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Kommentierte Literaturübersicht zur Transformationsforschung - Band 1 -

Ökonomische Rahmenbedingungen der Transformation

Rainer Schwarz

Oktober 1993

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Reichpietschufer 50

D-10785 Berlin

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der Transformation" von Rainer Schwarz vor. In Kürze erscheint erscheint der Band 2:

„Arbeitsmarkt und Beschäftigung im Transformationsprozeß" (P 93 -004) von Holle Grünert.

Dagmar Simon

Presse- und Informationsreferat

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Seite

1. Einleitung 2

2. Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsschwerpunkte

zur Transformation 7 3. Zum Terminus "Transformation" 11

4. Ordnungstheoretische und monetäre Ansätze zur Erklärung

der Transformation 14 4.1 Der ordnungstheoretische Ansatz von EUCKEN 14

4.2 Die Fragestellung von PROPP 16 4.3 Weitere ordnungstheoretische Arbeiten 18

4.4 Monetäre Ansätze zur Erklärung der Transformation 25 5. Vergleiche zur westdeutschen Währungsreform von 1948 27 6. Ausgewählte makroökonomische und institutionelle Themenfelder 39

6.1 Wähiungsproblematik/deutsch-deutsche Währungsunion 39 6.2 Wettbewerbsfähigkeit und realwirtschaftliche Anpassung 46 6.3 Zu institutionellen Bedingungen ökonomischer Transformation 53

6.4 Privatisierung und Eigentumsrechte 59

6.5 Sequenzing 73 6.6 Prognoseversuche 80

Literaturverzeichnis 84

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1. Einleitung

Die wissenschaftliche Literatur zur Transformationsproblematik: ist besonders seit 1989 in rapider Expansion begriffen, so daß zunehmend ein Bedürfnis nach Sichtung und Überblick besteht. Die vorliegende Arbeit will dazu einen Beitrag leisten. Dabei erfolgte eine Beschränkung auf wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten zu ökonomischen Rahmen- bedingungen der Transformation, wobei die deutschsprachige Forschung überwiegt.

Selektiv sind auch einige fremdsprachige Autoren und einige sozialwissenschaftliche Aspekte aufgenommen, die in bezug zu den Themen dieser Übersicht stehen. Die vorlie­

gende Übersicht ist also vorläufig und kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhe­

ben. Dennoch sind wichtige Forschungsfelder bearbeitet worden.

Um einen generellen Einblick in Themenfelder der Literatur zu geben, werden im 2. Ab­

schnitt zunächst thematische Schwerpunkte aus relativ vollständigen Bibliographien der wirtschaftwissenschaftlichen Forschung zur Transformation in Deutschland1 zusammen­

gefaßt und in ihrer Entwicklung zusammengestellt. Sozialwissenschaftliche Bibliogra­

phien sind nicht annähernd so vollständig, so daß dazu keine Auswertung erfolgte.

In den folgenden Abschnitten werden dann die Auffassungen verschiedener Autoren re­

zipiert. Es wurde versucht, wichtige Gedankengänge und Positionen im Kontext der Gliederungspunkte zu erfassen und gegenüberzustellen. Der Verfasser hat sich dabei eigener Kommentierungen und Wertungen weitgehend enthalten. Die Zuordnung mehre­

rer Autoren zu den einzelnen Abschnitten ist insofern etwas willkürlich, als ihre Arbeiten Gedanken aus verschiedenen Themengebieten enthalten. Sie werden dann in einigen Fällen in verschiedenen Abschnitten aufgeführt, in anderen erfolgte eine Selektion von Aussagen, die nach Meinung des Verfassers für den Nutzer dieser Literaturübersicht von Interesse sein können.

Der dritte Abschnitt bringt eine Übersicht zur historischen Entstehung des Terminus

"Transformation", wobei vor allem BUCHARIN, POLANYI und EUCKEN rezipiert werden. Trotz der Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit der Transformationsrich­

tung ist diesen frühen Verwendungen des Terminus gemeinsam, daß die Transformation erstens im Kontext mit Situationen des Zusammenbruchs steht und zweitens die Öko­

nomie in Interdependenz zu anderen gesellschaftlichen Bereichen betrachtet wird.

THOMSEN (1991), THOMSEN und SIEFKES (1991, 1992), in: Kieler Schnellbibliographien zu aktuellen Wirtschaftsthemen, Bd. 2, 3 und 6

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Im vierten Abschnitt wird einigen theoretischen Ansätzen zur Erfassung von Transfor­

mationsprozessen nachgegangen. Im Vordergrund stehen die ordnungstheoretischen An­

sätze EUCKENs und PROPPs sowie deren Reflexion in der deutschen ordnungstheore­

tischen Diskussion. Es zeigt sich, daß die ordnungstheoretischen Prinzipien für den Bezugsrahmen der Diskurse über Transformation prägend sind. Bei den Vertretern der Ordnungstheorie zeichnen sich zwei Orientierungen ab. Der einen Richtung geht es vor­

rangig um die Durchsetzung der reinen Prinzipien, ohne die es sozusagen keine Träns­

formation gibt. Die andere Richtung, zu der EUCKEN selbst und Autoren aus der Tra­

ditionslinie des Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands ge­

rechnet werden können, geht vorrangig von der historisch konkreten Ausgangssituation aus und will diese schrittweise in Richtung der konstitutiven Prinzipien umformen. Es scheint jedoch, daß eher die erste Richtung das ordnungspolitische Handeln in Ost­

deutschland bestimmt hat.

Ferner erfolgt eine kurze Würdigung des alternativen monetären Ansatzes nach RIESE.

Er lehnt ein theoretisches Verständnis von Transformation als Übergang von der Zen- tralverwaltungswirtschaft in eine Verkehrswirtschaft, Wettbewerbsordnung oder Marktwirtschaft ab, weil es die Organisationsform der Verfügung über Ressourcen in den Vordergrund stellt. Er bevorzugt statt dessen das Gegensatzpaar Privateigentum versus gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmitteln als zentralen theoretischen Bezugspunkt (der freilich auch in der Ordnungstheorie thematisiert wird). Dement­

sprechend ist Transformation für ihn wesentlich Übergang vom Sozialismus zum Kapita­

lismus bzw. von einer Planwirtschaft in eine Geldwirtschaft.

Von anderen für die Transformationsforschung wichtigen theoretischen Ansätzen (insbesondere die Entwicklungsökonomie, die Institutionentheorie und die evolutorische Ökonomie), die hier nicht zusammenfassend rezipiert werden konnten, werden jedoch einige Vertreter in weiteren Abschnitten dieser Übersicht berücksichtigt. Dazu sei auf STAAR (1993) verwiesen, die eine kritische Wertung vornimmt. Sie zieht die Schlußfol­

gerung, daß der Neoinstitutionalismus eine bessere Grundlage für eine allgemeine Trans­

formationstheorie abgibt als die evolutorische Ökonomie und daß auf dieser Basis die Entwicklungsökonomie integriert werden sollte. Als Fazit kommt sie jedoch dann dahin, den traditionellen Theoriebegriff aufzugeben und die Transformationstheorie als Wis­

sensbank aufzufassen, in der verschiedene Wissenselemente zur Abarbeitung bereit liegen. Als Aufbereitung von Wissenselementen läßt sich denn auch die vorliegende Lite­

raturübersicht verstehen.

Die Transformation der nationalsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft in die west­

deutsche soziale Marktwirtschaft gilt vielen deutschen Autoren als bisher einziges erfolg-

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reiches Transformationsmodell zur Marktwirtschaft. Dabei bleibt freilich die japanische Entwicklung nach 1945 unberücksichtigt. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben meist die Transformationen anderer planwirtschaftlich dominierter Kriegswirtschaften. Die Trans­

formation der westdeutschen Wirtschaft wird gern mit der einmaligen und spektakulären Währungsreform des Jahres 1948 identifiziert, obwohl der Transformationsprozeß früher einsetzte und auch viel später endete, als das Jahr 1948 bezeichnet. Der westdeutsche Transformationsprozeß wird von den meisten Autoren als Referenzmodell herangezogen, um

- wesentliche Elemente eines Transformationsprozesses einer Zentralverwaltungswirt- schaft herauszuarbeiten,

- Unterschiede zu heutigen Transformationsprozessen ehemals sozialistischer Wirt­

schaftssysteme zu betonen oder

- eine Schrittfolge von Transformationsprozessen zu fixieren.

Der fünfte Abschnitt bringt einen Überblick zu diesen Arbeiten.

Im sechsten Abschnitt werden makroökonomische Themenfelder der Transformation be­

handelt, wobei vor allem jene ausgewählt wurden, die in der Forschung stark vertreten sind (vgl. Abschnitt 2.): Währungsproblematilc/deutsch-deutsche Währungsunion, Wett­

bewerbsfähigkeit und realwirtschaftliche Anpassung, institutionelle Bedingungen öko­

nomischer Transformation, vordringlich Privatisierung und Eigentumsrechte und die Schrittfolge von Transformationsmaßnahmen (Sequenzing). Auch wird auf Prognose­

versuche eingegangen.

Zunächst werden im Punkt 6. 1 die marktwirtschaftlich zentrale Frage solider Währung und die unterschiedlichen Positionen zur deutsch-deutschen Währungsunion behandelt.

Hier wird deutlich, daß insbesondere von den Gegnern einer schnellen Währungsunion die eingetretenen Folgen weitgehend vorausgesagt worden sind, daß sie andererseits jedoch die politischen Realisierungsbedingungen einer Alternative in ihrer dominant öko­

nomischen Argumentation zu wenig berücksichtigt haben.

Auf die Diskussion über den Zusammenhang von Wettbewerbsfähigkeit, Öffnung der Märkte, realwirtschaftlicher Anpassungzeit und -fähigkeit und Schutzbedürfnis vornehm­

lich im Hinblick auf die ostdeutschen Betriebe geht Punkt 6.2 ein.

