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Vergleiche zur westdeutschen Währungsreform von 1948

Im Dokument 93-003 (Seite 31-43)

Die Transformation der nationalsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft in die west­

deutsche soziale Marktwirtschaft gilt vielen deutschen Autoren als bisher einziges erfolg­

reiches Transformationsmodell zur Marktwirtschaft. Dabei bleibt freilich die japanische Entwicklung nach 1945 unberücksichtigt. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben meist die Transformationen anderer planwirtschaftlich dominierter Kriegswirtschaften. Die Trans­

formation der westdeutschen Wirtschaft wird gern mit der einmaligen und spektakulären Währungsreform des Jahres 1948 identifiziert, obwohl der Transformationsprozeß früher einsetzte und auch viel später endete, als das Jahr 1948 bezeichnet. Der westdeutsche Transformationsprozeß wird von den meisten Autoren als Referenzmodell herangezogen, um

- wesentliche Elemente eines Transformationsprozesses einer Zentralverwaltungswirt­

schaft herauszuarbeiten,

- Unterschiede zu heutigen Transformationsprozessen ehemals sozialistischer Wirt­

schaftssysteme zu betonen oder

- eine Schrittfolge von Transformationsprozessen zu fixieren.

So betont etwa ARNDT (1992): "Die ökonomische Problematik von 1948 unterscheidet sich von derjenigen der Wiedervereinigung u.a. dadurch

- daß es eine Besatzungsmacht gab, welche die Währungsreform durchführte und die Löhne - nach einer einmaligen Steigerung - einfror und daß auch in den folgenden Jahrzehnten die wieder gegründeten Gewerkschaften in ihren Lohnforderungen zurückhaltend waren,

- daß es keine (technischen) Betriebseinheiten, sondern Unternehmen gab, die darauf bedacht waren, ihre Betriebe und Waren zu gestalten, wie überhaupt damals die marktwirtschaftliche Grundstruktur vorhanden war, die in den neuen Ländern erst geschaffen werden muß, und

- daß im Jahr 1948 die deutsche Exportkraft durch den günstigen Wechselkurs ... ge­

kräftigt wurde, während man 1990 die ohnehin niedrige internationale Wettbewerbs­

fähigkeit der neuen Länder durch die Währungsrelation ... zusätzlich geschwächt hat." (S. 281)

Demgegenüber bemerkt er hinsichtlich der deutschen Währungsunion von 1990 kritisch, daß sie weder die Belebung der Wirtschaft noch die Beendigung der Abwanderung be­

wirken konnte. "Die westdeutsche Währung ist kein Ersatz für die Leistungen der Marktwirtschaft, und die Abwanderungsbewegung wurde nicht durch die Einführung der D M West, sondern durch die Gewährung außerordentlicher Sozialleistungen gebremst.

Die überstürzte Währungsunion erwies sich in den neuen Ländern eher als nachteilig, weil sie deren Außenhandel zusammenbrechen ließ und dadurch schon bei Beginn der Anpassung zusätzliche Arbeitslosigkeit hervorrief." (S. 283) Außerdem habe man volks­

eigene Betriebe und Unternehmen verwechselt. "So sind die Betriebe bei der Währungs­

union nicht in die Lage versetzt worden, Entwicklungsinvestitionen vorzunehmen, um den Wettbewerbsvorsprung der Unternehmen in den alten Ländern aufzuholen. Statt durch Streichungen der Altschulden die Umwandlung von Betrieben zu Unternehmen zu ermöglichen (was ohne weiteres möglich gewesen wäre, zumal es sich um Zwangskredite des alten DDR-Staates handelte), hat man diese Schulden lediglich halbiert ... Das Miß­

verständnis hat endlich dazu geführt, daß man die Wirtschaft der neuen Länder möglichst auf einmal ins Privateigentum überführen wollte, was praktisch auf eine Art von Ausver­

kauf hinauslief, der die Preise radikal drücken mußte. Es wäre weitaus sinnvoller gewe­

sen, einen Teil der Unternehmen zunächst in staatseigene Konzerne zu überführen und andere Betriebe nicht zu verkaufen, sondern zu verpachten." (S. 283, 284)

Insgesamt klagt ARNDT, daß man die Hinweise und Forderungen des

"Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" mißachtet hat, auch im Hinblick auf die Herstellung klarer Rechtsverhältnisse in der Eigentumsfrage.

