• Keine Ergebnisse gefunden

Alltagshelden/innen: Zivilcourage oder Ich steh auf und misch mich ein

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Alltagshelden/innen: Zivilcourage oder Ich steh auf und misch mich ein"

Copied!
18
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

misch mich ein

Grundsätzliche Überlegungen

"Je mehr Bürger mit Zivilcourage ein Land hat, desto weniger Helden wird es einmal brauchen.“ F. Magnani, ehemalige Korrespondentin der NZZ1

Auf den ersten Blick enthält das Wort „Alltagshelden/innen“ einen Widerspruch. Denn, wenn man sich die gängigen Definitionen des Begriffs „Held“ in diversen Lexika anschaut, ist ein Held, ein Mann, der sich durch ungewöhnliche Taten auszeichnet, sich aus der Menge hervorhebt. Helden brauchen demnach Ausnahmesituationen, also nicht alltägliche

Situationen um sich zu bewähren. Frauen kommen in den Definitionen gleich gar nicht vor.

Nun sind aber gerade in Alltagssituationen immer wieder Menschen gefragt, die mutig ihre Stimme erheben gegen Ungerechtigkeiten, Diskriminierung, antidemokratische

Verhaltensweisen. Eben Menschen, die aufstehen, sich einmischen, nicht zu- bzw. wegsehen, wenn vor ihren Augen Unrecht passiert. Alltägliche Diskriminierungen von Migranten/innen, anders Denkenden, Schwächeren in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz oder in der Schule nicht als gegeben hinzunehmen, nicht als Nichtigkeiten abzutun, sondern einzugreifen, sich dagegen zu wehren und sich einzusetzen für einen respektvollen Umgang miteinander, dazu braucht es Menschen mit Mut, Alltagshelden/innen eben.

Ziel dieser Unterrichtseinheiten ist es, Schüler/innen zu ermutigen in ihrem Lebensbereich Zivilcourage zu zeigen, indem Kompetenzen für ein wertorientiertes demokratisches Handeln aufgezeigt und vor allem mit dramapädagogischen Methoden praktisch geübt werden.

Zivilcourage - Begriffsdefinition2

Der Begriff Zivilcourage stammt aus dem Französischen und verknüpft zwei Arten von mutigem Handeln, und zwar Courage civil, den Mut des Einzelnen zum eigenen Urteil, und Courage civic, den staatsbürgerlichen Mut. Bismarck hat den Begriff verwendet, als er im preußischen Landtag wegen einer Wortmeldung ausgepfiffen worden war, verwendet, indem er anmerkte: „Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut, aber man wird es nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.“3 Bismarck verstand also

Zivilcourage als bürgerliches Pendant zur militärischen Tugend – wie der Soldat über Tapferkeit, so sollte der Bürger über Zivilcourage verfügen.

Der Begriff „Mut“ ist im 19.Jahrhundert sehr eng mit Männlichkeit verknüpft, sowohl in Bezug auf die militärischen „Tugenden“ als auch im Zusammenhang mit den zivilen.4 Der Soldat wie der Bürger müssen bereit sein, für den Staat ihr Leben zu opfern. Mutige Frauen kann es in keinem der beiden Bereiche geben, da sie nicht als Staatsbürgerinnen gelten und auch keine staatsbürgerlichen Rechte besitzen. Für sie bleibt der häusliche Bereich, das Private, wo Zivilcourage keinen Platz hat. Mutige Frauen, die sich politisch oder sozial engagierten, wurden daher oft als unweiblich bzw. „vermännlicht“ dargestellt. Ihr Einsatz in

1 http://www.psychologie.uzh.ch/zivilcourage, Aufruf: 24.06.2008

2 ZITZMANN, Christina: Alltagshelden. Aktiv gegen Gewalt und Mobbing – für mehr Zivilcourage.

Praxishandbuch für Schule und Jugendarbeit, Schwalbach /Ts 20072 (Wochenschau Verlag), S.35-38 und MEYER, Gerd: Was heißt mit Zivilcourage handeln?, in: MEYER, Gerd / DOVERMANN, Ulrich / FRECH, Siegfried / GUGEL, Günther (Hrsg.): Zivilcourage lernen. Analysen – Modelle – Arbeitshilfen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S.22-41

3 zitiert in: MEYER, Gerd (2004), S.22

4 WEISS, Alexandra: Held/ -in Tirol. Bericht über die Genderaspekte der einzelnen Themen, Innsbruck 2009, S.1

(2)

Politik, Gesellschaft und Kultur wurde vielfach als aggressiv, abnormal und lächerlich abqualifiziert.5

Heutzutage gibt es viele unterschiedliche Zugänge bei der Begriffsbestimmung von

Zivilcourage. Je nach wissenschaftlicher Disziplin wird gemäß dem Forschungsschwerpunkt ein bestimmter Aspekt des Begriffs besonders betont. Unter Zivilcourage versteht man im Allgemeinen ein „mutiges Handeln“, mit dem jemand seinen Unmut über etwas ohne Rücksicht auf mögliche Nachteile oder Risiken für sich selbst durch aktives Handeln oder Eingreifen zum Ausdruck bringt.

Methodische Überlegungen

Unter Wissenschaftlern/innen wird auch darüber diskutiert, ob Zivilcourage eine Personeneigenschaft ist oder eine Fähigkeit darstellt, die gelernt werden kann. Ich bin einerseits davon überzeugt, dass Zivilcourage und die damit verbundenen Kompetenzen wie das Empfinden von Gerechtigkeit, das Bewusstsein für demokratische Werte,

Verantwortungsgefühl, das Erkennen von eigenen Stärken und Schwächen, Selbstsicherheit - um nur einige aufzuzählen - durch gezielte Unterrichtsprogramme gefördert und entwickelt werden können. Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass das Erwerben von Kompetenzen- nicht nach ein paar Unterrichtsstunden abgeschlossen ist, sondern meist sehr viel mehr Zeit

erfordert. Drama- bzw. theaterpädagogische Unterrichtseinheiten, wie sie hier im Folgenden vorgestellt werden, geben Impulse, die Lernprozesse initiieren, die zur Förderung und Entwicklung von personalen und sozialen Kompetenzen beitragen.

In meiner langjährigen Erfahrung mit dem Theater der Unterdrückten nach Augusto Boal und hier vor allem mit dem Forumtheater habe ich als Spielende und als Spielleiterin erlebt, dass zivilcouragiertes Handeln durchaus geübt und dass Theater als Probebühne für ein

Einschreiten, ein sich Einsetzen und sich Wehren im Alltag genützt werden kann.