Die wichtigen institutionellen Bedingungen ökonomischer Transformation scheinen nur sehr knapp im Punkt 6.3 angedeutet zu sein. Er rezipiert vor allem die Argumentation

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der Agenda '92 und von KORN AI. Der zentrale Punkt, wonach die Marktkräfte eines staatlichen bzw. institutionellen Rahmens bedürfen, wird jedoch auch von Autoren ver­

treten, die in anderen Abschnitten dieser Literaturübersicht aufgeführt wurden.

Zudem wird mit einem breiten Spektrum von Standpunkten zur Privatisierung der Schwerpunkt der Diskussion ökonomisch-institutioneller Transformation zur Marktwirt­

schaft im Punkt 6.4 zusammengestellt. Es reicht von der unverzüglichen und schnellen Privatisierung über ein schrittweises Vorgehen bis hin zu einem späteren Zeitpunkt im Transformationsprozeß. Auch werden die Diskussionen über Privatisierungsformen sowie zur Rolle öffentlichen Eigentums und den damit verbundenen Problemen in einer Marktwirtschaft reflektiert. Bemerkenswerte Übereinstimmung gibt es jedoch bei den Autoren zum Wesen der Kredite und der sog. Altschulden in einer Planwirtschaft, so daß diese fast durchweg für eine Entschuldung ostdeutscher Betriebe eingetreten sind. Nur in einer versteckten Diskussionsbemerkung wurde der Grund genannt, warum es nicht zu einer Entschuldung kam: Die damit verbundene Geldmengenexpansion - die schon mit der Währungsunion überhöht ausfiel -, konnte die Bundesbank nicht mehr verantworten;

und die Bundesrepublik konnte sie sich nicht leisten.

Wenige Autoren, darunter aus Osteuropa, fragen nach, was denn Privatisierung bedeute, wenn doch die Eigentümerfunktion von der Managementfunktion getrennt sei und priva­

te Unternehmen in einer Marktwirtschaft von staatlichen Banken oder Angestellten privater Banken kontrolliert würden, oder wo die Grenzen der Privatisierung angesichts von Marktversagen, natürlichen Monopolen und des Kosten-Nutzen-Kalküls öffentlicher Finanzen liegen. Differenzierte Antworten darauf sind in den Plädoyers für die Privatisie­

rung selten zu finden. Wenig thematisiert wird auch das Problem, daß die Privatisierung dazu benutzt wird, die Konkurrenz auszuschalten oder zu reduzieren - ein für EUCKEN wichtiger Punkt.

Zahlreiche Vorschläge zur Schrittfolge im Transformationsprozeß stellt Punkt 6.5 vor, wobei deren Heterogenität aufzeigt, daß noch ein erheblicher Forschungsbedarf bei der theoretischen Fundierung sowohl der Folgen einzelner Transformationsmaßnahmen als auch ihrer Auswirkungen im Gesamtzusammenhang besteht.

Abschließend werden die Problematik von Prognoseversuchen mittels mathematischer Modelle, ihre Möglichkeiten zur Erfassung makroökonomischer Zusammenhänge und teilweise beachtenswerte Ergebnisse für ökonomische Entwicklungen im Transformati­

onsprozeß sowie der Forschungsstand zur Modellierung politisch-sozialen Wandels im Punkt 6.6 behandelt.

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Da der Leser mit der vorgelegten Literaturübersicht keine Vollständigkeit erwarten kann, sei er zur Ergänzung auf STAAR (1993), ALBACH (1993) und GRÜNERT (1993) verwiesen, die - ebenfalls partielle - Übersichten bieten. Letztere hat sich in Abgrenzung zum Autor mit Forschungen auf Unternehmensebene und zur Arbeitsmarktproblematik befaßt. BRYSON (1992) bietet eine Übersicht von ökonomischer Literatur zur deut­

schen Wiedervereinigung.

An dieser Stelle möchte sich der Verfasser einen Kommentar gestatten, der seinen Gesamteindruck nach bisheriger Durchsicht der Literatur betrifft. Vor allem in zwei Punkten scheint noch erheblicher Forschungsbedarf zu bestehen. Erstens sehen nur wenige Autoren, daß es sich bei der Transformation keineswegs um den bloßen Wandel eines Wirtschaftssystems handelt, sondern daß als Ausgangssituation zunächst der Bank­

rott und Zusammenbruch des planwirtschaftlichen Systems vorliegt. Dementsprechend sind die alten Koordinationsmechanismen zusammengebrochen, und die marktwirtschaft­

lichen sind noch nicht in der Lage, wirtschaftliche Kohärenz zu sichern. Transformation ist so wesentlich durch Turbulenzen und Chaos gekennzeichnet. In jedem Fall verlaufen Transformationsprozesse fern von den bisherigen wirtschaftlichen Gleichgewichten.

Fragen des Kreislaufgleichgewichtes im Transformationsprozeß - und jene des Ungleich­

gewichtes - spielen in der Literatur jedoch kaum eine Rolle. Es erscheint jedoch proble­

matisch, Lehrsätze einer Wirtschaftstheorie, die auf Situationen des Gleichgewichtes und einer gewissen Stabilität wirtschaftlicher Daten fußen, unkritisch und voraussetzungslos auf aktuelle Transformationsprozesse anzuwenden. Zudem sind derlei Anwendungen häufig punktuell und wenig systematisch. Wenn man - wie im LEONTIEFF-Modell - Wirtschaft als Geflecht von Input - Output- Beziehungen begreift, könnten Untersuchun­

gen der Transformation dieser Netzwerkbeziehungen, die den Zusammenbruch der Koeffizientenmatrix und des Nachfragevektors einschließen, einen nützlichen Beitrag leisten.

Zweitens zeichnet die Literatur überwiegend das Bild einer Transformation in das blü­

hende Paradies einer prästabilierten Harmonie, in Candides beste aller Welten. Wenn schon EUCKENs Warnungen vor negativen Tendenzen des Monopols und des Laissez- faire spurlos verhallt zu sein scheinen, so hätte man sich doch etwas stärker der einfachen Tatsache erinnern können, daß der Kapitalismus oder die Marktwirtschaft, wenn schon keine Welt des Klassenkampfes, so doch eine des Konkurrenzkampfes ist; eine Welt, in der Kampf auch mit Absprachen und anderen Wettbewerbsverzerrungen und -gefähr- dungen verbunden ist. Die Theorien unvollkommener Konkurrenz und der Marktformen werden kaum auf die Neugestaltung einer Marktwirtschaft in den Transformations­

ländern bezogen. In diesem Zusammenhang findet man auch selten eine Reminiszenz an

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das von vielen großen Ökonomen behandelte Problem wirtschaftlicher Macht. Zwar gibt es ein Plädoyer für die Entmachtung des bisherigen Managements im Kontext mit der Argumentation für einen big bang. Jedoch erfährt man kaum etwas darüber, wie das ent­

stehende Machtvakuum mit Kompetenz ausgefüllt wird und wie das Managementdefizit angesichts eines auch in gestandenen Marktwirtschaften nicht vorhandenen Überschusses an Spitzenmanagern beseitigt werden kann. Da das Machtproblem in den Wirtschafts­

und den Sozialwissenschaften gleichermaßen eine lange Untersuchungstradition hat, dürfte es bezüglich der Transformation ein interessantes interdisziplinäres Forschungsfeld abgeben.

2. Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsschwerpunkte zur Transformation - eine Übersicht

Um einen generellen Einblick in Themenfelder der Literatur zu geben, werden im folgen­

den zunächst thematische Schwerpunkte aus relativ vollständigen Bibliographien der wirtschaftwissenschaftlichen Forschung zur Transformation in Deutschland2 zusammen­

gefaßt und in ihrer Entwicklung zusammengestellt. Sozialwissenschaftliche Bibliogra­

phien sind nicht annähernd so vollständig, so daß dazu keine Auswertung erfolgte.

Die nachstehende Übersicht ist zwar nicht als komplett zu betrachten, sie ermöglicht jedoch eine erste grobe Orientierung zu den Schwerpunkten in der Literatur. Zu erwäh­

nen ist, daß nicht nur ökonomische Themen, sondern teilweise auch sozialwissenschaft­

liche Themen erfaßt werden. Sie betreffen insbesondere die Sozialpolitik, darunter das sozio-ökonomische Panel, die Arbeitsmarktpolitik und ähnliches.

Die folgende Tabelle faßt die verschiedenen Gliederungen der drei Kieler Bibliographien (siehe Fußnote 1) zusammen, um deren Vergleichbarkeit zu verbessern. Beispielsweise umfassen die ordnungspolitischen Grundlagen hier: Finanz-, Wirtschafts-, Wettbewerbs­

und Geldpolitik, Wirtschaftsreform, Transformation, Marktwirtschaft, Ordnungspolitik, Eigentum, Privatisierung, Wirtschaftsrecht, Steuerpolitik. Die Gliederungspunkte Lohn­

politik, Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktforschung, Gewerkschaften und Mitbestimmung sind zum Feld Arbeitsmarkt, Gewerkschaften zusammengefaßt. Einschränkend sei ferner er­

wähnt, daß die Zahlenangaben nur eine scheinbare Genauigkeit widerspiegeln, da ver­

schiedene Titel inhaltlich mehrere Sachgebiete überstreichen. Daher sollen sie hier nicht

THOMSEN (1991), THOMSEN und S I E F K E S (1991, 1992), in: Kieler Schnellbibliographien zu aktuellen Wirtschaftsthemen, Bd. 2, 3 und 6

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kardinal, sondern ordinal interpretiert werden. D. h., es werden lediglich grobe Rangord­

nungen als sinnvolle Interpretation angesehen.

In der Rangordnung der bearbeiteten Themenfelder stehen in allen drei Zeiträumen ord­

nungspolitische Grundfragen an erster Stelle. Hierzu muß man auch noch die währungs­

politischen Themen rechnen, die im ersten Schwerpunkt mit erfaßt sind.

