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Archiv "Verräterisch" (27.01.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DIE GLOSSE

Verräterisch

Da wird eine Tagung angekündigt zum Thema „Macht und Ohn- macht in der Medizin". In Wirklich- keit geht es nur um das Kranken- haus, in dem viele „mit erhebli- cher Macht ausgestattet" seien, andere dagegen „ohnmächtig ausgeliefert" an „herrschende Re- geln, Verfahren, Routinen, Ma- schinen (und Menschen)". So heißt es in den Erläuterungen.

Wenn dies so ist — fragt man sich

—, warum soll dann die Tagung nach „Ansätzen eines realitätsge- rechten Umgangs mit Macht und Machtlosigkeit" suchen? Wenn die Verteilung von Macht und Ohnmacht im Krankenhaus doch offenbar Realität ist, dann gehen doch die Macht-Haber sicher auch realitätsgerecht mit ihrer Macht um (sonst hätten sie ja keine Macht mehr). Nach was für „An- sätzen" soll hier eigentlich ge- sucht werden?

Je länger man darüber nachdenkt, desto stärker wird der Verdacht, daß hier — zu einem bestimmt wichtigen und diskussionswürdi- gen Thema — lediglich Phrasen ge- droschen werden. Allerdings muß man dem Autor dieser Tagungser- läuterungen eines zugestehen:

Auch er hat erkannt, daß sprachli- che Formeln verräterisch sein können. Als Beweis für seine Machttheorie führt er auch an, wie oft es heiße, ein Krankheitsverlauf sei nicht „in den Griff zu kriegen"

oder „zu beherrschen".

Bei einer zweiten Tagung am sel- ben Ort wird das noch deutlicher.

Es geht um „methodische Refle- xionen zu Fremd- und Eigenbe- stimmung im Krankenhaus", und die Erläuterungen beginnen so: Im Krankenhaus werden Krankheiten und Menschen „behandelt".

Hier werden nun die Gänsefüß- chen des Autors verräterisch. Be- handeln ist ja im Gesundheitswe- sen zunächst einmal ein Fachaus-

druck: Der Arzt handelt, er tut et- was, er ist aktiv. Man kann dieses Wort aber auch als eine schöne Darstellung des Verhältnisses zwi- schen Arzt und Patient betrach- ten: Der Arzt benutzt seine Hände, er tastet, er untersucht, er legt die Hand auf; man begibt sich in die Hände eines Arztes, man ist — hof- fentlich — bei ihm in guten Hän- den.

Die Gänsefüßchen hier jedoch sol- len dieses Wort offenbar abwer- ten: Der Arzt sorgt nicht, pflegt nicht, heilt nicht — er handhabt, er arbeitet an einem herum. Später heißt es, diese Tagung wolle fra- gen, wie weit Kranke nur Gegen- stände medizinischer „Behand- lung" sein können — nur! — oder auch, so geht es dann weiter, Sub- jekt ihres Handelns, Leidens, Füh- lens, Denkens ... — Wo steht ei-

„Bedingt

verwendungsfähig”

Zu den 67 Prozent der Männer, die in der Bundesrepublik Deutsch- land bereit sind, ihre Organe nach dem Diesseitsdasein für Trans- plantationen zu spenden, zählt auch der Chronist. Indessen, er ist nur noch bedingt verwendungsfä- hig — für die Organspende (nicht für die Wehrüberwachung)!

Sein Herz zum Beispiel, das ihm immer wacker gedient hat, seine hingabefähige Leber und die Nie- ren, die auch heute noch für ihn bereit sind, so vieles wieder„los"

zu werden, wird er — trotz Spen- derausweis — nicht mehr los: Tri- but an Alter und beginnende Ge- fäßstabilisierung. Immerhin: Die Hornhaut der Augen, die dabei wa- ren, wenn ihn so manches holde Wesen irritiert hat, sowie die Ge- hörknöchelchen, die ihm auch beim selektiven Weghören treu zur Seite standen (und fürderhin werden), sind noch brauchbar. Ob die zähe Dura mater gar einmal

gentlich, daß das eine das andere ausschließen muß? Der Arzt be- handelt doch immer Menschen und nicht etwa kranke Gegen- stände.

Und was ist das überhaupt für ein grauenhaftes Bild unserer Kran- kenhäuser, das hier gezeichnet wird? Sind unsere Krankenhaus- patienten wirklich nur noch Pup- pen, den mächtigen Medizinern und Apparaten ohnmächtig aus- geliefert, sind sie nur noch zu be- arbeitende Objekte, die alle Reste ihrer Subjektivität und ihrer indivi- duellen Regungen, Gedanken und Gefühle gefälligst in der Kleider- kammer abzugeben haben?

Protestiert eigentlich niemand, wenn ausgerechnet eine Evangeli- sche Akademie unsere Kranken- häuser so darstellt? gb

einer zauberhaften Hexe nützlich sein wird? Wem wollte bei dieser freudig-sündigen Überlebensaus- sicht nicht das Herz höher schla- gen. Spottlieb Freundlich Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 4 vom 27. Januar 1984 (23) 179

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