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Archiv "Indikation zur Nephropexie bei der Wanderniere" (13.06.1974)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

KOMPENDIUM

Indikation zur Nephropexie bei der Wanderniere

Karl-Friedrich Albrecht, Uwe Viebahn und Henning Bartels

Aus der Urologischen Klinik der Stadt Wuppertal (Direktor: Professor Dr. med. Karl-Friedrich Albrecht)

Der röntgenologische Nachweis einer Nierensenkung ist einfach, aber für sich allein noch keine Indikation zur operativen Fixierung.

An unserer Klinik konnten 200 Patienten, bei denen eine Nephro- pexie nach Deming vorgenommen worden ist, nachuntersucht wer- den. Um ein Indikationsschema für die Nephropexie aufstellen zu können, wurden die präoperativen Symptome mit den postoperati- ven Ergebnissen verglichen. Danach ist die Art der Beschwerden für den Operationserfolg entscheidender als die Absinktiefe der Niere.

Historie und Anatomie

Bereits seit dem 8. Jahrhundert ist die Verschieblichkeit der Niere in ihrem Lager bekannt. Ein Zusam- menhang von heftigen Schmerzan- fällen und vermehrt beweglicher Niere wurde erst Mitte des vorigen Jahrhunderts erkannt. Die erste Nephropexie führte Hahn 1881 aus.

In der Folgezeit wurden zahlreiche Operationsverfahren zur Fixierung der Niere entwickelt, aber schon seit der Jahrhundertwende spra- chen sich viele Ärzte gegen diese

„Modeoperation" aus. Erst seit etwa 1950 setzte sich als Erkennt- nis durch, daß unter bestimmten Voraussetzungen und bei kritischer Indikationsstellung die Nephrope- xie ihren Platz in der Therapie der Nephroptose hat.

Meistens sind junge, asthenische Patientinnen, die aber nur selten jünger als 20 Jahre sind, von ei- ner Nephroptose betroffen. Nur ge- legentlich werden typische Be- schwerden einer „Ren mobilis" jen- seits der Mitte des vierten Lebens- jahrzehnts geäußert. Diese Alters- verteilung weist auf die Bedeutung

des pararenalen Fettgewebes hin, das in der Pubertät noch reichlich vorhanden ist und in der Prämeno- pause wieder vermehrt angelagert wird.

Klinik der Nephroptose

Die Kranken klagen über unklare Rücken- und Oberbauchbeschwer- den, besonders rechts. Sie gehen von Arzt zu Arzt. Sie sind natürlich appendektomiert, es lief die Gal- lendiagnostik, sie wurden gynäko- logisch untersucht und behandelt und waren beim Orthopäden. Gele- gentlich wird auch an die Nieren gedacht und beim Urogramm auch einmal eine Stehaufnahme angefer- tigt. Bei vielen, schlanken, jungen Frauen sinken dann die Nieren um ein bis drei Wirbelkörperhöhen bei- derseits ab. Da die rechte Niere physiologisch etwas tiefer als die linke steht, fällt das Absinken der rechten Niere besonders auf. Mit einem solchen Röntgenbefund su- chen die Patientinnen den Urolo- gen mit der Frage auf, ob ihre Be- schwerden auf die festgestellte Wanderniere zurückzuführen seien,

und ob sie sich gegebenenfalls durch eine operative Behandlung bessern ließen. Die Antwort auf diese Frage kann schwer sein. Der erteilte Rat beruhte bisher immer nur auf den begrenzten Erfahrun- gen des jeweiligen Arztes; das hat dazu geführt, daß die Meinungen sehr verschieden waren. Um zu ei- ner sicheren Operationsindikation zu kommen, haben wir versucht, die präoperativen Beschwerden mit den postoperativen Ergebnissen zu korrelieren.

Eigene Operationsergebnisse Bei 200 Patienten, die wegen einer Wanderniere operiert wurden, ha- ben wir die vor der Nephropexie vorhandenen Schmerzen und Be- schwerden mit den postoperativen Ergebnissen verglichen. Die Indika- tion zum Eingriff wurde auch von uns früher etwas großzügiger ge- stellt als heute. In 70 Prozent der Fälle erzielten wir ein gutes oder befriedigendes Ergebnis. Die Be- schwerden von 30 Prozent der Pa- tienten bestanden weiterhin oder konnten nur geringfügig gebessert werden. Bei Kranken, deren Be- schwerden vorwiegend beim Ge- hen und Stehen auftraten, konnten günstigere Ergebnisse (75 Prozent) erzielt werden als bei denjenigen, die im Liegen oder vorwiegend in der Rückengegend Schmerzen hat- ten; sie wiesen mit 60 bis 64 Pro- zent eine niedrigere Besserungs- quote auf.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 24 vom 13.Juni 1974 1761

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Nephropexie

Die Stärke des Absinkens der Nie- re hatte keinen Einfluß auf das Operationsergebnis. Bei erhebli- cher Nephroptose ist die Heilungs- quote nicht besser als bei gering- fügiger.

