Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ
Neugeborenen-Sepsis und -Meningitis durch G ru ppe-8-Streptokokken
Klinik, Diagnose, Therapie und Prophylaxe
Rudolf Lütticken, Wilhelm Sternschulte, Heinz Günther, Hans-Walter Eibach und Achim Bolte
Hygiene-Institut (Direktor: Professor Dr. med. Gerhard Pulverer) der Universität Köln, Städtisches Kinderkrankenhaus Köln-Riehl (Chefarzt: Professor Dr. med. Hans Ewerbeck)
Universitätskinderklinik Köln
(Direktor: Professor Dr. med. Erich Gladtke) und Universitäts-Frauenklinik Köln
(Direktoren: Professor Dr. med. Rudolf Kaiser und Professor Dr. med. Achim Bolte)
Septische Infektionen der Neuge- borenen und jungen Säuglinge zählen heute zu den häufigsten le- bensbedrohenden Erkrankungen in diesem Alter. Vor allem die In- fektionen durch hämolysierende Streptokokken der serologischen (Lancefield-)Gruppe B (Strepto- coccus agalactiae) treten in zu- nehmendem Maße auf.
Bis zum Beginn der sechziger Jah- re wurde diese Streptokokkenart in der Humanmedizin als harmlo- ser Saprophyt im Bereich des Ge- nitale und des oberen Respira- tionstraktes angesehen, der nur in Einzelfällen aus Blut oder Liquor bei Sepsis bzw. Meningitis isoliert worden war. Seit dieser Zeit tauch- ten -zunächst in den USA- ver- mehrt Literaturberichte auf, wel- che die "B-Streptokokken" als Er- reger von Sepsis und Meningitis bei Neugeborenen und jungen Säuglingen beschrieben. Die er- sten diesbezüglichen Berichte aus Deutschland stammten aus dem Raum Bonn (14)*).
Inzwischen liegt eine große Zahl klinischer und experimenteller Ar- beiten zu B-Streptokokken-Er-
krankungen im Neugeborenen- und Säuglingsalter vor. Unser Be- richt soll einen Überblick über die für den praktizierenden Arzt wis- senswerten Fakten geben, wobei vor allem neuere Ergebnisse klini- scher und mikrobiologischer For- schungen berücksichtigt werden.
Klinik: Zwei Formen der Erkrankung
ln einer Reihe neuerar Untersu- chungen machen die B-Strepto- kokken die Hälfte der Sepsiserre- ger und etwa 40 Prozent der Me- ningitiserreger bei Neugeborenen und jungen Säuglingen aus und haben damit häufig Escherichia coli auf den zweiten Platz ver- drängt (2, 19). Dabei führte das häufigere Vorkommen der Strep- tokokkenerkrankungen zu einer absoluten Zunahme der Neugebo- renensepsis (19). Die Gründe hier- für liegen noch weitgehend im dunkeln. Nach den bisherigen Er- fahrungen muß mit einer lnzidenz septischer B-Streptokokken-Er- krankungen zwischen etwa 0,5 und 5,4 auf 1000 Lebendgeborene gerechnet werden (5, 18).
Sepsis und Meningitis durch hämolysierende Streptokok- ken der serologischen Gruppe B gehören zu den hä).Jfigsten Infektionen im Neugebore- nen- und frühen Säuglingsal- ter. Ihre ungünstige Prognose erfordert schnell einsetzende Diagnostik- und Therapiemaß- nahmen. Der zweifelsfreie Er- regernachweis ist nur über ei- ne Anzüchtung möglich. Auf- grund der meist perinatalen Übertragung der Erreger von den mütterlichen Geburtswe- gen aus sowie durch die Kenntnis zusätzlicher Risiko- faktoren sind prophylaktische Maßnahmen möglich, die al- lerdings rechtzeitig im Ver- lauf der Schwangerschaft durchgeführt werden müssen.
