o p a s 18(55—1878 I — V I Tah. 1. Absolute und relative Zahl der Ehosehliessungen

in Italien, Schweiz, Frankreich und Uclgien . I Tab. 2. Absolute und relative Zahl der Eheschliessungen

in England, Schottland, Irland und Holland . I I Tab. 3. Absolute und relative Zahl der Eheschliessungen

in Prensscn, Sachsen, Bayern, ganz Deutschland I I I Tab. 4. Absolute und relative Zahl der Eheschliessungen

in Oesterreich, Ungarn, Oroaticn, Slavonien,

Griechenland I V Tah. 5. Absolute und relative Zahl der Eheschliessungen

in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland . V Tah. 6. Absolute und relative Zahl der Eheschliessungen

in Russland, Polen, Rumänien, Serbien . . . V I Tab. 7—30. A l t e r u n d ( J i v i l s t a n d d e r E h e s c h 1 i e s s e n ­

d e n V I — X X X Tal). 7. Heirathsalter der Männer und Frauen in den

Hauptstaaten Europas 1805—78 V I I Tab. 8 u. !). Alter der eheschliessendcn Männer und

Frauen in England und Wales 1873-1878 . . V I I I s q . Tah. 10—15. Alterscombination der Eheschliessendcn in

Italien 18G5—79 X s q . Tah. IG. Alter der Ehegatten bei der V e r h e i r a t u n g im

K. Sachsen, mit Unterscheidung von Stadt und

Land 1870—78 ' X V I . Tab. 17. Alter der Eheschliessenden im enrop. Russland

1871—75 X V I I Tab. 38. Alter der Eheschliessenden in Prcussen 1871—78 X V I I I

Tah. 19—22. Alter der Eheschliessenden in Belgien

1841-1878 X I X sq.

Tab. 23—20. Trauungen nach dem coinhiuirteu Alter und

Civilstaml der Getrauten in Belgien 1851—(І5 X X I I I s q . Tab. 27. Heirathen nach dem Oivilstandc der Ehegatten

in 13 Staaten Europas 1805—78 . . . X X V I I Tah. 28—30. Eheschliessungen nach dem Givilstande mit

Berücksichtigung der Wiedertrannng Geschie­

dener in Bayern, K . Sachsen, Thüringen, Holland

Schweiz, Dänemark, Schweden, Preussen 1H07—78 X X V I I I sq.

Tab. 31 u. 32. E h e s c h e i d u n g e n in Wien (1870-79) und

K. Sachsen (1871-78) X X X I sq.

Tab. 33. V e r w a n d t s c h a f t s h c i r a t . h o n i n I t , a l i e n ( 1 8 0 8 - 7 9 ) X X X I I I Tab. 34. F r u c h t b a r k e i t u n d B e v ö l k e r u n g s z u n a h m e

in 20 Hauptstaaten Europas 1800—80. . . . X X X I V Tab. 35 — 38. U n e h e l i c h e u n d a u s g e s e t z t e K i n d e r . X X X V sq.

Tab. 35. Uneheliche und ausgesetzte. Kinder in Italien X X X V Tab. 36. Unehel. Geb. in anderen europ. Staaten 1805—78 X X X V I s q . Böse als Gesetz der Sündenknechtschaft und des Todes im Z u ­

sammenhange mit abnormer Lcbensbewegung S. 807 ff. — §. 68- Biblische Beleuchtung der Resultate der Maassenbeobaehtmig.

Natur- und Sittengesetz. Notwendigkeit und Freiheit. Gesetz der Sünde und Gesetz der Gerechtigkeit. Gattungsschuld und Gattiiiigserlösuug. Geburt ans dem Fleisch und Wiedergeburt aus dem Geist, im Lichte der Jleilsordnung S. 815 ff. — §. 69- Die Bedeutung der gefundenen socialethischen Gesetze für das praktische Leben S. 820 ff.

A n h a n g . T a b e l l e n n e b s t l l u c l l c n a n g a b e ts. | _ C X X X V .

(14)

Inhalt des tabellarischen Anhangs. XV Seite Tab 37 u. 38. TJnehel. und ausgesetzte Kinder in den

einzelnen Provinzen Italiens 1871—79 . . . X X X V I I I sq.

Tab. 39. U e b e r s i c h t ü b e r d i e i n t e r n a t i o n a l e B e r n f s -

s t a t i s t i k 1859—70 X X X X Tab. 40. S ä c h s i s c h e B e r u f s s t a t i s t i k 1871—75 . . . X L 1

Tab. 41. W o h n n n g s v e r h ä l t n i s s e i n B e r l i n 1801—75 X L I I Tab. 42—45. S p a r c a s s e n i n v e r s c h i e d e n e n S t a a t e n X L I l I s q .

Tab. 42. Sparcassen in Bayern 1874—79 X L I I I Tab. 43. Sparcassen im K . Sachsen 1848—77 . . . . X L I V s q .

Tab. 44. Sparcassen in Italien 1870—79 X L V I Tab. 45. Sparcassen in England. Oesterreich, Preussen,

Frankreich, (1807—78) X L V 1 I Tab. 40. A r m e n p f l e g e i n N o r w e g e n 18(18—77 . . . . X L V I I I

Tab. 47—50. B e t t l e r , V a g a b u n d e n u n d c r i m i n a l

c l a s s e s i n E n g l a n d u n d W a l e s 1858—04 X L I X sq.

Tab. 51—70. C r i m i n a l i t ä t s - T a b e l l e n L 1 I I — L X X I V Tab. 51—54. Orimiualität in Frankreich 1820-78 . . L l l l s q .

Tab. 5 5 - 5 7 . Criminalität in Italien 1802—79 . . . . L V I l I s q . Tab. 58—59. Criminalität in England 1857—79 . . . L X I sq.

Tab. 00. Criminalität in Amerika 1800—79 L X I 1 I Tab. Ol—03. Criminalität in Preussen 1808-79 . . . L X I V s q .

Tab. 04—05. Criminalität in K . Sachsen 1871—78 . . L X V 1 I I sq.

Tab. 00. Criminalität in Bayern 1872-77 L X X Tab. 07. Criminalität in Oesterreich 1871 — 77 . . . . L X X I

Tab. 08—70. Criminalität in Norwegen 1850—78 . . L X X I I sq.

Tab. 71 —73. U e b e r s i c h t d e r V e r l a g s w e r k e . . . . L X X V s q . Tab. 71. Presserzeugnisse in Deutschland 18(55—81 . . L X X V T sq.

