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Archiv "Europäische Verfassung: Einstweilen geht´s auch ohne" (14.10.2005)

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liche Wohlergehen der EU-Bevölke- rung bemüht sind, ist ganz einfach: Die Kommission hat erkannt, dass eine flächendeckende hochwertige medizi- nische Versorgung und ein umfassender Gesundheitsschutz der inzwischen knapp 460 Millionen EU-Bürger ein wesentlicher Aspekt für die wirtschaft- liche Entwicklung Europas sind.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Be- reits im Vertrag von Maastricht wurde festgeschrieben, dass – ganz gleich, um welches Politikfeld es sich handelt – grundsätzlich der Gesundheitsschutz als Querschnittsziel zu berücksichtigen

ist. Das war im Jahr 1993. Gleichzeitig erhielt das Europäische Parlament das Recht, Vorschläge der Kommission zu Gesetzgebungsverfahren im Gesund- heitswesen zu prüfen und gegebenen- falls zu ändern. Seither beschäftigen sich zahlreiche parlamentarische Aus- schüsse, allen voran die Ausschüsse für Umwelt, Lebensmittelsicherheit und Volksgesundheit sowie für Binnen- markt und Verbraucherschutz, mit ge- sundheitspolitischen Fragestellungen.

Dennoch dümpelte die europäische Gesundheitspolitik bis Ende der 90er- Jahre mehr oder weniger träge vor sich

hin. Abgesehen von einem EU-weiten Aktionsprogramm zur Krebsbekämp- fung, passierte nicht viel. Auch auf den Ratssitzungen der für Gesundheit und Soziales zuständigen Minister der EU- Länder spielte das Thema Gesundheit nur eine marginale Rolle.

Erst die zunehmende Ausbreitung von HIV und Aids in Europa sowie die BSE-Krise sorgten für eine neue Dyna- mik. Die Folge: 1999 richtete die Eu- ropäische Kommission die Generaldi- rektion für Gesundheit und Verbrau- cherschutz, GD Sanco (Santé et Con- sommation), ein. Zentrale Aufgabe der T H E M E N D E R Z E I T

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A2768 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 41⏐⏐14. Oktober 2005

Frankreich und die Niederlande haben die Euro- pa-Verfassung nicht ratifiziert. Deren Zukunft liegt seitdem im Dunkeln. Doch die Europäische Union (EU) ist damit keineswegs verfassungslos.

Abgelehnt wurde von den beiden Ländern der von einem Verfassungskonvent (geleitet von dem früheren französischen Präsidenten Valery Giscard d’Estaing) im Juli 2003 vorgelegte Text.

Allerdings gilt das bereits bestehende umfang- reiche europäische Vertragswerk – von den Rö- mischen Verträgen und ihren Ergänzungen bis zu „Maastricht“ – weiter und gibt der EU einen verfassungsähnlichen Rahmen.

Unverändert gültig sind zum Beispiel die Be- stimmungen über die gegenseitige Anerken- nung von Befähigungsnachweisen (Diplomen), über den freien Dienstleistungsverkehr und die freie Berufsausübung innerhalb der EU. Diese Thematik beschäftigt die Ärzteschaft schon seit Jahrzehnten und hat zu deren Zusammen- schluss im Ständigen Ausschuss der Ärzte- schaften der EU geführt. Mit der Aufnahme der neuen Mitglieder hat sie noch einmal an Bri- sanz gewonnen.

In der jetzt auf Eis liegenden Europa-Verfas- sung waren diese Bestimmungen gleichfalls enthalten, bereits geltendes Recht wurde prak- tisch übertragen und bekräftigt. Gleichfalls be- stätigt wird im Verfassungstext auch der Vor- rang des nationalen Rechts bei der Organisati- on des Gesundheitswesens. Auch das ist nicht neu, bekäme mit einer Europa-Verfassung al- lerdings förmlichen Verfassungsrang.Artikel III- 278, Absatz 7 deklariert etwa, dass „die Ver- antwortung der Mitgliedstaaten für die Festle- gung der Gesundheitspolitik sowie die Organi-

sation des Gesundheitswesens und die medizi- nische Versorgung gewahrt“ wird.

Der Verfassungstext schreibt hiermit lediglich den Status quo fest.Anders ist es mit den Grund- rechten. Auch hier übernimmt die Verfassung zwar bereits vorliegende Formulierungen, näm- lich des Grundrechte-Konvents (unter Leitung des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog), verabschiedet auf dem Gipfel der Regierungschefs in Nizza im Jahr 2001. Doch handelt es sich bei der „Charta der Grundrechte der Union“ bisher nur um eine Proklamation, nicht aber um förmliches Europarecht.

Zu den Grundrechten zählen zum Beispiel das Verbot der Todesstrafe oder das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Artikel II-63 geht hier sogar ziemlich ins Detail: Im Rahmen der Medizin und Biologie muss zur Wahrung der Unversehrtheit insbesondere be- achtet werden

>die freiwillige Einwilligung des Betroffe- nen nach vorheriger Aufklärung,

>das Verbot eugenischer Praktiken, insbe- sondere derjenigen, welche die Selektion von Menschen zum Ziel haben,

>das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewin- nen zu nutzen,

>das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen.

Einstweilen bleiben solche Feststellungen deklaratorisch. Ob sie unmittelbar geltendes Europarecht werden, auf das sich jedermann in der EU berufen kann, hängt vom Schicksal der Verfassung ab. Und das ist offen. EU-Präsident Jose Manuel Barroso hält es für ausgeschlos-

sen, dass die Verfassung in den nächsten zwei, drei Jahren in Kraft treten kann (Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 26. Sep- tember 2005). Frankreich und die Niederlande würden auf absehbare Zeit keinen zweiten An- lauf unternehmen. Barroso regt gleichwohl ei- ne öffentliche Debatte etwa über die Zukunft des Sozialstaates an. Aus einer solchen Anre- gung folgt, dass der Verfassungstext noch ein- mal aufgeschnürt werden müsste und mühsam verhandelte Passagen, wie die zitierten über Eugenik oder Klonen, wieder auf den Verhand- lungstisch kämen.

Andererseits – die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten und ei- ne Mehrheit der EU-Bürger hat der Europäischen Verfassung bereits zugestimmt. Nach den negativen Volksabstimmungen in Frankreich und den Nieder- landen haben Lettland, Luxem- burg und Malta die Verfassung gebilligt. Fallen die Ratifizie- rungen unter den Tisch, weil zwei Mitgliedsländer gegen den Verfassungsvertrag votiert haben? An eine solche verfah-

rene Lage haben die EU-Politiker offenbar (und unerklärlicherweise) nicht gedacht.

Unterdessen setzen bei Politikern und Wis- senschaftlern erste Überlegungen ein, wie die Verfassung nach einer gewissen Denkpause doch noch gerettet werden könnte. So regt der Bonner Politikwissenschaftler und Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung Ludger Kühnhardt, an „ob am Ende der derzei- tigen Ratifikationskrise der Europäischen Ver- fassung ein abschließendes, zeitgleiches und gemeinsames Referendum in allen EU-Mit- gliedstaaten stehen sollte“. Frankreich und den Niederlanden würde damit eine goldene Brücke gebaut. Norbert Jachertz

Europäische Verfassung

Einstweilen geht´s auch ohne

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Foto:Europäischer Konvent

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83 S.u. 89 Vereinigtes Königreich, Home Office, Immigration and Nationality Directorate, Democratic Republic of Congo – Country Report, London 2004, Ziff Ziff 6.1 ff. 90