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Der 17. Juni 1953 - Geschichtskonstrukt und Identitätsstiftung

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Reihe 17 S 1

Verlauf Material Klausuren Glossar Literatur

II/H1

Der 17. Juni 1953 – Geschichtskonstrukt und Identitätsstiftung

Darstellung und Deutung des Volksaufstandes in DDR und BRD

Elisabeth Gentner, Stuttgart

Klassenstufe:Sek. II Dauer: 3–4 Stunden + LEK

Aus dem Inhalt: politische und gesell- schaftliche Entwicklung der BRD und DDR, Kalter Krieg, deutsche Einheit, Erinnerungs- kultur und politische Instrumentalisierung historischer Ereignisse

Kompetenzen:

– Gründe für den Aufstand vom 17. Juni 1953 und seinen Verlauf analysieren – den Prozess der Historisierung des

17. Juni 1953 untersuchen und dabei un- terschiedliche Perspektiven beleuchten – den Umgang mit dem 17. Juni in der

BRD und in der DDR in seiner chronolo- gischen Differenziertheit erschließen – beurteilen, inwiefern der 17. Juni ein identitätsstiftendes Symbol für die Deutschen werden konnte

W

ie kaum ein anderes Ereignis der deutschen Geschichte unterlag der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 einer erstaunlichen Interpretationsvielfalt. Die DDR stilisierte ihn zu einem „konterrevo- lutionären Putschversuch“ und konstru- ierte damit ihr „antifaschistisches“ Ge- schichtsbild. Für die BRD sollte der 17.

Juni dagegen zur (west-)deutschen Iden- titätsstiftung beitragen und wurde Teil der politischen Erinnerungskultur der Bonner Republik.

In dieser Reihe analysieren Ihre Schüle- rinnen und Schüler die Gründe für den Aufstand, untersuchen den Prozess der Historisierung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven und er- schließen den Umgang mit dem 17. Juni in der BRD und in der DDR. Abschließend diskutieren sie das identitätsstiftende Potenzial des Datums in Vergangenheit und Gegenwart.

Eine Szene vom 17. Juni 1953 in Berlin: Aufständische stehen in der Leipziger Straße sowjetischen Panzern gegenüber

© akg-images

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Fachwissenschaftliche Orientierung

Worin liegen die Ursachen für den Aufstand vom 17. Juni 1953?

Auf der zweiten Parteikonferenz im Juli 1952 beschloss die SED, den Aufbau des Sozialis- mus voranzutreiben: Der Reiseverkehr nach Westdeutschland wurde eingeschränkt und die Zonengrenze zwischen der DDR und der BRD zur Staatsgrenze erklärt. Die Kollektivierung der Landwirtschaft sollte vorangetrieben und die Strafjustiz verschärft werden. Durch den forcierten Ausbau der Schwerindustrie kam es in der Folge zu Einschränkungen bei der Konsumgüterindustrie und dadurch für die DDR-Bevölkerung zu einem sinkenden Lebens- standard. Hinzu trat ein verstärkter antikirchlicher Kurs der Staatsführung, der sich immer mehr zu einem regelrechten „Kirchenkampf“ entwickelte.

Als sich die Lage zuspitzte und es sogar zu Versorgungsengpässen kam, reagierte die SED- Führung mit einer zehnprozentigen Erhöhung der Arbeitsnorm in den volkseigenen Betrie- ben (VEB). Im März 1953 erfuhr die Fluchtwelle ihren vorläufigen Höhepunkt, was auch als Ausdruck der wachsenden Unzufriedenheit der DDR-Bevölkerung mit dem SED-Regime ge- sehen werden muss. Diese anhaltende Flucht in den Westen bedeutete einen enormen Imageverlust für die DDR-Regierung. Außerdem hatten sich nach dem Tod Stalins am 5.

März 1953 weite Teile der Bevölkerung einen Kurswechsel erhofft. Aufgrund der sich ab- zeichnenden politischen Instabilität forderte die UdSSR die SED-Führung zu einem öffentli- chen Schuldeingeständnis auf. Der dann in diesem Zusammenhang von der SED angekün- digte Neue Kurs zeigte jedoch nicht den erwünschten Erfolg; so wurde er z. B. vom Großteil der DDR-Bevölkerung als Zeichen der Schwäche gedeutet.