Zu den fünf am meisten bearbeiteten Themenfeldern gehören bis zur deutschen Vereini­

gung weiterhin: deutsche Einheit, Wirtschafts- und Währungsunion, Wirtschaftsstatistik- und -berichte, Arbeitsmarkt und Gewerkschaften, sowie Sozialpolitik. Bis September

1991 schoben sich arbeitsmarktpolitische Themen auf den zweiten Platz nach der Ord­

nungspolitik und Themen aus der Landwirtschaft verdrängten die Sozialpolitik aus der Rangordnung der fünf am meisten bearbeiteten Themen. Bis März 1992 gelangte jedoch die Sozialpolitik hinter den ordnungspolitischen und den arbeitsmarktpolitischen Fragen auf den dritten Platz in der Rangordnung. Diese Rangfolge spiegelt die aktuelle Pro­

blemwahrnehmung beim Transformationsprozeß in Deutschland wider. Innerhalb ord­

nungspolitischer Themen sind am stärksten die Ordnungspolitik im engeren Sinne, Wäh­

rungsfragen und Privatisierung vertreten.

Bei der Untersuchung zu einzelnen Wirtschaftsbranchen fuhrt die Landwirtschaft vor der Energiewirtschaft. Erstaunlich gering ist die Bearbeitung von Themen der Industrie als Kernbereich der Wirtschaft.

Im Zeitraum bis zur deutschen Vereinigung erfuhren folgende Themenfelder die gering­

ste Bearbeitung: Forschung und Entwicklung (F&E), Handel, Banken und Versicherun­

gen, Bau- und Wohnungswirtschaft, Unternehmensführung, Umwelt, Verkehr und Tele­

kommunikation. Die Themenfelder Investition und Sparen, Mittelstand und Verwaltung fehlen in der Gliederung dieser Bibliographie völlig.

Bedenkt man, daß in diesem Zeitraum der Aufbau eines zweistufigen Bankensystems ein zentraler Punkt bei der Transformation des Wirtschaftsystems war, so überrascht die ge­

ringe analytische und wissenschaftliche Durchdringung dieses Vorganges.

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Nov. 89- Okt. 90

Okt. 90- Sept. 91

Okt. 91- März 92

Wachstumsrate 92/91 (%) Deutsche Einheit, Wirtschafts- und

Währungsunion

127 95 64 (130) 36

Int. Auswirkungen der deutschen Einheit 28 34 46 (92) 170 Ordnungspolitische Grundlagen 210 201 192 (284) 41

Unternehmensgründungen - 21 9(18) -14

DM-Bilanzgesetz, Bewertung 28 31 9(18) -42

Unternehmensführung 6 8 27 (54) 575

Wirtschaftsberichte und -Statistik 78 96 52 (102) 6

Investition und Sparen - 19 24 (48) 153

Sozialpolitik 52 25 83(166) 564

Arbeitsmarkt, Gewerkschaften 59 101 100 (200) 99 Außenwirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit 27 25 41 (82) 228

Industrie, Bergbau 18 23 21 (42) 83

Energiewirtschaft 20 31 31 (62) 100

Bau- und Wohnungswirtschaft 7 16 17 (34) 113

Handel, Banken, Versicherungen 8 26 21 (42) 62 Landwirtschaft, Genossenschaften 26 69 49 (98) 42

Umwelt 11 18 21 (42) 133

Verkehr, Telekommunikation 14 17 35 (70) 312

Regional- und Kommunalfragen 15 49 41 (82) 67

FuE 9 12 6(12) 0

Verwaltung - - 17 (34) -

Tabelle: Rangordung und Entwicklung von Themengebieten der Transformationsforschung (nach Anzahl der Publikationen).

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Bemerkenswert ist weiterhin, daß ausgerechnet jene Bereiche die geringste Bearbeitung erfahren haben, die für den Aufbau der Marktwirtschaft und für den wirtschaftlichen Aufschwung eine zentrale Bedeutung besitzen (Mittelstand, Innovation bzw. F&E und Investitionen). Eine ähnlich geringe wissenschaftliche Durchdringung haben jene Pro­

blembereiche erfahren, die für Ostdeutschland regelmäßig als defizitär beschrieben werden: Management, Infrastruktur (Verkehr, Telekommunikation und Verwaltung), Umwelt, Bau- und Wohnungswirtschaft.

Auch im Zeitraum bis September 1991 waren Unternehmensführung, Forschung und Entwicklung, Bau- und Wohnungswirtschaft, Umwelt, Verkehr und Telekommunikation, Investition und Sparen, sowie Mittelstand die in der Bibliographie am wenigsten vertre­

tenen Themengebiete. Noch bis März 1992 waren die Themengebiete Mittelstand, For­

schung und Entwicklung sowie Verwaltung sehr gering vertreten.

Interessant ist die Betrachtung der quantitativen Enwicklung einzelner Themenfelder.

Dazu wurden die halbjährlichen Angaben im Zeitraum Oktober 1991 bis März 1992 ver­

doppelt und in Klammern beigefügt, um einen etwa einjährigen Vergleichszeitraum zu gewährleisten. Die darauf bezogene Wachstumsrate der letzten beiden Zeiträume ist in der letzten Spalte angegeben. Das höchste Wachstum erfuhren die Themenfelder Unter­

nehmensführung und Sozialpolitik, womit die wachsende wissenschaftliche Wahrneh­

mung der sozialpolitischen und Managementproblematik in Ostdeutschland widergespie­

gelt wird. Ein relativ hohes Wachstum weisen auch Themen wie Verkehr und Telekom­

munikation, Außenwirtschaft bzw. internationale Wettbewerbsfähigkeit, internationale Auswirkungen der deutschen Einheit sowie Investition und Sparen auf. Etwa eine Ver­

doppelung der Bearbeitung liegt bei Themen wie Arbeitsmarkt und Gewerkschaften, Industrie und Bergbau, Energiewirtschaft, Bau- und Wohnungswirtschaft sowie Umwelt vor.

Den größten Rückgang gibt es bei DM-Bilanzgesetz und Unternehmensbewertung, er­

klärbar durch die Zeitweiligkeit der Problematik. Erstaunlich ist jedoch, daß auch beim Themenfeld Unternehmensgründungen und Mittelstand ein Rückgang zu verzeichnen ist.

Die damit verbundenen Probleme werden ja allgemein als entscheidend für ein marktwirt­

schaftliches System und für den wirtschaftlichen Aufschwung in Ostdeutschland prokla­

miert. Ebenso problematisch erscheint, daß auch Forschung und Entwicklung keinen Zuwachs in der Bearbeitung erfahren, obwohl das Thema Innovation als entscheidend für das Wirtschaftswachstum betrachtet wird.

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3. Zum Terminus "Transformation"

Der Terminus "Transformation" wurde nach Wissensstand des Verfassers zuerst von BUCHARIN (1920, 1922, 1989) im sozialökonomischen Sinne verwendet. Teil 1 seines Buches trägt die Überschrift: "Allgemeine Theorie des Tranformationsprozesses", wor­

unter er den Prozeß der Umwandlung der kapitalistischen Gesellschaft in die kommuni­

stische Gesellschaft versteht. LENIN kommentierte dazu sarkastisch : "Nun, Gott sei Dank: wenigstens nicht 'Transformation', und nicht allgemein, sondern man weiß, wessen in was!!" (zitiert nach BUCHARIN (1989, S. 29, alle Übersetzungen aus dem Russischen von R. S.). Für diese Transformation wird der vollständige politische und ökonomische Zusammenbruch der alten Gesellschaft vorausgesetzt.3 BUCHARINs Terminus

"Transformation" steht in Beziehung zu den MARX'schen Termini "Periode der revolu­

tionären Umwandlung", "Übergangsperiode" und "Gesellschaftsformation".

Im Anschluß an Zusammenbruch und Zerstörung der alten Gesellschaft besteht die Transformationsperiode laut BUCHARIN aus vier Phasen oder Etappen: die ideolo­

gische, politische, ökonomische und technische Revolution. Damit bezeichnet er die typi­

schen Züge, die in der betreffende Phase dominieren. Bemerkenswert in dieser Auffas­

sung von Transformation ist, daß die Transformation nicht auf isolierte Merkmale oder Bereiche beschränkt wird, sondern daß eine Interdependenz verschiedener Bereiche ge­

sehen wird, wobei gleichzeitig die Vorstellung der Dominanz dieses oder jenen Bereiches eine Rolle spielt.

In ökonomischer Hinsicht besteht diese Auffassung von "Transformation" wesentlich darin, daß das Geld aufhört, allgemeines Äquivalent zu sein und daß die ökonomische Theorie zum naturalwirtschaftlichen Denken übergehen muß (I.e., S. 159, 160).

POLANYIs (1944) Ausgangsproblem war die "Transformation einer ganzen Zivilisation in den dreißiger Jahren" (S. 41). Der Terminus "Transformation" bezieht sich nicht allein

3 Diese kommunistische Auffassung von Transformation unterscheidet sich wesentlich von der sozialdemokratischen. BUCHARIN schreibt: "MARX sah wohl den langen Charakter der Kata­

strophe und der Transformationsperiode". In den "Enthüllungen über den Kommunistenprozeß in Köln" zitiert M A R X seine Worte: "Wir sagen den Arbeitern: 'Ihr habt 15, 20, 50 Jahre Bürger­

kriege und Völkerkämpfe durchzumachen, nicht nur, um die Gesellschaftsordnung (im Original:

Verhältnisse) zu verändern, sondern um euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen'". BUCHARIN (1989, S.103) BUCHARIN polemisiert gegen den deutschen sozialde­

mokratischen Sozialisierungsminister BAUER, der gefordert hatte: "Die Expropriation der Expropriateure soll sich....so vollziehen, daß der Produktionsapparat der Gesellschaft nicht zer­

stört, der Betrieb der Industrie und der Landwirtschaft nicht gehemmt wird", (zitiert nach: I.e., S. 97)

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auf die Wirtschaft, sondern auf die Zivilisation. In der Tradition von HEGEL und M A R X geht es um Form und Inhalt, insbesondere jedoch um die von Menschen geschaffenen Formen. Wie bei BUCHARIN ist der Ausgangspunkt ein Zusammenbruch, diesmal jedoch der drohende Zusammenbruch der internationalen Wirtschaftsordnung.

