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Allerdings kann der Einsatz von E-Fahrzeugen hinsichtlich der gesamten Ener­ giebilanz und der verkehrlichen Wirkung auch kritisch gesehen werden

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Academic year: 2022

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FS II 95-104

Das Ceteris paribus-Syndrom in der Mobilitätspolitik Tatsächliche Nutzungsprofile von

elektrischen Straßenfahrzeugen Andreas Knie und Otto Berthold*

Technische Universität Berlin

Institut für Straßen- und Schienenverkehr - Abgasmeßzentrum -

Franklinstraße 5-7, 10587 Berlin

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, 10785 Berlin

Telefon (030) 254 91-0, Fax (030) 254 91-a684

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Die politische Forderung nach "Null-Emissions-Autos" hat mit der Verabschiedung des "Low-Emission-Vehicle and Clean Fuel Regulations" des US-amerikanischen Bundesstaates Kalifornien neue Unterstützungg bekommen. In europäischen Bal­

lungszentren steht die Forderung nach einer drastischen Absenkung der Schadstoff­

gehalte ebenfalls auf der Tagesordnung. Weitgehende Einschränkungen für Emis­

sionsfahrzeuge und Nutzervorteile für elektrisch betriebene Fahrzeuge werden erwo­

gen. Allerdings kann der Einsatz von E-Fahrzeugen hinsichtlich der gesamten Ener­

giebilanz und der verkehrlichen Wirkung auch kritisch gesehen werden. Die Argu­

mentation von Befürwortern wie Gegnern dieser alternativen Antriebstechnik beruhen jedoch bislang lediglich auf Hochrechnungen und der Extrapolierung empirisch kaum haltbarer Annahmen. Im vorliegenden Papier wird hingegen über Daten zum tatsätz- lichen Nutzungsverhalten von E-Fahrzeugbesitzern berichtet und die These vertre­

ten, daß diese alternative Fahrzeugstechnik durchaus ein interessantes Element für eine neue Mobilitätspolitik darstellen kann.

Summary

Calls for a drastic reduction of toxic emissions are high on the agenda in European metropolitan centres, and demands for the development of a viable zero-emissions automobile have found new support in the adoption of the Low Emissions Vehicle and Clean Fuel Regulation by the State of California in the USA. In light of the increasingly dramatic problems of air and noise pollution in inner cities in particular, European policy-makers are seriously considering substantial limitations on conven­

tional fuel-burning vehicles on the one hand, and measures to promote the acquistion and use of non-poluting electric cars, on the other. It is nevertheless foreseeable that a widespread introduction of electric vehicles would not be without its own limitations.

Because most electric cars tend to be second or third cars, their acquisition on a large scale would have serious implications for traffic patterns and congestion.

Further, although electric cars in the inner city could significantly reduce pollution, it should be taken into account that in many countries the supply of electricity is itself gained by burning fossil fuels; therefore, the introduction of electric cars carries impli­

cations for overall energy policy and pollution levels as well. At the same time, avail­

able data suggests that electric cars may well represent an important factor in the development of a viable, low-pollution transportation and mobility policy.

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1. Einleitung: Die zunehmenden politischen Grenzen für konventionelle Fahrzeuge

Für die Zukunft des Automobils als wesentlichem Bestandteil des motorisierten Individualverkehrs sieht es in den hoch entwickelten Industrienationen zur Zeit nicht sonderlich rosig aus. Wachstumszahlen, wie sie noch aus den vergangenen Jahrzehnten von Nordamerika, Japan und Europa bekannt sind - allein im Bereich der EU wuchs der Fahrzeugbestand zwischen 1980 und 1990 um 30% -, scheinen in den nächsten Jahren kaum noch realisierbar zu sein. Vor allem aus den Bal­

lungszentren der Industrienationen sind in den letzten Jahren vermehrt Klagen über Folgeprobleme des bedrohlich gestiegenen Automobilbestandes laut gewor­

den. Neben dem enormen Flächenverbrauch dieses Verkehrsmittels stehen vor allen Dingen die Emissionen an Schadstoffen und der Lärm im Mittelpunkt der Kri­

tik. In diesem Zeitraum sind deshalb auch eine Reihe von staatlichen Regulie­

rungsansätzen entstanden, die mit Einschränkungen im Gebrauch der Fahrzeuge, aber auch mit erheblichem Druck auf die Entwicklung der Antriebs- und Fahr­

zeugtechnik verbunden sind. Die Maßstäbe staatlicher Politik setzt in dieser Hin­

sicht schon seit Jahrzehnten der US-amerikanische Bundesstaat Kalifornien. Im Rahmen der 1990 verabschiedeten "Low-Emission- Vehicle and Clean Fuel Regu­

lations" findet sich neben einer Reihe von neuen Vorschriften auch eine verbind­

liche Quote zur Einführung von "Zero-Emission-Vehicles", also "Null-Emissions- Autos". Für die großen Hersteller bedeutet dies, daß ab 1998 von in Kalifornien verkauften Fahrzeugen unter bestimmten Umständen zwei Prozent Elektrofahr­

zeuge sein müssen, denn nur diese Antriebsart verspricht am Einsatzort den emis­

sionslosen Betrieb. Mittlerweile haben einige Nordost-Staaten der USA, allen vor­

an New York und Massachusetts Initiativen zur Übernahme der strengen kaliforni­

schen Regelungen, inklusive der Null-Emissions-Regelung gestartet und im Dezember 1994 von der zuständigen Environmental Protection Agency (EPA) auch grünes Licht erhalten (Automotive News, 12.12.1994, S.6). Nach Lage der Dinge kann damit zur Jahrtausendwende für etwa 35% des US-amerikanischen Automobilmarktes der Einsatz von Elektrofahrzeugen verbindlich vorgeschrieben werden (vgl. Automotive News, 12.12.1994, S.6; Brown u.a. 1994, S.3ff.)

Selbst in Deutschland fallen die zur Zeit erörterten Regelwerke für die Nutzung der mit konventioneller Technik ausgestatteten Automobile immer restriktiver aus. Im Rahmen der noch nicht vollzogenen 23. Verordnung des Bundesimmissions­

schutzgesetzes (BImSchG) werden Konzentrationswerte für die Schadstoffe Ben­

zol, Ruß und Stickoxide festgelegt, bei deren Überschreitung Städte und Kommu­

nen in die Lage versetzt werden, zum Zwecke der Schadensabwehr erhebliche Einschnitte in die Straßenverkehrsordnung vornehmen zu können, die bis zur

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Anordnung von Fahrverboten gehen. In der ebenfalls zwischen den Umweltmini­

stern der Länder und des Bundes zur Zeit diskutierten Sommersmog-Verordnung drohen bei entsprechenden Ozon-Werten Fahrverbote für etwa 26 Millionen Kraft­

fahrzeuge, nämlich für die Fahrzeuge, die ohne geregelten Katalysator ausgestat­

tet sind und die keine Zulassung als schadstoffarmer "Diesel" haben (vgl. Canzler/

Knie 1994, S.78ff.).

2. Die Zwänge der Autogesellschaft

Obwohl die gefährliche Wirkung des massenhaften Automobilverkehrs für Mensch und Umwelt als hinreichend bekannt gelten kann, lassen sich die über viele Jahre gültigen Grundfesten automobiler Gesellschaften offenbar nicht kurzfristig verän­

dern. Seit vielen Jahrzehnten herrscht in den industrialisierten Staaten ein weitge­

hender Konsens einer automobilfixierten Verkehrs-, Raum- und Siedlungsplanung.

Schon in der 1929 verabschiedeten "Charta von Athen" finden sich die program­

matischen Grundlagen der Stadtplanung der 50er, 60er und 70er Jahre. Die funk­

tionale Trennung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit, die damals die Elemente einer modernen Stadtlandschaft zur Realisierung von mehr Lebensqualität dar­

stellten, bedingen den Einsatz von "mechanischen Verkehrsmitteln", die stadtpia- nerisch umgesetzt und in ihrer Funktion optimiert, die Städte aber oftmals nur zu Beschleunigungseinrichtungen deformierten (Knoflacher 1993, S.8ff.).