Wie verlief der Aufstand vom 17. Juni?

Der Volksaufstand wurde zu großen Teilen von der Arbeiterschaft der DDR getragen; aber auch die bäuerliche Bevölkerung war daran beteiligt. Die Demonstranten riefen für den 17. Juni 1953 in Ostberlin zum Generalstreik auf. Zentren des Aufstands waren vor allem in- dustriell geprägte Gebiete mit den Städten Leipzig, Halle, Bitterfeld, Magdeburg und Görlitz.

Allgemeine Forderungen waren freie Wahlen, die Rücknahme des Beschlusses über die Er- höhung der Arbeitsnormen, der Rücktritt der SED-Regierung und Freiheit für politisch Ge- fangene. Auffällig ist die Heterogenität der Forderungen. Aufgrund der zeitlichen Kürze des Aufstands war es kaum möglich, dass sich eine klare Programmatik der Aufständischen he- rauskristallisieren konnte.

Der Aufstand wurde bereits am 17. Juni durch sowjetische Panzer niedergeschlagen. Die Streikaktionen waren weder langfristig geplant noch zentral gesteuert noch untereinander koordiniert, sondern eher von Spontaneität geprägt. Darin sind auch wichtige Gründe für das Scheitern des DDR-Volksaufstandes und für die geringe Wirksamkeit des Protests zu su- chen. Um eine Eskalation der Gewalt und damit eine Zuspitzung des Kalten Krieges zu ver- meiden, griff der Westen nicht ein.

Welche Folgen hatte der Aufstand vom 17. Juni?

Zur Verhinderung weiterer Unruhen kam es zu einer Verhaftungswelle, zu innerparteilichen Säuberungen und zum Ausbau der Volkspolizei. Der Bespitzelungsapparat wurde auf nahe- zu alle Lebensbereiche ausgedehnt und das Ministerium für Staatssicherheit wurde in das Ministerium des Inneren eingegliedert. Der DDR-Führung war durch den Aufstand recht klar vor Augen geführt worden, dass sich ihre Macht nicht auf die Zustimmung der DDR-Bevöl- kerung gründen konnte. Es wurde auch eine Abhängigkeit des DDR-Regimes von der An- wesenheit sowjetischer Truppen offenkundig. Vom heutigen Standpunkt aus kann der 17.

Juni 1953 als ein „Schlüsselereignis in der deutschen und europäischen Nachkriegsge- schichte“ betrachtet werden, weil es der „erste Aufstand im Ostblock“1war.

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Materialübersicht

Stunden 1/2 Der 17. Juni in der DDR-Konstruktion

M 1 (Fo) Momente des 17. Juni 1953 M 2 (Tx) Der 17. Juni 1953 im Überblick

M 3 (Tx) Darstellung der Ereignisse in der DDR – ein Medienbericht

M 4 (Tx) Darstellung der Ereignisse in der DDR – die Geschichtsschreibung M 5 (Ab) Darstellung der Ereignisse in der DDR – die Ergebnisse im Überblick M 6 (Ab) Der 17. Juni in der literarischen Verarbeitung – Bertolt Brecht

Stunden 3/4 Der 17. Juni in der (west-)deutschen Erinnerungskultur M 7 (Bd) Der 17. Juni 1953 in der westdeutschen Erinnerungskultur –

drei Briefmarken

M 8 (Tx) Der 17. Juni in der Presse des Westens – Zeitungsartikel von 1953 M 9 (Tx) Der Tag der Deutschen Einheit in der BRD – eine Rede zum 25. Jahrestag M 10 (Ab) Im Wandel der Zeit – der 17. Juni 1953 im Westen

M 11 (Tx) Inszenierung und Instrumentalisierung – der 17. Juni in der BRD M 12 (Ab) Der 17. Juni – ein idealer gesamtdeutscher Nationalfeiertag?