Nachdem von Baker in den USA, 1973, eine größere Zahl von B- Streptokokken-Meningitiden bei Neugeborenen und Säuglingen ausgewertet worden war, ließen sich zwei Hauptformen der Er- krankungen abgrenzen (2):
~ Die sogenannten Early-Onset- lnfektionen, die in den ersten fünf (bis zehn) Lebenstagen, oft bereits in den ersten Lebensstunden, auf- treten und meist als foudroyante Sepsis, seltener als Meningitis, verlaufen.
~ Die zweite Form manifestiert sich meist als etwas protrahierter verlaufende Meningitis, die erst von der zweiten Lebenswoche an als sogenannte Late-Onset-Er- krankung auftritt.
Die Early-Onset-Erkrankung ist nach übereinstimmender Auffas- sung der meisten Autoren die häu- figste Form und wegen ihres ra- schen Verlaufs und ihrer ungünsti- geren Prognose mehr zu fürchten. Die Letalität dieser frühen Erkran-
') Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.
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Typenbezeichnung la Ib Ic III R X Polysaccharid
Typenantigene Protein
la
Ic
Ib III
R X
Das Ic-Protein kann auch mit dem Typ II-Polysaccharid kombiniert sein (= Typ II/Ic), das R-Protein kommt häufig mit dem Typ III-Polysac- charid zusammen vor (= Typ III R).
la
Ic
Tabelle 1: Serologische Typen bei Gruppe-B-Streptokokken
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kungen wird in einem Teil der Un- tersuchungen mit 50 Prozent und mehr angegeben (3).
Epidemiologie
Early-Onset-Erkrankung: Das frü- he Auftreten der klinischen Er- scheinungen ist durch die Art der Übertragung der B-Streptokokken auf das Neugeborene zu erklären.
Die Erreger werden während oder auch unmittelbar vor der Geburt von den mütterlichen Geburtswe- gen aus auf das Kind übertragen.
Die Besiedlung der Neugeborenen erfolgt bei etwa 60 Prozent der Kinder von B-Streptokokken- Keimträgerinnen. Die Rate der va- ginal und rektal (Erregerreser- voir!) besiedelten Schwangeren wird von den verschiedenen Un- tersuchern sehr unterschiedlich mit etwa 3 bis 30 Prozent angege- ben (5, 17); diese Unterschiede sind nicht nur mit methodischen Differenzen zu erklären. Im einzel- nen kennt man jedoch die Fakto- ren noch nicht genau, die eine Be- siedlung der mütterlichen Ge- burtswege begünstigen. Für die klinische Manifestation einer Ear- ly-Onset-Sepsis beim Neugebore- nen müssen allerdings noch über eine Keimbesiedlung hinausge- hende zusätzliche Risikofaktoren hinzukommen.
Late-Onset-Erkrankung: Hierbei kommen außer der perinatalen Ko- lonisation des Neugeborenen noch andere Infektionsmodi in Frage. Sowohl die postpartale In- fektion des Säuglings von der Mutter her — auch durch das Stil- len (13) — als auch die Übertra- gung vom Pflegepersonal oder von anderen Säuglingen der glei- chen Station aus sind gesichert.
Die Late-Onset-Erkrankung kann also durchaus nosokomialer Art sein (1, 5).
Diese epidemiologischen Erkennt- nisse wurden durch Untersuchung der von den Kindern, den Müttern bzw. dem Pflegepersonal isolier- ten Gruppe-B-Streptokokken ge- wonnen, indem die serologischen
Typen (Tabelle 1) der angezüchte- ten Streptokokkenstämme ermit- telt wurden. Die B-Streptokokken besitzen nämlich außer dem grup- penspezifischen Polysaccharidan- tigen der Zellwand noch mehrere andere Polysaccharid- bzw. Pro- teinantigene auf ihrer Zelloberflä- che, welche die Einteilung in sero- logische „Typen" und damit die epidemiologische Charakterisie- rung der Streptokokkenstämme erlauben. Insbesondere die kap- selartig auf der Zelloberfläche der B-Streptokokken angeordne- ten Polysaccharidantigene stellen wichtige Virulenzfaktoren dar.