Tab. 72. Presserzeuguisse in Oesterreich 1870-70 . . L X X V 1 I Tab. 73. Presserzengnisse in England 1875 - 7 9 . . . L X X V 1 I I

(vgl. zu Tab. 73 den „Nachtrag" auf der letz­

ten Seite des Anhangs).

Tab. 74—82. U n i v e r s i t ä t s f r e q u e n z L X X I X sq.

Tab. 74— 80. Universitätsfrequenz im deutscheu Reiche, mit besonderer Berücksichtigung der Theologie

Studirenden 1871—1881 . L X X I X sq.

Tab. 81. Universitätsfrequenz in Oesterreich 1809—79 L X X X V I Tab. 82. Universitätsfrequenz in Italien 1871-80 . . L X X X V I I Tab. 8 3 - 8 7 . S c h u l f r e q u e n z u n d A n a l f a b e t i . . . . L X X X V l I I s q .

Tab. 83 — 80. Elementarschulbesnch und Analfabeti in

Italien 1800-79 L X X X V l I I s q . Tab. 87. Die Schulbildung unter den Gefangenen in

Italien 1870-79 ^ . . . L X L I 1 I Tab. 88—90. K i r c h e n s t a t i s t i s c h e T a b e l l e n a u s

D e u t s c h l a n d L X L 1 V sq.

Tab. 88. Verhältniss der Taufen zu den Geburten bei

der evang Bevölkerung Preussens 1875 — 79 . L X L I V s q . Tab. 89 u. 90. Traunngsfrequenz in Preussen 187G-80 L X L V I sq.

Tab. 91. Kirchl. Handlungen in Berlin 1879-80 . . C H Tab. 92, a - c . Kirchl. Handlungen in Hamburg 1801-80 XCV1I1 sq.

Tab. 93. Kirchl. Handlungen im K . Sachsen 1870 - 80 CHI Tab. 94. Kirchl. Handlungen in Bayern 1870—80 . . C1V Tab. 95. Kirchl. Handlungen in Baden 1874-79 . . . C V Tab. 90. Kirchl. Handlungen in Württemberg 187(5-80 C V I Tab. 97. G e i s t e s k r a n k e i n v e r s c h i e d e n e n L ä n d e r n C V I 1 Tab. 9 8 - 1 0 0 . K i n d e r s t e r b l i c h k e i t u n d T o d t g e b n r t CV1II sq.

Tab. 98. Sterblichkeit der einjährigen Kinder in den

Hauptstaaten Europas 1870—78 C V I I I Tab. 99. Todtgebnrt in versch. Ländern Kuropas mit

Unterscheidung der unehelichen Geburten in

Stadt und Land , C I X

(15)

Seite

1865-77 C X Tab. 101—106. G e w a l t s a m e T o d e s f ä l l e (mit besonderer

Berücksichtigung der Trunksucht) in England,

Schottland und Irland 1855—79 C X I so Tab. 107—120. S e l b s t m o r d - T a b e l l e n C X V I I I sql

Tab. 107. Abs. Zahl der Selbstmorde in 20 Ländern Eu­

ropa's 1870-1880 C X V I I I Tab. 108. Bewegung der europ. Selbstmordziffern 1855—79 C X I X

Tab. 109. Selbstmordfrequenz im K . Sachsen, mit Unter­

scheidung der Unmündigen, sowie beider Ge­

schlechter 1850-80 C X X I I Tab. 110. Motive des Selbstmords im K . Sachsen mit

Unterscheidung beider Geschlechter 1854—80 . C X X I I I Tab. 111. Alter der Selbstmörder in Sachsen 1854—80 C X X I V Tab. 112. Arten der Selbstentleibung in Sachsen 1854— 80 C X X V Tab. 113. Civilstand der Selbstmörder inSachsen 1854—80 C X X V I Tab. 114. Einfluss der Jahreszeiten auf den Selbstmord in

Sachsen, Preussen (Berlin), Italien und Frank­

reich 1856 — 80 C X X V I I Tab. 115. Selbstmorde in Preussen, nach der Jahreszeit

mit Unterscheidung der Geschlechter 1869—77 C X X V I I I Tab. 116. Selbstmordfrequenz in Preussen mit Unter­

scheidung beider Geschlechter, sowie der zweifel­

haften und zweifellosen Fälle 1869—78 . . . C X X X Tab, 117. Selbstmordfrequenz bei einzelnen Altersgruppen

in Preussen, mit Unterscheidung der Geschlechter

1869-78 C X X X I Tab. 118. Selbstmordmotive in Preussen mit Unter­

scheidung beider Geschlechter 1874—78 . . . C X X X I I Tab. 119. Selbstmordarten in Preussen mit Unterscheidung

beider Geschlechter 1874-78 C X X X I I I Tab. 120. Selbstmordarten in versch. Ländern Europas

mit Unterscheidung beider Geschlechter 1873—77 C X X X I V Nachtrag zu Tab. 73: Englische Presserzeugnisse . . . . ( " X X X V Autoren-Register C X X X V I

Geographisch-statistisches Sachregister C X L I I I

Druckfehler und Errata C L I I Tab. 100. Periodische Bewegung der Todtgeburtsziffer

in Frankreich, mit Unterscheidung der unehel.

Geb., sowie der in Stadt und Land Geborenen

(16)

Einleitung.

Niemand wird leugnen können, dass das Bedürfniss nach Er­

forschung von Thatsachen in dem Vordergrunde des modern wissen­

schaftlichen Bewusstseins steht. Das dahin zielende Interresse herrscht so einseitig vor, dass kaum noch auf eine Theilnahme und ein Ver- ständniss in weiteren Kreisen zu rechnen ist, sobald Jemand mit philosophischen Abstractionen oder gar theologischen und dogmatischen Deductionen dem Leser zu nahen wagt. „Aus den Thatsachen zu Gedanken!" — so heisst das Losungswort; „wo diese scheitern, bleiben jene unerschütterlich stehen".