Die menschliche Komponente wurde unberücksichtigt gelassen. "Man hat nicht gesehen, daß nach vierzigjähriger Staatswirtschaft weder private Haushalte vorhanden sind, die ihre marktwirtschaftlichen Funktionen beherrschen, noch mit Firmen gerechnet werden kann, die ihre unternehmerischen Aufgaben wahrnehmen." (S. 287)

ABELSHAUSER (1993) verweist darauf, daß der Währungsschnitt von 1948 im Gegen­

satz zur deutschen Währungsunion von 1990 93,5 % der gesamten Geldmenge vernichtet hat und damit eher zu einer Unter- denn zu einer Überbewertung der Substanz der deut­

schen Nachkriegsindustrie beigetragen hat. Die Substanz des Bruttoanlagevermögens der deutschen Industrie habe qualitativ nach technischem Standard als auch nach Altersauf­

bau 1945 den höchsten Stand seit dem ersten Weltkrieg erreicht und quantitativ war 1945 die Substanz im Vergleich zum Jahre 1936 um 20 % gewachsen. Er plädiert dafür, die Prognose von ADENAUER (1955): "Die Arbeit nach der Wiedervereinigung kommt ... einer neuen Kolonisation gleich. Dadurch wird die wirtschaftliche Stärke der Bundes­

republik auf Jahre hinaus absolviert. So überraschend es klingen mag, so richtig ist doch der Satz, daß durch die Wiedervereinigung das deutsche Potential nicht erhöht, sondern vermindert wird." und den Rat von ABS (1973) ernst zu nehmen: "Gezielte Planung und sinnvoller Einsatz der Mittel muß auch weiterhin Grundlage bleiben".

ERHARD (1957) sieht das Kartellgesetz als wirtschaftliches Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft an (S. 9), ferner sind Währungsstabilität und Ausgabenstopp Grund­

prinzipien.

Der Autor liefert ein Bild der Transformation, das sowohl das Moment des plötzlichen Aktes des "big bang" (vor allem Währungsschnitt, Abschaffung vieler - nicht aller -Be­

wirtschaftungsvorschriften), als auch das Moment schrittweiser Maßnahmen über lange Jahre umfaßt. Nachstehende Angaben des Autors, die implizit auch Unterschiede zur Transformation in Ostdeutschland markieren, mögen das illustrieren.

Mit RÖPKE bezeichnet ERHARD den Ausgangszustand der Transformation als Chaos.

Die verfügbaren Kapazitäten waren 1947 auf etwa 60 % von 1936 abgesunken (S. 19).

Mit der Währungsreform begann ein plötzlicher Wiederaufstieg. Danach kam es jedoch zu einer starken Ausweitung der Geldmenge (S. 27), zu drastischer Preissteigerung und damit zu beträchtlichen Unternehmergewinnen, die wiederum den Investitionen zugute kamen. Es wurde ein Gesetz gegen Preistreiberei erlassen und ein Preisspiegel veröffent­

licht, der anzeigte, "... welcher Preis für einzelne Artikel bei ordnungsgemäßer Kalkula­

tion als angemessen gelten kann."(S. 35) Danach sanken die Preise. Im April 1950 wurden Steuersenkungen beschlossen. Die Lohnpolitik folgte zunächst nicht den

Preis-Steigerungen; bis November 1948 existierte sogar ein staatlicher Lohnstopp. 1949 gab es Reallohnsteigerungen um 20,5 %. Die bezahlten Wochenstunden sanken von 49 im Jahre 1950 auf 46,3 im Jahre 1959 (S. 30). Der Kohlebergbau blieb außerhalb des marktwirt­

schaftlichen Bereichs. (S. 40).

