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Archiv "Ärztinnen: Selbstbehauptung in Beruf und Berufspolitik" (17.07.1989)

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DEUTSCHES

1

ÄRZTEBLATT

Ärztinnen: Selbstbehauptung in Beruf und Berufspolitik

A

n einer Hochschule in Schleswig-Holstein schreibt der Rektor zwei Stellen aus, um Lehrstühle zu besetzen:

Gesucht werden eine Urologin/ein Urologe beziehungsweise eine Chir- urgin/ein Chirurg. Kommentar des Dekans der medizinischen Fakultät:

Eine solche Ausschreibung sei unsin- nig — schließlich gäbe es für derglei- chen Stellen überhaupt keine qualifi- zierten Frauen.

Eine Episode, aufgeschnappt auf dem XXI. Kongreß des Deut- schen Ärztinnenbundes (DAB) in Bamberg. Eine Episode von vielen, die belegen: Ärztinnen haben heute nicht nur — wie ihre Kollegen auch — mit einer verschärften Arbeitsmarkt- lage zu Berufsanfang zu kämpfen.

Sie müssen sich zudem mit ge- schlechtsspezifischen Vorurteilen und Beschränkungen auseinander- setzen, die sie in der Regel ihr Be- rufsleben hindurch begleiten. Mit der Folge, daß eine Lebensplanung, die Familie und Beruf zu verbinden sucht, zusätzlich behindert wird.

Alles in allem sicher Anlaß ge- nug, auf der diesjährigen Jahresver- sammlung des Deutschen Ärztinnen- bundes zum erstenmal ein wissen- schaftliches und ein berufspolitisches Thema anzubieten. Zu ersterem wurde der Standort von „Frauen zwi- schen Aggression und Depression"

bestimmt Aber der berufspolitische Teil schien vielen Mitgliedern der in- teressantere zu sein: Er befaßte sich mit der „Ärztin 2000 — Strategien zur Bewältigung neuer Anforderungen an die Berufs- und Lebensplanung von Arztinnen".

Standespolitisches Engagement verstärken

Dr. med. Hedda Heuser-Schrei- ber, bis zur Wahl der neuen Ärztin- nenbund-Präsidentin Dr. med. Inge- borg Retzlaff amtierende Präsiden- tin, legte in ihrem Eröffnungsreferat besonderen Wert auf diesen Kon- greßteil. Sie nutzte die Gelegenheit, für ein standespolitisches Enga- gement zu werben. Berufspolitik sto- ße zwar gerade bei Ärztinnen oft auf Ablehnung; sie werde überkomme- ner Männerwirtschaft zugeordnet.

Berufspolitik sei jedoch unverzicht- bar: Was ein freier Beruf nicht selbst regele, regele der Gesetzgeber. Mit Hinweis auf die Auflösung des Präsi- diums des Deutschen Ärztetages in Berlin, in dem auch der Ärztinnen- bund Rede- und Antragsrecht hatte, meinte sie an anderer Stelle: „Wenn wir verhüten wollen, daß die Ärztin 2000 ihre Fürsprecherinnen verliert, müssen wir dafür sorgen, daß sich Kolleginnen als Delegierte in den Kammern zur Verfügung stellen." Es sei wichtig, sich zu engagieren, nach

„neuen Wegen für die Frauen in die- sem Beruf und damit für den gesam- ten Medizinbetrieb" zu suchen.

Teilzeitarbeitsmodelle

Diese Suche nach gangbaren Wegen bestimmte die Richtung in verschiedenen Arbeitskreisen. Ihr besonderes Augenmerk richteten die Mitglieder des DAB dabei auf die Themen: Selbstbehauptung von Frauen, Frauen in operativen Fä- chern, Berufs- und Lebensplanung von Frauen im ärztlichen Bereich so- wie auf die Rolle von Frauen in der Medizin. Da eine Familie mit Kin- dern und eine volle Berufsausübung für die meisten Ärztinnen derzeit kaum zu verbinden sind, stehen Teil- zeitarbeitsmodelle im Vordergrund von Zukunftsvorstellungen, aber auch Ansätze zur beruflichen Wie- dereingliederung von Ärztinnen. Al- lein zu diesem Bereich wurden meh- rere Beschlüsse verabschiedet, in de- nen Krankenhausträger, öffentliche Verwaltungen und Politiker aufge- fordert werden, solche neuen Ar- beitsformen zu unterstützen.