POLANYI bemerkt, daß allerorten die Institutionen umgeformt wurden, und daß in den dreißiger Jahren die Produktion auf der Grundlage freier Märkte von neuen Wirtschafts­

formen verdrängt wurde. "Faschismus und Sozialismus waren lebendige Kräfte in jener Transformation der Institutionen, die unser Thema bildet." (S. 53)

Die Ursprünge der Katastrophe sucht der Autor im Aufstieg und Fall der Marktwirt­

schaft. Das Buch behandelt die Transformation zur Marktwirtschaft, die wesentlich eine

"Transformation der natürlichen und menschlichen Substanz der Gesellschaft in Waren"

bedeutet (S. 70). Vor der Marktwirtschaft haben Gewinne und Profit beim Güteraus­

tausch in der menschlichen Wirtschaftstätigkeit nie eine wichtige Rolle gespielt. Vorhe­

rige Wirtschaftsformen kannten keine Wirtschaft, "die auch nur annähernd von Märkten beherrscht und geregelt worden wäre" (S. 72).

POLANYI untersucht die Einbettung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Menschen in seine Sozialbeziehungen. Erst mit der Marktform wurde die Gesellschaft als Anhängsel des Marktes behandelt. Die Verwandlung der Märkte in ein selbstregulierendes System war nicht das Ergebnis ihrer natürlichen Tendenz zur Ausuferung, sondern in West­

europa wurde der Binnenhandel durch das Eingreifen des Staates geschaffen.. "Mit jeder Maßnahme, die der Staat ergriff, um den Markt von partikularistischen Restriktionen, Zollschranken und Verboten zu befreien, gefährdete er das bestehende System von Pro­

duktion und Distribution, das nun von ungeregelter Konkurrenz und dem Eindringen von unbefugten Händlern bedroht wurde, die den Markt 'abschöpften', aber keine Gewähr für Stabilität boten." (S. 101) Daher wurden Märkte über lange Zeit mehr denn je von der gesellschaftlichen Macht kontrolliert und reguliert. "Wenn man den Marktmechanismus als ausschließlichen Lenker des Schicksals der Menschen und ihrer natürlichen Umwelt, oder auch nur des Umfangs und der Anwendung der Kaufkraft, zuließe, dann würde dies zur Zerstörung der Gesellschaft führen." (S. 108) Die endgültige Einführung der Marktwirtschaft datiert POLANYI auf das Jahr 1834, als in England der freie, wettbe­

werbsbestimmte Arbeitsmarkt geschaffen wurde. Jedoch setzte fast sofort der Selbst­

schutz der Gesellschaft ein in Form von Fabrikgesetzen, Sozialgesetzen und mit dem Entstehen der Arbeiterbewegung. Während sich die Marktwirtschaft in bezug auf echte Waren im neunzehnten Jahrhundert ausweitete, wurde gleichzeitig der Marktmechanis­

mus in bezug auf Arbeit, Boden und Geld eingeschränkt (S. 112). In diesem Zusammen­

hang haben RICARDO und HEGEL die Existenz einer Gesellschaft entdeckt, "die nicht

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den Gesetzen des Staates unterworfen war, sondern, im Gegenteil, den Staat ihren eige­

nen Gesetzen unterwarf' (S. 157). "Damit war die vom politischen Staat zu trennende ökonomische Gesellschaft entstanden." (S. 163) Erst 1825 wurde "gesunde" Währung zu einem Prinzip des Wirtschaftsliberalismus erhoben. "Kaum hatten die Vertreter des Wirt­

schaftsliberalismus im Jahre 1832 Einfluß auf die Regierung gewonnen, als sich die Lage völlig zugunsten der administrativen Methoden veränderte." (S. 193, 194) Die durch­

gängige Einführung der Marktwirtschaft war gleichzeitig mit dem "Aufbau eines unge­

mein komplizierten Verwaltungsapparats" (I.e.) verbunden.

Der Terminus "Transformation" geht in seiner heutigen Anwendung vornehmlich auf die ordnungstheoretischen Arbeiten von EUCKEN (1952) und HENSEL (1954) zurück, wenngleich es auch eine kybernetische bzw. systemtheoretische Traditionslinie gibt. In letzterer wird unter Transformation abstrakt der Übergang von einem Systemzustand zum anderen verstanden. In dieser abstrakten Sicht lassen sich nicht nur Wirtschafts­

systeme, sondern auch Gesellschaftssysteme, technische Systeme usw. unter den Termi­

nus "Transformation" subsumieren.

Im Unterschied dazu geht EUCKEN (1952) von den konkreteren ökonomischen Markt­

formen aus, dehnt jedoch seine Betrachtung der Transformation über den ökonomischen Bereich auf damit zusammenhängende gesellschaftliche Bereiche aus. Er bezeichnet die Entwicklung bzw. Umwandlung der Marktformen vom Nachfragemonopol zur vollstän­

digen Konkurrenz, ebenso aber auch die Tendenz zur staatlichen Intervention und zu zentraler staatlicher Lenkung (S. 46) sowie schließlich den Übergang von Privat- zum Kollektiveigentum als Transformation (S. 106). HENSEL hat (vgl. Zweiter Tätigkeits­

bericht des Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands, Bonn 1957) diesen Terminus als Gegensatz zur Mutation als einer unbeabsichtigten Verände­

rung der Wirtschaftsordnung eingeführt.

PROPP (1964, 1990) baut auf dieser Sicht der Transformation einer Wirtschaftsordnung auf, untersucht jedoch den umgekehrten Übergang von der Zentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft.

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4. Ordnungstheoretische Ansätze zur Erklärung der Transformation

4. 1 Der ordnungstheoretische Ansatz von E U C K E N

Unter "Wirtschaftsordnung" versteht er "die Gesamtheit der realisierten Formen, in denen in concreto jeweils der alltägliche Wirtschaftsprozeß abläuft" (S. 372). Von dieser zeitbezogenen Ordnung wird die Wesensordnung, Naturordnung bzw. gerechte Ordnung unterschieden, welche der Vernunft entspricht. Die konkrete, zeitbezogene Ordnung wird aus der "Verschmelzung relativ weniger reiner Formen gebildet" (S. 21). Das sind - zentral geleitete Wirtschaft: Eigenwirtschaft einer Kleinfamilie oder Zentralverwal-

tungswirtschaft eines Volkes

- Verkehrswirtschaft selbständiger Einzelwirtschaften, die durch Märkte koordiniert werden: Naturalwirtschaft oder Geldwirtschaft.

Entscheidend für die Analyse der realen Mischformen ist nun, welche der beiden reinen oder abstrakten Formen dominiert: "Die russische Wirtschaftsordnung von 1949 z. B.

besteht aus einer bestimmten Verschmelzung der zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnungsform, die dominiert, mit verkehrswirtschaftlichen Marktformen und Geldsyste­

men verschiedener Art. Jede Veränderung der Wirtschaftsordnung ... ist ein Wechsel der reinen Ordnungsformen, die realisiert sind..." (S. 23)

Bei der Zentralverwaltungswirtschaft unterscheidet er einen Typus mit Privateigentum und einen mit Kollektiveigentum an Produktionsmitteln (S. 60). Die gehaltvolle Darstel­

lung der Funktionsweise einer Zentralverwaltungswirtschaft verwendet vornehmlich das empirische Material des ersten Typus, das EUCKEN aus seiner Kenntnis der national­

sozialistischen Wirtschaft und der westdeutschen Wirtschaft bis 1949 bezieht. Verblüf­

fend ist hier die weitgehende Ähnlichkeit zur Funktionsweise einer Zentralverwaltungs­

wirtschaft sowjetischen Typs (vgl. PROPP und KORNAI). Bei letzterer sieht er die Ord­

nungsform der Zentralverwaltungswirtschaft reiner durchgesetzt. "Aber der Wirtschafts­

prozeß ist hier und dort nicht wesentlich verschieden." (S. 106)

EUCKEN's ordnungstheoretischer Ansatz ist kein eingeschränkt ökonomischer. Viel­

mehr betont er die "Interdependenz der Ordnungen": Staatsverfassung, Wirtschaftsver­

fassung und Gesellschaftsordnung (S. 183). Weiterhin geht er ausführlich auf den Zusammenhang von Wirtschaftsordnung und sozialer Frage ein (S. 185 f f ) .

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Als Alternative zur Zentralverwaltungswirtschaft konzipiert er die Wettbewerbsordnung, in der die Marktform vollständiger Konkurrenz dominiert (S. 244 ff.). Neben ihr ist die Ordnungsform der Eigenwirtschaft weitverbreitet.

Für die Wettbewerbsordnung leitet er aus der Wirtschaftsgeschichte konstituierende Prinzipien ab, Forderungen allgemeiner Art:

- Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems vollständiger Konkurrenz als Grund­

prinzip (ohne Subventionen, staatliche Zwangsmonopole, Kartelle, Einfuhrverbote, allgemeinen Preisstopp)

- Währungspolitik als Primat: Sicherung einer gewissen Stabilität des Geldwertes - offene Märkte ohne Zulassungssperren

- Zollsystem

- wettbewerbskonformes Privateigentum an Produktionsmitteln als Voraussetzung, jedoch nicht in monopolistischen Marktformen ("...wenn Monopole entstehen, ...

muß die Verfügungsmacht über das Privateigentum beschränkt werden." S. 275) - Vertragsfreiheit nur dort, wo vollständige Konkurrenz vorhanden ist, nicht um

Monopole zu bilden oder deren Position zu festigen - Haftung ohne Beschränkungen

- Konstanz der Wirtschaftpolitik: langfristige Festlegung von Rahmenbedingungen (Steuern, Handelsverträge, Währungseinheiten usw.)

- Zusammengehörigkeit dieser Prinzipien.