1. Alltagshelden/innen – wer ist denn das?

Teilnehmer/innen: TN Kleingruppe: KG Gruppenmitglied: GM

Leitung: L

Einstimmung

Ziele:

• Aktivieren und Sammeln von Vorwissen der TN

• Anregung zu kreativem Denken und Formulieren

• Sensibilisierung der Wahrnehmung für sich und andere

• Aktivierung und Sensibilisierung von verschiedenen Sinnen

Begriffsassoziation Beschreibung:

5 WEISS, Alexandra (2009), S.2

(3)

Die L schreibt auf ein Plakat oder an die Tafel: Ein Alltagsheld / eine Alltagsheldin ist für mich … Die TN notieren nun ca. 2 – 3 Minuten lang auf Post-its alle Eigenschaften, Assoziationen, die ihnen rund um den Begriff spontan einfallen (1 Post-it pro Eigenschaft).

Dann bilden die TN KG (max. 4) und besprechen das Ergebnis der Begriffsassoziation mit Hilfe folgender Leitfragen: Gibt es Begriffe, die jede/r erwähnt, welche Begriffe kommen öfter vor, welche nur einmal?

„Waffen einer Alltagsheldin / eines Alltagshelden“

Beschreibung:

Das Analysegespräch zur Begriffsassoziation wird zusammengefasst. Die KG fertigt nun einen Brustpanzer für ihre Alltagshelden. Dazu wird ein ca. 2 m langer Streifen Packpapier in der Mitte gefaltet und in der Mitte der Faltkante wird ein Halbkreis ausgeschnitten. So kann ein GM das Papier wie einen Brustpanzer anziehen, auf den die Eigenschaften geklebt werden.

Für die Präsentation im Plenum nehmen die „Modellhelden/innen“ auch eine passende Körperhaltung ein. Jede KG stellt nun ihre/n Alltagshelden/in vor, z.B.: Die Waffen unserer Heldin sind …, unsere Heldin ist …

Spots in movement 1: Eigenschaften von Alltagshelden/innen verkörpern Beschreibung:

Die TN bewegen sie sich zu Musik durch den Raum. Wenn die Musik stoppt, bilden sie blitzschnell Paare und verkörpern ohne zu reden miteinander Eigenschaften wie Fleiß, Mitgefühl, Mut, Widerstandsgeist, Verantwortungsgefühl, Selbstbewusstsein, bzw.

Eigenschaften, die in der Begriffsassoziation genannt wurden. Sie nehmen ohne zu reden Haltungen ein, die für sie diesen Begriff zum Ausdruck bringen und stimmen sie aufeinander ab und frieren dann ein. Wenn die Musik wieder erklingt, lösen sich die TN aus der Freeze - Position und gehen wieder einzeln durch den Raum bis zum nächsten Musikstopp.

Spots in movement 2: Eigenschaften von Alltagshelden/innen in Szene setzen Beschreibung:

Die TN bewegen sie sich zur Musik durch den Raum. Wenn die Musik stoppt, bilden sie blitzschnell Paare oder Dreiergruppen. Die Aufgabe heißt nun: Spielt eine laute Szene! D.h.

die TN improvisieren spontan eine kurze Szene, in der es laut zugeht. Wenn die Musik wieder erklingt, lösen sich die TN aus der Szene und gehen wieder einzeln durch den Raum bis zum nächsten Musikstopp. Weitere Spielaufgaben: Spielt eine mutige, tapfere, engagierte,

aufopfernde, riskante, fleißige, leise Szene. Je nach Spielfreude der Gruppe sind mehrere Durchgänge möglich.

Einstieg ins Thema

Fang mich auf!

Ziele:

• Sensibilisieren der Wahrnehmung für sich und andere

• Kooperationsbereitschaft fördern und entwickeln

• Fördern der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für die Mitspielenden

Beschreibung:

Jede/r TN zieht eine Nummer (L hat die Zahlen auf einem Zettel vermerkt) und behält diese für sich. Dann gehen alle durch den Raum (wie auf einem Marktplatz). Wenn die L eine Zahl

(4)

nennt, muss TN mit dieser Zahl langsam in Ohnmacht fallen. Die Aufgabe der Mitspielenden ist es, diese Person aufzufangen, bevor sie zu Boden fällt. Werden Personen nicht

aufgefangen, bleiben sie am Boden liegen. Die L nennt nach zwei / drei Runden mehrere Zahlen gleichzeitig.

Variante:

Die TN gehen durch den Raum und entscheiden selbst, wann sie in Ohnmacht fallen und machen das mit einem lauten Seufzer oder Hilfeschrei. Dabei ist es wichtig, dass die einzelnen TN zunächst ein Gespür für die Gruppe im Gehen entwickeln und nicht alle gleichzeitig in Ohnmacht fallen.

Buchstabieren von Zivilcourage Beschreibung:

Die TN bilden Dreiergruppen. Sie schreiben auf ein DINA-3-Blatt mit einem Plakatstift die einzelnen Buchstaben von Zivilcourage von oben nach unten auf das Blatt. Dann schreiben sie zu den einzelnen Buchstaben, Worte, Satzteile, die ihnen dazu einfallen. Z.B. Z „wie zu Hilfe eilen“ oder „zupacken“, I wie „Initiative ergreifen2, etc.

Die Blätter werden aufgehängt und die einzelnen Gruppen „buchstabieren“ den Begriff im Plenum.

Stellung beziehen / Positionslinie Ziele:

• Verbalisieren von Voreinstellungen zu einem Thema

• Möglichkeit, persönliche Erfahrungen, Sichtweisen, Einstellungen mitzuteilen und zu begründen

• Sichtbarmachen von verschiedenen Standpunkten über die Positionierung im Raum

Beschreibung:

Mit einem Malerabdeckband wird eine Linie durch den Raum gezogen. Am einen Ende legt die L ein Blatt Papier mit dem Wort „ja“ am anderen Ende eines mit „nein“. Die Mitte der Linie steht für den Standpunkt „unentschieden“. Die L liest nun Aussagen vor, zu denen sich die TN auf bzw. neben der Linie positionieren sollen (ja = ich stimme zu, nein = ich stimme nicht zu). Sie beziehen also im wörtlichen Sinn „Stellung“. Wenn alle stehen, geht die L herum und tippt einzelne TN an, die dann ihren Standpunkt begründen: „Ich stehe jetzt hier, weil …“

Mögliche Aussagen:

- Wenn sich zwei streiten, sollte man sich nicht einmischen.

- Probleme anderer Leute gehen mich nichts an.

- Außenseiter sind an ihrer Situation meistens selber Schuld.

- Wenn jemand meinen Freund/meine Freundin blöd anredet, dann stehe ich ihm/ihr bei.