Im Gegensatz zur Währungsreform war die Einführung der Konvertibilität - ebenso wie die Liberalisierung des Außenhandels - keineswegs ein schlagartiger Akt: Über lange Jahre gab es eine Fülle von Maßnahmen, um die D M immer mehr der De-facto-Konver-tibilität anzunähern (S. 338). Im September 1949 wurde die D M um 20 % abgewertet und von Oktober 1949 bis Dezember 1950 verdreifachten sich die Exporte. Die Liberali­

sierung des Außenhandels umfaßte 1952 etwa 57 % der privaten Importe (S. 336). Erste individuelle Zollsenkungen für 700 Positionen gab es 1955 und die Liberalisierung des Außenhandels wurde mit der Einführung eines Höchstzollsatzes von 21 % schrittweise erweitert (S.341), wobei 1956 die privaten Importe aus dem OEEC-Raum zu fast 100 %, aus dem Dollar-Raum mengenmäßig zu fast 93 % liberalisiert waren (S.336, 337)

ERHARD (1957) schreibt: "Die Wirtschaft hat nicht ein Eigenleben im Sinne eines seelenlosen Automatismus ..." (S. 247)

"Ich bin nicht willens, die orthodoxen Spielregeln einer Marktwirtschaft, nach denen nur Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, und der Wirtschaftspolitiker sich darum jeder Einmischung auf die Preise zu enthalten habe, vorbehaltlos und in jeder Phase der

Entwicklung zu akzeptieren ...

Eine derart lässige Haltung wäre heute um so weniger zu rechtfertigen, als mangels eines wirklich freien Weltmarktes und frei konvertierbarer Währungen die Funktion eines internationalen Preisniveaus nicht voll spielt und das heilsame Regulativ eines weltweiten Wettbewerbs nicht zum Tragen kommt." (S. 253)

Da sich die Argumentation für die Währungsunion 1990 auf Glaubenssätze stützte, die aus der Währungsreform 1948 abgeleitet wurden, benennt NOE(1991) vier realwirt­

schaftlich entscheidende Unterschiede:

1. Die 1948 eingeführte neue D-Mark war nicht frei konvertierbar. Die Deutschen konnten damit keine Waren im Ausland kaufen und blieben auf die eigene Produktion angewiesen. Erst ab 1956 wurde die D-Mark voll konvertierbar, nachdem wachsende Einkommen und Beschäftigung im Inland entstanden waren.

2. Gemessen an der deutschen Produktivität war die D-Mark damals gegenüber der Leitwährung unterbewertet. Damit hatten die deutschen Produzenten auf dem Welt­

markt einen Wettbewerbsvorteil, Das Gegenteil war für die ostdeutschen

Produzen-ten der Fall. Sie konnProduzen-ten ihre Auslandsmärkte weder halProduzen-ten, noch erobern und verlo­

ren zugleich den Binnenmarkt.

3. 1948 waren die westdeutschen Unternehmen marktwirtschaftliche Unternehmen des Privatrechts. Die Kombinatsbetriebe der DDR waren hingegen nicht für die Markt­

wirtschaft konstruiert.

4. 1948 hatten die Deutschen kaum Möglichkeiten abzuwandern. Deutschlands Grenzen waren geschlossen.

LÖSCH (1990) nennt folgende Erfolgsbedingungen der Transformation:

1. Wettbewerbsstrukturen, d.h. autonome, harten Budgetrestriktionen unterworfene, konkurrierende Unternehmen, Gewerbefreiheit, stabiles Geld, freie Preisbildung und freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr mit dem Ausland bei konvertibler Währung.

2. Akzeptanz in großen Teilen der Bevölkerung.

3. "Die schlagartige Einführung der Marktwirtschaft ... muß durch die Schaffung ... der gesetzlichen und institutionellen (Re)konstruktion gründlich vorbereitet werden." (S.

81)

4. Liberalisierung von Preisen, Löhnen und Außenwirtschaft in einem Schritt. Ausnah­

mebereiche, Teilprotektion und gewisse Konvertibilitätsbeschränkungen können als Ausnahmen von der Regel zunächst noch beibehalten werden.

"In der Anpassungsphase muß die Wirtschaftspolitik allzu eklatante Verfehlungen der Ziele des magischen Vierecks wirksam unterbinden." (S. 81)

ALB ACH (1990) beschreibt die Transformation durch Revolution in Deutschland in den Jahren 1948 und 1949 durch Anfangsbedingungen, Zielzustand und Steuerungsgrößen.