Diese objektive Begründung der Nutzung von Kraftfahrzeugen wird allerdings noch durch "subjektive Zwänge" ergänzt. Das Automobil entwickelte sich zu einem all­

gemeinen Symbol wirtschaftlicher Prosperität sowie zu einem Instrument der Selbstinszenierung und bietet auch heute noch Gelegenheit, gesellschaftliche Sta­

tuszugehörigkeiten darzustellen. Oft verwendete Aussprüche wie "wo stehst Du?"

oder "wo hast Du geparkt?" deuten darüber hinaus noch auf eine weitgehend tiefe­

re Verbindung von Mensch und Automobil. Ganz offenkundig lassen sich mit der Nutzung von Automobilen auch Wünsche nach Privatheit, nach Schutz und Gebor­

genheit in öffentlichen Räumen befriedigen. Der tägliche Stau auf dem Weg zur Arbeit verliert seinen Schrecken, wenn man wenigstens in dieser Zeit "für sich sein" kann. Verkehr ist daher nicht nur die Summe von Streckenbewältigungen und Transportleistungen, sondern Aufenthalt im öffentlichen Raum (Sloterdijk 1992, S.28ff.). Zur Sichtbarmachung dieser komplexeren Motive bei der Wahl der Verkehrsmittel scheint der Begriff "Mobilität" daher angemessener zu sein als

"Verkehr".

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Moderne Mobilitätspolitik kann zur Absenkung oder gar Beseitigung der gesund­

heitsgefährdenden Folgen des Automobils zwar den Verzicht auf das Automobil predigen, der "Rückbau" der Autogesellschaft wird sich aber aufgrund der viel­

schichtigen Motive zur Nutzung des Automobils sicherlich nur langsam und nicht ohne entsprechende "Ersatzlösungen" bewerkstelligen lassen, wenn Politikansät­

ze nicht von vornherein an mangelnder Akzeptanz scheitern sollen. Die zur Zeit entwickelten Konzepte in der Verkehrs- und Städteplanung zielen zwar auf eine Re-Integration von "Arbeiten" und "Wohnen" in Richtung einer Stadt der kurzen Wege, um durch eine begleitende Aufwertung des öffentlichen Personennahver­

kehrs den Zwang zum Auto abzubauen. Diese Ansätze sind jedoch in der konkre­

ten politischen Praxis bislang bekannterweise noch nicht so weit gediehen, als daß ein sofortiger Verzicht zur Nutzung des Automobils für die Mehrheit der bisherigen Fahrzeughalter praktikabel erscheint (vgl. Oelmann 1995).

Bei weiter ansteigenden Belastungen des Fahrzeugverkehrs wird deshalb der Druck auf die Automobilindustrie entsprechend wachsen, Fahrzeugkonzepte zu realisieren, die mit extrem Schadstoff reduzierten oder gar schadstofffreien Antriebssystemen ausgerüstet werden. Solche sogenannten "Alternativen", zu denen Elektroantriebe, Gasturbinen, Dampfmaschinen oder Stirlingmotoren genauso zählen wie konventionelle Otto- oder Dieselmotoren, die mit alternativen Kraftstoffen wie Gas, Alkoholverbindungen oder Wasserstoff betrieben werden, sind ebenfalls schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Seit Ende der 60er Jahre verfügt nahezu jeder Automobilhersteller über eine Vielzahl von Konzeptstudien und Prototypen solcher Fahrzeuge, die insbesondere beim Schadstoffausstoß erhebliche Fortschritte versprechen, deren Serienfreigabe bis heute aber nicht erteilt wurde (Appel/Meißner 1994, S.83ff.).

3. Das Automobil-Leitbild

Auf die vielen Vorhaltungen kritischer Stimmen, die Autoindustrie blockiere daher mit einer konservativen Produktpolitik mögliche Fortschritte bei der Verbesserung der Umweltsituation (vgl. Vester 1990, S.6ff.), entgegnen die Industrievertreter mit dem Hinweis, daß die zur Zeit in den Lasten- und Pflichtenheften aller Hersteller genutzten Eckpunkte des Automobilkonzeptes durchaus den Interessen der Kun­

den entsprechen. Die gegenwärtig allein in Deutschland zugelassenen 40 Millio­

nen Personenkraftwagen scheinen in der Tat ein gewichtiger Indikator für diese Akzeptanz-These. Der Kunde, so wie es die Autoindustrie sieht, möchte in seinem Fahrzeug folgende Bedingungen erfüllt sehen:

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* hohe Endgeschwindigkeit: Spitzengeschwindigkeiten von über 160 km/h gelten als Maßstab;

* gute Beschleunigung: das Fahrzeug soll von 0 auf 100 km/h in höchstens 15 Sekunden beschleunigt werden können;

* angemessene Reichweite: hier gelten zur Zeit 500 km als Richtwert;

* schließlich über ein Platzangebot für mindestens vier Personen sowie Zulade­

möglichkeiten für Gepäck verfügen.

Dieses Automobilkonzept stellt eine Schnittmenge ganz unterschiedlicher Nut­

zungsschwerpunkte dar und läßt sich daher mit dem Begriff "Rennreiselimousine"

begrifflich fassen. Schon kurze Zeit nach der Jahrhundertwende stand für dieses Nutzungskonzept mit einer auf vier Rädern montierten Fahrgastzelle, angetrieben von einem Hubkolben-Verbrennungsmotor, auch ein entsprechendes technisches Gerät zur Verfügung. Für dieses Ensemble prägte sich der Begriff des Automobils fest ein und ist seit diesem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts auch genau für dieses Fahrzeugkonzept fest belegt. Änderungen an der technischen Konfigura­

tion, beispielsweise im Antriebsaggregat, sind unweigerlich mit dem Verlust des Begriffs Automobil verbunden (Canzler/Knie 1994, S.37ff.).

Wie stabil schließlich dieses "Automobil-Leitbild" im Denken und Handeln veran­

kert ist, offenbart sich gerade in der Diskussion um alternative Antriebe. Wenn man die Summe dieser Eigenschaften, die ein Automobil offenkundig äuszeichnen muß, nun als Meßlatte an die geforderten alternativen Antriebs- und Fahrzeugkon­

zepte legt, wird sehr schnell deutlich, daß keine der diskutierten Varianten alle Kri­

terien gleichermaßen erfüllt. Die Reichweite ist selbst beim Betrieb konventioneller Antriebssysteme mit Wasserstoff oder anderen alternativen Kraftstoffen zu gering, die Beschleunigungswerte für den Spurt von 0 auf 100 km/h fallen für die allermei­

sten Antriebssysteme schlechter aus und bei Stadtfahrzeugen fehlt es generell an entsprechenden Raumangeboten. Insbesondere die zur Zeit sehr stark diskutierte Alternative, die der elektrisch betriebenen Straßenfahrzeuge, kurz E-Fahrzeuge, wird immer wieder aus der Perspektive der Rennreiselimousine betrachtet und bewertet. Ein Beispiel: Kommt ein BMW 3er in seiner schwächsten Version (316i) mit 1,6 Liter Motor und 100 PS bei 460 kg Zuladung auf eine Spitze von 191 km/h, so das Handelsblatt in einem Vergleichstest zwischen einem konventionellen und einem elektrisch betriebenen Fahrzeug, um die 12,9 Sekunden für die Beschleuni­

gung von 0 auf Tempo 100 bei der Reichweite einer Tankfüllung von 800 km nicht zu vergessen, schneidet das E-Fahrzeug, der BMW E1, in der Tat schlecht ab.