Von diesen normativen Prinzipien unterscheidet er strikt deren Anwendung. Diese habe die jeweilige geschichtliche Ausgangssituation der einzelnen Länder zu berücksichtigen.

Auch im Hinblick auf die vierzigjährige deutsche Geschichte in der DDR und die heuti­

gen Transformationsprozesse in Ostdeutschland sind EUCKENs Sätze bedenkenswert:

"Wenn man versuchen würde, die Geschichte auszustreichen so würde man an den Tatsachen selbst scheitern ... Die Wirtschaftspolitik hat die Neigung, entweder in einen unrealistischen Doktrinarismus zu verfallen, welcher die jeweilige historische Situation nicht berücksichtigt, oder in einen ungrundsätzlichen Punktualismus, welcher die Wirt­

schaftspolitik zu einem Chaos unzusammenhängender oder widerspruchsvoller Maßnah­

men macht. In jedem Falle wird das Ziel verfehlt." (S. 251)

(20)

Auch die Reihenfolge von Maßnahmen zur Einführung einer Wettbewerbsordnung - in heutigen Worten: die Schrittfolge im Transformationsprozeß - ist für EUCKEN kein all­

gemeingültiges Schema, sondern "eine besondere Frage, welche die Anwendung dieser Prinzipien auf die konkrete Situation" erfordert. (S. 252)

Da die konkreten Wettbewerbsordnungen systemfremde Ordnungsformen enthalten und auch die vollständige Konkurrenz Mängel hat, stellt EUCKEN regulierende Prinzipien auf, um die Wettbewerbsordnung funktionsfähig zu erhalten:

- Wettbewerbskonforme Monopolgesetzgebung und staatliches Monopolaufsichtsamt - Korrektur des Verteilungsprozesses durch begrenzte Progression der Einkommen­

steuer

- Begrenzung der Planungsfreiheit der Betriebe in Fällen von Marktversagen: Arbeiter­

schutz, Umweltschutz

- Eventuell Festsetzung von Minimallöhnen.

Ähnlich thematisiert M A N N (1991) die Anwendungsproblematik abstrakter Prinzipien:

"Angesichts der oben genannten Unterschiede der Völker und Nationen in Bezug auf Kultur, Sozialsystem, Wirtschaft, Geschichte, Mentalitäten, Raum und Zeit, Religion und Wertesystem ist auch zu fragen, wie tragfähig eine spezielle Theorie der Systemtrans­

formation für alle osteuropäischen bzw. mitteleuropäischen Staaten ist, d. h. wie hoch der Abstraktionsgrad einer Theorie sein muß, die auf die einzelnen Völker und Staaten anwendbar sein soll" (S. 74).

4. 2 Die Fragestellung von PROPP

PROPP (1964, 1990) hat sich frühzeitig mit heute aktuellen Transformationsproblemen - also mit dem Übergang von der Zentralverwaltungswirtsehaft zur Marktwirtschaft - aus­

einandergesetzt, wobei er - anknüpfend an EUCKEN (1952) und besonders an HENSEL (1954) - die normativen und realen ordnungstheoretischen Bedingungen einer Marktwirt­

schaft mit den realen Bedingungen in Ostdeutschland konfrontierte. Diese Arbeit zeich­

net sich besonders durch folgendes Anliegen aus: "Neben der Transformation der Wirt­

schaftsordnung steht als gleichberechtigtes Ziel die Sicherung der Kontinuität des Wirt­

schaftsprozesses ..." (S. 13). Die ausschließliche Zielsetzung der Transformation führt nach PROPP zum Chaos. Daher ist sein Ziel "nicht die optimale, sondern eine prakti-

(21)

kable marktwirtschaftliche Ordnung" mit "geringsten negativen Folgen für die Kontinui­

tät des Wirtschaftsprozesses" S. 118).

Aufgrund einer realistischen Analyse der Bedingungen in Ostdeutschland benennt er einerseits Minimalbedingungen für die Marktwirtschaft, die sofort zu schaffen sind, ande­

rerseits Teile der geltenden Regelungen, die als Ansatzpunkt für die neuen Ordnungs­

formen genutzt werden können.

Für ihn ist die Transformation der Wirtschaftsordnung vorrangig, nicht hingegen die der Eigentumsordnung. Daher empfiehlt er aufgrund der Erfahrungen der Bundesrepublik, den "in öffentlichem Eigentum stehenden Betrieben einen solchen Status zu geben, daß sie sich außer durch den speziellen Eigentümer nicht von privaten Unternehmen unter­

scheiden und als echte Wirtschaftssubjekte selbständig tätig sind" (S. 130). Nur so könne die Mehrzahl der Betriebe für eine Übergangszeit erhalten und die Kontinuität der Kreisläufe gesichert werden. Gleichzeitig soll die Zulassung neuer Privatunternehmen ge­

fördert werden.

Hingegen sollte die zentrale Planung sofort beseitigt werden. Davon sollen aber tech­

nische Sicherheits- und Hygienevorschriften, Elemente des Finanz- und Vertragssystems u. ä. ausgenommen werden. Dem Autor geht es darum, die vertikale Bindung der Betrie­

be an die zentrale Planung sofort zu beseitigen, gleichzeitig aber das Netz der horizon­

talen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Betrieben zu erhalten, um Zeit für die Umstellung und Anpassung an die Marktbedingungen zu gewinnen (S. 147). Er unter­

scheidet also die Transformation der Wirtschaftsordnung als einheitlichen Akt und die sich daran anschließenden Anpassungsprozesse.

PROPP macht das Managementdefizit als zentrale Frage der Transformation aus, also die Tatsache, "daß keine Menschen mit unternehmerischen Fähigkeiten und Kenntnissen zur Verfügung stehen" (S. 189). Er erkennt jedoch, daß die Werkleiter der VEB angesichts vielfältiger widersprüchlicher Vorschriften in der Planwirtschaft ein hohes Maß an Initia­

tive entwickeln mußten, um die Betriebe überhaupt führen zu können. Daher könne sich ein großer Teil von ihnen an die neuen Verhältnisse anpassen. Ausgeschlossen sei es, binnen kurzer Zeit alle oder auch nur einen großen Teil von ihnen zu ersetzen.

Nach ihm muß die Geldordnung sofort verändert werden. Hingegen sollten die bisheri­

gen Kreditdispositionen der Betriebe zeitlich begrenzt aufrechterhalten werden, jedoch durch marktwirtschaftliche Kreditzinsen ergänzt werden. Realistisch sieht er, daß die Gewährung neuer Kredite in marktwirtschaftlichen Formen geraume Zeit erfordert, so

(22)

daß die "Einstellung der Kreditgewährung zu sehr nachteiligen Folgen für die Kontinuität der wirtschaftlichen Abläufe führen" würde (S. 215).

Ebenso könne man nicht einfach die bisherigen Finanzbeziehungen zwischen den Betrie­

ben und dem Staatshaushalt abbrechen. Das gelte nur für die Abschaffung der Gewinnab­

führungen und Verluststützungen. Während "ein erheblicher Teil der auf die Wirtschaft bezogenen Staatsausgaben weiter zu leisten sei" (S. 283), müsse für die Sicherung der Staatseinnahmen sofort ein marktwirtschaftliches Steuersystem eingeführt werden.

PROPP macht jedoch offenkundig eine Reihe stillschweigender Annahmen über den Transformationsprozeß in Ostdeutschland, die den heutigen Bedingungen nicht ent­

sprechen. Implizit geht er von einem souveränen Staatsgebiet oder zumindest von einer Sonderwirtschaftszone in Ostdeutschland aus. Es ist weder die Rede von der Wieder­

vereinigung, noch von einer Übernahme westdeutschen Wirtschaftsrechts oder gar der D M . Die sofortige Abschaffung von Zollgrenzen und die bedingungs- und übergangslose Konfrontation ostdeutscher Betriebe mit der überlegenen westdeutschen und europäi­

schen Konkurrenz werden nicht thematisiert, Währungsprobleme und Wettbewerbs­

fähigkeit kaum behandelt.

4. 3 Weitere ordnungstheoretische Arbeiten

GRADL (1967, S. 608) erklärte: "Das Leitbild einer freiheitlich-demokratischen Ord­

nung und die Ablehnung des Prinzips der Zwangswirtschaft bedeuten nicht, daß not­

wendig alle Einrichtungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens im kommunistisch beherrschten Teil Deutschlands geändert oder gar beseitigt werden sollen ... Die Frage des Eigentums an Produktionsmitteln ist ebenso wichtig wie schwierig ... Es gibt heute viele Formen öffentlichen, gemischtwirtschaftlichen und privaten Eigentums sowie der Mitbestimmung. Die Möglichkeit einer Weiterführung "Volkseigener Betriebe" und Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften hat der Forschungsbeirat in seinen Überlegungen vorgesehen. Bisherige fachlich geeignete Führungskräfte sollen selbstver­

ständlich in ihren Führungspositionen bleiben. Hinsichtlich der Landwirtschaft hat sich der Forschungsbeirat ausdrücklich gegen Restauration der alten Eigentumsverhältnisse ausgesprochen."

Im zweiten Text in BIEDENKOPF (1990) trägt der Verfasser eine Argumentation für die marktwirtschaftliche Ordnung vor. Unter anderem begreift er die soziale Marktwirt-

(23)

schaft als das Ergebnis komplexer Planung. Alle Wirtschaftsordnungen in der EG enthal­

ten "Elemente staatlicher und genossenschaftlicher, privatrechtlicher und öffent­

lich/rechtlicher, privatwirtschaftlicher und gemeinwirtschaftlicher Strukturen und Organi­

sationsformen. Alle sind sie deshalb "Mischsysteme". Der Staat ist in ihnen ebenso Eigentümer wie Private, Genossenschaften oder internationale Konzerne Eigentümer sind" (S. 52). Jedoch muß die Staatsquote unter 50 % gehalten werden. Insgesamt geht dieser Text vom Dezember 1989 noch davon aus, daß die Erneuerung der Volkswirt­

schaft der DDR eine Gemeinschaftsaufgabe beider deutscher Staaten ist. Der Autor sieht die Volkswirtschaft der DDR auf dem Niveau Spaniens, noch vor Irland, Portugal oder Griechenland, und mit ungleich besseren infrastrukturellen Voraussetzungen (S. 72-73).