Als Anfangsbedingungen nennt er: Währungsreform, unabhängige Notenbank, Zerschla­

gung der Institutionen des Nationalsozialismus, weitgehende Freigabe der Preise, Aufhe­

ben des Lohnstopps. "Die Freigabe des Preises für Geld, also die Konvertibilität der D M ließ freilich noch zehn Jahre auf sich warten." (S. 31) Als Zielzustand nennt er: demokra­

tisches Gemeinwesen mit liberalen Grundrechten, Privateigentum, eine auf Privatinitiati­

ve, Privateigentum und marktwirtschaftlicher Koordination beruhende Wirtschaftsord­

nung.

"Als Steuerungsgrößen wurden eingesetzt; Die Geldpolitik der Bundesbank, die Tarif­

autonomie der Tarifpartner, die Wettbewerbspolitik des Staates." (S. 32)

SCHLECHT (1991b, S. 13, 14) hält fest: "Beim gern angestellten Vergleich mit 1948/49 wurde übersehen, daß damals

- die außenwirtschaftliche Absicherung und die Unterbewertung der D M noch einige Jahre vor dem internationalen Wettbewerb schützte,

- andere europäische Volkswirtschaften auch noch nicht besonders wettbewerbsstark waren,

- die Privatrechtsordnung, das Privateigentum, die Verwaltung und das Rechtswesen weitgehend intakt waren,

- die Löhne einige Zeit hinter der Produktivitätssteigerung zurückblieben".

WATRTN (1989) vergleicht die Wirtschaftssystemreformen in Deutschland 1989 und 1948 noch unter der Voraussetzung der existierenden DDR. Er geht davon aus, daß in beiden Fällen das System zentraler Wirtschaftssteuerung versagt hat. Als wichtigsten Unterschied zur westdeutschen Wirtschaft von 1948 sieht er, daß diese "...ein Lehr­

beispiel für eine geschlossene Volkswirtschaft war. Devisenbewirtschaftung, Handelsbe­

schränkungen und unüberwindliche Wanderungsbarrieren trennten die westlichen Zonen von den übrigen europäischen Ländern" (S. 78). Im Unterschied dazu ist die DDR offen zum europäischen Markt und auf dem Arbeitsmarkt gibt es Auswanderungsmöglich­

keiten. Beseitigung des Geldüberhanges und Freigabe der Preise seien jedoch ebenso un­

verzichtbar wie 1948. Als Substitute zu einer Währungsreform, die er für unrealistisch hält, faßt er ins Auge: Einfrieren von Geldbeständen, Preiserhöhungen oder Veräußerung von Unternehmen an die Bevölkerung bei gleichzeitiger Stillegung der Gelderlöse.

Unter Verweis auf 1948 empfiehlt er eine Schocktherapie, weil "... Gradualismus der Gefahr des Scheiterns am Widerstand der Interessengruppen ausgesetzt ist" (S. 79). Er behauptet, daß der Krieg damals die traditionellen Herrschaftsgruppen dezimiert hat, daß sich aber in der DDR die alten Gruppierungen wieder fangen und schon aus Eigeninter­

esse einer Neuordnung der Wirtschaft Widerstand entgegensetzen werden.

Als Hauptproblem der Transformation sieht er die Produktionsumstellung an. Während diese 1948 über die Selbstfinanzierung bei entsprechender Besteuerung von Gewinnen gelöst werden konnte, sieht er für die DDR die Gefahr, daß dann gerade die mobilen und fähigen Kräfte abwandern werden.

In zwei weiteren wichtigen Punkten war die westdeutsche Situation 1948 günstiger: die Eigentumsrechte waren formal nicht aufgehoben sowie Unternehmer und marktwirt­

schaftliches Know-how waren noch vorhanden.

