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„ Aus Fehlern lernen, nicht aus dem Licht von Ster- nen, das nenne ich klug.

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Academic year: 2022

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M e i n u n g

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© 2021 Wiley-VCH GmbH Physik Journal 20 (2021) Nr. 2

T

heodor Fontane sagte sehr treffend: „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben“ – oder zumin­

dest noch haben. Der derzeitige Verfall der akademischen Selbstverwaltung hat im Universitätssystem meiner aus­

tralischen Wahlheimat zu besorgniserregenden Entwick­

lungen geführt, die den zunehmend unternehmerischen Universitäten in Deutschland eine Warnung sein sollten.

In Australien haben ein Regierungsgutachten und mehrere Gerichtsverfahren die Frage des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Hochschulsektor ins öffentliche Interesse gerückt. Ich selbst war in einen Prozess verstrickt nach meiner öffentlichen Kritik, dass die Rekrutierung zahlender ausländischer Studierender an meiner Univer­

sität keinen hinreichenden ethischen Standards genügt. In einer außergerichtlichen Einigung konnte ich zwar mei­

nen Posten als gewähltes Mitglied des Universitäts senats verteidigen; nun hat meine Universität aber „meinen“

Studiengang Mathematik eingestellt.

Aber das wahre Problem ist nicht die Beschränkung der Meinungsfreiheit, sondern dass die Rolle der Pro­

fessoren in den Entscheidungsprozessen an Australiens Universitäten radikal eingeschränkt worden ist. Akade­

mische Selbstverwaltung findet praktisch nicht mehr statt.

Die Gründe dafür sind viel fältig: Durch Gesetzes­

änderungen wurden die Uni­

versitätssenate kommerziellen Aufsichtsräten angepasst. Die Karrierepfade der Professuren

und der CEO­artigen Führungsriegen entfernen sich im­

mer weiter voneinander und haben zu einer Entfremdung geführt. Zudem besitzen die Universitäten (politisch ge­

wollt) immer mehr unternehmerischen Charakter – ge­

trieben durch hohe Studiengebühren für internationale Studierende.

In der Konsequenz scheinen Universitäten in erster Linie darauf abzuzielen, die Zahl internationaler Studie­

render zu erhöhen. Zu diesem Zweck suchen sie Wege, um ihre eigenen Zulassungskriterien zu untergraben, und locken den Großteil ihrer Studierenden durch Agenturen mit fragwürdigen kopfgeldartigen Zahlungsmodellen an.

Bei diesen Universitäten bestimmt die Marketingabteilung die akademische Ausrichtung, hier werden horrend teure Prestigebauten errichtet und gleichzeitig wird die Zahl der Professoren dezimiert. Die Forschungspräsidenten vieler Universitäten opfern die Unabhängigkeit der Forschung für eine vermeintliche Industrienähe. Dem Verfall akade­

mischer Standards können Professoren und Studierende nur hilflos zusehen.

All dies sind die Konsequenzen von Entscheidungs­

strukturen, in denen die Fähigkeit fehlt, Auswirkungen in Bezug auf akademische Qualität richtig einzuschätzen, oder der Wille fehlt, diese angemessen zu berücksichtigen.

Sind derartige Entwicklungen auch in Deutschland möglich? Die traditionelle Wertschätzung für die aka­

demische Selbstverwaltung und die grundgesetzlich ver­

briefte Freiheit von Forschung und Lehre geben einen Schutz, der dem australischen System fehlt. Die staat­

liche Finanzierung des deutschen Systems, ohne signi­

fikante Studiengebühren, schützt ebenfalls. Aber auch in Australien hat diese rasante Entwicklung erst im letzten Jahrzehnt eingesetzt – als Resultat von vernünftig scheinenden ökonomisch­

rationalen Verlockungen, deren Nachteile sich erst im Nachhinein zeigten.

Deutsche Hochschulen sind solchen Verlockungen gegenüber nicht immun. Sind Leitbilder wie die „unter­

nehmerische Universität“ und wirtschaftsnahe Univer­

sitätsräte, Ergebnisorientierung anhand von Zielverein­

barungen über Steigerungen von (internationalen) Studie­

rendenzahlen und Drittmitteln sowie die Ausrichtung an Exzellenzwettbewerben und an Rankingplätzen Vorboten einer Entwicklung, in der sich Forschende und Lehrende zunehmend wissenschafts fernen Zielen unterordnen?

Damit man aus Fehlern lernen kann, muss man sie verstehen. Mir wurde die Bedeutung der akademischen Selbstverwaltung und der Freiheit von Lehre und For­

schung erst wirklich klar, als ich gesehen habe, was pas­

siert, wenn diese Privilegien ausgehöhlt und untergraben werden. Eine breite Diskussion dieser Thematik – in Uni­

versitäten und der Bevölkerung – würde das Bewusstsein für den Wert dieser Privilegien stärken und langfristig die Qualität unserer Hochschulen sichern.

Die unter der Rubrik „Meinung“ veröffentlichten Texte geben nicht in jedem Fall die Meinung der DPG wieder.

Mühsam, aber der Mühe wert

Akademische Selbstverwaltung ist ein hohes Gut, das es zu bewahren gilt.

Gerd Schröder-Turk

Meine Meinung

„  Aus Fehlern lernen, nicht aus dem Licht von Ster- nen, das nenne ich klug.

Karl-Peter Fröhling

Dr. Gerd Schröder-Turk ist Associate Professor an der Murdoch University in Perth, Australien.

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