Dieses Fahrzeug hat nur eine Leistung von 45 PS, kommt auch nur 250 km weit und braucht schon 18 Sekunden, um von 0 auf Tempo 80 zu kommen. Die

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Spitzengeschwindigkeit beträgt ohnehin nur 120 km/h! (Handelsblatt, 19.5.1993, S.15). Geräuschentwicklung, Abgaswerte und subjektives Fahrempfinden kommen als Vergleichskriterium allerdings nicht vor (vgl. auch Scheuerer u.a. 1992).

Beim Versuch herauszufinden, welche Bedeutung elektrische Fahrzeuge haben könnten, bzw. wie eine Verbreitung dieser alternativen Antriebstechnik erreicht wird, operieren auch die Fachleute offenkundig immer mit dem Leitbild der Renn­

reiselimousine im Kopf: "Soll die Akzeptanz des Elektrofahrzeugs sichergestellt werden", so argumentiert beispielsweise ein Schweizer Hochschullehrer, "ist der vom konventionellen Fahrzeug her bekannte und geschätzte Kundennutzen auch auf dieses zu übertragen" (Ris, 1993, S.36). Auch der Cheflobbyist der ausländi­

schen Fahrzeughersteller in den USA glaubt, daß die Kunden die E-Fahrzeuge deshalb verweigern werden, weil sie zu sehr von den Fahrwerten der konventio­

nellen Fahrzeuge verwöhnt sind (Hutchinson 1995). Der viele Jahre im Vorstand der Volkswagen AG für Forschung und Entwicklung zuständige Ernst Fiaia defi­

niert die Erfolgskriterien für E-Fahrzeuge in ähnlicher Weise: "Um ein Elektroauto erfolgreich auf den Markt zu bringen, muß es allen anderen Alternativen minde­

stens ebenbürtig sein. Im normalen Alltagsbetrieb ist der Antrieb mit Elektromotor und Batterie dem Verbrennungsmotor bis heute hoffnungslos unterlegen. Was das billigste Normalauto kann, nämlich 25 kW (40 PS) für 130 km/h Dauergeschwin­

digkeit und 500 km Reichweite, kann kein Elektroauto" (Fiaia 1994, S.147).

4. Annahmen und Präferenzen zum Einsatz von E-Fahrzeugen

Es fällt auf, daß diese Vergleiche offensichtlich mit einer gehörigen Portion von Annahmen arbeiten. Wie will man etwas über Kundenakzeptanz und Nutzungs­

wünsche einer Antriebsalternative sagen, wenn diese von den großen Herstellern gar nicht angeboten wird, folglich auch nicht gekauft und erprobt werden kann?

Natürlich wird zugestanden, daß "detaillierte Untersuchungen der jährlichen Gesamtfahrleistungen, der Nutzungshäufigkeit und des täglichen Einsatzprofils dieser Fahrzeuge (gemeint sind E-Fahrzeuge) leider nicht verfügbar (sind)" (Blü- mel 1992, S. 105). Dies hindert aber viele Autoren nicht daran, bei der Analyse von E-Fahrzeugen das gleiche Nutzungsprofil wie das für normale Fahrzeuge zu unter­

stellen, da sich nach Annahme der Industrie "die Fahrgewohnheiten in den bevor­

stehenden Jahren ganz sicher nicht wesentlich verändern werden" (Mikulic u.a.

1994, S.452; Schallaböck 1992, S.154).

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Die Vorteile von E-Fahrzeugen, gerade vor den oben beschriebenen Problemen in Ballungszentren, scheinen auf den ersten Blick aber durchaus bestechend: am Einsatzort nahezu abgasfrei und deutlich lärm reduziert, kann in industrialisierten Regionen nahezu überall "getankt" und die dafür gebrauchte Energie in sehr unter­

schiedlicher Art und Weise unter Verwendung verschiedener Primärenergien erzeugt werden. So spielten E-Fahrzeuge zum Beispiel um die Jahrhundertwende durchaus eine bedeutende Rolle. Im Staate New York betrug im Jahre 1903 der Anteil der E-Fahrzeuge bei den Neuzulassungen immerhin noch 20%, während 27% der angemeldeten Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor und 53% mit einem Dampfantrieb ausgerüstet waren (vgl. Wakefield 1994, S.211ff.). Noch 1914 entsprach der Anteil der elektrisch angetriebenen Lastwagen mit über 17.000 Ein­

heiten etwa 22% der Gesamtzulassungen. In Deutschland zählte man im gleichen Jahr knapp 550 E-Lkw, was in etwa einem Anteil von 6% der gesamten Lkw-Flotte entsprach. In Berlin betrieb die Deutsche Reichspost noch 1934 696 Fahrzeuge ihrer insgesamt 1000 Fahrzeuge starken Flotte elektrisch, was in etwa einem Anteil von fast 70% entsprach (Tumm 1995). Selbst 1938 waren in Deutschland noch 7000 elektrische Straßenfahrzeuge amtlich zugelassen, was einen Anteil von 2% des gesamten Fahrzeugbestandes ausmachte. Hinzu kamen sogar noch über 16.000 kleinere Elektrokarren, die sich vorwiegend im privatwirtschaftlichen Ein­

satz befanden (vgl. Knie 1994, S.29ff.; Allroggen/Jung 1992, S.560ff.).

Aber auch in Kenntnis der Vorteile kommen selbst autokritische Stimmen zur Überzeugung, daß gerade Elektrofahrzeuge keinen sinnvollen Beitrag zu einer modernen Mobilitätspolitik liefern können. Das Berliner Umweltbundesamt (UBA) glaubt, allerdings wissenschaftlich begründet, daß "der wesentliche Schwachpunkt des Elektrofahrzeuges im elektrochemischen Speicher zu finden (ist), der auch bei sehr optimistischen Annahmen zur zukünftigen Weiterentwicklung der Technik nicht das leisten wird, was der heutige Nutzer eines Pkw fordert". Darüber hinaus besitzt ein E-Fahrzeug "zu wenig Einsatzmöglichkeiten in weiteren Anwendungen und scheitert so häufig an mangelnder Akzeptanz durch die Nutzer. Gleichzeitig ist das Potential der innerstädtischen Immissionsminderung durch Elektro-Pkw auf­

grund der begrenzten Kilometerleistung gering". Das Ergebnis fällt nach Ansicht der Berliner Behörde - und damit steht diese nicht allein - eindeutig aus: "Förder­

strategien für das Elektroauto laufen somit Gefahr, Motorisierung und Verkehrslei­

stung zu erhöhen. Das Elektroauto als Zweit- und Drittfahrzeug steht wiederum in Konkurrenz zum öffentlichen Personennahverkehr und zum nichtmotorisierten Verkehr. Aufgrund des reduzierten, aber nach wie vor hohen Flächenverbrauchs bietet das Konzept keine Lösung der städtischen Verkehrsprobleme" (Kolke 1994, S.60ff.).

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Auch hier wird deutlich, wie selbst kritische Expertisen durch das Leitbild der Rennreiselimousine geprägt werden und ihre Annahmen und Prämissen hierzu kompatibel ausrichten. Die bereits realisierten Lösungen bestimmen somit als

"Macht des Faktischen" die Koordinaten möglicher Denkräume.

Bei der Beantwortung der Frage, ob diese Annahmen aber tatsächlich praxistaug­

lich sind, wirken die Prämissen der Hersteller und der wissenschaftlichen Bera­

tungseinrichtungen in der Tat etwas befremdlich, wenn zum Beispiel einmal die subjektiven Präferenzen solcher Systeme bei potentiellen Kunden abfragt werden.

Das sicherlich in keiner Weise Industrie-feindliche Fachblatt "auto, motor und sport" meldete, daß bei einer Befragung von 126.000 Lesern und Leserinnen im Jahre 1992 immerhin weit über 80% die Entwicklung von alternativen Antriebs­

systemen für wichtig halten. Immerhin wollten sogar 6% der Befragten ein Elektro­

fahrzeug erwerben, auch wenn dieses über 40.000 DM kosten würde (zit. nach Knie 1994, S.9ff.).