Es haben sich daher heut zu Tage alle diejenigen Wissenschaften einer gewissen Popularität zu erfreuen, welche auf dem Boden der Beobachtung und des Experimentes ruhen. Man will nicht den Weg von Oben nach Unten, sondern von Unten nach Oben. Nicht aus dem Allgemeinen, nicht aus Ideen und Begriffen, aus Principien und Grund­

sätzen soll die Wahrheit sich aufbauen. Nein, von unten auf, von gegebenen Zuständen der Erfahrung, von dem Einzelnen und sinnlich Wahrnehmbaren soll ausgegangen werden. Die Welt, meint man, hat manche tausend Jahre die Materie von vorgefassten Standpunkten aus bewältigen wollen, und es sei ihr nicht gelungen. Sie versucht es jetzt umgekehrt. Der realistische Tick, wie Goethe ihn nannte, beherrscht sie. Nach Induction lechzt schier ein Jeder, der auf wissen­

schaftliche Anerkennung rechnet, wie ein von ewigen Sandwirbeln übermüdeter Wüstenwanderer nach der Oase und ihren Quellen. Dem Durst nach grossartigen Ideen ist der naturgemässe Hunger nach der festen Speise geschichtlicher Realitäten gefolgt. Ein Mensch, der speculirt, erscheint ohne Weiteres als ein Opfer des Wahnes.

So wäre Bedürfniss und Interesse für eine Untersuchung, wie die hier vorliegende, schon motivirt. Ich könnte ohne einleitendes und rechtfertigendes Wort bei der grossen Menge der Gebildeten auf Zustimmung rechnen, wenn ich ihnen nicht ethische Speculationen nicht theologische Dialektik auf Grund biblischer Beweisführung brächte, sondern eine Menge aus dem Leben gegriffener Daten, nach strenger Methode in ein Gesammtbild zusammengruppirt. Mancher Natur­

forscher würde mich als einen bekehrten Saulus oder als einen er-

T- O e n i n g e n , Moralstatlstüt. 3. Ausg. 1

(17)

lösten Sisyphus begrüssen, der gleichsam müde geworden von frucht­

loser moralischer Denkarbeit sich auf die nüchterne Wirklichkeit be­

sänne und nach exacter Methode auf Grund ziffermussiger Beobach­

tung die „Gesetze" der sittlichen Bewegung in mathematischer U n ­ widerlegbarkeit entwickelte.

Allein so einfach liegt die Sache nicht. Ich gestehe von vorn herein, dass für mich das von Oben nach Unten oder von Innen nach Aussen gehende Verfahren (Deduction) sich mit dem von Unten nach Oben, von Aussen nach Innen gehenden (Induction) ergänzen müsse.

Wollen wir nicht blosNotizen sammeln, sondern in den Einzeldingen und den Einzelthatsachen einen Zusammenhang erkennen, so müssen wir auf die bedingenden Ursachen zurückgehen und unter allgemeine Begriffe sie zusammenfassen lernen. Die Zurückdeutung des erfahrungs- gemäss gefundenen Thatbestandes auf allgemeine Gesetze oder Prin- cipien nennen wir Induction. Sie umfasst also Beides, Beobachtung und Schlussfolgerung. Auch der einfache, ungebildete Mensch, welcher sich unbewusst dieser Untersuchungsweise bedient, ist getragen von der allgemeinen Fähigkeit des Denkens, von dem Glauben an einen inneren Zusammenhang der Dinge. Er bewegt sich nie „vor­

urteilsfrei" in der Beobachtung des ihn umgebenden Lebens und in der Schlussfolgerung aus den Thatsachen äusserer Erfahrung. Die innere Erfahrung und die mit der Selbstbeobachtung Hand in Hand gehende Aufnahme gewisser überlieferter Ideen erscheint unumgäng­

lich für die Deutung und das Verständniss der in seine Wahrnehmung eintretenden Einzeldinge. Er bringt sein Begriffsvermögen und seine Vorstellungswelt an die letzteren schon heran.

So wird auch der Mann der Wissenschaft nie ohne idealisirende und systematisirende Thätigkeit die Masse der Einzelbepbachtungen verwerthen können. Der Schatz innerer Denk- und Lebenserfahrung wirkt befruchtend auf seine äussere Beobachtung. Dann wird ihm erst die äussere Welt reich und geistvoll, ein Spiegel und Siegel für die in ihm webende Gedanken- und Idealwelt. Die Fähigkeit und das Bedürfniss, aus dem Allgemeinen und Idealen heraus sich eine Welt­

ansicht zu bilden — zu construiren, wie der Schulausdruck lautet — giebt sich eben in dem kund, was wir deductives Verfahren nennen.

Allüberall werden sich Induction und Deduction die Hand reichen müssen, auf dem Boden des täglichen praktischen Lebens, wie der Wissenschaft. Sie gehören zusammen wie Weib und Mann, wenn es gilt den ganzen Menschen zur Darstellung zu bringen. Das Weib, nach vorgefassten Ideen und in oft richtigem Taktgefühl urtheilend, ist einseitig deductiv begabt. Der Mann, die auf Beobachtung ruhen­

den Erfahrungen abwägend und den mühsamen, aber sicheren Weg der Einzeluntersuchung verfolgend, neigt zu inductiver Begründungs-

(18)

Induction und Deduction. 3 form. Aber die weiblich-idealisirende Art, mit rascher Combinations- gabe den Nagel auf den Kopf zu treffen, würde den vorgefassten Glauben an die Wahrheit ohne Berücksichtigung der Wirklichkeit zur Gefühlstäuschung, zum Wahne ausarten lassen. Und die männlich­

realistische Art, Schritt vor Schritt die Einzelthatsachen der Prüfung zu unterziehen, käme nie zu einheitlicher Ueberzeugungskraft, wenn nicht die Alles verbindende Idee uns beseelte. K a n t nannte die Welt, den ganzen Verlauf des Geschehens „ein System der Erfahrung". Nur aus der innigen gleichsam ehelichen Verbindung von äusserer und innerer Erfahrung wird die wahre, acht menschliche Erkenntniss geboren.

Wollen wir also allgemein gültige Gesetze der Lebensbewegung in Natur und Geschichte finden, so muss die Entwickelung aus allgemeinen Begriffen (Deduction) an dem Nachweis aus einzelnen Beobachtungen (Induction) ihre Stütze und Controle finden. Umge­

kehrt wird die Sammlung und Ordnung der aus der äusseren Er­

fahrung entnommenen Thatsachen (Induction) nur durch die Macht der Idee oder der aus innerer Erfahrung stammenden Principien (Deduction) zu einem seelenvollen Ganzen verbunden.