- Bei einer Schlägerei auf der Straße mische ich mich lieber nicht ein, wer weiß, vielleicht wird es dann für mich auch noch gefährlich.

- Wenn im Supermarkt eine Mutter ihr Kind schlägt, spreche ich sie nicht an, sie wird schon einen guten Grund dazu haben.

- Wenn ein Lehrer/eine Lehrerin Mitschüler/innen ungerecht behandelt, halte ich den Mund, sonst bin das nächste Mal ich dran.

Eine alltägliche Geschichte zu „Zivilcourage“

Ziel:

• Persönliche Definition finden

• Herstellen der Verbindung zu den Lebenswelten der TN

(5)

Beschreibung:

Die TN stellen sich vor, sie schreiben an einen Freund / eine Freundin einen Brief und erzählen ihr/ihm darin von einer Situation, in der sie Zivilcourage erlebt haben, sei es in der Schule, zu Hause, in der Öffentlichkeit, beim Sport. Wichtig dabei ist es, den TN bewusst zu machen, dass es hier um Zivilcourage im Alltag geht und dass es Erlebnisse sein können, bei denen man selbst beteiligt war als Betroffene/r oder als Zeuge/in. Die Briefe werden mit der Schrift nach untern in die Mitte des Raums gelegt. Dann nehmen alle je einen Brief und lesen ihn für sich. Anschließend gibt es eine Lesung von Briefen auf freiwilliger Basis.

Definitionen von Zivilcourage Beschreibung:

Im Anschluss daran, diskutieren die TN im Plenum darüber, welche Aussagen bzw.

Geschichten für sie den Begriff „Zivilcourage“ definieren.

Anschließend werden die persönlichen Definitionen mit den Definitionen (M1) von Lexika und Wissenschaftlern verglichen.

Wertetauschbörse Ziele:

• Sich eigene Lebenswerte und Wertmaßstäbe bewusst machen und für sie eintreten

• sich mit den Werten anderer auseinandersetzen (Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen)

Beschreibung:

Die TN erhalten von der L fünf Kärtchen, auf denen sie die für sie wichtigsten Werte notieren.

Die L sammelt die beschriebenen Kärtchen in einem Korb oder einer Schachtel. Daraus ziehen die einzelnen TN dann mit geschlossenen Augen fünf Kärtchen. Die TN setzen sich nun in zwei Stuhlreihen gegenüber. In den folgenden zwei Minuten versuchen die TN diese Werte, die ihnen wichtig sind, bei ihrem Partner / ihrer Partnerin einzutauschen. Sie müssen dabei argumentieren bzw. begründen, warum sie die Wertkarte haben möchten, warum ihnen ein Wert wichtig ist und welchen Wert sie dafür bereit sind abzutreten. Manchmal können sogar zwei Wertkarten für einen besonders begehrten persönlichen Wert gesetzt werden.

Dann wird gewechselt, indem die TN der Reihe A um eine Person weiterrücken. Mehrmalige Wechsel.

Im Plenum erfolgt anschließend ein kurzer Austausch darüber, welche Werte den einzelnen wichtig sind, für welche sie einstehen, aufstehen, sich einsetzen, kämpfen würden.

Personifizierte Werte Beschreibung:

Die TN überlegen sich, welcher Wert in ihrem Leben der absolut wichtigste ist, und warum.

Sie finden für ihren Wert eine Haltung, eine Geste, einen Gang. So bewegen sie sich durch den Raum und wenn sie einer anderen Person begegnen, bleiben sie stehen und sagen z.B.:

„Ich bin die Toleranz.“ Auf diese Weise finden sich die TN in Kleingruppen zusammen, die gleiche oder ähnliche Werte verkörpern. In den KG werden Argumente gesammelt, warum dieser Wert besonders wichtig ist. Dann stellen sich die Gruppen so auf, dass sie einander sehen können. Jede Gruppe bekommt eine Nummer zugeteilt. Wenn die L die Nummer aufruft, treten die Sprecher/innen der Gruppen einen Schritt vor und preisen ihren Wert an, während der Rest der Gruppe den Wert verkörpert, bis das Rufen einer neuen Nummer sie

(6)

unterbricht. Es besteht auch die Möglichkeit, die Gruppe zu wechseln, wenn einen deren Argumente überzeugen.

Arbeiten mit einer Bildquelle zu Zivilcourage (BQ)

Ziele:

- Genaues Sehen

- Unterscheiden zwischen Sehen, Beschreiben, Interpretieren - Fragen an BQ stellen

- Genaue Wahrnehmung fördern

- Rezeption und Rezeptionsschritte deutlich machen (welche Eindrücke hinterlässt die BQ)

- Einfühlendes Verstehen fördern: sich über BQ in das darauf festgehaltene Geschehen einfühlen: in Zeit, Ort, Personen, Ereignis (Wann, Wo, Wer, Was)

Bilder lesen Beschreibung:

BQ (M2) von links oben nach rechts unten Zeile für Zeile lesen. Dabei alle Einzelheiten genau registrieren. Dann die Augen schließen und BQ auf eine innere Leinwand projizieren.

Inneres Bild wirken lassen. Die Augen öffnen, inneres Bild mit dem äußeren vergleichen.

Sehen – deuten - werten Beschreibung:

Zu zweit. A beobachtet B genau. Dann sagt A, was er / sie sieht: du hast blonde Haare, du lächelst, du kneifst die Augen zusammen, du schaust weg, du drehst einen Kopf (B bleibt zuerst statisch und macht dann kleine Veränderungen in Mimik, Gestik, Haltung, jeweils nur eine, dann setzt sie / er wieder ein STOPP). Deuten wäre: du hast schöne Haare, du bist glücklich, du siehst schlecht, du willst mich nicht sehen, du schaust lieber wo anders hin.

Bilder erzählen Beschreibung:

Zu zweit. A ist blind. B beschreibt ihm / ihr die BQ, als müsste es für einen blinden Freund, eine blinde Freundin geschehen, also möglichst detailgerecht. Dabei ist es wichtig, nur mitzuteilen, was tatsächlich zu sehen ist.

Unterschied zwischen Beschreiben und Interpretieren deutlich machen: ich sehe einen Mann am Fenster, der auf die Straße schaut (Sehen). Ich sehe einen mächtigen Mann am Fenster, der angespannt auf die Straße schaut (Interpretieren).

Bilder wirken lassen Beschreibung:

TN notieren für sich, welche Gedanken, Assoziationen ihnen beim Betrachten der BQ durch den Kopf gehen, schreiben sie auf.

TN notieren für sich, welche Gefühle beim Betrachten der BQ auftauchen, schreiben sie auf.

TN notieren für sich, welche Körperreaktionen das Betrachten der BQ bei ihnen auslöst, schreiben sie auf.