Von besonderem Interesse dürfte auch die Meinungsbildung in den USA, insbe­

sondere in Kalifornien sein, da hier die Vorbereitung zur Einführung von alternati­

ven, insbesondere elektrisch betriebenen Fahrzeugkonzepten am weitesten gedie­

hen ist. Im Oktober 1994 wurden im Auftrag des Fachmagazins "Automotive News" 400 Einwohner des Sonnenstaates nach ihrer Haltung gegenüber elektri­

schen Straßenfahrzeugen befragt. Immerhin 63% der Interviewten gaben an, über die Anschaffung eines solchen Fahrzeuges nachzudenken, lediglich für 14% kam dies nicht in Frage. Da für 90% die Luftqualität einen wichtigen persönlichen Fak­

tor darstellt, nimmt es nicht Wunder, daß auch 71% der Interviewten die strengen

"ZEV"-Regelungen des Bundesstaates akzeptieren und sogar 74% davon ausge­

hen, daß diese machbar sind (Automotive News, 5.12.1994, S.8iff.). Es lassen sich leicht weitere Untersuchungen über die Haltung von Autofahrern gegenüber E-Fahrzeugen zitieren, die immerhin ein äußerst hohes Interesse der jeweils Befragten an dieser Antriebstechnik ausweisen. Die Frage, was wäre, wenn es solche Fahrzeuge tatsächlich gäbe, scheint jedenfalls nicht mit einfachen Schlie­

ßungen von der gewohnten Automobiltechnik auf diese Alternative zu beantworten zu sein. So gibt es beispielsweise auch Untersuchungen über mögliche "objektive"

Präferenzen für E-Fahrzeuge. In der bekannten Untersuchung von Hautzinger u.a.

ist ein "Substitutionspotential" von konventionellen Fahrzeugen durch E-Fahrzeuge zu berechnen versucht worden. Dabei wird von einer täglich verfügbaren Reich­

weite der E-Fahrzeuge von einhundert Kilometern ausgegangen und geprüft, wie­

viel der tatsächlichen Fahrten sich durch solche Fahrzeuge bewerkstelligen

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lassen, ohne daß es zu Nutzungskonflikten kommt. Interessant ist, daß schon bei Haushalten mit nur einem Pkw etwa 5% der konventionellen Fahrzeuge objektiv, rein von den gemessenen Fahrleistungen aus betrachtet, durch E-Mobile ersetzt werden könnten. Insgesamt berechnete die Gruppe für 1992 ein Potential von 5 Millionen Einheiten, das mit der steigenden Zahl von Zweit- und Drittfahrzeugen weiter wächst und für das Jahr 2010 mit 7 Millionen Einheiten taxiert wird (Hautzinger u.a. 1992).

Allen Untersuchungen über die Potentiale von E-Fahrzeugen ist gleich, daß gera­

de im Bemühen um die Einhaltung des streng wissenschaftlichen Charakters der Arbeiten, die Aussagen unter ceteris paribus-Bedingungen getroffen werden, also von der Annahme ausgehen, daß die neu einzuführende Technik die übrigen Vor­

aussetzungen nicht beeinflußt und daher unter ansonsten stabilen Bedingungen untersucht und bewertet werden kann. Es stellt sich daher die Frage, was geschieht tatsächlich, wenn E-Fahrzeuge im alltäglichen Betrieb zur Anwendung kommen? Bei E-Fahrzeugen handelt es sich immerhin um alternative Antriebs­

systeme, die dank Angeboten kleinerer Hersteller zumindest eine minimale Ver­

breitung haben und deren Betriebsweise und Nutzungsprofile zur Zeit auch in mehreren Probeläufen untersucht werden können.

Gemessen an der Verbreitung konventioneller Fahrzeuge nimmt sich die Zahl der im praktischen Einsatz befindlichen E-Fahrzeuge allerdings noch verschwindend gering aus. Weltweit wird zur Zeit mit kaum mehr als 10.000 amtlich zugelassenen Personenkraftwagen mit Elektromotor gerechnet, in Deutschland waren im Som­

mer 1993 insgesamt 4035 elektrisch betriebene Fahrzeuge, davon etwa 1900 Per­

sonenkraftwagen, zugelassen. Insgesamt werden in Deutschland 36 verschiedene Modelle angeboten, davon 21 im sogenannten Conversion Design. Die technische Ausstattung dieser Fahrzeuge scheint nicht dem modernsten Stand zu entspre­

chen, über 93% der zugelassenen Fahrzeuge werden noch von einem Gleich­

strommotor angetriebenen, und bei 91% arbeitet eine Bleibatterie als Energiespei­

cher. Allerdings sind bei den neu zugelassenen Fahrzeugen bereits häufiger Dreh­

stromaggregate und Batteriesysteme mit Nickel-Cadmium-Elementen zu finden (Prüfer 1994, S.2). Auf Bundesebene wird der Erwerb von E-Mobilen durch eine für fünf Jahre geltende Befreiung von der Kfz-Steuer indirekt gefördert. An direkten Hilfen hat der Bund im Rahmen von Förderprojekten des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT) zwischen 1974 und 1992 die Entwicklung von Komponenten der E-Fahrzeugtechnik mit 150 Millionen DM unterstützt. Dabei wur­

den allein für Forschungs- und Erprobungsarbeiten an Energiespeichern 105 Mil­

lionen DM aufgewendet und hiervon wiederum die inzwischen gestoppten Entwick­

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lungen der Natrium-Schwefel-Hochenergiebatterie mit 75 Millionen DM unterstützt (Elektrofahrzeuge 1992). Einzelne Bundesländer wie Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Hamburg haben im Rahmen von Förderprojekten den Erwerb von elektrisch betriebenen Fahrzeugen unter bestimmten Umständen - zumeist mußte der Nachweis einer Stromerzeugung mittels regenerativer Energiequellen erbracht werden - direkt mit Beträgen zwischen 4500 und 7500 DM pro Fahrzeug bezu- schußt. Andere Bundesländer wie beispielsweise Berlin, Niedersachsen, Rhein­

land-Pfalz oder Bremen lehnen eine direkte Förderung von privaten E-Fahrzeugen auf Nachfragen allerdings dezidiert ab!

5. Zum Nutzungsverhalten von Besitzern elektrischer Fahrzeuge

Welche Erfahrungen haben aber nun die privaten Besitzer und Nutzer von elek­

trisch betriebenen Straßenfahrzeugen gemacht, wie wird der Betrieb der Fahrzeu­

ge beurteilt, welche Auswirkungen hat die Nutzung auf das allgemeine Mobilitäts­

verhalten?

Aus den folgenden Projekten, die zumeist im Rahmen von Förderprogrammen oder Pilotversuchen zustande gekommen sind, liegen Ergebnisse mittlerweile vor:

* ln den USA laufen zur Zeit bei den drei großen Herstellern, General Motors, Ford und Chrysler, umfangreiche Tests mit E-Fahrzeugen zur Vorbereitung auf die angekündigte Quoten-Regelung im Staate Kalifornien sowie möglicherweise auch einiger Nordost-Staaten. Ford hat 60 "Ecostar" - auf Elektrobetrieb umgestellte Escorts - in Nordamerika und weitere 18 Fahrzeuge in Europa in Betrieb und wer­

tet zur Zeit die gesammelten Ergebnisse der Testkunden aus. Chrysler verfügt als einziger der großen Hersteller bereits über authentische Erfahrungen im Umgang mit dieser Alternative, da bereits seit 1993 54 elektrisch betriebene Minivans der Marken Dodge und Plymouth verkauft wurden. Bei General Motors befinden sich zur Zeit 10 "Impact" im Probebetrieb; ein noch aus der Ära von GM-Boss Roger Smith stammendes Projekt eines im Purpose Design entwickelten E-Fahrzeuges.

Seit Juli 1994 sind die Prototypen in verschiedenen Städten der USA im Einsatz und werden interessierten Testern für jeweils zwei Wochen zur Verfügung gestellt.