In allen Naturwissenschaften gilt meist der Weg äusserer Er­

fahrung oder Beobachtung als die berechtigte und vorwaltende Unter- suchungs- und Begründungsform. In den Geisteswissenschaften meint man das idealisirende (speculative) Verfahren eher als das sachgemässe zugestehen zu können. Allein man täuscht sich nur zu leicht, wie über das Wesen der Natur und des Geistes, so über das gegenseitige Verhältniss der beiderseitigen theoretischen Erkenntnissarten.

Wir dürfen weder die Natur entgeisten, noch den Geist den natürlichen Lebensbedingungen entziehen. Ueberau, in dem Gebiete der Natur, wie in dem des Geistes herrscht Gesetz und Ordnung und mit Unrecht hat noch neuerdings ein namhafter G e l e h r t e rl) dem ganzen Gebiet der Geschichte die Gesetzmässigkeit der Bewegung abgesprochen. Alle Wissenschaft macht es sich zur Aufgabe, den ursachlichen Zusammenhang und die regelmässige Verknüpfung der Grundkräfte zu erforschen, d. h. die erscheinenden Dinge auf eine

«massgebende Grundform, auf ein Gesetz ihres Bestehens zurück­

zuführen und dadurch zu erklären.

1) V g l . R ü m e l i n , Reden und Aufsätze. Neue Folge. 1881. p. 118 ff.:

„Ueber Gesetze der Geschichte." Den ganz entgegengesetzten, wohl auch einseitigen Standpunkt nimmt E r n s t S a s s e ein, welcher in seinem „Plan zu einer allgemeinen Statistik der Weltgeschichte" (Zeitschr. des preuss. stat.

Bur. 1879, I , S. 21 ff.) die periodische Bewegung der Geschichte auf gewisse statistisch berechenbare „Wellenlängen im Fortschritt der Civilisationsära" zu­

rückführen und so ihre „Gesetzmässigkeit" nachweisen will, ohne den Freiheits­

gedanken aufzugeben.

1*

(19)

E s wird also auch die Erforschung der Natur, als der Gesammt- heit der sinnlich wahrnehmbaren Aussenwelt, nicht ohne abstract logische Principien sich vollziehen können. Sie treten namentlich in der Form mathematischer Beweisführung an den Naturforscher heran und nöthigen ihn, die sogenannte Materie als ein durchgeistetes Gebiet unsichtbarer Kräfte anzuerkennen. Sonst geräth er in einen bornirten Materialismus, welcher von vornherein auf die Lösung des Welt- räthsels verzichtet, indem er das geistige Wesen aller Ursächlichkeit und aller wirkenden Kräfte verkennt.

Von der andern Seite wird die wissenschaftliche Untersuchung des geistigen Lebensgebietes, wie dasselbe in der Menschheitsgeschichte durch Sprache und Sitte zu Tage tritt, der steten Beobachtung bedürfen, um nicht zu irrlichteriren und in einseitig philosophische Abstractionen sich zu verlieren. Die Nothwendigkeit der äusseren Erfahrung zeigt sich insbesondere bei allen psychologischen und ethi­

schen Fragen. Wollte Jemand dieselben lediglich aus innerer E r ­ fahrung beantworten, so müsste er mit der Welt und Geschichte sich entzweien. Ein krankhafter Spiritualismus wäre die Folge; die wirk­

liche Welt sänke zum Schein herab und der Weg zum Verständniss des Daseienden, der gesammten, die Geschichtswelt beherrschenden Gesetze würde verschüttet.

Allerdings besteht zwischen der Naturforschung und der Geistes­

wissenschaft in Betreff ihrer Methode ein bedeutsamer Unterschied. Durch Verwischung desselben ist oft der bedauerliche, heisse Streit zwischen beiden wach gerufen worden. E s darf nicht verkannt werden, dass die Natur das Gebiet der Nothwendigkeit, der Geist das Gebiet der Freheit umschliesst. In der Natur waltet die zwingende Regel­

mässigkeit auf Grund der materiell wirkenden Kräfte vor. In der Geschichte machen sich die Ideen als nöthigende Mächte geltend und erzeugen eine Selbstregelung des sittlichen Lebens. Daher gilt für die Naturforschung das Experiment, die Beobachtung der Einzelfälle und die Analyse der Einzeldinge als die zunächstliegende Aufgabe.

Denn in der Natur erscheint das Einzelne vorbildlich (typisch) für die allgemeine Regel. Einige solide Experimente können die Allge­

meingültigkeit eines Gesetzes feststellen. Für die Geisteswissenschaft ist aber der Mensch selbst, als Geschichtswesen, der Gegenstand der Untersuchung. Mit dem Menschen lässt sich schwer experimentiren.

Die Beobachtung wird von den Erfahrungsthatsachen des inneren B e ­ wusstseins auszugehen sich genöthigt sehen.

Wie aber Nothwendigkeit und Freiheit sich in dem Geheimniss des Lebens nicht auszuschliessen brauchen, so stehen auch die äussere und innere Beobachtung, Experiment und Ideenentwickelung nicht in Widerspruch miteinander; sie ergänzen sich vielmehr zu gegenseitiger

(20)

Natur- und Geisteswissenschaft. 5 Stütze in der Erforschung der Wahrheit. Deshalb darf die Geistes­

wissenschaft nicht stolz auf die naturwissenschaftliche Methode herab­

sehen, noch auch die Naturwissenschaft die Macht der Idee unter­

schätzen. Sich gegenseitig Handreichung zu thun, dazu sind beide berufen.

Namentlich wird es für den Mann der Geisteswissenschaft von Interesse sein, die idealen Lebenswahrheiten, die er auf dem Wege innerer Erfahrung gefunden, an der äusseren Beobachtung zu messen, um zu sehen, ob sie die Probe bestehen. Er kann den Menschen weder als einzelnes Geschichtswesen noch auch in seiner gesellschaft­

lichen Gruppenbewegung unter das Secirmesser und die Retorte bringen, durch Mikroskop oder Teleskop betrachten. Auch reicht die persönliche Einzelbeobachtung nicht aus, um allgemeingültige Gesetze menschlicher Willensbewegung festzustellen oder zu erhärten. E r wird also jedes Mittel willkommen heissen, welches ihm einen weiteren Blick in eine Gruppe gleichartiger Thatsachen des gesellschaftlichen Lebens ermöglicht. Die Statistik, als methodische Massenbeobachtung, scheint diesem Bedürfniss am erfolgreichsten Genüge zu thun.