Bestanden präoperative Miktions- beschwerden und chronische Harn- infekte, waren die Heilungs- und Besserungsquoten nach Nephrope- xie mit etwa 58 Prozent geringer, als es dem Durchschnitt (70 Pro- zent) entsprach.

Operationsmethoden

Die über 100 verschiedenen Fixa- tionsmethoden lassen sich in fünf Gruppen einteilen:

0 Fixation durch Fettkapsel und Fascia Gerota;

O Schaffung von Verwachsungen der Niere mit ihrer Umgebung (hierher gehören auch die neu ent- wickelten Klebemethoden);

O transparenchymale Naht;

• Fixation mit Fremdmaterial (wie Catgutbänder);

• Verwendung von autologem Material (wie Faszienlappen).

Die Fixation der Niere wurde bei unseren Patienten nach der Metho- de von Deming vorgenommen. Da- bei wird nach Längsspaltung der Nierenfettkapsel der untere Nieren- pol nach lateral gelagert und das mediale Blatt der Nierenfettkapsel unterhalb und medial des unteren Nierenpoles an den dorsal davon gelegenen Musculus quadratus lumborum fixiert. Der untere Nie-

renpol ruht dadurch auf dem fixier- ten Kapselblatt. Diese Methode schont die Niere, bringt sie in eine physiologische Lage und ermög- licht eine ausreichende Verschieb- lichkeit. Nach 200 Operationen mit dieser Technik sahen wir sieben Ptoserezidive (3,5 Prozent), zwei Patienten wurden reoperiert.

Diagnosegang

Ist im Urogramm durch Liege- und Stehaufnahmen eine Ptose nachge- wiesen worden, muß mit einer ge- nauen Analyse der Schmerzsym- ptomatik geklärt werden, ob die ge- klagten Beschwerden auf die Nie- rensenkung zurückzuführen sind.

Frauen sind gynäkologisch zu un- tersuchen, um Erkrankungen der Genitalorgane, wie Adnexitis, Re- troflexio uteri, Ovarialzysten, aus-

Abbildungen 3a und b: 21jährige Patientin mit rechtsseitigen typischen Ptosebeschwerden. Urogramm im Liegen (a) und im Stehen (b). Beide Nieren sinken im Stehen um zweieinhalb Wirbelkörperhöhen ab

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

zuschließen. Bei entsprechenden Symptomen sollte man ebenso an Magen- und Darmerkrankungen wie an Krankheiten der Gallenwe- ge denken. Wird über Beschwer- den im Rücken und in der Lumbal- gegend, besonders beim Liegen, geklagt, kann der positive Ausfall bei Prüfung des Feder- und Über- lordosierungsschmerzes einen Hin- weis auf eine Erkrankung der Wir- belsäule geben.

Bei diesem Test wird in Bauchlage des Patienten die Lendenwirbel- säule durch kräftigen manuellen Druck nach unten durchgefedert:

werden Schmerzen angegeben, so sind die Beschwerden eher auf eine Wirbelsäulenerkrankung als auf die Niere zu beziehen.

Der Überlordosierungsschmerz kann auch wie folgt geprüft wer- den: In Bauchlage werden beide Oberschenkel des Patienten von ventral gefaßt und angehoben.

Gleichzeitig wird die Lendenwirbel- säule nach unten gedrückt. Wenn Wirbelsäulen- oder Bandscheiben- erkrankungen vorliegen, treten bei dieser Überlordosierung der Wirbelsäule Schmerzen auf, deren Charakter unter Umständen den angegebenen Schmerzen ent- spricht.

Da aus unserem Krankengut her- vorging, daß chronische Harnwegs- infekte und Miktionsbeschwerden nicht zu den typischen Nephropto- sesymptomen gehören, ist es not- wendig, nach anderen Ursachen, wie vesikoureteralem Reflux und Harnröhrenverengungen, zu fahn- den. Bei Frauen muß auch ein Ure- thraldivertikel ausgeschlossen wer- den.

Diskrete Nierendurchblutungsstö- rungen und Abflußbehinderungen des Nierenbeckens bei Nephropto- se lassen sich durch vergleichende Isotopenuntersuchungen in liegen- der und stehender Position nach- weisen. Ob diese Methode eine Hil- fe für die Indikationsstellung zur Nephropexie ist, können wir heute noch nicht abschätzen.

Abbildung 2: Glei- che Patientin wie in Abbildung 1. Steh- aufnahme nach rechtsseitiger Ne- phropexie. Die Pa- tientin ist beschwer- defrei. Die linke Niere sinkt weiterhin ab. Da links keine Beschwerden be- stehen, ist die Ne- phropexie links nicht angezeigt

Konservative

Behandlungsmöglichkeiten

Mastkuren zur Vermehrung des pa- rarenalen Fettgewebes haben nur theoretische Bedeutung. Praktika- bel sind derartige Empfehlungen nach unserer Erfahrung nicht.