Für die USA liegen darüber hinaus auch bereits Erfahrungsberichte von Einzelper­

sonen vor, die zum Teil schon über viele Jahre den Umgang mit E-Fahrzeugen erproben (vgl. Perrin 1992; Automotive News, 1994ff.; Brown u.a. 1994).

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* Im französischen La Rochelle ist der zur Zeit wohl größte und aufwendigste Ver­

such zur Praxiserprobung von E-Fahrzeugen im Gange. In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft EDF und dem Auto­

mobilhersteller PSA werden seit Dezember 1993 50 speziell umgebaute Citroen AX bzw. Peugeot 106 von nach repräsentativen Gesichtspunkten ausgewählten und eigens geschulten Testpersonen gefahren. Die Nutzung der Fahrzeuge ist mit einem umfangreichen Dokumentationsverfahren verbunden, zusätzlich sind bereits im ersten Testjahr mehr als 50 Interviews mit Beteiligten geführt worden, deren Ergebnisse zum Teil ebenfalls bereits vorliegen (vgl. Billisich u.a. 1994;

Fantin 1995).

* Aus der Schweiz, dem mit 2000 Personenkraftwagen zur Zeit größten Einzel­

markt für elektrische Straßenfahrzeuge, sind im Großraum Basel in einer kleinen Pilotuntersuchung der ETH Zürich aus dem Jahre 1993 12 Besitzer von E-Fahr- zeugen in mehrstündigen, qualitativen Interviews nach ihren Erfahrungen befragt worden. Ein Großversuch mit speziellen Leicht-Elektro-Mobilen, unterstützt vom schweizerischen Bundesamt für Energiewirtschaft, ist zur Zeit in Vorbereitung (vgl.

Seiler 1993; Schwegler 1995).

* In Österreich sind 135 E-Fahrzeugkäufer im Rahmen einer “Begleitforschung zur Förderaktion von Elektromobilen", die im Auftrag des Bundesministeriums für Wis­

senschaft und Forschung sowie des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr 1994 organisiert wurde, in einer Untersuchung zum Nutzungsverhal­

ten einbezogen worden. Eine Auswahl von zwölf Testpersonen wurde darüber hin­

aus noch einer intensiven Befragung über Auswirkungen des Betriebes von E- Fahrzeugen auf das allgemeine Mobilitätsverhalten unterzogen (Streicher u.a.

1994).

* In der Bundesrepublik ist die Vergabe von Fördermitteln aus den Programmen der Länder oftmals mit aufwendigen Begleituntersuchungen verbunden gewesen.

Die Begünstigten sind zur Führung eines Fahrtenbuches angehalten und darüber hinaus über ihre Erfahrungen nochmals gesondert schriftlich befragt worden.

Ergebnisberichte liegen bereits aus Hamburg, wo 102 Fahrzeughalter in die Unter­

suchung einbezogen wurden, sowie aus Baden-Württemberg vor. Hier konnten insgesamt 237 Bewilligungen unter anderem an Privatpersonen und Unternehmen ausgesprochen werden, wovon sich 177 an der Begleituntersuchung beteiligten.

Die Technische Überwachung Hessen (TÜH) hat einen zusammenfassenden Erfahrungsbericht erarbeitet, in dem die Eindrücke und Bewertungen von 51 der insgesamt 60 Halter von zugelassenen E-Fahrzeugen in Hessen beschrieben

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werden. In Bayern wurden im Rahmen eines Feldversuches "Stromverbrauch und Emissionen von Elektrofahrzeugen kommunaler Dienststellen" objektive Fahrtmes­

sungen und subjektive Fahreindrücke bei einer Flotte von 20 VW-City-STROMer des veralteten Typs A 2 sowie einiger anderer Fahrzeuge erhoben und dokumen­

tiert. Schließlich verfügt auch die RWE Energie AG über umfangreiche objektive Daten zu Nutzungsprofilen von E-Fahrzeugen, da in den letzten zehn Jahren rund 70 VW-City-STROMer mit einer Fahrleistung von über drei Millionen Kilometern in unterschiedlichen Nutzungsbereichen erprobt und anwendungstechnisch betreut wurden (vgl. Albrecht 1994, Rösner u.a. 1993, Technische Überwachung Hessen

1994, Schaefer u.a. 1994, Zander, Dünkelberg 1995).

* Aus dem von der Bundesregierung mit fast 25 Millionen DM geförderten Feldver­

such auf der Insel Rügen liegen hingegen noch keine Erfahrungsberichte vor. Dort ist allerdings auch keine sozialwissenschaftliche Begleituntersuchung vorgesehen.

Aus Presseberichten und spontanen Befragungen der wenigen privaten Nutzer lassen sich allerdings erste Trends erkennen (vgl. Melfi 1993; Reuss 1994).

* Schließlich hat das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Fahrzeugtechnik der TU Berlin eine eigene Erhebung organisiert. Mit 35 von insgesamt 47 Besitzern von E-Fahrzeugen im Großraum Berlin konnten während des Sommers 1994 zum Teil mehrstündige qualitative Interviews im Zusammenhang mit ihren Erfahrungen im Umgang mit dieser Alternative geführt werden (vgl. Berthold 1994).

Obwohl die Mehrzahl dieser Studien für sich betrachtet sicherlich methodische Probleme aufweisen, geben die Ergebnisse in der Gesamtschau doch Hinweise auf das tatsächliche Nutzungsverhalten von E-Fahrzeugen, die in ihrer Tendenz ungeachtet der ja zum Teil sehr unterschiedlichen Praxis- und Erhebungskontexte bemerkenswert konvergente Aussagen enthalten. Diese Befunde gewinnen ihren tatsächlichen Wert im Zusammenhang von Überlegungen zur Bestimmung von Hemmungen und Potentialen elektrischer Fahrzeugkonzepte sowie im Blick auf die Bedeutung dieser Alternative für eine moderne Mobilitätspolitik. Vier Gesichts­

punkte, die in den Untersuchungen ein große Rolle spielten, werden im folgenden vorgestellt:

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5.1 Motivation

Soweit die Auswahl von Testpersonen nicht von den Firmen oder den Trägern der Erprobungsversuche selbst vorgenommen wurde, ergibt sich ein klares Profil des potentiellen Nutzerkreises dieser Alternative. Neben einem grundsätzlichen Inter­

esse am Umweltschutz, der sich bei nahezu allen Beteiligten auch in anderen all­

täglichen Aktivitäten wie der getrennten Müllentsorgung oder dem Kauf energie- einsparender Geräte äußert, greift als zweites Motiv ein grundsätzliches Interesse an Technik. Dieses äußert sich beispielsweise auch in einer hohen Bereitschaft, selbst Hand an das E-Fahrzeug zu legen und kleinere Reparaturen selbst auszu­

führen. Die Käufer sind überwiegend, d.h. im Durchschnitt aller Untersuchungen zu mehr als 75% männlichen Geschlechts und wohnen in nahezu 90% der Fälle in Häusern oder in Wohnungen mit Zugriff auf eine Garage. Interessant dürfte schließlich auch die Tatsache sein, daß mehr als 90% der Käufer von E-Mobilen (in La Rochelle = 100%) bereits im Besitz eines konventionellen Fahrzeugs sind, d.h. daß der Einstieg in die neue Technik tatsächlich fast ausschließlich als Zweit­

oder Drittfahrzeug erfolgt. Im übrigen wirkt sich die Existenz staatlicher Förderun­

gen zwar nicht auf den Meinungsbildungsprozeß gegenüber E-Fahrzeugen aus, für die Kaufentscheidung spielen öffentliche Zuschüsse allerdings eine große Rol­

le. Weit über 60% der E-Fahrzeugbesitzer, die im Rahmen von Förderprogram­

men ihre Fahrzeuge erworben haben, gaben an, daß die staatliche Bezuschus­

sung ein entscheidendes Kaufkriterium gewesen sei.