Danach gibt es einen Austausch zu zweit und schließlich werden blitzlichtartig Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen veröffentlicht.

Bilder befragen Beschreibung:

(7)

Die TN formulieren Fragen an das Bild:

- Ich wundere mich, ob / über … - Ich möchte gerne wissen, ob … - Ich frage mich, ob …

Bilder beleben Beschreibung:

TN wählen sich eine Person auf der BQ und schreiben für sie eine kurze Rollenbiographie:

Name, Alter, Herkunft, politische Einstellung, Wünsche, Ängste.

TN gehen durch den Raum und werden langsam zu einer Person auf der BQ, finden einen Gang, eine Haltung für sie, beginnen den inneren Monolog, Gedanken der Person laut vor sich hin zu reden. Bei STOPP der Leitung bleiben sie stehen und frieren kurz ein. Dann erklären sie aus dieser Haltung heraus, was auf dem Bild gerade passiert und warum.

Variante:

Die TN erhalten eine Kopie des Bildes und fügen für die jeweiligen Personen am Bild Sprech- bzw. Gedankenblasen ein.

Variante:

Blickpunktwechsel Beschreibung:

Die TN sprechen als Personen auf der gegenüberliegenden Straßenseite über die Gruppe am Bild bzw. als Person, die die Szene hinter einem Fenster beobachtet.

Bilder bespielen Beschreibung:

Kleingruppen (max. 6 Personen). Die TN stellen in Kleingruppen die BQ in einem Standbild nach. Die einzelnen Gruppen erhalten Nummern von 1-5 (je nach Großgruppengrößen). Wenn die Leitung die jeweilige Nummer aufruft, wird das Bild lebendig und die TN improvisieren Dialoge, Gespräche, Aussagen, etc. bis zum STOPP der Leitung, die nächste Nummer wird aufgerufen und es erfolgt die spontane Improvisation der nächsten Gruppe, usw.

Blitzforum Ziele:

• Handlungsmöglichkeiten ausprobieren

• Spielräume ausloten und erweitern

Beschreibung:

Eine KG improvisiert die Szene auf dem Bild. Wenn sie dann die Szene ein zweites Mal spielt, können die Zuschauer/innen STOP rufen und anstelle der Person mit dem hellbraunen Mantel auf die Bühne gehen und eine andere Handlungsmöglichkeit ausprobieren. Die Szene wird sooft gespielt, wie es Ideen zur Veränderungen im Publikum gibt.

Literaturtipps:

DAMBACH, Karl E.: Zivilcourage lernen in der Schule, München 2005 (Reinhardt Verlag) ENGELMANN, Reiner und Anne/ HERZ, Otto (Hrsg): Zivilcourage jetzt!, Würzburg 2002 (Arena Verlag)

KÜHNE, Ulrich (Hrsg): Mutige Menschen. Frauen und Männer mit Zivilcourage, München 2006 (Sandmann)

(8)

MAYR, Katja/ PETER, Eva/ RIED, Claudia/ TASSER Marlies: Alltagshelden –Zivilcourage, Ausarbeitung einer Unterrichtseinheit im Rahmen der Lehrveranstaltung

„Dramapädagogische Konzepte für Geschichte und Politische Bildung“, Innsbruck 2007 MEYER, Gerd / DOVERMANN, Ulrich / FRECH, Siegfried / GUGEL, Günther (Hrsg.):

Zivilcourage lernen. Analysen – Modelle – Arbeitshilfen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004 (http://www.bpb.de/publikationen/K74L8K,0,0,Zivilcourage_lernen, unter dieser Adresse kann die Publikation auch im PDF-Format herunter geladen werden)

SINGER, Kurt: Zivilcourage wagen. Wie man lernt, sich einzumischen, München 20033 (Reinhardt Verlag)

ZITZMANN, Christina: Alltagshelden. Aktiv gegen Gewalt und Mobbing – für mehr Zivilcourage. Praxishandbuch für Schule und Jugendarbeit, Schwalbach /Ts 20072 (Wochenschau Verlag)

Linktipps:

http://www.friedenspaedagogik.de/themen/zivilcourage?/ift/themen/zivilcourage

http://www.bpb.de/publikationen/K74L8K,0,0,Zivilcourage_lernen%3A_Analysen_%96_Mo delle_%96_Arbeitshilfen.html

http://www.psychologie.uzh.ch/zivilcourage/

http://www.schaunichtweg.at/Imp.htm

(9)

Materialien

M1: Definitionen (D) von Zivilcourage

D1: Mutiges Verhalten im Alltag, mit dem jemand seinen Unmut über etwas ohne Rücksicht auf mögliche Nachteile gegenüber Obrigkeiten, Vorgesetzten oder Ähnlichem zum Ausdruck bringt.

Duden

D2: Zivilcourage setzt sich aus den beiden Wörtern zivil (lateinisch civilis, 1. bürgerlich – nicht militärisch, 2. anständig, annehmbar) und courage (französisch „Mut“) zusammen. Das kann als „Bürgermut “ übersetzt werden und meinte ursprünglich wohl entsprechendes Auftreten anstelle uniformierter Autoritäten (Militär, Polizei).

http://de.wikipedia.org/wiki/Zivilcourage, Aufruf: 26.05.2009

D3: Nach Gerd Meyer ist Zivilcourage ein spezifischer Typus sozialen Handelns, das sich in spezifischen Situationen, in unterschiedlichen sozialen Kontexten, und Öffentlichkeiten vollzieht, indem eine Person (seltener eine Gruppe) freiwillig eintritt für die legitimen, primär nicht-materiellen Interessen und die personale Integrität vor allem anderer Personen, aber auch des Handelnden selbst, und sich dabei an humanen und demokratischen Prinzipien orientiert.

MEYER, Gerd: Was heißt mit Zivilcourage handeln?, in: MEYER, Gerd / DOVERMANN, Ulrich / FRECH, Siegfried / GUGEL, Günther (Hrsg.): Zivilcourage lernen. Analysen – Modelle – Arbeitshilfen. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2004, S.22-41

D4: (Zivilcouragiertes Handeln) vollzieht sich in Notsituation und verfolgt die Bekämpfung kritikwürdiger Zustände. Zivilcouragiertes Handeln nimmt keine Rücksicht hinsichtlich eigener Risiken oder Nachteile. die wahrgenommene Verletzung ethisch-moralischer Werte stellt den zentralen Handlungsimpuls dar, basierend auf humanen und demokratischen Grundwerten.

