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Archiv "Stammzelltransplantation: „Biologie der Leukämien blieb unberücksichtigt“" (07.08.2006)

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ine Presseerklärung, die einem Brandbrief gleichkam, zeugt vom tiefen Entsetzen der Deutschen Ge- sellschaft für Hämatologie und Onkolo- gie (DGHO) und der Deutschen Leuk- ämie- und Lymphom-Hilfe (DLH). Bei- de Gesellschaften vertreten mehrheitlich Ärzte und Wissenschaftler, die sich mit der Knochenmark- und Blutstammzell- transplantation befassen beziehungswei- se die Vielzahl der Selbsthilfeorganisatio- nen, die Patienten mit Leukämien und Lymphomen beistehen. Dem Entsetzen – so zeigte eine Pressekonferenz in Ber- lin – mischte sich Ratlosigkeit bei. Grund des öffentlichen Aufschreies ist der Vor- bericht zur Stammzelltransplantation bei Erwachsenen, die an akuter lymphati- scher Leukämie (ALL) oder akuter mye- loischer Leukämie (AML) erkrankt sind, durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Köln.

Das IQWiG war vom Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt worden zu analysieren, ob die Stammzelltransplan- tation oder die Chemotherapie vorzu- ziehen und dementsprechend von den Krankenkassen zu bezahlen sei. In sei- nem 300-seitigen Vorbericht, dem eine Anhörung am 29. August 2006 in Köln folgt, kommt das Institut zu dem Schluss, die Chemotherapie sei bei nicht refrak- tärer AML oder ALL gegenüber der Stammzelltransplantation zu präferie- ren. Eine Indikation für die Transplanta- tion, die etwa 100 000 Euro pro Patient kostet, sieht das IQWiG nur im Rahmen von randomisierten Studien.

„Es ist international unbestritten, dass die Überlebensrate nach allogener Fami- lienspender-Transplantation um 29 Pro- zent höher ist als nach Chemotherapie.

Auch bei der Fremdspender-Transplan- tation ist kein anderes Ergebnis nach derzeitiger Datenlage zu erwarten“, er- klärt dagegen die DGHO. Welcher Pati- ent würde sich bei diesem Vorwissen noch in eine randomisierte Studie auf- nehmen lassen, ganz abgesehen davon, dass die ethische Frage der Weiter- führung der Studie schon vor Beginn nicht bejaht werden könnte und dürfte, so DGHO-Präsident Prof. Dr. med. Ger- hard Ehninger (Universitätsklinikum TU Dresden).

„Die IQWiG-Bewertung widerspricht allen modernen Erkenntnissen und dem weltweiten Standard“, erklärte Ehninger in Berlin. Die DGHO kritisiert an der Entscheidung vor allem, dass sie der He- terogenität akuter Leukämien bei Er- wachsenen nicht gerecht werde: „Die Biologie der jeweiligen Leukämie hat je- doch eine große Bedeutung für den Ver- lauf der Erkrankung, die Therapiemög- lichkeiten und die Prognose. Ihre Nicht- Berücksichtigung führt zu gravierenden Fehleinschätzungen über den Nutzen der allogenen Transplantation.“

IQWiG weist die harsche Kritik zurück

Ehningers Ansicht nach hat das IQWiG die Prüfkriterien von vornherein so ein- gegrenzt, dass vorhandenes Fachwissen größtenteils ausgeschlossen oder un- sachgemäß bewertet wurde. DGHO und DLH mutmaßen daher, ob es in dem vorgelegten Bericht statt um The- rapiequalität um Fragen der Wirtschaft- lichkeit gehe. In ihrer fünfseitigen Stel- lungnahme (mehr ist nicht erlaubt) legt die DGHO dar, dass das IQWiG aus

rund 5 200 relevanten Literaturstellen nur 51 für den Bericht genutzt habe. Für die allogene Stammzelltherapie mit nicht verwandtem Spender habe das IQWiG sogar nur eine Studie ausge- wählt, die letztlich nicht in die Bewer- tung eingeflossen sei.

In der Vielzahl der Fragestellungen und Differenzierungen, etwa zwischen Hoch- und Höchstrisiko-Patienten, in- tensitätsreduzierter Konditionierung et cetera, zeigt sich die laut DGHO fehler- hafte Einschätzung des IQWiG, dass zu jeder Fragestellung auch jeder Studien- typ vorliegen und publiziert sein müss- te. Vielfach liege aber das Datenwissen in den großen Studiengruppen, die zu keinem Zeitpunkt vom IQWiG ange- sprochen wurden. Diese hätten zweifel- los ihre Daten zur internen Prüfung herausgegeben.

Das IQWiG weist die harsche Kritik als unberechtigt zurück. Das Institut sieht seine Verfahrensweise durch die DGHO „missinterpretiert“ und betont,

„dass eine wissenschaftliche Diskus- sion der Vorberichte ausdrücklich er- wünscht ist“. Das beste Forum dafür sei die Anhörung am 29. August, zu der auch Vertreter der DGHO eingeladen würden. Bislang seien beim IQWiG et- wa 40 Stellungnahmen zur Stammzell- transplantation bei ALL und AML ein- gegangen.

Das Institut betont, dass für seine Recherchen sowohl das Europäische Transplantationsregister als auch das US-Register angeschrieben worden sei- en. Nach Darstellung von Prof. Dietger Niederwieser (Präsident der europäi- schen Stammzellgesellschaft EBMT), auf den sich das IQWiG beruft, sterben je nach Konstellation zwischen zehn und 50 Prozent der mit einer Stammzell- transplantation behandelten Leukämie- Patienten an den Folgen der Therapie.

Hinzu kommen häufige Komplikationen wie die Graft-versus-host-disease.Ange- sichts solcher Risiken und Belastungen kann nach Ansicht des IQWiG erwartet werden, dass Ärzte, die das Verfahren seit zwei Jahrzehnten einsetzen, in mög- lichst verlässlichen Studien untersucht haben, welchen Patienten eine Stamm- zelltransplantation eine Aussicht auf Heilung bietet und für welche Patien- ten sie nur eine zusätzliche Belastung bedeute. Dr. Barbara Nickolaus P O L I T I K

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A2078 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 31–32⏐⏐7. August 2006

Stammzelltransplantation

„Biologie der Leukämien blieb unberücksichtigt“

Hämatologen und Onkologen kritisieren Vorbericht

des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im

Gesundheitswesen zur Stammzelltherapie.

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