5.2 Fahrzeuge, Infrastruktur und Umfeld

Während die Felderprobungen in Frankreich und Nordamerika unter der Regie der Automobilhersteller verlaufen und die bereits oben beschriebenen Fahrzeugtypen Verwendung finden, müssen sich die übrigen Käufer an den am Markt befindlichen Angeboten orientieren. Hier dominieren überwiegend kleine Fahrzeuge der Mar­

ken El-Trans/City Com, Puli, Microcar, Tavria oder Kewet, wobei das Leistungs­

vermögen zumeist noch unter 10 kW liegt. Obwohl sich diese Fahrzeuge zum Teil recht deutlich vom gewohnten Erscheinungsbild konventioneller Automobile abset­

zen, sind die wahrgenommenen Reaktionen im Umfeld dennoch überwiegend positiver Natur. Im Schnitt geben mehr als 66% der E-Fahrzeughalter an, daß sich Freunde und Bekannte eher interessiert und neugierig als abweisend oder belusti­

gend geäußert haben.

Die infrastrukturellen Voraussetzungen zum Betreiben von E-Fahrzeugen schei­

nen in der Tat gegeben. Zwar "tanken" nahezu alle Halter ihre Fahrzeug vorwie­

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gend in der heimischen Garage auf, über 50% der Fahrer haben dies aber auch schon an fremden Plätzen, beispielsweise an der Arbeitsstelle oder im Restaurant versucht, und in über 90% dieser Fälle gab es keine Probleme zu beanstanden.

5.3 Bewertung

Die Einschätzung des Gebrauchswertes von E-Fahrzeugen hängt naturgemäß davon ab, in welchen Kontext die Nutzung dieser ungewöhnlichen Geräte einge­

bettet ist. Die Testfahrten der nordamerikanischen Automobilhersteller werden mit großem organisatorischen und technischen Aufwand vor- und auch nachbereitet, um die Nutzer von vielen ärgerlichen Begleiterscheinungen weitgehend zu befrei­

en. Ähnlich sorgfältig vorbereitet verläuft auch der Feldversuch in La Rochelle.

Elektrizitätswirtschaft, Stadtverwaltung und PSA bemühen sich, durch intensive Wartungsprogramme die auftretenden technischen Probleme möglichst schnell und umfassend zu beheben sowie die Testfahrer mit den besonderen Erfordernis­

sen des Elektroantriebes in umfangreichen Schulungsprogrammen vertraut zu machen. Die ermittelte Zufriedenheit der befragten Testkunden fällt daher unge­

wöhnlich hoch aus. Für den Prototyp von General Motors, den Impact, der von sei­

nen Fahrleistungen und Beschleunigungswerten dank eines Motors mit einer Lei­

stung von über 100 kW konventionellen Fahrzeugen wie einem Mazda MX-5 oder einem Porsche 924 hinsichtlich der Beschleunigung von 0 auf 60 Meilen sogar überlegen ist, wurde auf einer Zufriedenheitsskala von 0 (sehr schlecht) und 10 (sehr gut) immerhin ein Wert von 8,4 ermittelt! Beim Versuch in La Rochelle, der alltagspraktische Erfordernisse mit einer positiven Grundeinstellung optimal ver­

bindet und daher wohl zur Zeit noch am ehesten als realistischer Vergleichstest gegenüber konventionellen Fahrzeugen angesehen werden kann, ist der erreichte

"Zufriedenheitswert" mit 9,1 sogar noch etwas höher als in Nordamerika.

Aber auch bei den Nutzern von E-Fahrzeugen, die nicht im Rahmen von großflä­

chig angelegten Test-Programmen betreut werden, ist im Durchschnitt eine breite Zufriedenheit zu vermerken. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, daß mehr als 66% der Besitzer von E-Fahrzeugen damit durchaus zufrieden sind, obwohl sich hinsichtlich einzelner Komponenten und Eigenschaften unterschiedliche Ergebnis­

se feststellen lassen. Sehr beeindruckt zeigten sich die Nutzer über das Fahrver­

halten und die Beschleunigungswerte. Der Gebrauch von E-Fahrzeugen, auch wenn diese nicht an die objektiven Werte von konventionellen Fahrzeugen heran­

reichen, hinterlassen offenkundig gerade in Ballungsräumen ein subjektiv sehr gutes Fahrgefühl. Offensichtlich wirken sich hier die Vorteile der E-Technik in der

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Antriebskennung aus, die ein hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen mit gutem Regelverhalten und angenehmer Startwilligkeit verbinden. Auch die Reich­

weiten der am Markt tatsächlich angebotenen Fahrzeuge, die im Normalbetrieb kaum die 80 km Marke überspringen, werden im allgemeinen von etwas über 60%

der Befragten als durchaus ausreichend bezeichnet. Der Anteil der Zufriedenen in ländlichen Gegenden geht dagegen etwas zurück, da offensichtlich die Möglichkei­

ten des E-Fahrzeuges hier eher an objektive Grenzen stoßen. Im praktischen Betrieb zeigt sich im übrigen auch, daß die Reichweite der Fahrzeuge im Winter­

betrieb wegen der zurückgehenden Leistungsfähigkeit der Batterien einerseits und den durch zusätzliche Nebenaggregate erhöhten Stromverbrauch andererseits etwa um ein Drittel zurückgeht.

Bei der Beurteilung von Heizung, Verarbeitungsqualität der Batterien und des Ser­

vices sinkt die Zahl der Zufriedenen im Durchschnitt aller Untersuchungen unter die 50%-Marke. Insbesondere der Energiespeicher wird allgemein kritisch gese­

hen. Die Beschwerden beziehen sich aber kaum auf die Mängel hinsichtlich der Reichweite, sondern vielmehr auf die schlechte Haltbarkeit, den teuren Ersatz und auf ein schlechtes Batteriemanagement der Aggregate sowie die oft nur mangel­

haft funktionierenden Ladegeräte. Insbesondere die Kopplung von Ladegerät und Energiespeicher ist oftmals aufgrund banaler technischer Defekte Anlaß von Ärgernissen. Darüber hinaus ist es offensichtlich noch nicht möglich, das tatsächli­

che Leistungsvermögen der Batterien für den Nutzer verläßlich anzuzeigen, das zudem von den Batterieherstellern meist höher angegeben wird als es dem System tatsächlich entspricht. Es scheint deshalb, daß die Entwicklungsarbeit von Energiespeichern möglicherweise in eine falsche Richtung optimiert wird. Eine Reichweite von über 150 km ist nach den Ergebnissen der Befragungen weniger dringlich als eine gute Haltbarkeit, ein praktikables Handling sowie niedrigere Kosten.

Ein verläßlicher Indikator für Zufriedenheit ist schließlich die Antwort auf die Frage, ob die Halter daran denken, auch zukünftig ein E-Fahrzeug zu kaufen. Im Durch­

schnitt beantworteten zwei Drittel der Befragten in den Untersuchungen diese Fra­

ge positiv. Offensichtlich steigt die Bereitschaft zum Kauf von E-Fahrzeugen über diesen Wert noch hinaus, wenn im Rahmen öffentlicher Förderprogramme die hohen Anschaffungskosten zumindest teilweise kompensiert werden könnten.

Unter solchen Umständen gaben zum Beispiel in der Hamburger Begleituntersu­

chung immerhin 95% der Befragten an, erneut ein E-Fahrzeug zu kaufen.

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5.4 Nutzungsprofile

Ganz allgemein äußerten die Befragten, daß sie durch die Nutzung des E-Fahr- zeuges keine oder keine wesentlichen Einschränkungen ihres Mobilitätsbedürfnis erfahren haben. Dabei muß berücksichtigt werden, daß sich nahezu alle Nutzer von E-Fahrzeugen bereits beim Kauf auf die geringen Reichweiten einstellen und darüber hinaus noch über die Möglichkeit verfügen, notfalls andere private und öffentliche Verkehrsmittel für Kompensationszwecke heranziehen zu können.