ZITZMANN, Christina: Alltagshelden. Aktiv gegen Gewalt und Mobbing – für mehr Zivilcourage. Praxishandbuch für Schule und Jugendarbeit, Schwalbach /Ts 20072 (Wochenschau Verlag), S.36

(10)

M2:

Abbildung zitiert in:MAYR, Katja/ PETER, Eva/ RIED, Claudia/ TASSER Marlies: Alltagshelden – Zivilcourage, Ausarbeitung einer Unterrichtseinheit im Rahmen der Lehrveranstaltung „Dramapädagogische Konzepte für Geschichte und Politische Bildung“, Innsbruck 2007

(11)

2. Ich steh auf und misch mich ein: Forumtheater als Probebühne für Zivilcourage

Methodische Überlegungen

Weil die Theaterarbeit des brasilianischen Regisseurs und Theaterpädagogen Augusto Boal in diesem Unterrichtsvorschlag eine zentrale Rolle spielt, soll sie hier kurz vorgestellt werden.

Theater ist für Boal keine kulturelle Veranstaltung, die an einen bestimmten Ort gebunden ist, von wenigen Schauspielern veranstaltet wird und einem vorwiegend intellektuellen Publikum zur Erbauung dient. Nach Boal besitzt jeder Mensch die Fähigkeit, Theater zu spielen, jeder Ort – ob Bahnhof, Kaffeehaus oder Supermarkt – kann zum Spielplatz werden. Inhalte dieses Theaters sind die Alltagserfahrungen und alltäglichen Lebenssituationen der Mitwirkenden.6 Im „Theater der Unterdrückten“ wird die Theaterrealität, die gleichzeitig die äußere Realität widerspiegelt, als in Veränderung begriffen und veränderbar gezeigt.7

Boal meint, es genüge nicht zu wissen, dass die Welt verändert werden soll; wichtig sei, sie tatsächlich zu verändern.8 Dazu wollen die von ihm entwickelten Techniken beitragen, wie etwa das Bilder-, Forum- und Zeitungstheater. Das „Theater der Unterdrückten“ will keine Befreiungsrezepte anbieten, auch keine vorgefertigten Lösungen:

„Theater der Unterdrückten heißt Auseinandersetzung mit einer konkreten Situation, es ist Probe, Analyse, Suche.“9

Grundsätzliches zu Forumtheater

Forumtheater eignet sich dazu, auf demokratische Weise ein politisches, soziales und

persönliches Thema zu erarbeiten, um Erfahrungen für eine konkrete Problembewältigung in der Zukunft zu sammeln. Im Modell werden alltägliche Konfliktsituationen durchgespielt mit dem Ziel, Menschen aus der passiven Rolle zu befreien und sie dabei zu unterstützen

Lösungsstrategien zu finden.

Bei der Aufführung der Modellszene wird das Publikum (= Forum) eingeladen, Stellung zu beziehen, über Lösungsvorschläge nachzudenken und diese vor allem auf der Bühne auszuprobieren. Jede/r von uns trägt Lösungsmuster für Problemsituationen in sich. Diese können als Ressourcen für Veränderungen genützt werden.

Die Modellszene wird immer wieder gespielt, wobei die Schauspieler/innen versuchen, sie unverändert zu Ende zu bringen, während die SpielerInnen aus dem Publikum sich bemühen, den Ablauf zu beeinflussen, indem sie ihre Lösungsideen auf der Bühne zeigen.

„...Die Schauspieler präsentieren 'die Welt, so wie sie ist', und tun alles, damit sie so bleibt - bis ein Zuschauer aufspringt und sie verändert in eine 'Welt, wie sie sein könnte'..."10

Meine bisherige Erfahrung mit dieser Theaterform hat gezeigt, dass sie ein ideales Lernfeld bietet soziale Kompetenz zu erweitern, da sie sowohl das Erkennen von alten und starren Verhaltensmustern ermöglicht als auch das Ausprobieren von neuen Haltungen. Themen wie Partizipation im Mikrokosmos der Schulpolitik, Konfliktkultur in der Familie und in der

6 ALTSTAEDT, Ingeborg / GIPSER, Dietlinde: Animationstheater in der Sozial- und Behindertenpädagogik? in:

RUPING, Bernd (Hg.): Gebraucht das Theater. Die Vorschläge von Augusto Boal. Lingen-Remscheid 1991, S.33

7 FELDHENDLER (1992), S. 30

8 BOAL, Augusto: Theater der Unterdrückten. Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler, Frankfurt am Main 1979, S.69

9 BOAL (1979), S. 68

10 BOAL (1979), S.83

(12)

Klassengemeinschaft, Zivilcourage in Alltagssituationen, Aufzeigen von sozialer

Ungerechtigkeit und Benachteiligung können auf diese Weise sehr gut bearbeitet werden, zumindest wird die Sensibilität für Problemsituationen geweckt.

Beim Forumtheater stehen die Schauspieler/innen im Mittelpunkt. Sie greifen auf ihre

Erfahrungen und Handlungsmodelle zurück, setzen ihre Probleme in Szenen um, können ihre eigenen Konflikte auf der Bühne ausagieren. Forumtheater bietet die Möglichkeit, sich Verhaltensmuster während des Spiels bewusst zu machen.

Das Theater der Unterdrückten geht von der Grundannahme aus, dass die Welt veränderbar ist und die Menschen ein Leben lang lernfähig sind. Da es handlungsorientiert ist, bietet es einen sehr optimistischen Ansatz. Man geht von der weit verbreiteten Einstellung weg, dass die anderen Schuld sind und dass man gegen die „Mächtigen“ sowieso nichts ausrichten kann, und als einzelne/r schon gar nicht.

Forumtheater zeigt, dass Veränderungen von jenen ausgehen müssen, denen irgendwelche Lebensumstände nicht passen, und verstärkt die Einstellung, dass die kleinsten Schritte bereits Veränderung bewirken. Die Spieler/innen erfahren, dass bereits die Nuance einer

Verhaltensänderung gegenüber einem Mitmenschen Auswirkungen hat, und erleben, dass man Eigenschaften, wie z.B. Mut oder selbstsicheres Auftreten üben kann.

Im Spiel kommt es auch immer wieder zu komischen Momenten, wodurch sich angespannte und problembelastete Situationen entdramatisieren. Es wird dadurch deutlich, wie das Annehmen einer Herausforderung und das Lösen von Schwierigkeiten auch Spaß machen kann.

Einstimmen

Ziele:

• Sensibilisieren der Wahrnehmung für sich und andere

• Sensibilisieren aller Sinne

Alltagshaltungen bewusst machen

Förderung von Präsenz, Wachheit, Konzentration Sieh, was du sehen kannst:

Beschreibung:

Die TN stehen sich paarweise gegenüber. Es wird ausgemacht, wer A und wer B ist, A sieht B ganz aufmerksam an und schließt dann die Augen. B verändert währenddessen eine

Kleinigkeit an ihrem / seinem Aussehen. A öffnet die Augen und versucht herauszufinden, was verändert wurde. Wechsel.