Lernerfolgskontrolle

M 13 (Ab) Die Folgen des Aufstands vom 17. Juni 1953

Glossar

Der Aufstand des 17. Juni 1953 – wichtige Namen und Begriffe

Abkürzungen:(Ab) = Arbeitsblatt; (Bd) = Bild; (Fo) = Folie; (Tx) = Text

Minimalplan

Wenn Sie nur drei Stunden zur Verfügung haben, so kann die erste Doppelstunde auf eine Stunde gekürzt werden: M 4 und M 6 sowie das Schaubild M 5 können dafür als fakultativ erachtet werden; M 3 wird den Schülerinnen und Schülern als Hausaufgabe gestellt bzw. in einer leistungsstarken Lerngruppe in einer kurzen Arbeitsphase am Ende der ersten Stunde eingesetzt.

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5 D a rs te ll ung de r Er e igni ss e i n de r D D R – di e Er ge bni ss e i m Ü be rbl ic k

Folgen des 17. Juni 1953: – Verhaftungswelle unter den Protestierenden– Flucht in den Westen – Ausbau des Bespitzelungsapparates– Rückzug ins Private und Unpolitische gaben rgleichen Sie die Darstellungen des 17. Juni 1953 von Karl Eduard von Schnitzler und Heinz Heitzer miteinander. eigen Sie an Beispielen auf, woran man erkennen kann, dass es sich beim Text von Heinz Heitzer um DDR-Geschichtsschreibung handelt.

Karl Eduard von SchnitzlerHeinz Heitzer Ursachen für den Aufstand vom 17. Juni 1953: Selbstverständnis der DDR: Sichtweise auf die BRD:

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Hinweise (M 1–M 6)

Stunden 1/2: Der 17. Juni in der DDR-Konstruktion

Einstieg

Zu Beginn der ersten Doppelstunde wird den Schülerinnen und Schülern einKaleidoskop an fotografischen Eindrücken (M 1) zum Aufstand vom 17. Juni 1953präsentiert.

Es empfiehlt sich, dafür die Fotos auf der Folie im Plenum zu besprechen und die Aufgaben schrittweise in ein Unterrichtsgespräch einzuflechten. Auf Basis des Bildmaterials erschlie- ßen die Schülerinnen und Schüler Schritt für Schritt die wesentlichen Charaktermerkmale des Aufstands. Die vierte Abbildung (Bild d) soll die Lernenden bereits für die besonders ausgeprägte Erinnerungskultur des Aufstands sensibilisieren. So wurde bereits am 22. Juni 1953 die Straße westwärts des Brandenburger Tors in „Straße des 17. Juni“ umbenannt.

Erarbeitungsphase

Der Text M 2vermittelt den Lernenden in didaktisch reduzierter Form das nötige Hinter- grundwissen zum Verlauf des Aufstands vom 17. Juni und zu seinen Ursachen; auf dieser Grundlage können die historischen Rahmenbedingungen für den DDR-Aufstand er- arbeitet werden. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei das Prinzip der Multikausalität kennen. Die Fragen zum Text, die von den Lernenden in Einzelarbeit zu beantworten sind, sollen dazu dienen, komplexes Wissen zu strukturieren. Um dieses Wissen auch entspre- chend zu visualisieren, kann bei der Besprechung der Aufgaben im Plenum eine Struktur- skizze an der Tafel entstehen (vgl. Erläuterungen M 2). Dieses Tafelbild kann im Rahmen des Unterrichtsgesprächs sukzessive von der Lehrkraft erstellt werden.

Im zweiten Teil der Doppelstunde steht dann die Darstellung des 17. Juni in der DDR (M 3, M 4)im Zentrum. Die Erarbeitung dieser Texte soll arbeitsteilig als Tandem-Aktivi- tät erfolgen, was selbstverantwortliches Lernen ermöglicht: Ein Partner bearbeitet M 3, eine unmittelbar auf die Ereignisse des 17. Juni folgende Verlautbarung, die am 18. Juni 1953 im DDR-Rundfunk gesendet wurde, der andere Partner M 4, einen Text, der exempla- risch für die DDR-Geschichtsschreibung stehen kann.