Den ideal gearteten Menschen überkommt leicht ein Grauen, wenn davon die Rede ist, das geistige Gebiet der Freiheit, der Willens- bethätigung unter den Bann der Zahl, der ziffermässigen Beobachtung zu stellen. Wie lässt sich die Gesinnung, in welcher alle Moral wur­

zelt, unter das Netz einer Massenbeobachtung spannen! In dem Aus­

druck, wie in dem Begriff der Moral - Statistik liegt ihm bereits ein unerträglicher Selbstwiderspruch. E s berührt ihn dieses Wort schon wie ein Verrath an der Freiheit. Insbesondere kann der philo­

sophisch und theologisch geschulte Kopf leicht an solcher Veräusser- lichung des Zartesten Anstoss nehmen. Es erscheint ihm wie eine Entweihung der Idee, für die Wahrheit derselben aus dem äusseren Erfahrungsleben eine Bestätigung oder gar eine Stütze zu suchen.

Solchen Bedenken gegenüber werden wir auf den Begriff und das Wesen der sogenannten Moral - Statistik näher einzugehen haben. Vielleicht wird aus der Erläuterung dieses allerdings miss­

verständlichen Namens eine Klärung des Problems sich ergeben, welches uns hier beschäftigt. Der Name ist ausserdem neu. Seine französische Herkunft1) mag ein ungünstiges Vorurtheil in den Köpfen mancher deutschen Gelehrten erwecken. Und doch ist grade auf deutschem Gebiete die moralstatistische Arbeit am

1) V g l . G u e r r y , Essay sur la s t a t i s t i q u e m o r a l e de la France 1834. Seine älteste Monographie, die er mit A . B a l b i herausgab (Statistique comparee, de l'etat de l'instruction et du nombre des crimes, 1829) ist mir nur aus dem Citat bei Guerry (stat. de la France p. 47) bekannt. Jedenfalls stammt der Name M o r a l s t a t i s t i k erst vom Jahre 1834.

(21)

erfolgreichsten ausgebeutet worden. Mit unparteiischem Sinn wollen wir in ihre Bedeutsamkeit einzudringen suchen. Zu dem Zweck gilt es, erstens das Wesen der Statistik kurz zu beleuchten; zweitens ihre Anwendbarkeit auf dem Gebiete der Moral zu prüfen;

drittens die bisherigen Versuche der Bearbeitung der Moral­

statistik in ihrer geschichtlichen Entwickelung zu überblicken und endlich viertens die methodischen Regeln für die Ausführungderselben festzustellen.

I . D i e S t a t i s t i k a l s s e l b s t ä n d i g e W i s s e n s c h a f t u n d a l s m e t h o ­ d i s c h e T J n t e r s u c h u n g s f o r m .

Die Statistik ist heut zu Tage in Jedermanns Munde. Sie scheint ein gassenläufiger Begriff geworden zu sein. In Zeitungen und auf Parlamentstribünen, in den Sitlen der Wissenschaft und in den Bureaus der Beamten ist sie gang und gäbe. Ueberau wo man mit grossen Ziffermassen Knalletfecte hervorzubringen sucht, wo man mit geschickter Gruppirung derselben den Leuten Sand in die Augen streut, wo die Aufzählung von Millionen jenen Andachtsschauder erregt, den die leichtgläubige Menge liebt: da meint man die „Statistik" verwerthen zu können. Denn was ist sie anders, als in Zahlen ausgedrückte Sammlung von Thatsachen? Ernstere Leute, welche in mehr oder weniger dunkler Ahnung der colossalen Lügen, die sich unter angeb­

lich soliden Ziffern verbergen, vor den Zahlen zurückscheuen, be­

trachten daher jene Kunst, welche die Franzosen mit dem Ausdruck

„grouper les chift'res" bezeichnet haben, mit ganz besonderem Miss­

trauen. Anderen wieder gilt die Statistik als das Langweiligste, was man sich denken kann. Und wer es vollends erfahren hat, wie mechanisch und äusserlich jenes Geschäft des Sammeins und Gruppirens vielfach betrieben wird, der schlägt am liebsten jedes Buch zu, in welchem Tabellen und Zifferreihen mit ihrem trostlos öden Angesicht den Leser anstarren.

So wird auf der einen Seite die Statistik im Dienste der Tendenz leidenschaftlich verwerthet und überschätzt. Auf der andern Seite verliert man den Einblick in die grosse Bedeutung derselben und giebt jeder volltönenden Phrase den Vorzug vor der genauen Ziffer.

In beiden Fällen ist man sich des Wesens der wahren Statistik nicht klar bewusst.

Trotz ihrer heut zu Tage allgemeinen Verbreitung und anerkannten Nothwendigkeit, liegen die Fachmänner im Streit über ihre Begriffs­

bestimmung. Es fällt mir nicht ein, die ganze Reihe der versuchten Definitionen — man hat ihrer Hunderte gezählt! — zu durchmustern.

Wir können, ohne Darwinistische Tendenz, alle Begriffsbestimmungen auf zwei Grundarten zurückführen; und auch diese geben kaum A n -

(22)

I . Die Statistik als Wissenschaft. 7 lass zu einer von manchen Seiten vorgeschlagenen „Trennung" unserer

Disciplin. Sie lassen sich vielmehr als verschiedene Standpunkte der Betrachtung unter einen höheren Gesichtspunkt zusammenfassen.

Die ältere Auffassung wird durch die Göttinger Schule von A c h e n w a l l (1749) im Anschluss an H . C o n r i n g (1675) begründet.

Fortgesetzt durch S c h l ö z e r (1804) hat sie bis auf den heutigen Tag an W a p p ä u s einen würdigen Vertreter gefunden *). Ihr ge­

bührt nicht blos der Vorzug der Ursprünglichkeit; sie zeichnet sich auch durch grössere Klarheit und schärfere Grenzbestiinmung vor der neueren Ansicht aus. Allerdings darf dieselbe nicht als blosse Zu­

sammenstellung des „Staatsmerkwürdigen" oder als gesellschaftliche

„Zustandswissenschaft" gefasst werden. In den ersten Anfängen fühlt man noch jener Begriffsbestimmung das Tastende, Unfertige ab. Es liegt auf der Hand, dass ein blosser „Zustand" der menschlichen G e ­ sellschaft nicht scharf begrenzt werden kann. Denn diese ist etwas stets Wechselndes, Fluctuirendes. Aber die Statistik in ihrer ältesten Form ist auch nicht vonstatus (=Zustand), sondern vom italienischen statista (=Staatsmann, Staatskundiger) herzuleiten. Das hat Wappäus schlagend nachgewiesen2). Statistik wäre demgemäss die möglichst genaue Beschreibung der Staaten in ihrer jedesmaligen Bewegung und Zusammensetzung. Selbstverständlich kann eine solche Beschreibung nicht ohne ziffermässige Feststellung der Thatsachen ausgeführt wer­

den, durch welche der jeweilige Zustand des social-politischen G e ­ meinschaftslebens sich charakterisirt.