Hör, was du hören kannst Beschreibung:

A schließt die Augen. B führt sie / ihn durch den Raum nur durch Rufen des Namens. Der Abstand kann bei zunehmender Sicherheit von A verändert werden. Zuerst ist es wichtig, dass A das Gefühl von Vertrauen zu B entwickeln kann. Die Lautstärke der Stimme soll variieren.

Oberste Regel ist Behutsamkeit, Achtsamkeit für den Partner / die Partnerin. Wechsel.

Spiegeln Beschreibung:

Die TN stehen sich in 2 Reihen gegenüber. Reihe A ist Spiegel für Reihe B. Die Aufgabe besteht darin, möglichst genau sein Gegenüber zu spiegeln (Mimik, Bewegungen). Wechsel.

(13)

Zunächst stellen sich die TN vor, dass sie in einen Rasierspiegel, dann in einen

Badezimmerspiegel, schließlich in den Spiegel der Umkleidekabine eines Modegeschäfts schauen. Es besteht auch die Möglichkeit den Blick in einen Zerrspiegel, der Mimik und Bewegungen vergrößert oder verkleinert, zu wagen. Reihe A und B wechseln sich als Spiegel und Gespiegelte jeweils ab. Es können auch die Partner/innen gewechselt werden, indem die Reihe A rechts um eine Partnerin weitergeht.

Statuen doppeln Beschreibung:

A ist blind. B nimmt eine bestimmte Haltung ein. A versucht vorsichtig tastend herauszufinden, welche Haltung B einnimmt, imitiert sie und stellt sich neben A.

Gleichgewicht halten / Widerstand spüren Beschreibung:

Die TN gehen paarweise zusammen, stehen sich gegenüber und achten darauf, dass sie einen guten Stand haben (Füße schulterbreit auseinander, Knie leicht gebeugt). Dann versuchen sie, durch Anklatschen der Hände einander aus dem Gleichgewicht zu bringen.

In einem weiteren Schritt sollen sie Stellungen finden, in denen sie im Gleichgewicht bleiben können, wobei die Handflächen aneinander liegen. Es soll auch darauf geachtet werden, welche Körperteile dabei verspannt bzw. angespannt sind und ob es möglich ist, die Spannungen loszulassen und trotzdem im Gleichgewicht zu sein.

Kräfte messen / Widerstand spüren Beschreibung:

Die TN gehen paarweise zusammen, stellen sich Rücken an Rücken auf und versuchen dabei, die/den andere/n durch Schieben und Drücken von ihrem / seinem Platz zu verdrängen.

Einstieg ins Thema

Hypnotisieren / Macht - Ohnmacht Ziel:

• über die eigene Haltung den Status Mächtiger / Machtloser spüren

Beschreibung:

Die TN gehen zu zweit zusammen. A hält B die Hand vor das Gesicht, B soll immer

möglichst den gleichen Abstand zur Handfläche beibehalten. A führt so B durch den Raum.

Wechsel. Dann zu dritt. A führt B und C mit beiden Händen. Wechsel. Austausch: „Wie ging es mir beim Führen, beim Geführt-Werden? Was war für mich leichter, schwieriger?“

Variante:

Hypnotisieren zu dritt: A führt B und C mit rechter und linker Hand. Wechsel.

Sich gegenseitig führen: A führt B mit einer Hand, während B mit einer Hand A führt.

Austausch: Wie ging es mir beim Führen, beim Geführt-Werden? Was war für mich leichter, schwieriger? Welche Gedanken gingen mir dabei durch den Kopf, welche Bilder,

Assoziationen tauchten auf. Welche Erfahrungen brachte das sich gegenseitig Führen?

Sammeln von Konfliktthemen

(14)

Themen finden Beschreibung:

Die TN machen vorher Übungen aus „Alltagshelden/innen: Zivilcourage“, wie z.B. das

„Arbeiten mit der Bildquelle“ oder „Eine alltägliche Geschichte zu Zivilcourage“. Sie überlegen sich dann in einem zweiten Schritt, welche Situationen aus ihrem Alltagsleben ihnen dazu einfallen, die sie als Beteiligte oder als Betroffene bearbeiten möchte.

Betroffenheit kann bedeuten, dass man als Zeuge/in eine solche Situation erlebt hat, als Täter/in oder als Opfer. Außerdem kann aus Solidarität mit Betroffenen ein Konfliktthema bearbeitet werden. Wichtig ist, dass die TN ein konkretes Anliegen in einer Szene umsetzen, dass sie Interesse an Lösungsimpulsen bzw. -vorschlägen haben.

Die Leitung sammelt die Themen auf einem Plakat. Dann entscheiden sich die SpielerInnen für die beiden Themen, die ihnen am wichtigsten sind, indem sie mit einem Farbstift Punkte vergeben (2 Punkte für Erstwahl, 1 Punkt für Zweit-/ Kompromisswahl). Die TN bilden KG zum jeweils bevorzugten Thema.

Je nach Gruppengröße werden zwischen 2 bis 4 Themen in Szenen bearbeitet.

Stellen von Konfliktstatuen Beschreibung:

Die Mitglieder der KG stehen jeweils einer/m Bildhauer/in für ein Standbild zum gewählten Problem als „Material“ zur Verfügung. Wichtig dabei ist, einen möglichst persönlichen, konkreten Zugang zum Überthema wiederzugeben. Auf diese Weise entstehen 4 bis 5 verschiedene Statuen, die die Sichtweise der einzelnen aufzeigen. Das Bilderstellen erfolgt ohne Worte.

Im Austausch über die Standbilder werden die einzelnen gefragt, wie sie sich im Standbild, in der ihnen zugedachten Haltung gefühlt hätten, welche Gedanken ihnen dabei durch den Kopf gegangen seien. Dadurch erhalten die Bildhauer/innen bereits ein Feedback darüber, wie viel vom Konflikt verstanden wurde und allein durch das Konfliktstandbild deutlich wurde.

Danach diskutieren die Gruppenmitglieder, wie sie die unterschiedlichen Aspekte und Facetten des Konflikts in einem einzigen Standbild umsetzen könnten. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung ist dabei wichtig. Mögliche Auswahlkriterien dabei sind

Fragestellungen wie:

- mit welchem Standbild können sich die meisten identifizieren, - repräsentiert es möglichst viele Perspektiven des Themas,

- symbolisiert es ein besonderes Anliegen eines Gruppenmitglieds, dem sich die meisten aus Solidarität anschließen?