SCHMIEDING (1990b, 1991a, 1991b) vergleicht ebenfalls Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Übergang zur Marktwirtschaft in Westdeutschland 1948 und in Mittel- und Osteuropa heute. Die westdeutsche Ausgangssituation wird wie folgt charak­

terisiert: kein echtes Geld, Lohn- und Preisstopp, Rationierung von Konsumgütern und Nahrungsmitteln, administrative Zuteilung von Rohstoffen, Zwischen- und Fertigproduk­

ten und vielfach auch von Arbeitskräften, weitgehender Zusammenbruch der alten deut­

schen Verwaltung auf überregionaler Ebene, Gebietsänderungen, die eine einfache Fort­

setzung der bisherigen internen Arbeitsteilung unmöglich machten, geringer Anreiz, zu den fixierten Preisen knappe Engpaßgüter herzustellen, zurückgestaute Inflation, direkte alliierte Außenhandelsrestriktionen, geringes Interesse der Produzenten, über die admi­

nistrativ festgesetzten Exportauflagen hinauszugehen, chaotische Vielfalt von pro­

duktspezifischen Wechselkursen.

Im Außenhandel wurde "... die Lockerung und schließliche Abschaffung des alliierten Außenhandelsmonopols sowie die schrittweise Aufhebung von Einführquoten ab Mitte Dezember 1949" (SCHMIEDING 1991a, S. 4) erreicht. Eine weitreichende de-facto-Konvertibilität war jedoch erst nach einer Halbierung der Auslandsschulden ab 1953 zu verzeichnen. Während der fünfziger Jahre ging man vom bilateralen Außenhandel schrittweise zu einem multilateralen Handelssystem über und erst Ende 1958 wurde die D-Mark voll konvertibel.

Neben der Außenwirtschaft wurde auch der Kapitalmarkt von der schlagartigen Libera­

lisierung ausgeschlossen. Er blieb weiterhin reguliert und die Zinsen wurden nicht frei­

gegeben. Das trug dazu bei, daß die Unternehmen ihre Investitionen größtenteils aus eigenen Gewinnen finanzieren mußten (SCHMIEDING 1990b, S. 155).

Gegenüber der heutigen Transformation sieht SCHMIEDING (1990b, S. 156-159, 1991a, S. 21-22) wesentliche Unterschiede. 1948 gab es in Westdeutschland:

- einen hochmodernen Kapitalstock,

- keinen Mangel an Sach- oder Humankapital, sondern eine absurde Unterauslastung der vorhandenen Kapazitäten,

- Unternehmen im Privatbesitz und Unternehmer,

- geringe Unsicherheit über die zukünftigen Eigentumsrechte,

- die wesentlichen Institutionen einer ausdifferenzierten Marktwirtschaft,

- eine nur zwölfjährige Dauer fixierter Preise,

- eine nur teilweise Anpassung der Produktionsstruktur an planwirtschaftliche Autar­

kietendenzen,

- eine ungleichgewichtige Verteilung von Arbeitskräften, keine irreversible Fehlleitung von Sachkapital.

Für die heutige Transformation werden daraus folgende Lehren gezogen:

1. Der monetäre Rahmen sollte eng gehalten werden.

2. Die Liberalisierung sollte umfassender sein, da sich viele der 1948 aus vorwiegend sozialen Gründen nicht liberalisierten Sektoren in den folgenden Jahrzehnten zu be­

sonderen Problemfällen entwickelt haben (z. B. Landwirtschaft, Bergbau, Verkehrs­

wesen und Wohnungsmarkt) und es heute in Westdeutschland schwierig sei, eine weitreichende Liberalisierung dieser Bereiche politisch durchzusetzen.

3. Über Währungsreform und Anpassungsinflation hinaus kann der Geldüberhang heute auch durch Privatisierung von Staatseigentum abgebaut werden.

4. Der Aufbau des Kapitalmarktes soll nicht verzögert werden.

5. Um die örtlichen Staatsmonopole dem Druck der Auslandskonkurrenz auszusetzen, sollte auch die Außenwirtschaft liberalisiert werden: Übergang zur Währungskonver-tibilität für laufende Zahlungen, Abschaffung des Außenwirtschaftsmonopols sowie von Quoten und Prohibitivzöllen.