1) Noch neuerdings hat W a p p ä u s für diese ältere Auffassung der Sta­

tistik gegen Knies, Haushofer u. A . eine Lanze gehrochen. V g l . Gött. Gel.

Anzeigen 1872. Heft 11. S. 401 ff. Ebenso in seiner jüngst (nach dem Tode des hochverdienten Verfassers) erschienenen Vorlesungen: „Einleitung in das Stud.

der Statistik." 1881, welche übrigens wenig Neues enthalten. Vgl. auch R ü m e l i n :

„Zur Theorie der Statistik" in den Reden und Aufsätzen 1875. I I , 1. Die eben er­

schienene neue Folge derselben (Tübingen 1881) bietet trotz ihres reichhaltigen socialethischen Stoffes (s. bes. 5. Rede: Ueber Gesetze der Geschichte; und 8. Aufsatz: Zur Uebervölkerungsfrage) wenig Ausbeute für den Statistiker.

2) V g l . W a p p ä u s Allg. Bevölkerungsstat. I L , S. 549 ff. — K n i e s , die Statistik als selbständige Wissenschaft. 1850. S. 9 ff. — Unter den französischen Arbeiten über diese Frage zeichnet sich besonders D u f a u aus. V g l . seine Schrift: de la methode d'observation dans son application aux sciences morales et politiques. 1866. S. 92 ff. NeuerdiDgs neigt zur älteren Auffassung der Statistik M a u r i c e B l o c k , wenn er (in seinem Handbuch der Statistik ed. H . v. S c h e e l . Leipz. 1879. S. 56) sagt: Statistik als W i s s e n s c h a f t ist die (ziffermässige) Darstellung der politischen, ökonomischen und socialen L a g e einer Bevölkerungsgruppe. Als „ M e t h o d e der Massenbeobachtung" umfasst sie aber nach ihm zugleich „die Analyse der ursächlichen Beziehungen" ohne jedoch den Anspruch zu erheben, irgendwelche „Gesetze" construiren zu können.

i

(23)

Wir können uns kaum wundern, wenn dieser gegenwärtig ver­

alteten Fassung ihres Begriffs die moderne Ansicht in schroffer Ein­

seitigkeit entgegentritt. Im Anschluss an Quetelet ist auch auf deutschem Boden durch Männer wie Knies, Jonack, Rümelin, Engel, A. Wagner, Haushofer, Neumann-Spallart1) u. A . die Statistik ledig- als eine methodische Hülfswissenschaft bezeichnet worden. Sie soll gar kein begrenztes Object haben, sondern nur in einer be­

stimmten Untersuchungsform bestehen. Für alle diejenigen Gebiete der Natur und Geschichte, welche nicht in sich gleichbleibender Regel­

mässigkeit zu Tage treten, sondern in Folge verwickelter Verursachung mannigfachen Schwankungen unterworfen sind, soll die Statistik als systematisch geordnete Massenbeobachtung das Mittel sein, um das Gesetz ihrer Bewegung zu erforschen.

Auf den ersten Blick fallen die neuere und ältere Auffassung gänzlich auseinander. J a sie scheinen sich dermaassen zu widersprechen, dass man die Erregung beider Gruppen in dem Kampf für ihre A n ­ sicht verstehen kann. Sowohl was die statistische Untersuchungs­

form, als was ihr Untersuchungsgebiet betrifft, scheinen sie sich auszuschliessen. In formeller Hinsicht gilt dort die Statistik lediglich als Beschreibung des Thatsächlichen für praktische Zwecke des Staates, hier als ein Mittel fortgesetzter (periodischer) Beobachtung für theoretische Zwecke der Wissenschaft. In sachlicher Hinsicht soll sie nach der alten Ansicht auf menschliche Gesellschaftszustände be­

schränkt werden; nach der neueren umfasst sie alle möglichen Unter­

suchungsfelder, auf welchen bisher keine Stetigkeit, sondern ein steter Wechsel der Zustände beobachtet worden ist.

Sehen wir jedoch näher zu und befreien wir beide Ansichten von ihren Einseitigkeiten, so lassen sie sich wohl vereinigen. Jeden­

falls erscheint eine „Trennung" der Statistik unmotivirt. Es handelt sich lediglich um einen engeren oder weiteren Kreis, für welchen man sie verwendet.

Die alte Auffassung sagt uns klar und deutlich, was wir, ohne allen Zusatz und ohne nähere Bestimmung, unter Statistik zu verstehen haben. Es ist die auf Massenbeobachtung ruhende Be­

schreibung der menschlichen Gesellschaftszustände in dem staatlichen Zusammenleben der Völker. Soll diese Beschreibung einen wissen­

schaftlichen Werth haben, so versteht sich von selbst, dass sie erstens nicht einmalig, sondern periodisch sich vollziehen muss. Denn die staatlich geordnete Gesellschaft ist ein sich bewegendes und wachsen-

1) V g l . die treffliche Abhandlung von N e u m a n n - S p a l l a r t : Sociologie und Statistik. 1878. Separatabdr. aus der Wiener Statist. Monatsschrift 1878.

S. 1 ff. S. 57 ff.

(24)

I . Die Statistik als Wissensehaft. 9 des, gliedlich geordnetes Gemeinwesen. Mann kann dasselbe nicht blos zuständlich fassen, gleichsam ein photographisches Durchschnitts­

bild in Zahlen geben. Daher fordert auch W a p p ä u s , als V e r t e i ­ diger der alten Auffassung, die fortdauernde Erhebung der statis­

tischen Daten als Consequenz der ursprünglichen Ansicht. Zweitens aber kann die auf periodischer Beobachtung ruhende Beschreibung sich nicht der Schlussfolgerung entziehen. Sonst wäre sie nicht Wissen­

schaft, sondern todte Materialsammlung. Die Wissenschaft der Sta­

tistik, auch wo sie sich auf das staatliche Gemeinleben der Völker beschränkt, sucht aus der systematisch geordneten Massenbeobachtung die stetig (constant) wirkenden Ursachen und Einflüsse herauszufinden und sie durch das sogenannte Gesetz der grossen Zahl von den „zu­

fällig" wirkenden auszuscheiden. Erst aus der grösseren Reihe von Beobachtungen tritt eine gewisse Regelmässigkeit der Erscheinungen zu Tage. Daraus ergiebt sich die Möglichkeit, bestimmte Erfahrungs­

gesetze zu formuliren, welche im Dienste der Staatspraxis ebenso wie zum Nutzen der Staats-Wissenschaft V e r w e r t u n g finden.