Ergebnissicherung

Die Ergebnissicherung erfolgt mit einer vorstrukturierten Tabelle (M 5), in die zu- nächst jeder der beiden Partner die eigenen Antworten einträgt und dann die Ergebnisse des Tandempartners ergänzt. Je nach Leistungsstand der Lerngruppe können die Ergebnis- se im Anschluss noch im Plenum besprochen werden. Es mag ggf. sinnvoll sein, den Er- wartungshorizont M 5 abschließend als Folie aufzulegen. Den Vergleich von M 3 und M 4 können die Schülerinnen und Schüler bereits in der Phase der Partnerarbeit vorbereiten; sie erkennen dabei, dass die Rezeption des 17. Juni in der DDR im Laufe der Zeit ein besonders hohes Maß an Kontinuität und offiziell verordneter Stabilität erfahren hat.

Vertiefung

Im Anschluss können dann noch – falls Zeit vorhanden ist – die Merkmale einer DDR-Ge - schichtsdarstellungim Plenum erarbeitet und problematisiertwerden. Dies ist als eine Möglichkeit der Binnendifferenzierung gedacht. Auf diese Weise können Geschichte und Geschichtsschreibung auf der Metaebene reflektiert werden: Sowohl der Text des Journa- listen Karl Eduard von Schnitzler (M 3) als auch die Darstellung des Historikers Heinz Heit- zer (M 4) weisen eine feste, immer wiederkehrende Terminologie und eine klare, dogmati- sche Grundaussage auf. Über die üblichen Sprachfloskeln hinausgehend erhielt das Themenfeld des 17. Juni in der DDR jedoch eine starke Tabuisierung. Darauf können die Schülerinnen und Schüler in diesem Kontext noch hingewiesen werden.

Es hat sich als gewinnbringend und als für die Lerngruppe motivierend erwiesen, sich zum Abschluss der Doppelstunde mit einer literarischen Verarbeitung des Aufstands vom 17. Juni auseinanderzusetzen. Aufgrund der epigrammatischen Kürze eignet sich hierfür

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Zu 2: Einerseits war eine kontinuierliche Zunahme der Spannungen zwischen dem SED-Staat und insbesondere der Arbeiterschaft zu beobachten. Die Ursachen für den Auf- stand vom 17. Juni sind auf vielen verschiedenen Ebenen zu suchen. Es wurde außerdem immer klarer, dass die SED keinen Rückhalt mehr in weiten Teilen der DDR-Bevölkerung hatte. Eine allgemeine Unzufriedenheit machte sich breit – gerade als Reaktion auf neu ein- geführte Maßnahmen wie die forcierte Kollektivierung der Landwirtschaft. Es kam immer wieder zu Streiks und Protesten in den Monaten vor dem Aufstand, aber auch die Flucht in den Westen war ein klares Signal der Opposition.

Andererseits traf der Aufstand vom 17. Juni 1953 den SED-Staat völlig unvorbereitet. So ge- lang es auch der Volkspolizei nicht, den Aufstand einzudämmen; erst das massive Eingrei- fen sowjetischer Panzer beendete die Proteste. Der Aufstand war nicht von langer Hand ge- plant oder wurde gar zentral gesteuert. Direkter und recht spontaner Auslöser für den Aufstand war die von der SED angeordnete Arbeitsnormerhöhung.

Erläuterungen (M 3, M 4) Zu 1–3: Siehe Tabelle M 5.