Zahlreiche Standortvorteile der DDR werden erwähnt. "Die ökonomischen Probleme der DDR ... werden ... zum Teil überzeichnet." (S. 80) Vor allem heißt es: "Bei der Entwick­

lung der DDR-Volkswirtschaft zu einer international wettbewerbsfähigen Verkehrswirt­

schaft muß deshalb darauf geachtet werden, daß die Entwicklungssprünge nicht zu groß werden" (S. 81-82). Hier sieht der Autor noch die Gefahr eines Anpassungsschocks, der ebenfalls kontraproduktive Wirkungen auf die weiteren Entwicklungen der Wirtschaft in der DDR haben müßte. Reichlich einen Monat später (siehe unten) plädiert er für den Schock der Währungsunion und erkennt großartige Entwicklungssprünge nach maximal zwei Jahren Talfahrt.

HERDER-DORNEICH (1991) sieht die klassische Ordnungstheorie als statisch an und fordert eine dynamische Theorie. Er geht davon aus, daß der definitorische Apparat der klassischen Ordnungstheorie in den dreißiger Jahren begründet worden ist und damals auf eine ganz andere Wirklichkeit ausgerichtet war. Sie habe sich auf den Dualismus

"Zentralverwaltungs-Verkehrswirtschaft" konzentriert und den einen Pol dieses Dualis­

mus durch den anderen Pol erläutert. Während EUCKEN keineswegs vom dualistischen Ausschluß, sondern von einer_Dominanz der Ordnungsformen sprach (was die Vermi­

schung mit andersartigen Formen einschließt), sieht HERDER-DORNEICH eine duali­

stische Polarisierung. Dieses Paradigma habe sich mit dem Zusammenbruch der Zentral- verwaltungswirtschaft in Osteuropa überlebt. "Die dualistische Ordnungstheorie kann Mischformen funktional nicht denken ..." (S. 30) Ausgehend davon schlägt er als neuen Ansatz das Denken in Netzen vor. Darunter versteht er die Interdependenz verschiedener Leistungs-Gegenleistungsmechanismen: Märkte und Bürokratie, Abwanderung und Widerspruch, Verhandlungen und Wahlen, technische Netze, Netze sozialer Sicherung, politische Verbünde, Netze der Verbände. In der Ordnungstheorie gelte es heute, die Vielfalt der vernetzten Steuerungssysteme und ihre Systemdynamik darzustellen.

(24)

CICHY (1991) macht ordnungspolitische Mängel der wirtschaftlichen Vereinigung Deutschlands aus. Statt der Wirtschafts- und Währungsunion hätte es einer schrittweisen Anpassung der außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der DDR durch gezielte Ab­

wertungen der Mark der DDR, durch generellen Außenzoll und vorübergehende Importsteuer bedurft. Auch sieht er die Gefahr von Willkür und Machtmißbrauch bei der Schaffung einer neuen Eigentumsordnung. "Die zentrale Rolle einer effizienten staat­

lichen Verwaltung bei Aufbau und Fortentwicklung einer marktwirtschaftlichen Ordnung wurde ... nicht ausreichend vorhergesehen ... Die Probleme des personellen Neuaufbaus waren weder durch ehemalige DDR-Bürger noch durch sog. 'West-Importe' hinreichend zu lösen." (S. 26-27) Gleichwohl postuliert er für eine Ordnungspolitik des Übergangs,

"daß am Anfang einer Systemtransformation die Schaffung einer stabilen Währung und die Ermöglichung einer freien Preisbildung auf den Märkten stehen muß" (S. 29), Es wäre sinnvoll gewesen, zunächst nur die wirtschaftlich relevanten Teile des westdeut­

schen Rechts auf die DDR zu übertragen. "Besonders problematisch ist eine voreilige Regelsetzung im Bereich der Eigentumsrechte ..." (S. 31) Auch habe sich gezeigt, "daß offene Märkte den Handel, aber nur bedingt Investoren zu mobilisieren vermögen"

(S.31). "Eine vollständige außenwirtschaftliche Öffnung mit freiem Güter- und Geldver­

kehr ist erst dann möglich, wenn die Binnenwirtschaft eine gewisse Wettbewerbs- und Exportstärke erreicht hat." (S. 32)

WERNER (1992) bemüht die Ordnungspolitik als Begründung für eine Außenhandels­

und Kapitalverkehrsliberalisierung osteuropäischer Länder, "bevor noch die EG ihre Handelsschranken gegenüber Osteuropa voll abbaut." (S. 33) Auf diese Weise komme Osteuropa zu Netto-Kapitalzuflüssen. Daher postuliert er bei den Transformationsschrit- ten einen Vorrang von Geldwertstabilität, Konvertibilitätsfortschritten und Liberalisie­

rung des Kapitalverkehrs. In dieser Hinsicht setzt er sich mit gegenteiligen Auffassungen auseinander, wobei er insbesondere auf währungspolitische Maßnahmen in verschiedenen westlichen Ländern, aber auch in Entwicklungsländern eingeht. Er bemerkt: "Während die Verwirklichung offener Wettbewerbsmärkte nach aller Erfahrung ein sehr langwieri­

ger Prozeß ist, kann ein Land zumindest die Währungsverfassung schnell einführen, die Voraussetzung für stabiles Geld ist." (S. 39)

"Dagegen scheint selbst in Deutschland der Zeitbedarf für die Verwirklichung von offe­

nen Wettbewerbsmärkten noch 1991 erheblich zu sein, so zum Beispiel auf dem Ener­

giemarkt, bei vielen Dienstleistungen einschließlich Banken, Versicherungen und Trans­

portleistungen, auf den Märkten für Kommunikation bzw. Informationsübertragung sowie im Agrarbereich - auf Märkten also, deren Angebot in praktisch jede Produktion von Gütern direkt einfließt, oder indirekt über den Produktionsfaktor Arbeit," (S. 40)

(25)

Er argumentiert scharf gegen die Inflation: Gutes Geld verläßt bei festen Zwangskursen das Land, in dem die Bürger durch Inflation betrogen werden sollen. "Inflation setzt man heute eher als (die unsozialste) Form der heimlichen Besteuerung ein, wenn ein effizien­

tes Steuersystem fehlt oder die Mehrzahl der Bürger politisch entmündigt ist, während die wirtschaftliche und politische Führungsschicht bei geringen Informationskosten und großen Vermeidungsmöglichkeiten mit der Inflation gut leben kann." (S. 40) Gegen mäßige Inflation spricht er sich für eine funktionsfähige Ordnung der Eigentumsrechte mit Privateigentum in Osteuropa aus.

KRELLE (1991) skizziert kurz einige bekannte Charakteristika von Planwirtschaft und Marktwirtschaft, geht dann auf Statistiken der Wirtschaftsentwicklung für beide Systeme ein und leitet daraus einige Aussagen zur Transformation ab. Letztere beziehen sich im wesentlichen auf die Schrittfolge der Transformation (siehe unten).

GUTMANN (1991) sah bereits im November 1990 den Transformationsprozeß in Ost­

deutschland rechtlich gesehen als im Kern abgeschlossen an. Für die osteuropäischen Länder stellt er fest, daß es eine Theorie über den Ablauf solcher Transformationsprozes­

se nicht gibt. Er zitiert KLOTEN (1989): "Gelingt es schon nicht, gesamtwirtschaftliche Modelle zu konstruieren, die die Prozeßabläufe in einer beliebigen Volkswirtschaft über längere Perioden hinweg zutreffend abbilden, so wird es noch weitaus schwieriger sein, den Anforderungen einer Theorie der Transformation von Wirtschaftssystemen ... zu genügen."(S. 100) GUTMANN stimmt WATRIN (1990) zu, das Projekt einer Theorie der Transformationsprozesse vorerst zu vertagen. Zur theoretischen Behandlung einzel­

ner Sachverhalte der Transformation verweist GUTMANN neben der traditionellen Ord­

nungstheorie auf systemtheoretische und bürokratietheoretische Ansätze und rekapitu­

liert insbesondere den Ansatz der neuen ökonomischen Institutionentheorie. Er möchte

"einen Katalog phänotypischer Merkmale aus den empirisch beobachtbaren Transforma­

tionsprozessen ... gewinnen" (S. 36).

Unter Rekapitulation der ordnungstheoretischen Prinzipien EUCKENs glaubt er leicht zu erkennen, "daß man bei der Umwandlung der osteuropäischen Zentralverwaltungswirt- schaften in Marktwirtschaften tatsächlich weitgehend diesen Prinzipien entsprechend ver­

fährt". (S. 41-42)

Gleichzeitig erfaßt er ein Transformationsdilemma, das aus zeitversetzten Realisierungen dieser Prinzipien bzw. der Teilordnungen herrührt. Folglich sei die Transformation in der Praxis weiterhin ein mit Fehlentwicklungen behafteter Prozeß des Trial and Error.

(26)

MOLITOR bezieht sich Anfang 1990 auf die Transformation im Rahmen von Wirt­

schaftsreformen in der DDR. Vor dem Hintergrund der ordnungstheoretischen Prinzipien benennt er wichtige Aspekte der Transformation: Flexible Preise, Entflechtung der Kombinate, volle betriebswirtschaftliche Selbständigkeit der Unternehmen (was für die Treuhandunternehmen auch für 1993 noch nicht zutrifft), funktional ausgeglichene Staatshaushalte (was für das vereinigte Deutschland auch 1993 fraglich ist), Reduzierung der Geldmenge, allgemeiner Währungsschnitt, sukzessiver Abbau von Subventionen, Konvertibilität der Währung.