Klinische Symptomatik
Die wichtigsten Symptome der Ear/y-Onset-Erkrankung sind in Tabelle 2 aufgeführt (siehe auch 22). Insgesamt ist das klinische Bild, wie überhaupt die Frühsymp- tomatik der Neugeborenensepsis, recht uncharakteristisch. Hervor- stechend sind allenfalls die rasche Verschlechterung des Allgemein- zustandes sowie das fast immer auftretende Atemnotsyndrom (Re- spiratory Distress Syndrome = RDS), das auf die Atemwege als mögliche Eintrittspforte der Erre- ger hinweist.
Die Symptomatik der Late-Onset- Meningitis unterscheidet sich nicht von derjenigen bei eitrigen Säuglingsmeningitiden anderer Genese: Die klinischen Zeichen sind oft nur diskret; eine Nacken- steife oder gespannte Fontanelle kann fehlen; gelegentlich fallen nur Trinkschwäche und vermehrte
Irritabilität auf. Die Late-Onset-Me- ningitis hat eine bessere Prognose quoad vitam als die Erly-Onset-Er- krankung, wenn frühzeitig eine adäquate Chemotherapie durch- geführt wird. Mit Defektheilungen, zum Beispiel dem Entstehen eines Hydrozephalus, muß allerdings bei bis zu 50 Prozent der Kinder ge- rechnet werden (5, 9, 19). Als wei- tere Formen der Late-Onset-Er- krankung wurden vor allem septi- sche Arthritis und Osteomyelitis beobachtet (11).
Diagnose
Da die klinische Symptomatik, ins- besondere der Early-Onset-Er- krankungen, für eine ätiologische Diagnose und eine daraus abzulei- tende gezielte Chemotherapie we- nig hilfreich ist, muß eine rasche Identifizierung der Erreger unbe- dingt angestrebt werden.
Eine zweifelsfreie ätiologische Diagnose ist nur durch Anzüch- tung der B-Streptokokken aus Blut und/oder Liquor bzw. Gelenk- punktat oder ähnlichem möglich.
Die Erregerkultur erfordert minde- stens 24 bis 48 Stunden. Somit kommt die Klärung der Erregerna- tur beim Verdacht einer Neugebo- renensepsis oder -meningitis für den Pädiater oft zu spät zustande, wenn nur die übliche Blutkultur- und Liquordiagnostik durchge- führt wird.
Wie in Tabelle 2 aufgeführt, kann der Nachweis von grampositiven Kettenkokken im Magenaspirat, wenn auch relativ unsicher, ein
Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 18 vom 6. Mai 1983
Auftreten der
Infektion Ic
Serotyp
I11/IIIR la Ib
2 (M;S+M) (Typ IIIR)
„Late Onset"
(.?_ 9. Lebenstag)
1 (S)
„Early Onset"
5. Lebenstag 6.-8. Lebenstag
1(S+M) (Typ 11/Ic)
1 (S) (Typ IIR)
7 (1S+M;6S)**
(3 Typ IIIR) 4(3S;1 M)* 5 (S)
2 (S;S+M)
Total (25 Fälle)**
*) S = Sepsis; M = Meninglis
**) 1 weiterer Stamm (S) nicht typisierbar 1 weiterer Stamm (S) nicht typisiert; Kindt
4 (lt) 8 (2t) 2 (lt) 9 (31")
Tabelle 3: B-Streptokokken-Sepsis und -Meningitis bei Neugeborenen und Säuglin- gen in Köln von 1978 bis 1982
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Neugeborenen-Sepsis
Hinweis auf eine B-Streptokok- ken-Sepsis des Neugeborenen sein; ebenso sind Abstriche von den Körperöffnungen der Neuge- borenen sinnvoll, deren Kulturer- gebnis jedoch frühestens am fol- genden Tag vorliegt.