Dr. Erwin Hirschmann, Bundes- vorsitzender des Verbandes der nie- dergelassenen Ärzte (NAV), wies in seinem Referat darauf hin, daß den Zukunftsvorstellungen der Ärztin- nen durchaus ein Trend in ihrem Be- rufsfeld entspricht: der nämlich, sich

in Gemeinschaftspraxen oder Praxis- gemeinschaften zusammenzuschlie- ßen und neue Formen der Arbeitsge- staltung zu erproben. Daß demge- genüber im Krankenhausbereich al- les beim alten bleiben müsse, halten viele Ärztinnen für ein überholtes Vorurteil: Sie lehnen bei allem Ver- antwortungsbewußtsein das Ideal ei- nes „24-Stunden-Arztes" ab und meinen, daß weniger belastete Ärzte und Ärztinnen letztendlich mehr zum Wohle des Patienten beitragen könnten. Mit Hinweis auf erste An- sätze in bundesdeutschen Kliniken wurden in einem Beschluß Kranken- hausträger und Verwaltungen von Institutionen des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes aufgefordert, zu- nächst „für besonders geeignete Fachgebiete wie zum Beispiel Anäs- thesie, Radiologie, Pathologie, La- bormedizin und Dermatologie fami- lienfreundliche Arbeitszeitregelun- gen in unterschiedlichen Modellen zu erproben."

Wiedereingliederung in den Beruf

Darüber hinaus will sich der Deutsche Ärztinnenbund dafür ein- setzen, daß das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Ge- sundheit Ärztinnen in sein angelau- fenes Programm zur beruflichen Wiedereingliederung von Frauen aufnimmt. Entsprechende Kurse der Kaiserin-Friedrich-Stiftung seien noch nicht einbezogen und damit auch nicht finanziell abgesichert. Um die Bewältigung beruflicher Proble- me zu erleichtern, aber auch die Selbstbehauptung von Ärztinnen zu fördern, will der DÄB zukünftig Möglichkeiten der kollegialen Su- pervision anbieten. Ein solcher An- satz fand sicher nicht zuletzt Zustim- mung, weil es bis zur Umsetzung der diskutierten Vorstellungen noch ein langer und harter Weg werden wird.

A-2070 (30) Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989

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Krankenhauspolitik Berlin:

Zum Teil verfassungswidrig?

Einig waren sich die Mitglieder des Ärztinnenbundes, die nach Bam- berg gekommen waren, daß es einer- seits häufig an Information mangelt, oft aber auch Möglichkeiten nicht genutzt werden, um eigene Vorha- ben umzusetzen. Ein Beispiel: Den wenigsten Ärztinnen war bekannt, wo in der Bundesrepublik an Klini- ken oder in Praxen Teilzeitarbeit er- folgreich praktiziert wird. Oft gibt es zu bestimmten Fragestellungen aber tatsächlich kein Datenmaterial: Die Doktorandin Elke Voigt hat in Bam- berg beispielsweise die Ergebnisse der ersten Befragungsaktion von Zahnärztinnen in der Bundesrepu- blik vorgelegt. Die Aktion konzen- trierte sich auf Baden-Württemberg, nicht zuletzt deshalb, weil andere Zahnärztekammern kein Interesse an einer solchen Untersuchung ge- zeigt hatten. Angeschrieben wurden alle Zahnärztinnen des Kammerbe- zirks Baden-Württemberg. 35 Pro- zent der Fragebögen wurde zurück- geschickt, für Fachleute eine über- durchschnittliche Quote. Gefragt wurde im wesentlichen nach der Ar- beits- und Familiensituation. Unter anderem stellte sich heraus, daß 40 Prozent der Befragten an einer Ver- änderung der Arbeitszeit interessiert wären, fast immer an einer Reduzie- rung. Viele Zahnärztinnen gaben an, daß auch für sie die Kombination von Familie und Beruf schwierig sei: Eine gesetzlich begründete, zunehmende Bürokratisierung der Arbeit zum Bei- spiel koste Zeit; die Möglichkeit, mit Assistenten zusammenzuarbeiten, sei eng begrenzt und so weiter.

Mitarbeitswillige Ärztinnen gesucht

Was aus den angenommenen Anträgen geworden ist, wird der nächste Kongreß in Marburg 1990 zeigen. Den diesjährigen hatte übri- gens das „Junge Forum"

ein Arbeitskreis im DAB, der sich Problemen widmet, die sich jüngeren Ärztinnen zu Beginn ihrer Berufs- laufbahn stellen. Er ist noch für Mit- arbeitswillige offen (Ansprechpart- nerinnen: Dr. Astrid Bühren, Tel.