Im übrigen sind weitere Feststellungen dieses Autors auch heute für eine Transforma­

tionstheorie bedenkenswert. Ähnlich wie vor ihm PROPP und GRADL sah er in der DDR keinen Mangel an Unternehmertalenten, weil insbesondere auf betrieblicher Ebene ein hohes Maß an Findigkeit gewachsen ist. Hinzukommen müßten Anstrengungen im Marketing und die Gewöhnung an behördliche Vorschriften. Die Sparguthaben müssen auf Zeit jenseits eines Mindestvolumens gesperrt werden, "es sei denn, sie würden zu Käufen aus dem Block des bisherigen Staatseigentums verwendet" (S. 17). "In der gege­

benen Ausgangssituation an allgemeine Lohnerhöhungen (Lohnsummensteigerung) zu denken, hieße, sich in die eigene Tasche lügen wollen." (S. 18)

SCHLECHT (1990, 1991a, 1991b) liefert im wesentlichen eine ordnungspolitische Rechtfertigung für die Transformationspolitik der Bundesregierung in Ostdeutschland:

Sicherung von Wettbewerb, freie Preisbildung, Öffnung der Märkte in der DDR, Gewährleistung des Eigentums privater Investoren an Grund und Boden, vollständiger Wegfall der Kontrollen an der innerdeutschen Grenze, staatliche Preisregulierungen auf dem Wohnungsmarkt, Dominanz des Privateigentums an den Produktionsmitteln und auch an Grund und Boden, Preisbindungen bei Energie und öffentlichem Personennah­

verkehr, Sicherung des Geldwertes usw.

SCHLECHT (1990, S. 4) plädierte noch dafür, daß auch der Staat Eigentum an Unter­

nehmen halten kann: "Auch in der Bundesrepublik gibt es noch Unternehmen in Staats­

eigentum ... Voraussetzung ist allerdings, daß Unternehmen in Staatsbesitz privatrecht­

lichen Status haben und dem Wettbewerb voll ausgesetzt sind". SCHLECHT (1991b, S. 15) fordert dagegen: "Privatisierung durch schnellen Verkauf von Unternehmen muß weiterhin Priorität haben ... Bei vielen (Unternehmen; R. S.) ... muß die Privatisierung durch Konkurs und Liquidation erfolgen". Nur in besonderen Fällen ist er für eigene Sanierungsmaßnahmen der Treuhandanstalt, um für die Anpassung der Unternehmen Zeit zu kaufen. Die soziale Marktwirtschaft bezeichnet er als "dritten Weg" jenseits von Kapitalismus und Sozialismus (1990, S. 5).

(27)

Als irreales Soll erscheint heutzutage die Forderung von SCHLECHT (1991b, S. 14):

"Wenn die weitere Abwanderung von Arbeitskräften verhindert werden soll, kann des­

halb die zügige Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost und West nur durch massive Zuwanderung von privatem und öffentlichem Kapital nebst Know-how und die damit bewirkte schnelle und kräftige Produktivitätssteigerung erfolgen". In diesem Zu­

sammenhang sieht er einen akuten Nachfragemangel für örtliche Kapazitäten der ost­

deutschen Wirtschaft und plädiert dafür, "im durchaus keynesianischen Sinne der Nach­

frage auf die Beine zu helfen" (1991b, S. 20).

Der Autor nimmt den wettbewerbspolitischen Vorwurf ernst, "daß der Grundsatz der raschen Privatisierung durch Verkauf an westliche Unternehmen letztlich zu einer Kon- zernierung der gesamten ostdeutschen Wirtschaft führt, statt die Bürger insbesondere in den neuen Bundesländern an den Unternehmen zu beteiligen" (SCHLECHT 1991b, S. 18).

Diesem Vorwurf hält er lediglich entgegen, daß - neue mittelständische Unternehmen entstehen und

- die Voraussetzungen für die Ausgabe von Volksaktien nicht gegeben sind, da die Betriebe Ostdeutschlands ohne neues Kapital und Management auf lange Sicht nicht börsenfähig sein werden.

Der Verfasser bringt die notwendige Flankierung des Anpassungsprozesses in Ost­

deutschland auf die Formel: "massive zeitlich befristete Hilfen für die Strukturanpassung:

ja; dauerhafte Abhängigkeit von Stimulierungsdrogen und vom Subventionstropf: nein"

(SCHLECHT 1991b, S. 23).

SCHLECHT betrachtet Ostdeutschland offenkundig als Experimentierfeld für die Durch­

setzung reiner ordnungspolitischer Prinzipien. Die neuen Bundesländer sollten"... mit gutem Beispiel den alten Bundesländern vorangehen ..." (1991a, S. 17). Zwar bezieht er das explizit nur auf die private Organisation und Finanzierung von Infrastrukturmaßnah­

men, führt jedoch an anderer Stelle aus: "Der Abbau marktwidriger Regulierungen ist ein weiterer Kernbereich marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik. Der Staat interveniert noch immer viel zu viel. A u f zahlreichen Märkten, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, im Banken- und Versicherungsbereich, im Verkehrsbereich, in der Energiewirtschaft und bei den Freien Berufen, wird der Wettbewerb vermindert und verzerrt sowie der Struktur­

wandel behindert. Auch werden viele Dienstleistungen vor dem Druck des Wettbewerbs geschützt. Der Zugang zu den Märkten ist beschränkt, die Preise und Konditionen sind reglementiert, Produktionskapazitäten werden knapp gehalten, Rationalisierungspoten-

(28)

tiale werden nicht genutzt (1991a, S. 13/14)." Das bezieht sich auf Westdeutschland, und der Kontrast zur in Ostdeutschland praktizierten Ordnungspolitik ist offensichtlich.

B L U M (1991) kritisiert den Ansatz eines ordnungspolitischen Experimentierfeldes in Ostdeutschland: "Um die ordnungstheoretischen Handlungsmaximen für die neuen Bun­

desländer in der Praxis richtig zu gewichten, müßte man sich vorstellen, die zahlreichen Verstöße gegen marktwirtschaftliche Prinzipien würden von heute auf morgen auch in den alten Bundesländern behoben. Es gäbe also keine Subventionen bzw. begünstigende Rahmenbedingungen für einzelne Sektoren oder gar einzelne Unternehmen. Das wirt­

schaftliche System würde auch in den alten Bundesländern chaotische Ergebnisse hervor­

rufen." (S. 16) Er polemisiert insbesondere gegen die Meinung des Bundesministers für Wirtschaft, daß der Strukturwandel in Ostdeutschland "hart, brutal, aber dafür auch kurz" sein muß. Der Übergang zu marktwirtschaftlichen Prinzipien in Westdeutschland nach 1945 habe gerade Härte und Brutalität durch den "Stilgedanken" der sozialen Marktwirtschaft vermieden. Im übrigen darf man darauf verweisen, daß die Vorstellung eines kurzen Strukturwandels jeglicher Erfahrung widerspricht.

ALBACH (1990, S. 31) unterscheidet Transformation durch Reform als "drittem Weg"

von Transformation durch Revolution als "Königsweg". Er versteht unter Reform, "wenn in einem sozialistischen Land der Bankrott des Systems, nicht aber der Bankrott der Ideologie erklärt wird", und unter Revolution, "wenn der Bankrott des Systems von der Erkenntnis begleitet ist, daß der Konkurs des Systems ursächlich bedingt ist' durch den Bankrott der Ideologie". Zur Erkenntnis der Bedingungen für die optimale Steuerung eines Transformationsprozesses von Wirtschaftsordnungen "gehört die Analyse der An­

fangsbedingungen, die Formulierung eines Zielzustandes und die Untersuchung der Steuerungsgrößen für den Prozeß und der mit ihnen verbundenen gesamtwirtschaftlichen Kosten" (S. 31).

Wie auch andere Autoren bezeichnet er das Vertrauen in die Währung als Voraussetzung für den Erfolg des Transformationsprozesses (S. 33).

Da ALBACH vom Konkurs der Planwirtschaft ausgeht und für diese Konkurssituation auch Belege anführt, folgert er: "Mir schien ein Konkurs mit Anschlußsanierung wirk­

samer als ein langes Vergleichsverfahren mit Anschlußkonkurs." (1990, S. 35) Diese

"Bruchlandung der DDR auf der Wirtschaft der Bundesrepublik" (S, 35) bezeichnet er als den Königsweg, der nach ihm durch drei Dinge charakterisiert wird: "gutes Geld, gutes Recht und gute Investitionen" (S. 39).

(29)

4. 4 Monetäre Ansätze zur Erklärung der Transformation

RIESE (1992, ähnlich auch 1991) bemerkt, daß mit dem Dualismus der klassischen Ord­

nungstheorie zwischen Zentralverwaltungswirtschaft und Verkehrswirtschaft (vgl.

EUCKEN) die Organisationsform der Verfügung über Ressourcen anstelle des Eigen­

tums an Produktionsmitteln zum Systemkriterium wird. Das bedeute, "daß Privateigen­

tum in der neoliberalen und, allgemeiner, in der neoklassischen Ökonomie nicht den ent­

scheidenden Blickwinkel abgibt" (S. 27). Er fordert demgegenüber eine Rückbesinnung auf das Begriffspaar Kapitalismus und Sozialismus und damit auf Privateigentum versus gesellschaftliches Eigentum_ein. "Kapitalismus bedeutet dann private Aneignung von Zins und Profit, Sozialismus gesellschaftliche Aneignung bzw. Eliminierung von Zins und Profit." (S. 28) In keynesianischer Tradition gibt der Autor dem Zinsanspruch eine mone­

täre Fundierung, "so spricht man genauer von einer Geldwirtschaft als von einer Markt­

wirtschaft" (S. 28). In dieser Auffassung vermag allein Geld im Kapitalismus die Kohä­

renz des ökonomischen Systems herzustellen, während der Markt für sich genommen keine Kohärenz des ökonomischen Systems zu begründen vermag.