Erläuterungen (M 5)

Zu 1: Vergleich der Darstellungen (Texte M 3 und M 4):

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Karl Eduard von Schnitzler Heinz Heitzer 1. Ursachen für

den Auf- stand vom 17. Juni 1953:

Ursachen sind nicht:

– Arbeitsnormerhöhung; Wunsch nach freien Wahlen, Freiheit, Ver- besserung des Lebensstandards sondern:

– gezielte Intrige aus dem Westen, Missbrauch des Vertrauens von Ber- liner Arbeitern

– Ernst Reuter, Regierender Bürger- meister von Westberlin, als haupt- sächlicher Drahtzieher

– Herbst 1952: zur Behebung von Pro- blemen auch fehlerhafte Entscheidun- gen durch die SED, z. B. Beschleuni- gung der Schwerindustrie, Rückgang der Konsumgüterindustrie Unzu- friedenheit der Werktätigen

– Juni 1953: SED-Maßnahmen zur Sta- bilisierung von Staat und Wirtschaft

„imperialistische Reaktion“ aus dem Westen

– „konterrevolutionärer Putsch“ durch Einschleusung von Provokateuren aus Westberlin und der BRD

2. Selbstver- ständnis der DDR:

– gezielte Irreführung der DDR-Be - völkerung durch westliche Akteure – DDR als Opfer eines Anschlags

durch den Westen

– großes Interesse an der stetigen Verbesserung der Lebensbedingun- gen in der DDR

– DDR als demokratischer Teil Deutschlands

– Ringen um optimale Staatsordnung, aber unter Rücksichtnahme auf die DDR-Bürger, ggf. Nachjustieren von Maßnahmen

– DDR-Bürger als Opfer „konterrevolu- tionärer Gruppen“

– Solidarität zwischen der DDR und der UdSSR ➝zunehmende Ostintegrati- on, Abschottung gegenüber Westen – ein Staat von überwiegend pflicht-

und klassenbewussten Arbeitern – Loyalität der Arbeiter mit dem SED-

Staat 3. Sichtweise

auf die BRD:

– Spinnen von Intrigen, Ausnutzen der Situation in der DDR

– Kooperation zwischen der BRD und den USA

– Vermeidung einer deutschen Ein- heit

– aggressives Auftreten der BRD – BRD als „imperialistisch“ und

„faschistisch“

– BRD als Feind der DDR

– umstürzlerische Umtriebe in der DDR durch die BRD

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Klausuren Glossar Literatur

M 7 Der 17. Juni 1953 in der westdeutschen Erinnerungs- kultur – drei Briefmarken

Briefmarken können Aufschluss darüber geben, wie historische Ereignisse zu einer be- stimmten Zeit gedeutet wurden. Hier sehen Sie Briefmarken von 1953 und von 2003.

Aufgaben

1. Beschreiben Sie, was auf den Briefmarken abgebildet ist. Erläutern Sie, welche Aspekte des Aufstands vom 17. Juni jeweils besonders hervorgehoben werden.

2. Erörtern Sie Vor- und Nachteile von Briefmarken als Quellen für historischen Erkenntnis- gewinn.

3. Durch einen Beschluss des Deutschen Bundestages vom 3. Juli 1953 wurde der 17. Juni zum Nationalfeiertag der BRD erklärt. In der offiziellen Verlautbarung heißt es:

Am 17. Juni 1953 hat sich das deutsche Volk in der sowjetischen Besatzungszone und in Ostberlin gegen die kommunistische Gewaltherrschaft erhoben und unter schwe- ren Opfern seinen Willen zur Freiheit bekundet. Der 17. Juni ist dadurch zum Symbol der deutschen Einheit in Freiheit geworden.

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3.Briefmarke zum 50. Jahrestag aus dem Jahr 2003

© Bundesministerium der Finanzen/Rudolf Gerhardt

1.Westberliner Briefmarke von 1953

© Bundesministerium der Finanzen/Lorli und Ernst Jünger

2.Westberliner Briefmarke von 1953

© Bundesministerium der Finanzen/Lorli und Ernst Jünger

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Klausuren Glossar Literatur

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gaben Vergleichen Sie die Pressestimmen von 1953 und die Rede von 1978 und zeigen Sie Entwicklungstendenzen im Umgang mit dem 17. Juni auf. Erörtern Sie, ob für die BRD bis 1978 der 17. Juni eher ein Tag der Trauer oder ein Tag des Stolzes und der Freude sein konnte.