6. Stärkere Senkung der direkten Steuern als in Westdeutschland in 1948. Sonst wird der notwendige Zufluß von Kapital gebremst und die Tendenz zu Auswanderung mobiler Fachkräfte verstärkt.

7. Hohes Maß an sektoraler Lohndifferenzierung.

8. Ausbau der Infrastruktur auf privater Basis durch westliche Unternehmen.

SCHMIEDING (1991a, S. 1) nimmt jedoch auch einen deutlichen Unterschied der beiden deutschen Währungsreformen im Ergebnis wahr: "Während damals im Westen die Industrieproduktion binnen eines halben Jahres um mehr als 50 Prozent anstieg, ist sie in Ostdeutschland trotz massiver Subventionen zunächst einmal um etwa 50 Prozent ge­

sunken". Ähnlich ist der Kontrast auf dem Arbeitsmarkt. Während nach 1948 die Zahl der Beschäftigten nahezu konstant blieb und ab 1950 deutlich anstieg (Graphik, S. 16),

fiel sie in Ostdeutschland binnen eines Jahres bis zum Dezember 1990 um 2,5 Millionen Beschäftigte (S. 15).

Folgenden Unterschied nimmt der Autor jedoch nicht als Erklärung für diesen Kontrast:

"Anders als in Westdeutschland 1948 bedeutete der Systemwechsel 1990 gleichzeitig die volle Integration in den Weltkapitalmarkt und eine umfassende Liberalisierung des Außenhandels ..." (SCHMIEDING 1991a, S. 12). Auch die oben angeführten Unter­

schiede der Ausgangssituationen in beiden deutschen Staaten erklären den Rückgang der Produktion nach SCHMIEDING nicht. Vielmehr wird der Grund darin gesehen, daß - Ostdeutschland mit dem zu wenig liberalen Regulierungsstandard Westdeutschlands

überfordert ist, und

- die Wettbewerbsfähigkeit der DDR-Betriebe von den Konditionen der Währungs­

umstellung entscheidend beeinträchtigt wurde (I.e., S. 25).

Ein Kurs von 2:1 für laufende Zahlungen wäre besser gewesen. Vor allem aber diagno­

stiziert SCHMIEDING für 1990 eine Vervierfachung der ostdeutschen Löhne, was in keiner Beziehung zur Wertproduktivität steht. Hingegen wurden in Westdeutschland die Löhne erst fünf Monate nach dem Übergang zur Marktwirtschaft freigegeben und auch in Polen gibt es heute eine rigorose Lohnkontrolle in der Staatswirtschaft. Darauf sei der geringere Rückgang von Industrieproduktion und Beschäftigung in Polen zurückzufüh­

ren. "Ökonomisch wäre es sinnvoll gewesen, das Ziel des Aufholens der ostdeutschen Wirtschaft gegenüber dem Westen mit einem Prozeß der 'schöpferischen Zerstörung' zu erreichen, bei dem das Alte entweder selbst modernisiert oder aber vom bereits aufstre­

benden Neuen verdrängt wird." (I.e., S. 28)

Als wichtigste Unterschiede zu 1948 - und zu Polen - werden ferner die Einkommens­

hoffnungen und die Mobilität der Menschen in Ostdeutschland ausgemacht. Dennoch betrachtet SCHMIEDING das Dilemma zwischen dem Erfordernis produktivitätsgerech­

ter Lohnkosten und einer drohenden Massenauswanderung als nicht stichhaltig:

- Das große Arbeitsplatzrisiko in Ostdeutschland stelle möglicherweise einen größeren Wanderungsanreiz dar. Die Zahl der Übersiedler hat sich nach der Währungsunion deutlich erhöht.

- "Für Arbeitskräfte, deren Qualifikationen auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt be­

sonders gefragt sind, hätte der Effektivlohn ... schnell weit über den Ausgangswert steigen können." (I.e., S. 30)

Neben Lohnzurückhaltung und/oder Subventionen zählt der Autor zu den heutigen Lösungsstrategien: Entschädigung anstelle von Rückgabe sowie Deregulierung oder zumindest Sonderregelungen für die neuen Bundesländer.