RIESE interpretiert den Transformationsprozeß als Wechsel einer Planwirtschaft in eine Geldwirtschaft. Dabei handele es sich weder um einen graduellen noch um einen abrup­

ten Übergang. Da nur die Planung oder Geld die Kohärenz des ökonomischen Systems garantieren kann, wird in bezug auf die Kohärenzfunktion eine eindeutige Lösung ver­

langt. Graduelle Reformen bilden daher eine inkonsistente Mixtur von Planungsökono­

mie und Geldökonomie ab, jedoch keine regulierte Marktwirtschaft. "Deshalb wies die Auflösung der DDR den Vorzug auf, mit der Einführung der Deutschen Mark die Kohä­

renzfunktion des Geldes zu etablieren - ungeachtet der Brutalität, der Ökonomie eine Aufwertung der Währung ... um 300 % zuzumuten: eine Aufwertung, die keine Öko­

nomie der Welt absorbieren kann und von jeder Ökonomie der Welt eine vollständige Erneuerung des Produktionsapparates verlangen würde." (S. 35) Diesem Vorzug steht das Handikap einer Peripherisierung der ostdeutschen Wirtschaft gegenüber. Für die ost­

europäischen Wirtschaften sieht er im ungünstigen Fall, daß sie keine funktionierende Geldwirtschaft zu etablieren vermögen oder im günstigen Fall deren Funktionsfähigkeit lediglich unter den Bedingungen einer restriktiven Geldpolitik erreichen, was zu ökono­

mischer Stagnation bei niedrigen Reallöhnen führt.

RIESE (1991) vertritt die Auffassung, daß eine überlegene Effizienz des marktwirt­

schaftlichen Systems nicht das Kriterium für eine Transformationstheorie bieten kann,

"weil es nicht auf die (nichtsozialistischen) Entwicklungsländer anwendbar ist" (S. 125).

(30)

Auch können soziologische Theorien eines Systemwandels das spezifische Scheitern des sozialistischen Systems nicht erklären. Nach RIESE erlaubt es allein die Antinomie von Kapitalismus und Sozialismus, auf das Kriterium der Systemüberlegenheit zu verzichten und es durch das Kriterium der Funktionsfähigkeit des Systems zu ersetzen. Allerdings räumt er ein, daß auch EUCKEN auf die Funktionsprinzipien von Systemen abhebt. In SCHUMPETERs Tradition und über den ordnungstheoretischen Ansatz hinaus hebt er das kreditäre Fundament des Entwicklungsprozesses und darüberhinaus in keynesiani- scher Tradition die Allokationsfunktion des Zinses hervor (S. 134).

Auch WESTPHAL und HERR (1991) äußern sich über den Transformationsprozeß zur Geldwirtschaft. Zunächst betrachten sie Kohärenz und Instabilitätspotentiäle der Plan­

wirtschaft. Ihre Argumentation lehnt sich stark an KORNAI an, ohne jedoch die Ähn­

lichkeit dieser Argumentation zu derjenigen EUCKENs zu betonen.

Hinsichtlich der Transformation zur Geldwirtschaft gehen sie vom keynesianischen Paradigma aus, nach dem der Vermögensmarkt sowohl den Güter- als auch den Arbeitsmarkt dominiert.

Im Transformationsprozeß zur Geldwirtschaft müssen daher möglichst schnell diejenigen ökonomischen Strukturelemente etabliert werden, die die Kohärenz einer Geldwirtschaft herstellen: marktkonforme Geldverfassung, Knappheit des Geldes und eine harte mikroökonomische Budgetrestriktion (S. 150). Die Vernichtung des akkumulierten Geldvermögens durch Währungsreform ist eine Grundvoraussetzung des Transforma­

tionsprozesses, weil sie das Potential der Kapitalflucht eliminiert, den Unternehmens­

sektor von seinen Verbindlichkeiten entlastet und relativ die Akkumulationsbedingungen verbessert. Die Währungsreform muß jedoch mit einer Einkommenspolitik einhergehen, bei der auf Nominallohnsteigerungen verzichtet wird, die über das Produktivitätswachs­

tum hinausgehen.

"Auf der mikroökonomischen Ebene müssen die Autonomie der Betriebe hergestellt und klare Eigentumsrechte definiert werden." (S. 153) In der ersten Phase des Transforma­

tionsprozesses müssen jegliche direkte Abhängigkeitsbeziehungen der Betriebe von den Instanzen der staatlichen Wirtschaftspolitik abgeschafft werden. "Zu Beginn des Trans­

formationsprozesses ist eine sofortige und umfassende Freigabe der Preisbildung und die Streichung aller produktbezogenen Subventionen notwendig, da anderenfalls eine harte mikroökonomische Budgetrestriktion nicht durchgesetzt werden kann ..." (S. 154) In wenigen Ausnahmefällen kann eine zeitliche Begrenzung der Preisregulierung und der stufenweise Abbau festgelegt werden. Transitorische und sukzessive abzubauende

(31)

Schutzzölle sind denkbar. Zum Zeitpunkt der Freigabe der Preisbildung muß neben der Währungsreform ein Sozialpakt vorliegen, wobei Realeinkommensverluste unumgänglich sind.

Um dem Staat in den ehemaligen Planwirtschaften Einnahmequellen zu erschließen, wird die Einführung eines einfachen und effizient kontrollierbaren Steuersystems vorgeschla­

gen, dessen Schwerpunkt die Umsatz- und Einkommensteuer bilden (S. 160, 161).

Hinsichtlich der Außenwirtschaftsstrategie wird eine einmalige drastische Abwertung der Währung empfohlen, um einen Exportüberschuß zu erreichen, weil die private Binnen­

nachfrage stagniert. "Sämtliche direkten Beschränkungen von Import und Export sind sofort aufzuheben." (S. 163) Trotzdem bleibt in gewissen Fällen ein selektiver Protek­

tionismus transitorisch notwendig.

Aus ihren Ausführungen leiten WESTPHAL und HERR eine Reihenfolge der Transfor­

mationsschritte ab (siehe Abschnitt 6.5.).

5. Vergleiche zur westdeutschen Währungsreform von 1948

Die Transformation der nationalsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft in die west­

deutsche soziale Marktwirtschaft gilt vielen deutschen Autoren als bisher einziges erfolg­

reiches Transformationsmodell zur Marktwirtschaft. Dabei bleibt freilich die japanische Entwicklung nach 1945 unberücksichtigt. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben meist die Transformationen anderer planwirtschaftlich dominierter Kriegswirtschaften. Die Trans­

formation der westdeutschen Wirtschaft wird gern mit der einmaligen und spektakulären Währungsreform des Jahres 1948 identifiziert, obwohl der Transformationsprozeß früher einsetzte und auch viel später endete, als das Jahr 1948 bezeichnet. Der westdeutsche Transformationsprozeß wird von den meisten Autoren als Referenzmodell herangezogen, um

- wesentliche Elemente eines Transformationsprozesses einer Zentralverwaltungswirt­

schaft herauszuarbeiten,

- Unterschiede zu heutigen Transformationsprozessen ehemals sozialistischer Wirt­

schaftssysteme zu betonen oder

- eine Schrittfolge von Transformationsprozessen zu fixieren.

(32)

So betont etwa ARNDT (1992): "Die ökonomische Problematik von 1948 unterscheidet sich von derjenigen der Wiedervereinigung u.a. dadurch

- daß es eine Besatzungsmacht gab, welche die Währungsreform durchführte und die Löhne - nach einer einmaligen Steigerung - einfror und daß auch in den folgenden Jahrzehnten die wieder gegründeten Gewerkschaften in ihren Lohnforderungen zurückhaltend waren,

- daß es keine (technischen) Betriebseinheiten, sondern Unternehmen gab, die darauf bedacht waren, ihre Betriebe und Waren zu gestalten, wie überhaupt damals die marktwirtschaftliche Grundstruktur vorhanden war, die in den neuen Ländern erst geschaffen werden muß, und

- daß im Jahr 1948 die deutsche Exportkraft durch den günstigen Wechselkurs ... ge­

kräftigt wurde, während man 1990 die ohnehin niedrige internationale Wettbewerbs­

fähigkeit der neuen Länder durch die Währungsrelation ... zusätzlich geschwächt hat." (S. 281)

Demgegenüber bemerkt er hinsichtlich der deutschen Währungsunion von 1990 kritisch, daß sie weder die Belebung der Wirtschaft noch die Beendigung der Abwanderung be­

wirken konnte. "Die westdeutsche Währung ist kein Ersatz für die Leistungen der Marktwirtschaft, und die Abwanderungsbewegung wurde nicht durch die Einführung der D M West, sondern durch die Gewährung außerordentlicher Sozialleistungen gebremst.

Die überstürzte Währungsunion erwies sich in den neuen Ländern eher als nachteilig, weil sie deren Außenhandel zusammenbrechen ließ und dadurch schon bei Beginn der Anpassung zusätzliche Arbeitslosigkeit hervorrief." (S. 283) Außerdem habe man volks­

eigene Betriebe und Unternehmen verwechselt. "So sind die Betriebe bei der Währungs­

union nicht in die Lage versetzt worden, Entwicklungsinvestitionen vorzunehmen, um den Wettbewerbsvorsprung der Unternehmen in den alten Ländern aufzuholen. Statt durch Streichungen der Altschulden die Umwandlung von Betrieben zu Unternehmen zu ermöglichen (was ohne weiteres möglich gewesen wäre, zumal es sich um Zwangskredite des alten DDR-Staates handelte), hat man diese Schulden lediglich halbiert ... Das Miß­

verständnis hat endlich dazu geführt, daß man die Wirtschaft der neuen Länder möglichst auf einmal ins Privateigentum überführen wollte, was praktisch auf eine Art von Ausver­

kauf hinauslief, der die Preise radikal drücken mußte. Es wäre weitaus sinnvoller gewe­

sen, einen Teil der Unternehmen zunächst in staatseigene Konzerne zu überführen und andere Betriebe nicht zu verkaufen, sondern zu verpachten." (S. 283, 284)

Insgesamt klagt ARNDT, daß man die Hinweise und Forderungen des

"Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" mißachtet hat, auch im Hinblick auf die Herstellung klarer Rechtsverhältnisse in der Eigentumsfrage.

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