Mit diesen Gedanken ist aber auch schon der Uebergang zur modernen Ansicht gemacht. Es wird sich dieselbe nur bescheiden müssen, den althistorischen Namen der Statistik nicht willkürlich zu erweitern. Ohne nähere Begrenzung gebraucht, bezeichnet er stets jene Lebensbeschreibung des Volks, welche sich auf systematisch geordnete und ziffermässig genaue, periodische Massenbeobachtung desselben stützt. Man hat deshalb auch den Namen der Bevölkerungs­

kunde (Populationistik) oder Gesellschaftskunde (Sociologie) oder Volks­

beschreibung (Demographie) dafür in Vorschlag gebrachtx). Sie geradezu als „Staatswissenschaft" zu bezeichnen, wie Wagner, Knies u. A . zum Unterschied von der blossen statistischen Methode wollen, geht ebenso­

wenig an, als sie mit der „Physik der Gesellschaft" gleich zu setzen, wie Engel auf dem Congress im Haag vorschlug. Denn die Statistik kennzeichnet sich eben durch ihren althergebrachten Namen bereits als eine besondere Disciplin der allgemeinen Staatswissenschaft;

diese hat als solche alle Verfassungs- und Rechtszustände des politischen Gemeinwesens theoretisch zu begründen, eine Aufgabe, die der Statistik fern liegt. Auf die „Physik oder Physiologie der Gesellschaft" darf 1) Meines Wissens zuerst Engel. Neuerdings ist dieser Name in Frank­

reich eingebürgert durch die Annales de demographie internationale 1877 ff., edirt v o n A r t h u r C h e v i n . V g l . namentlich B e r t i l l o n : Place de la demo­

graphie dans les sciences anthropologiques. a. a. 0 . Demogr. internat. Paris 1877 p. 517 ff. woselbst p. 519 der Zweck dieser Wissenschaft folgendermassen bestimmt wird: Ce sont les associations (collectivites) humaines, que la demo­

graphie a pour mission de connaitre, et dans leur composition — demographie statique — et dans leurs mouvemens — demographie dynamique.

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sie aber nicht beschränkt werden, weil sie, wie wir gleich sehen wer­

den, auch die ethisch bedeutsamen Zustände und Entwickelungs- momente des socialen Lebens seit je her sich zur Aufgabe gemacht hat.

Treu dem historischen Ursprünge der Statistik werden wir sie also als diejenige Wissenschaft bezeichnen können, welche auf Grund systematisch geordneter Massenbeobachtung die Volkszustände im socialen Gemeinleben schildert und auf gewisse Erfahrungs-Gesetze zurückzuführen sucht1). Das letztere Moment betont zu haben, ist das Verdienst der neueren Schule. Sie giebt uns auch ein Recht dazu, von einer statistischen Untersuchungs - Methode zu reden. E s be­

steht dieselbe wesentlich darin, dass man durch fortgesetzte Sammlung und systematische Zusammenstellung gleichartiger That- sachenreihen die Stetigkeit gewisser Einflüsse und durchschlagender Ursachen dort festzustellen sucht, wo im Wechsel der Erscheinungen keine typische Gleichartigkeit erkennbar ist. So tritt die statistische Methode als ein Surrogat für das Experiment ein. Durch die grosse Zahl der Beobachtungen und durch eine gewisse Analyse und Gruppirung derselben sucht sie die Erfahrungsgesetze und den inneren Rythmus in dem bunten Gewirre der Erscheinungen festzustellen.

Es liegt eine gewisse Wahrheit in dem Aussprach eines neueren Theologen, dass in Folge der Concurrenz ihrer Bewerber die Züge dieser jüngsten Tochter der Wissenschaft gleichsam verschleiert vor uns stehen. Noch hat sie nicht endgültig entschieden, wem sie, die vielumworbene, die Hand reichen will. Von allen Seiten erhebt mau Anspruch auf sie, und aus jedem Zuge, aus jeder beifälligen Miene glaubt der Werber eine Zusage entnehmen zu dürfen, als ob er der Auserkorene sei, dem sie in den Kreis seiner Studien folgen und seine Gehülfin werden wolle. Da ist nun freilich viel Staub aufgeworfen worden, wenn jede einzelne wissenschaftliche Richtung das Geschütz statistischer Ziffern aufführte und sich auf die Zahlen, als die ver­

meintlichen Bestätiger ihrer Ansicht stützte.

Nur unter Voraussetzung solider Methodik, nicht aber zur B e ­ friedigung der Neugierde und zur Beweisparade für politische Zwecke oder Farteiabsichten kann sie sachgemäss verwendet und zur „Fackel­

trägerin" in dem Labyrinth des wechselvollen Lebens werden. So ist sie für Völkerpsychologie und Völkerphysiologie, für Schädelbil-

1) Aehnlich neuerdings G . M a y r , Die Gesetzmässigkeit im Gesellschafts­

leben, 1878, wo auf S. 10 die Statistik als „das wissenschaftliche Mittel zur Ergründung der in Zahl und Maass fassbaren Eigenart der menschlichen Ge­

sellschaft" hingestellt und die „Feststellung der Gesetzmässigkeit" im Gesell­

schaftsleben als ihre Aufgabe bezeichnet wird, wobei freilich dem Unterschied von Natur- und Gesellschaftsgesetz m. E . nicht in ausreichend klarer.Weise Rechnung getragen wird.

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I I . Moralstatistik uud Socialethik. 11 bildungen und Krankheitserscheinungen, für Meteorologie und Anthro- pometrie, für Kunst - und Sprachwissenschaft, für moralische und religiöse Volkskundgebungen mit Erfolg ausgebeutet worden. Warum soll die sogenannte Staatswissenschaft allein die „numerische Methode"

gepachtet haben?