10 I m W a nde l de r Ze it – de r 17. J uni 1953 im W e s te n

19531978 Der Volksaufstand des 17. Juni

Foto : © a kg-i ma ge s

Darstellung des 17. Juni in der westlichen Presse: Ziele der Westmächte:

Funktionen des 17. Juni als Nationalfeiertag in der BRD: Zusammenhang zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 17. Juni 1953:

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Klausuren Glossar Literatur

Erläuterungen (M 12)

Zu 1:Erläuterung des Zitates aus der Tageszeitung „Die Welt“: Der 3. Oktober sei „blutleer“

und eigne sich nicht als Nationalfeiertag für die Deutschen, weil an diesem Datum die deut- sche Einheit nur staatsrechtlich vollzogen worden sei. Hingegen seien der 17. Juni 1953 in Erinnerung an den DDR-Volksaufstand und der 9. November 1989 in Erinnerung an den Mauerfall Daten in der deutschen Geschichte, auf die man „stolz“ sein könne.

Zu 2: Neben dem Mauerfall am 9. November 1989 wird bereits im Textausschnitt auch die Reichskristallnacht/Reichspogromnacht vom 9. November 1938 erwähnt. Des Weiteren kann auf die beiden folgenden Ereignisse verwiesen werden:

– Am 9. November 1918 kam es zur Ausrufung zweier Republiken: Philipp Scheidemann (SPD) rief eine parlamentarisch-demokratische Republik, die sogenannte Deutsche Repu- blik, aus. Wenige Stunden später verkündete Karl Liebknecht (Spartakusbund) eine sozialis- tische Räterepublik. Das Ereignis wird auch als „Novemberrevolution“ bezeichnet.

– Am 9. November 1923 fand in München der Hitler-Ludendorff-Putsch statt. Durch einen bewaffneten Putsch sollte die Regierung in Berlin abgesetzt werden.

Zu 3:Zur strukturierten Ergebnissicherung kann im gemeinsamen Unterrichtsgespräch das folgende Tafelbild erstellt werden:

Der 17. Juni – ein identitätsstiftendes Symbol?

Zu 4:Als weitere identitätsstiftende Ereignisse können angeführt werden:

– der 3. Oktober 1990 als Tag der Wiedervereinigung – der 9. November 1989 als Tag des Mauerfalls

– die Revolution von 1848/49 als Höhepunkt des deutschen Liberalismus

– der 20. Juli 1944 als Attentatsversuch auf Hitler und Versuch der Befreiung von der na- tionalsozialistischen Diktatur

– der 23. Mai 1949 als Geburtsstunde des Grundgesetzes

– der 8. Mai 1945 als „Tag der Kapitulation“ und „Tag der Befreiung“, „Stunde null“ für das Nachkriegsdeutschland

– der 18. März als Tag der deutschen Demokratiegeschichte (1848: Märzrevolution in Ber- lin; 1793 Ausrufung der Mainzer Republik; 1990 erste freie Volkskammerwahl in der DDR) Zu 5:Der Einsatz einer identitätsstiftenden Symbolik, die auf der Vergangenheit basiert und zu einer aktiven Auseinandersetzung einlädt, kann zur Orientierung in Gegenwart und Zu- kunft beitragen. Es können dadurch Leitprinzipien vermittelt, eine gewisse moralische Legi-

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Einerseits … Andererseits …

– Kampf für Freiheit durch „Aufstand von unten“ ➝ Seltenheitswert in der deut- schen Geschichte

– Kampf für Einheit ➝zentrale Relevanz in der deutschen Geschichte; der Herbst 1989 als Vollendung des 17. Juni

– der 3. Oktober stellt keinen symbolträch- tigen Tag in der deutschen Geschichte dar

– der 17. Juni ist ein gescheiterter Auf- stand

– Kampf für Einheit stand nicht unbedingt im Zentrum der Forderungen

– unterschiedlicher Stellenwert für Ost- und Westdeutschland ➝allzu „pluralisti- sche“ Erinnerungskultur verhindert Identitätsstiftung

– 9. November 1989 symbolisch für wirkli- che Zäsur in der Geschichte: Fall des Ei- sernen Vorhangs/Fall der Mauer

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Referenzen

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