Obwohl der Einstieg in die E-Fahrzeugtechnik als Zweit- oder gar Drittfahrzeug erfolgt, ändert sich im praktischen Alltag bei weit über zwei Drittel der Befragten diese Gewichtung. Gemessen an der Kilometerleistung, aber auch im subjektiven Befinden, wird das E-Fahrzeug zum Erstfahrzeug!

Wie nicht anders zu erwarten, dominieren zwei Nutzungsarten: der Weg zur tägli­

chen Arbeit sowie die Freizeitmobilität. Da aber die Jahresfahrleistung des E-Fahr- zeuges als Erstfahrzeug dabei im Durchschnitt der Ergebnisse deutlich unter 5000 km bleibt und nach Aussagen der Befragten die Nutzung des konventionel­

len Zweit- und Drittwagens noch deutlich darunter liegt, läßt sich daraus folgern, daß die Jahresgesamtleistungen aller genutzten Fahrzeuge der Befragten wesent­

lich geringer sind als die zur Zeit für deutsche Verhältnisse ermittelten Durch­

schnittswerte von mehr als 12.000 km. Einschränkend muß allerdings gleich ver­

merkt werden, daß die tatsächlichen Kilometerleistungen der Befragten vor dem Kauf der E-Fahrzeuge nicht erhoben wurden und daher als Vergleichswert nicht zur Verfügung stehen. Die wahrscheinliche Absenkung der Jahreskilometerlei­

stung im motorisierten Individualverkehr durch die Nutzung von E-Fahrzeugen bestätigt sich jedoch durch die subjektiven Erfahrungen, die in allen Untersuchun­

gen einen deutlichen Rückgang der Kilometerleistungen nahelegen. Knapp 70%

der Befragten geben zudem an, mit dem E-Fahrzeug defensiver zu fahren. Mit der Nutzung der E-Fahrzeuge scheint sich die Einstellung zur Mobilität auch ganz all­

gemein sowie die zum normalen konventionellen Fahrzeug im besonderen zu ver­

ändern. Der in der Architektur des Großstadtraumes oftmals angelegte objektive Zwang zum Automobil wird kritisch gesehen, die aggressive Fahrweise der Nutzer von Rennreiselimousinen und insbesondere deren lärm- und Schadstoff emittieren­

de Eigenschaften erscheinen aus der Perspektive der E-Nutzung nun wesentlich bedrohlicher. Die durch die Fahrten mit dem E-Fahrzeug geläuterten Automobili­

sten sahen sich oftmals dabei ertappt, ihr konventionelles Fahrzeug mit deutlich negativen Attributen wie "Stinkekarren" oder "Benzinkutsche" zu versehen. Zur Illustration dieser Veränderungsprozesse einige, durchaus typische Aussagen von Befragten: "Ich habe beim Autofahren noch nie eine so große Ruhe und Entspan­

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nung empfunden wie jetzt" (La Rochelle); "...absolut kein Fahrstreß mehr. Fahrver­

halten wird auch beim Fahren mit konventionellem Kfz deutlich beeinflußt..." (Ham­

burg); "das Autofahren insgesamt wird geringer, man überlegt, ob die Fahrt über­

haupt notwendig (ist). Das färbt auf die ganze Familie ab - weniger Fahrten" (Ham­

burg); "das EM (E-Fahrzeug), das wollte man einmal, weil einen etwas störte und gleichzeitig zeigt es einem etwas. Es zeigte einem auch zum Beispiel, daß ich nicht beliebig viel Gepäck mitnehmen kann. Man wird überhaupt transportbewuß­

ter, man muß sich gewisse Sachen überlegen, die sonst nicht überlegt werden müssen. Mit dem Range Rover konnte ich immer alles machen. Ich mußte nichts planen, aber ich habe etwa 25 Liter Benzin verbraucht" (Basel); "es gibt einem irgend ein anderes Verhältnis zur Mobilität; also mich stört das manchmal, daß ich in Leymen wohne, daß ich so weit weg muß" (Basel).

6. E-Fahrzeuge als Elemente einer modernen Mobilitätspolitik

Die Schlußfolgerungen, die aus diesen ersten, zum Teil noch nicht abgeschlosse­

nen Untersuchungen über das tatsächliche Nutzungsprofil von E-Fahrzeugen vor­

läufig gezogen werden können, scheinen doch recht bemerkenswert und sind mit einigen sehr gängigen Meinungen und Anschauungen über die Chancen und Risi­

ken von E-Fahrzeugen nicht in Übereinstimmung zu bringen; sie werfen zudem ein recht kritisches Licht auf die Rolle der wissenschaftlichen Politikberatung zur Abschätzung der Einsatzpotentiale dieser Verkehrsmittel. Die von den Befürwor­

tern dieser Antriebstechnik immer wieder ins Feld der Auseinandersetzung geführ­

ten Aussagen, die "Technik ist da", läßt sich so pauschal nicht bestätigen. Jeden­

falls bieten die käuflich zu erwerbenden Fahrzeuge noch einen großen Spielraum für Optimierungsarbeit. Gemessen an den gewohnten Qualitäten herkömmlicher Serienfahrzeuge zeigen die in vergleichsweise kleinen Stückzahlen produzierten E-Fahrzeuge noch erhebliche Qualitätsmängel in der Verarbeitung sowie im Ser­

vice der Hersteller.

Der Betrieb der Fahrzeuge konnte bei weit über 90% der Befragten nur aufrecht erhalten werden, wenn sich die Fahrzeughalter dazu bereit fanden und über die entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten verfügten, alltäglich auftretende klei­

ne Probleme selbst zu beheben. Die zur Zeit verfügbaren Fahrzeuge bedürfen also der manuellen Nachregulierung, die den Kreis möglicher Nutzer natürlich sehr einschränkt. Zwar sind die Batterien - wie von Gegnern der Antriebstechnik immer wieder eingewandt - tatsächlich der Schwachpunkt bei dieser Antriebstechnik, dennoch können die aufgetretenen Defekte als durchaus behebbar gelten. Die Optimierungsanstrengungen der Batterieentwickler nach einer möglichst maxima-

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len Reichweite scheinen dem Gesamtkonzept unangemessen und keineswegs im Dienste einer schnellen Verbreitung dieser Fahrzeug zu sein. Die Ladegeräte haben zum Teil einen so niedrigen Wirkungsgrad, daß der Ladevorgang manch­

mal mehr Strom als der eigentliche Fährbetrieb erfordert.

Die Untersuchungen zeigen außerdem, daß der staatlichen Förderung hinsichtlich einer Verbreitung dieser Fahrzeugtechnik eine große Bedeutung beikommen könnte. Die durch den vergleichsweise hohen Preis bestehende Hürde ließe sich etwas herunterhängen und darüber hinaus könnte durch eine - wie es der Autor einer Begleituntersuchung vorschlägt - "Durchhalteprämie" die nach wie vor hohen außerordentlichen Kosten im Zusammenhang mit der fehlenden Haltbarkeit der Batterien ausgeglichen werden.