Das Ergebnis wird dem Plenum präsentiert.

Arbeit mit Statuenbildern Ziel:

• Mehr Klarheit über die Konfliktsituation durch das Feedback des Publikums

• Mehrdeutigkeit von Bilder erkennen

• Erweitern des eigenen Horizonts durch die Erfahrung und Betrachtungsweise anderer

Beschreibung:

folgende Arbeitsweisen mit Standbildern sind hierbei hilfreich:

- Titel – Assoziation:

Die Zuschauer/innen geben dem Standbild einen Titel.

- Wort- bzw. Satzspenden:

Die Zuschauer/innen treten hinter eine Person im Standbild und sagen ein Wort oder einen Satz, der für sie zu dieser Haltung passt.

- Innerer Monolog:

(15)

Die Spieler/innen sagen auf ein Zeichen der L laut, was ihnen in ihrer Haltung im Standbild an Gedanken durch den Kopf geht.

- Dynamisieren:

Die Spieler/innen führen auf ein Zeichen der Leitung ein Viertel des

Bewegungsimpulses, den sie in ihrer Haltung haben, in Zeitlupentempo aus, dann noch ein Viertel bis zur ganzen Bewegung.

- Verstärkung:

Die Spieler/innen verstärken ihre Haltung, indem sie z.B. Verkrampfungen übertreiben, Grimassen verstärken, vergrößern.

Szenenentwicklung

Improvisieren der Konfliktszene Beschreibung:

Die wichtigste Regel lautet: Spielen geht vor Diskutieren. Improvisieren, praktisches

Ausprobieren geht vor Theoretisieren. Beim Reden über die Szene bleibt man oft im Bereich der Vermutungen, Hypothesen, Phantasien stecken, daher empfiehlt es sich Vorstellungen über die Szene einfach zu spielen, um zu überprüfen, ob es so funktioniert.

Die TN machen sich in ihrer Vorbereitung bewusst, weshalb es in ihrer Szene zum Konflikt kommt, warum eine Person mit ihrem Anliegen nicht durchkommt, wer die Lösung blockiert und welche Verhaltensmuster und Strategien dabei angewendet werden.

Die Szene wird mehrmals improvisiert, wobei wichtige Aussagen und Stichwörter festgehalten werden.

Wichtige Fragestellungen für die Entwicklung einer Modellszene:

- Wer ist beteiligt (handelnden Personen), - wo spielt die Szene (Schauplatz),

- worin besteht der Konflikt (Handlung) - welche Veränderungswünsche gibt es?

Die Szene endet am Höhepunkt des Konflikts, dort wo der Wunsch nach Veränderung am deutlichsten sichtbar, spürbar ist. Im Rahmen eines Unterrichtsprojekts soll die Szene nicht länger als 5-7 Min. dauern.

Bilder für den Theaterfotografen Beschreibung:

Die TN entscheiden sich für zwei bis drei Standbilder, die Schlüsselsequenzen ihrer Szene wiedergeben. Bei der Auswahl der Bilder hilft die Frage: „Welche Szenenausschnitte soll der Theaterfotograf / die Theaterfotografin zur Werbung für das Stück einfangen?“ (oft sind das die Anfangs- und Schlussbilder). Gleichzeitig überlegt sich die Gruppe dabei, welche Sequenzen für die Szene essentiell sind, und wie sie am eindrücklichsten gestaltet werden können.

Titel der Szene Beschreibung:

Die GM finden einen Titel für ihre Szene. Auch diese Überlegung hilft, sich Kernaussagen noch einmal bewusst zu machen, sich klar zu werden, worin der Konflikt besteht.

Rollenbiographie Beschreibung:

(16)

Die TN entwerfen eine Kurzbiografie für die handelnden Personen, um sich über das „Wer?“

klar zu werden. D.h. um eine Person glaubhaft spielen zu können, ist es wichtig, ihr einen Namen zu geben, ihr Alter, den Beruf, die Hobbies und Familienverhältnisse zu kennen und über ihre Ängste, Erwartungen, etc. Bescheid zu wissen.

Rollentausch Beschreibung:

Die Gruppenmitglieder tauschen die Rollen, d.h. jede/r übernimmt zumindest einmal die Rolle der Protagonisten/innen bzw. der Antagonisten/innen. Auf diese Weise fühlen sich die Gruppenmitglieder in die Rollen der anderen ein, nähern sich der Szene von unterschiedlichen Perspektiven, von der Seite der Unterdrückenden und der Unterdrückten. Außerdem wird jede/r die einzelnen Rollen unterschiedlich spielen, so dass auf diese Weise Material (Aussagen, einzelne Worte, Gesten) gesammelt wird. Durch die Spielvarianten werden die Haltungen der Beteiligten plastischer, pointierter, klarer.

Die Forumphase

Für die Aufführung (= Forumphase, Forum bedeutet Publikum) sollte genügend Zeit zur Verfügung stehen, um die Modellszene mit dem Publikum analysieren und Lösungsansätze, -vorschläge ausprobieren und reflektieren zu können. Bei zeitlichen Engpässen sind auch kürzere Forumsphasen, so genannte „Blitzforen“ möglich.

Rolle des Jokers (= Spielleiter/in) Beschreibung:

Die Spielleitung (SL) hat die Aufgabe, Diskussionsbeiträge zu sammeln, und die Veränderungen, die sich durch das Einsteigen der Publikumsspieler/innen ergeben, festzuhalten. Sie achtet darauf, dass sowohl die Schauspieler/innen als auch die

Publikumsspieler/innen in der Reflexionsphase die Gelegenheit erhalten, ihre Befindlichkeit mitzuteilen, dass die Beiträge aus dem Publikum gewürdigt werden und am Ende die

Spieler/innen auch aus ihren Rollen entlassen werden.

Aufführung der Szenen Beschreibung:

Die einzelnen KG zeigen ihre Szenen im Plenum. Die Szene wird einmal durchgespielt.

Wenn die Szene das zweite Mal gespielt wird, können die Zuschauer/innen STOPP rufen und anstelle der Person mit den größten Schwierigkeiten auf die Bühne gehen und eine andere Handlungsmöglichkeit ausprobieren. Man kann alles spielen, was einem in den Sinn kommt, alles ausdrücken, was man fühlt. Körperliche Gewalt gegen die Schauspieler/innen ist jedoch verboten.

Wenn man glaubt, seine Version gezeigt zu haben, steigt man aus der Szene aus.

Es wird solange gespielt, bis dem Publikum keine Lösungsmöglichkeiten mehr einfallen, es keine Ideen zu Veränderungen mehr gibt oder die Spielvarianten nicht mehr viel Neues bringen.