Allerdings wird sie bei solcher Erweiterung ihres ursprünglich engeren Rahmens je nach dem begrenzten Object der Untersuchung näher bezeichnet werden müssen, sei es als Wetter- und Wind­

statistik, sei es als medicinische oder Moral-Statistik etc. J a selbst innerhalb der althergebrachten Statistik wird man Bevölkerungs- und Berufsstatistik, Preis- und Handels-, Bildungs- und Verkehrsstatistik etc.

ebenso unterscheiden können, wie innerhalb der Beobachtung sittlicher Gesellschaftszustände die Heirath- und Selbstmord-, die Criminal- und Religion-Statistik.

Ob nun von diesem Gesichtspunkte aus eine Moralstatistik mög­

lich und in welchem Sinne dieselbe für die wissenschaftliche Begrün­

dung einer sittlichen Weltanschauung von Bedeutung ist, haben wir in dem Nachfolgenden weiter zu untersuchen.

I I . D i e M o r a l - S t a t i s t i k i n i h r e r B e d e u t u n g f ü r e i n e S o c i a l e t h i k .

Es läss sich nicht leugnen, dass der Name Moral - Statistik unglücklich gewählt ist. Die von D r o b i s c h und V o r l ä n d e r ver­

suchte Verdeutschung des französischen Ausdrucks „statistique niorale"

erscheint aber noch bedenklicher. Denn „moralische Statistik" wiese auf eine Eigenschaft der Statistik hin, während durch jenen Zusatz nur der Gegenstand, das Untersuchungsobject bezeichnet werden soll, mit welchem sie es zu thun hat. Die von Wappäus vorgeschlagene Bezeichnung „Sittenstatistik" scheint annehmbarer, schon ihres deut­

schen Klanges wegen. Allein sie giebt leicht zu dem Missverstande Anlass, als handele es sich um statistische Sammlung und Feststellung der Volkssitten, während doch factisch nur die einzelnen, concreten Handlungen registrirt werden können, welche dann erst einen Rück­

schluss auf die in denselben zu Tage tretenden Sitten oder Unsitten erlauben. W i r bleiben daher vorläufig bei dem eingebürgerten Namen, welcher wenigstens klar sagt, dass die Moralstatistik die Anwendung der numerischen Massenbeobachtung auf das Gebiet der Moral oder der sittlich bedeutsamen menschlichen Handlungen sich zur Auf­

gabe macht.

Allein darin liegt gerade für Viele das Anstössige. Die Be­

denken kommen haufenweise. Zählbar, so sagt man, ist doch nur die Summe der äusserlich erscheinenden Thatsachen, die Moral aber ist Sache der innersten Gesinnung. Jeder Handlung, sofern sie sittlich

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bedeutsam ist, liegen eine Menge verschiedener und oft sehr ver­

wickelter Motive zu Grunde. Die Handlungen lassen sich also, sofern sie einer moralischen Beurtheilung unterliegen, gar nicht unter die Ziffer bringen. Das Summiren sei ein rohes Verfahren. Jeder Ehe­

bruch und jeder Selbstmord, jedes Verbrechen und jede Heirath — sie haben ihre sonderlichen Beweggründe. Wer wird denn verschieden benannte Grössen zusammenzählen und unter einen Generalnenner bringen?

Sodann aber umfassen die zählbaren und registrirbaren Daten fast ausschliesslich böse, unmoralische Handlungenl) Man könnte eher von einer Immoralitäts-, als von einer Moralstatistik reden. Und

— was das Wichtigste — aus der äusseren Beobachtung ergeben sich nur allgemeine Regelmässigkeiten auf Kosten der persönlichen Mannig­

faltigkeit. Die Moral sei Sache der Freiheit, der Selbstbestimmung des Willens. Die Willensfreiheit lasse sich schlechterdings nur aus der inneren Erfahrung des Gewissens entnehmen und an den That­

sachen des Bewusstseins studiren. Jede Beobachtung der schlechten Wirklichkeit, der Massen von Verbrechen und Selbstmorden etc.

demoralisire nur durch den Schein, als entstünden alle diese Aus artungen des Willens durch äussere Naturnothwendigkeit2). Das was

1) Nach R e h n i s c h (Zur Orientirung über die Untersuchungen und Er­

gebnisse der Moralstatistik. Zeitschr. für Philos. und philos. Kritik. Halle 187(5.

No. 68. S. 213 ff.) sogar nur Verbrechen und Selbstmorde ! Dass der Rahinen der sogen. Moralstatistik so eng nicht ist, hätte der Verf. jener sonst gründ­

lichen Abh. wohl aus meinem Werke entnehmen können, welches er zu meinem Bedauern seiner Kritik nicht unterzogen hat.

2) Ich verweise unter den vielen populären und philosophischen Abhand­

lungen, welche dieses Problem berühren, anf die neuerdings erschienenen:

H e u e r m a n n , Die Bedeutung der Statistik für die Ethik. (Schulprogramm).

Osnabrück 1876. E . H ö h n e „Statistik und christl. Sittenlehre," in der Samm­

lung von Verträgen, welche unter dem Titel „Mancherlei Gaben und ein Geist" 1876 erschienen sind. Hier wird die alte Klage laut: „Gerade dasjenige, was dem sittl. Gebiete angehört, lässt sich bei seiner Innerlich­

keit und Geistigkeit überhaupt nicht ziffermässig, nacli dem Quantum messen etc." V g l . auch J o h . H u b e r , Die ethische Frage. München 1878 S. 21 ff; S e y d e l , Ethik oder Wissenschaft vom Seinsollenden. Leipz. 1877, wo der Gegensatz von Statist, und ethischen Gesetzen mit Recht betont wird.

S. auch R ü m e l i n , „Moralstatistikund Willensfreiheit." Reden und Aufs. 1875.

I I I , 1. — H . S i e b e c k , Das Verhältniss des Einzelwillens zur Gesammtheit im Lichte der Moralstatistik (Jahrb. für Nationalökon. und Statistik v. Conrad.

1879, I I , 5). Auf die zahlreichen, dieses Gebiet berührenden statist. Arbeiten der Italiener komme ich weiter unten zu sprechen. Die Arbeiten von Rümelin (über den Begriff des socialen Gesetzes) und von Siebeck, sind auch ins Italie­

nische übertragen worden. V g l . Annali di etat. 1881, I I , vol. 17 u. 23. Manches

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