Um zu einer rascheren Klärung der Ätiologie einer Neugeborenen- sepsis zu gelangen, sind in den letzten Jahren verschiedene sero- logische Verfahren eingesetzt worden. Sie beruhen darauf, daß das Gruppenpolysaccharid der B- Streptokokken in vivo (ebenso wie im Überstand einer Flüssigkultur) in den Körperflüssigkeiten sehr früh im Verlaufe der Erkrankung nachweisbar wird. Als Materialien zum Antigennachweis eignen sich besonders Urin und Liquor. Der Urin muß zu diesem Zweck unver- dünnt und — bei negativem Ergeb- nis — konzentriert verwendet wer- den; die Konzentrierung des Urins (bis zu 25fach) ist im Labor inner- halb von 10 bis 20 Minuten mit entsprechenden Konzentratoren zu erreichen; die erforderliche Urinmenge ist etwa 2,5 Milliliter, wenn der Urin auf diese Weise ein- geengt werden muß.
Zunächst wurde zum Antigen- nachweis die sogenannte Gegen- strom-Elektrophorese (Counterim-
Störungen der Atmung: klini- sches Atemnotsyndrom (RDS), Apnoeanfälle
Lungen-Röntgenbild wie bei Hyaline-Membranen-Erkran- kungen, bes. bei Neugeb.
< 1500 g*)
Schock mit Hautveränderun- gen (Blässe)
Leukozytopenie mit Granulo- zytopenie und Linksverschie- bung, Thrombozytopenie Krämpfe
Hepatosplenomegalie
Rasche Verschlechterung des Allgemeinzustandes
Mikroskopischer Nachweis von gram-positiven Ketten-
kokken im Magenaspirat Kultureller Nachweis von Gruppe B-Streptokokken in Blut (und/oder Liquor); An- züchtung von mehreren Ab- strichen (bes. Gehörgang, Na- se/Rachen, Nabel, Anus) beim Neugeborenen
*) bei Neugeb. > 2500 g oft hinwei- sender Lungenbefund
Tabelle 2: Symptome bei 'Early-Onset- Sepsis durch Gruppe-B-Streptokokken
munoelectrophoresis = CIE) ein- gesetzt. Es hat sich jedoch, auch nach unseren eigenen Untersu- chungen, herausgestellt, daß mit Antiserum-beschichteten Latex- partikeln kleinere Mengen des Gruppenpolysaccharids nachge- wiesen werden können als mit der Gegenstromelektrophorese (6, 16). Solche mit B-Streptokokken- Antiserum beschichtete Latexpar- tikel reagieren in einer einfachen Objektträgeragglutination emp- findlich auf kleinste Mengen des
Streptokokken-G ru ppenantigens in Urin oder Liquor; diese Reak- tion ist sehr spezifisch. Derartige Latexreagenzien, die auch von Diagnostikaherstellern erhältlich sind, z. B. Wellcogen Strep Be, sind mit Erfolg zur Frühdiagnostik der B-Streptokokken-Sepsis und -Meningitis eingesetzt worden (12, 24). Darüber hinaus kann mit Hilfe der serologischen Verfahren auch dann noch die Ätiologie der Er- krankungen geklärt werden, wenn infolge einer bereits begonnenen Chemotherapie das Kulturergeb- nis negativ ist (24).
Bei den von uns bisher eingehen- der untersuchten 25 Fällen aus dem Raum Köln mit positiven Blut- und/oder Liquorkulturen (Tabelle 3) konnten wir in den beiden Fäl- len, in denen eine Urinprobe rechtzeitig zur Verfügung stand, das Gruppenantigen im Urin mit einem Latexreagenz nachweisen.