In der kurzen Diskussion nach dem erstmaligen Spielen der Szene sind folgende Fragestellungen besonders relevant:

- Worin besteht der Konflikt?

- Welcher Person erging es in der vorgeführten Szene am schlechtesten?

- Welche Möglichkeiten gibt es, deren Situation zu verbessern oder zu verändern?

(17)

Reflexion Beschreibung:

Nach der Mitspielphase folgt eine Reflexionsphase. Gemeinsam wird festgehalten, welche Veränderungen sich ergeben haben, welche Lösungsstrategien praktikabel sind. Die Schauspieler/innen werden gefragt, wie sie sich in den einzelnen Mitspielszenen gefühlt haben. Die Publikumsspieler/innen teilen ihre Erfahrungen mit.

Sehr wichtig ist es auch, die Schauspieler/innen aus ihren Täter- bzw. Opferrollen zu entlassen.

Der kleinste Schritt zu einer Lösung verdient eine Würdigung. Nur so wird klar, welche Bedeutung auch minimale Ansätze zu einer Veränderung haben. Auf diese Weise kann der weit verbreiteten Meinung des "entweder Alles oder Nichts" entgegengesteuert werden.

Manchmal sind es nur graduelle Unterschiede, man muss ganz genau hinsehen und hinhören um sie zu registrieren, aber sie bringen bereits Veränderung, sie sind Lösungsansätze. So können wir unsere Wahrnehmung erweitern, und zwar um die Sichtweisen und Perspektiven der anderen.

Forumtheater geht davon aus, dass alle Beteiligten, also Schauspieler/innen, Spielleitung und Publikum, sich direkt oder indirekt in der gespielten Szene wieder finden, sich also mit einer der Rollen in der vorgeführten Szene identifizieren können. Auch wenn die gegebene

Konfliktsituation nicht selbst erlebt wurde, so können doch Parallelen zum eigenen Lebens- und Erfahrungsbereich hergestellt werden.

Literaturtipps:

BIBERMANN, Irmgard: Forumtheater im Treffpunkt Klinikpersonal in: Forumtheater in Österreich, Hrsg. v. Wrentschur Michael, Graz-Wien 1999, S.30-34; S.123-126

BIBERMANN, Irmgard: Forumtheater, in: Fernstudium und Schulentwicklung, Hrsg. v.

Kronsteiner Ursula, Innsbruck 1997, S.26-33

BIBERMANN, Irmgard: Mut kann man üben, in: Bildungspuzzle. Reflexionen zur

Weiterbildung, Hrsg. v. Eliskases Karin / Moser Hedi / Schönauer Elisabeth (= Erwachsene lernen, Bd.1), Innsbruck / Wien 1999, S.154-162

BOAL, Augusto: Der Regenbogen der Wünsche. Methoden aus Theater und Therapie, Seelze 2001 (Kallmeyer-Verlag)

BOAL, Augusto: Legislative Theatre. Using performance to make politics. London, New York 1998 (Routlege-Verlag)

BOAL, Augusto: Theater der Unterdrückten. Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler, Frankfurt am Main 1989 (Suhrkamp - Taschenbuch)

FELDHENDLER, Daniel: Psychodrama und Theater der Unterdrückten, Frankfurt am Main 1992 (verlegt bei Wilfried Nold)

FREIRE, Paulo: Pädagogik der Unterdrückten. Reinbeck bei Hamburg 1973 (rororo- Taschenbuch)

HAUG, Thomas: Das spielt (k)eine Rolle! Theater der Befreiung nach Augusto Boal als Empowerment-Werkzeug im Kontext der Selbsthilfe, Stuttgart 2005 (ibidem-Verlag) NEUROTH, Simone: Augusto Boals „Theater der Unterdrückten“ in der pädagogischen Praxis, Weinheim 1994 (Deutscher Studienverlag)

KEMPCHEN, Doris: Wirklichkeiten erkennen, enttarnen, verändern. Dialog und Identitätsbildung im Theater der Unterdrückten, Stuttgart 2001 (ibidem)

RUPING, Bernd (Hrsg.): Gebraucht das Theater. Die Vorschläge Augusto Boals.

Erfahrungen, Varianten, Kritik. Lingen - Remscheid 1991 (Bezug: Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung e.V., Küppelstein 34, 5630 Remscheid 1)

STAFFLER, Armin: Augusto Boal. Einführung. Essen 2009 (Oldib Verlag)

(18)

STAFFLER, Armin: Das Theater der Unterdrückten. Ein Beitrag zu den Kulturen des Friedens. Am Beispiel Forumtheater in der Suchtprävention, Innsbruck 2002 (Diplomarbeit) THORAU, Henry: Augusto Boals Theater der Unterdrückten in Theorie und Praxis.

Rheinfelden 1982

WIEGAND, Helmut (Hrsg.): Theater im Dialog: heiter, aufmüpfig und demokratisch.

Deutsche und europäische Anwendungen des Theaters der Unterdrückten, Stuttgart 2004

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bis zur Entscheidung über diesen Antrag dürfen Sie und Ihr Ehegatte/Lebenspartner oder Partner der eheähnlichen Gemeinschaft aus Ihrem/ihrem Einkommen und Vermögen nur

Absolute Personen der Zeitgeschichte sind Personen, welche unabhängig von Einzelereignissen kraft ihrer Stellung, ihrer Funktion oder ihrer Leistung weit im

Das Landratsamt Erding - Fachbereich Jugend und Familie rät ausdrücklich dazu, dass sich obwohl die erziehungsbeauftragte Person als auch das Kind/der Jugendliche durch eine

Kraftfahrer sind nach § 27 StVZO verpflichtet, jede Wohnungsänderung unter Vorlage der Kraftfahrzeugpapiere auch der zuständigen Zulassungsstelle zu melden. Dies gilt auch beim

© by Heidelinde Mahr 2005 ClipArts: 800 attraktive Illustrationen für Ihre Arbeitsblätter – Verlag an der Ruhr!.

➥ Falls Sie sich sp ¨ater in die Konferenz einschalten, machen Sie sich bitte am besten per Mikrofon bemerkbar, wenn Sie Fragen haben.. ➥ zur Not auch ¨uber

➥ USE ACTIVE OBJECT MAP ONLY: Objekt-IDs werden nur ¨uber Active Object Map (AOM) auf Servants umgesetzt. ➥ USE DEFAULT SERVANT: Wenn Objekt-ID nicht in

➥ Forschung: Beobachtung, Analyse und Steuerung paralleler und verteilter Systeme; Sichere Komponentensysteme.. ➥ Mentor f ¨ur die Bachelor–Studieng ¨ange Informatik