ALT VATER (1991a, b) verzeichnet folgende Unterschiede zwischen der Währungs­

reform 1948 und der Währungsunion 1990:

1. 1948 leitete die D-Mark eine Staatsgründung ein, während sie 1990 den Exitus eines souveränen Staates besiegelt.

2. Die Währung von 1948 war nur begrenzt konvertibel und wurde ein Jahr nach der Währungsreform abgewertet, während die neue Währung in Ostdeutschland nicht mehr über den Wechselkurs für die Anpassung der ostdeutschen Wirtschaft genutzt werden kann.

3. Öffnung zum Weltmarkt, keine (real)ökonomische Angleichung.

4. Während 1948 die Geldvermögensbesitzer gegenüber den Sachvermögensbesitzern benachteiligt wurden, geschah 1990 exakt das Gegenteil. Die Unternehmen wurden durch die Währungsreform von 1948 entschuldet, was eine Voraussetzung für die be­

schleunigte Kapitalbildung war. Es gab eine Gewinninflation durch Preisfreigabe für Konsumgüter, während der Lohnstopp erst einige Monate später aufgehoben wurde.

Die Stimulierung der Gewinne und deren Lenkung in die Kapitalbildung war auch im folgenden Jahrzehnt Leitlinie der Wirtschafts- und Steuerpolitik.

5. Die Währungsunion von 1990 blockiert die reale Akkumulation in den neuen Bundesländern.

Weiterhin wird auf einen institutionellen Unterschied aufmerksam gemacht: Die institu­

tionelle Transformation der frühen Bundesrepublik war eine Forniveränderung auf der Grundlage einer bestimmten gesellschaftlichen Reproduktions- und Hegemonialstruktur.

Es kam darauf an, möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen und Bewegungen zu inte­

grieren, nicht nur einen Teil um den Preis der Exklusion des anderen Teils. Hingegen wurden in der DDR die gesellschaftlichen Institutionen aufgelöst und die ehemals Herr­

schenden völlig entmachtet (S. 702). Daher muß hier nicht von Transformation sondern von Transition gesprochen werden, der Übergang in das Hegemonialsystem eines bis dato anderen Staates im Konsens mit der überwältigenden Mehrheit des Volkes. Der Autor verweist darauf, daß Institutionen und individueller Habitus der Menschen Gren­

zen für eine Beschleunigung des Akkumulationsprozesses bilden, die bloße Freisetzung von Marktkräften ohne institutionelle Einbettung jedoch unzureichend ist.

Nach ALTVATER (1991b) überdeckt der liberale ordnungstheoretische Diskurs damals wie heute massive staatliche Interventionen in der Wirtschaftspraxis. Er verweist auf die Beschreibung weitreichender Interventionen in den ökonomischen Prozeß unmittelbar nach der Währungsreform durch ABELSHAUSER (1983). Die letztere Quelle liefert im übrigen eine genauere Beschreibung der tatsächlichen Vorgänge in der Wirtschafts­

geschichte der Bundesrepublik als die Untersuchungen der in diesem Literaturbericht an­

geführten Autoren beim Vergleich von 1948 und 1990.

Ansonsten sind die beiden Texte ALTVATERs hinsichtlich des Vergleiches von 1948 und 1990 weitgehend identisch. Wortwörtliche Identität mit ALT VATER gibt es auch im Text von GRAF und STEINHÖFEL (1991). Dieser Text wurde bis Juni 1991 erarbei­

tet, während der Text von ALTVATER in Nummer 6 von 1991 erschienen ist. Anson­

sten gibt es keine wechselseitigen Zitate der Autoren.

WILLGERODT (1991) bemerkt, daß eine Währungsreform allein keine Transformation bedeutet, denn auch in Ostdeutschland wurde 1948 eine ähnlich einschneidende Wäh­

rungsreform ohne marktwirtschaftliche Neuordnung durchgeführt. Hinzu kommen muß nach allgemeiner Auffassung vor allem die Liberalisierung der Preise. GRIMM (1988)

rungsreform ohne marktwirtschaftliche Neuordnung durchgeführt. Hinzu kommen muß nach allgemeiner Auffassung vor allem die Liberalisierung der Preise. GRIMM (1988)

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