Immer wieder werden hochsitzen- de Mieder aus dauerelastischem Material, eventuell mit einer im Oberbauchbereich der entspre- chenden Seite eingearbeiteten Pe- lotte, zur Stützung der Niere emp- fohlen. Das Mieder muß im Liegen angelegt werden, da die Niere beim Aufstehen schon abgesunken sein kann. Wir haben uns von dem Erfolg dieser Stützmieder nicht überzeugen können. Die meist jun- gen und schlanken Patientinnen sind im Zeitalter der Strumpfhosen kaum dazu zu bewegen, Hüfthalter oder Mieder zu tragen. Eher neh- men sie bei entsprechenden Be- schwerden eine operative Fixie- rung der Niere in Kauf.

Bei Erkrankungen von weiblichem Genitale, Magen-Darm-Kanal, Gal- lenwegen oder Wirbelsäule besteht zunächst keine Indikation zur Ne- phropexie. Patienten mit Wirbel-

säulenveränderungen werden oft beschwerdefrei, wenn man unter die heute üblichen Federkernma- tratzen des Betts kräftige Bretter legt; die Federung des Sprungfe- derrahmens wird dadurch ausge- schaltet.

Indikation zur Nephropexie

Liegt eine röntgenologisch nachge- wiesene Ptose vor, empfehlen wir die Pexie, wenn die Patienten mor- gens beschwerdefrei aufstehen und die ersten Beschwerden bei körperlicher Belastung im Stehen oder im Sitzen etwa am Spätvor- mittag auftreten. Die Kranken kla- gen in der Mittagszeit oft über so starke Schmerzen im entsprechen- den Nierenlager mit Ausstrahlung in Oberbauch und Leistengegend, daß sie sich hinlegen müssen. Las- sen die Beschwerden in liegender Position in kurzer Zeit nach, ist der Zusammenhang mit der Ptose sehr wahrscheinlich. Bei diesen Patien- ten ist mit einer hohen Heilungs- quote nach Nephropexie zu rech- nen.

Zurückhaltend sollte man aber bei Patienten sein, die über nächtliche

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Nephropexie

Abbildungen 3a und b: 33jährige Patientin. Urogramm im Liegen und im Stehen. Doppelseitige Nierenptose, rechts stärker als links. Da keine typischen „Ren-mobilis"-Beschwerden bestehen, keine Indikation zur Nephropexie

Rückenbeschwerden klagen und bei denen die Schmerzen bereits am Morgen vor oder beim Aufste- hen vorhanden sind. Allgemeine Rücken- und Kreuzschmerzen, die in die Gesäßmuskulatur ausstrah- len, oder Schmerzen in der lumba- len Rückenmuskulatur sind keine echten Ptosebeschwerden; sie wei- sen auf Wirbelsäulenschäden hin.

Da die Absinktiefe der Niere keine Bedeutung für das Operationser- gebnis hat, muß die Art der Be- schwerden auf die Operationsindi- kation mehr Einfluß haben als der Ptosegrad. Eine röntgenologisch festgestellte Nierenptose, auch wenn sie noch so ausgeprägt ist, sollte deshalb nur bei entsprechen- den Beschwerden operiert werden.

Chronische Harninfekte und Mik- tionsbeschwerden ohne andere ty-

pische Ptosebeschwerden sind im allgemeinen urologisch abzuklären und zu behandeln, bevor man eine Nephropexie diskutiert. Es könnte allerdings auch sein, daß die Ptose bereits zu einer therapieresistenten Pyelonephritis geführt hat; in die- sen Fällen käme die Indikation zur Nephropexie zu spät. Deshalb kann es bei chronisch-rezidivierenden Harninfekten schwierig sein, eine exakte Operationsindikation zu stellen. Dafür sprechen zumindest die von uns vorgenommenen Nach- untersuchungen.

Werden Beschwerden einer „Ren mobilis" auf beiden Seiten angege- ben, wird man zunächst eine Niere (meist die rechte) operieren. Soll- ten die Symptome auf der Gegen- seite weiterbestehen, ist auch auf dieser Seite die Nephropexie zu empfehlen.

Schlußfolgerungen

Die röntgenologische Diagnose ei- ner Nierensenkung ist einfach, aber für sich allein keine Indikation zur operativen Fixierung. Die Fest- stellung, ob eine Ptose für die ge- klagten Beschwerden verantwort- lich ist, erfordert eine Vielzahl von Überlegungen und einige im Prin- zip einfache Untersuchungen. Wir glauben, daß bei der dargestellten Indikationsstellung die postoperati- ven Ergebnissen weiter verbessert werden können.

Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med.

Karl-Friedrich Albrecht Uwe Viebahn

Dr. med. Henning Bartels 56 Wuppertal 2

Heusnerstraße 40

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