Die Verkehrs- oder mobilitätspolitischen Schlußfolgerungen, die aus den Untersu­

chungen zu ziehen sind, zeigen, daß die Annahmen, mit denen die üblichen Systemvergleiche operieren, offensichtlich nicht realitätstauglich sind. Denn bei der Prognose über die möglichen Potentiale von E-Fahrzeugen spiegeln sich doch sehr stark die Erfahrungen mit den konventionellen Fahrzeugen wider, die meist einfach auf das E-Fahrzeug übertragen werden. So zeigt sich vor allen Dingen bei den höchst problematischen Berechnungen der Emissionswerte für E-Fahrzeuge diese Verbundenheit mit dem konventionellen Automobilverständnis. Weder ist die Annahme von einer jährlichen Kilometerleistung von 12.000 km realistisch, noch ist eine Messung auf der Grundlage des ECE-Fahrzyklusses für eine wirklich reali­

stische Abschätzung der Schadstoffentwicklung sowie des Energieverbrauches zweckdienlich. Die bisherigen Ergebnisse, seien sie pro oder contra E-Fahrzeug ausgefallen, haben daher nur einen sehr begrenzten Wert (vgl. Sporckmann 1994;

Blümel 1992). Die Energie- und Schadstoffbilanz muß jedenfalls neu kalkuliert werden und kann auch bei einem Verbundsystem, wie es die bundesdeutsche Stromwirtschaft seit Jahrzehnten installiert hat, in Bayern mit einem hohen Anteil Wasserkraft ganz anders aussehen als am Niederrhein, wo sehr viel Braunkohle zur Verstromung eingesetzt wird (vgl. Schwarz 1994; Schaefer u.a. 1994). Einig­

keit besteht allerdings dahingehend, daß die Verlagerung der Emissionen von den Fahrzeugen auf die Kraftwerksschornsteine auf jeden Fall zu einer Entlastung der Immission im innerstädtischen Bereich beitragen wird (vgl. Streicher u.a. 1994).

Die Ergebnisse über die Erfahrungen, Eindrücke und Bewertungen der E-Fahr- zeugnutzer zeigen schließlich, daß es durchaus Plausibilitäten für eine soziale Praxisform im Umgang mit dieser Technik geben kann, die bislang, durch die star­

ke Einbindung in die bestehenden automobilen Erfahrungswelten nicht gesehen

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werden konnten und deren Potential für eine neue Mobilitätspolitik daher nicht ausgeschöpft wurden: Der Einstieg in die E-Fahrzeugtechnik erfolgt in der Form eines Zweit- oder gar Drittfahrzeuges. Diese verkehrspolitische Kröte muß man schlucken, will man sich nicht um den im Umgang mit diesen Fahrzeugen dann entstehenden erzieherischen Effekt bringen. Denn die Bedeutung des E-Fahrzeu- ges wandelt sich, die Fahrzeuge werden zum Erstfahrzeug und führen durch die veränderten technischen Potentiale dieser Antriebsart zu einem Wechsel der Fahr­

stile, verbunden mit neuen Wahrnehmungen und daraus entstehenden geänderten Werthaltungen auch über den Verkehrssektor hinaus. Die Jahreskilometerleistun­

gen gehen zurück, die Haltung gegenüber dem konventionellen Fahrzeug gestaltet sich kritischer. In den Untersuchungen berichten einige der E-Fahrzeughalter dar­

über, daß die Nutzung der herkömmlichen "Rennreiselimousinen" so stark abge­

sunken ist, daß die Frage entsteht, ob der Besitz solcher Fahrzeugen mit den damit verbundenen Fixkosten überhaupt noch Sinn macht, oder ob sich die spora­

dische Nutzung dieser Fahrzeuge nicht über Car-Sharing-Modelle organisieren läßt.

Offensichtlich scheint mit der Nutzungsform von E-Fahrzeugen der motorisierte Individualverkehr für die vielbeschworenen integrativen Verkehrskonzepte mehr sensibilisiert zu sein als der doch viel autarker oder gar autistisch organisierte nor­

male Automobilverkehr. Denn eine tatsächliche Kooperation der Verkehrsmittel kommt nur dann zustande, wenn die Reichweiten der Rennreiselimousinen begrenzt werden und die technischen Eigenschaften der Fahrzeuge dazu zwin­

gen, mit alternativen Lösungen zu planen. Wenn also dem bisherigen Automobil- Konzept die universelle Einsetzbarkeit genommen wird und damit auch der auto­

nome Grundcharakter dieses Transportsystems verloren geht, erst dann scheinen tatsächlich die Voraussetzungen gegeben zu sein, um über integrierte und ver­

netzte, kooperative Verkehrssysteme nachdenken zu können. Die Untersuchun­

gen zeigen schließlich auch, daß sich die in den konventionellen Autos "einge­

schriebenen" Nutzungsmöglichkeiten auf die Fahrstile auswirken bzw. umgekehrt, daß technisch "abgerüstete" Fahrzeuge dem individuellen Verkehrsbedürfnis Rechnung tragen und gleichzeitig zu einer anderen Fahrkultur beitragen können.

Wenn man nun die in der Einleitung entwickelte These teilt, daß eine Änderung in der Mobilitätspolitik auch suchttherapeutische Aspekte der bisherigen Automobil- Nutzung berücksichtigen muß, dann könnten E-Fahrzeuge hier eine Art Methadon- Funktion wahrnehmen, so wie es der Frankfurter Staatsanwalt Schöndorf für ein

"Auto der zweiten Generation" einmal gefordert hat. "Unser Methadon auf vier Rädern befriedigt kein Sucht mehr, es eliminiert allerdings die Entzugssymptome.

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Gefahren werden darf noch, aber ... nicht mehr der Potenz zuliebe" (Schöndorf 1993, S.11).

Jedenfalls verspricht eine verbreitete Nutzung von E-Fahrzeugen die Entwicklung von neuen Praxisformen, die in ihrer Dynamik bislang durch die Anwendung streng wissenschaftlicher ceteris-paribus-Annahmen systematisch ausgeblendet wurden und zu einer Selbstblockierung der verkehrspolitischen Debatten geführt hat. Die Fixierung auf das traditionelle Leitbild der Rennreiselimousine hat bei Befürwortern wie Gegnern des Automobils die Denkräume für mögliche Änderun­

gen sehr klein werden lassen, mit der Formulierung der erkenntnisleitenden Prä­

missen schiebt sich die Gegenwart quasi unmerklich auch in die Zukunft hinein.

Hier zeigen sich auch die Grenzen der wissenschaftlichen Politikberatung, die - auf die Stringenz einer nachvollziehbaren Erkenntnisproduktion bedacht - damit objektiv konservativ wirkt, da sich das Abstraktionsvermögen nur bei einem stabi­

len Gebäude von weitreichenden und die soziale Praxis deformierenden Annah­

men entwickeln läßt.

Dies heißt nicht, daß eine große Verbreitung von E-Fahrzeugen nicht wieder neue, noch nicht bekannte Effekte provozieren würde, denn noch profitieren die E-Fahr- zeuge von einem gewissen Exoten-Dasein; noch gereicht es dem Restaurantbesit­

zer oder der Warenhauskette zur Ehre, kostenlose Möglichkeiten des Stromtan­

kens für die wenigen Kunden zur Verfügung stellen. Bei einem Massenbetrieb sähe dies sicherlich anders aus. Dennoch zeigen die vorliegenden Ergebnisse, daß sich mit einer vermehrten Nutzung von elektrischen Straßenfahrzeugen nach­

haltige Impulse für einen Paradigmenwechsel mobilisieren lassen, da die Ver­

kehrsteilnehmer in ihren Wünschen nach einem individualisierten Transportfahr­

zeug ernst genommen werden, ohne daß damit dann auch gleichzeitig eine Erstar­

rung oder Fixierung auf diese Mobilitätsform verbunden bleiben muß. Im Versuch, den öffentlichen Verkehr privater und den privaten Verkehr öffentlicher zu gestal­

ten und damit die starre Trennung zwischen dem motorisierten Individualverkehr (MIV) und dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aufzuweichen, können daher von E-Fahrzeugen interessante technische Lösungen ausgehen. Vielleicht liegt hier auch die neue Aufgabe von Wissenschaften begründet, weniger theore­

tisch weitreichende und allgemeingültige Aussagen zu formulieren als begründete Spekulationen über mögliche zukünftige Entwicklungstrends zu liefern. Jedenfalls lassen die Ergebnisse der Untersuchung durchaus solche "begründeten Spekula­

tionen" zu, daß elektrische Straßenfahrzeuge ein wesentliches Element einer fort­

schrittlichen Mobilitätspolitik sein können.

(22)

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