0 68 41/6 57 11; Dr. Hedwig Schwa- nitz, Tel. 05 41/43 10 46).

Sabine Dauth

Zum Teil relativiert haben in- zwischen die Berliner „Liga-Verbän- de" ihre Folgerungen, die sie aus ei- nem von den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin eingeholten Rechtsgutachten zur Berliner Krankenhauspolitik von Prof. Dr. jur. Christian Graf von Pe- stalozza, Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Freien Uni- versität Berlin, gezogen hatten. Bei einem Expertengespräch (am 21. Ju- ni) räumte der für die katholischen Krankenhausträger zuständige Ab- teilungsleiter im Caritas-Verband Berlin, Heinz Schicks, ein, daß sich die Fördersituation der freigemein- nützigen Häuser in den letzten Jah- ren verbessert habe. Gleichwohl be- stehe seitens der freigemeinnützigen und privaten Klinikträger Berlins der Verdacht, daß in den vergangenen Jahren ungleiche Wettbewerbsbe- dingungen auch infolge der offenen oder versteckten staatlichen Subven- tionierung (für kommunale Klinikbe- triebe) geschaffen wurden. Insoweit seien die Aussagen Prof. Pestaloz- zas, die Berliner Krankenhauspolitik sei zum Teil verfassungswidrig, rich- tig.

Staatssekretärin Ursula Klei- nert, Senatsverwaltung für Gesund- heit und Soziales, und Dr. Michael Noetzel, der Geschäftsführer der AOK Berlin, stimmten insoweit mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Gutachten überein, daß die gewach- sene Krankenhausstruktur, die stets das Schwergewicht auf die höchste Versorgungsstufe (Zentral- und Ma- ximalversorgung) gelegt habe, in Zu- kunft gezielt korrigiert werden müsse.

Im einzelnen stellt das Pestaloz- za-Gutachten folgendes fest:

In rechtswidriger Weise würden den öffentlichen Krankenhausbe- trieben Subventionen in beträcht- licher Höhe gewährt; bei der Kran- kenhausplanung würden die kommu- nalen Kliniken bevorzugt, so daß daraus Nachteile für die nichtstaat-

lichen Krankenhäuser resultierten.

Dieser Trend sei nach Inkrafttreten des revidierten Krankenhausfinan- zierungsrechtes von 1985/86 ver- stärkt worden, meint Pestalozza. Zu- dem wirft er dem Land Berlin vor, es habe beim „landesrechtlichen Voll- zug" der bundesrechtlichen Leitli- nien wichtige Bestimmungen nicht beachtet:

1. Das Land Berlin als Träger der größten Krankenhäuser des Stadtstaates gerate bei der Finanzie- rung und der Planung permanent in einen Interessenkonflikt mit seiner zu Neutralität und Objektivität ver- pflichtenden Planungshoheit hin- sichtlich aller Krankenhäuser.

2. Infolge einer funktionalen Häufung nahezu aller krankenhaus- relevanten Zuständigkeiten bei der Senatsverwaltung blieben die Mög- lichkeiten ungenutzt, die ein geglie- derter Behördenaufbau zur Erzie- lung sachgerechter Entscheidungen bietet.

3. Dringend empfiehlt der Gut- achter eine rechtliche Verselbständi- gung der städtischen Krankenhaus- betriebe Berlins sowie eine Neuver- teilung der Senatszuständigkeiten.

Die Träger der freigemeinnützigen Krankenhäuser sollten solche Maß- nahmen des Senats, die auf Zustän- digkeitsmängeln beruhen und den Krankenhausbetreiber rechtswidrig in seinen Rechten verletzen, „konse- quent im individuellen Rechts- schutzverfahren" beanstanden Eine verfassungsgemäße Krankenhausfi- nanzierung könne nur gewährleistet werden — bei anhaltendem Finanzie- rungsdruck —, wenn eine Reform der Verwaltungsorganisation im Berliner Krankenhauswesen erfolge.

4. Die Berliner Krankenhauspo- litik beachte nicht Leitlinien des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), wonach der Senat nach den Prinzipien der Subsidarität und der

„gestuften Pluralität im Grenz- und Konfliktfall" den freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern so- A-2072 (32) Dt. Ärztebl. 86, Heft 28/29, 17. Juli 1989

Referenzen

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