In zwei Fällen war das Antigen im Überstand der Blutkulturen nach wenigen Stunden Bebrütungszeit nachweisbar; es kann also auch in Blutkulturen zu einem Zeitpunkt erkannt werden, zu dem das end- gültige Kulturergebnis noch nicht greifbar ist (10).
In Tabelle 3 sind auch die serologi- schen Typen der von den Neuge- borenen und Säuglingen ange- züchteten Gruppe-B-Streptokok- ken angegeben (siehe auch Tabel- le 1). Bei 15 von 16 unserer Fälle (davon 14 Early-Onset-Erkrankun- gen), in denen B-Streptokokken aus dem Vaginalabstrich der Müt- ter angezüchtet wurden, waren die lsolate von Mutter und Kind je- 36 Heft 18 vom 6. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A
Neugeborenen-Sepsis
weils im Serotyp identisch; ledig- lich bei einem Fall von Late-Onset- Meningitis unterschieden sich die isolierten B-Streptokokken-Stäm- me in dieser Hinsicht.
In den meisten Untersuchungen aus den USA wird ein Überwiegen des Serotyps III, besonders bei der Late-Onset-Erkrankung und der B- Streptokokken-Meningitis, ange- geben (3, 25). In unserem Kran- kengut ist dies nur in geringerem Maße der Fall, vielleicht weil es sich vorwiegend um Early-Onset- Fälle handelte.
Es fällt auf, daß bei diesen von uns typisierten Streptokokken das Ic- Proteinantigen sehr häufig zu fin- den ist (12 von 24 Isolaten); mög- licherweise haben auch die Pro- teinantigene eine Bedeutung als Virulenzfaktoren der B-Strepto- kokken (15, 21). Bei zweien unse- rer Patienten standen die Sympto- me einer Osteomyelitis im Vorder- grund. Die Letalität betrug bei den in Tabelle 3 aufgelisteten Fällen 32 Prozent (ausschließlich Early- Onset-Erkranku ngen).
Therapie
Die Therapiemaßnahmen stützen sich in erster Linie auf eine mög- lichst frühzeitige und gezielte Chemotherapie mit Penicillin G, aufgrund klinischer und mikrobio- logischer Daten in Kombination mit einem Aminoglykosid, meist Gentamicin. Solange noch keine bakteriologische Diagnose vor- liegt, muß Ampicillin, Mezlocillin oder ein ähnliches ß-Laktam-Anti- biotikum mit guter Wirksamkeit gegen gramnegative und grampo- sitive Bakterien verabreicht wer- den, um Escherichia coli als in die- sem Lebensalter ebenfalls häufi- gen Sepsis- und Meningitiserreger mit zu erfassen. Wenn eine Chlor- amphenicoltherapie bei einer La- te-Onset-Meningitis erwogen wird, muß die In-vitro-Empfindlichkeit des auslösenden Streptokok- kenstammes geprüft werden, da Chloramphenicolresistenzen bei B-Streptokokken vorkommen.
Pränatale Faktoren:
Besiedlung des mütterl. Geni- tale mit B-Streptokokken Gestose
Mütterliche Infektion (z. B.
Harnwegsinfektion) Blutungen
Cerclage
Blutgruppenmerkmal B?
Perinatale Faktoren:
Vorzeitiger Blasensprung (> 24 h)
Vorzeitige Plazentalösung Asphyxie
Grünes Fruchtwasser Geburtshilfliche Eingriffe,
„Komplikationen"
Fieber unter der Geburt Amnioninfektionssyndrom Besiedlung des Neugebore- nen mit B-Streptokokken (bes.
an 3-4 Abnahme-Stellen)
Sonstige Faktoren:
Frühgeburt (< 2500 g; vor 37.
SSW)
Tabelle 4: Risikofaktoren für eine Neuge- borenensepsis durch Gruppe-B-Strepto- kokken (Early-Onset-Typ der Erkran- kung)
Zusätzliche Austauschtransfusio- nen mit Frischblut sollen den Ver- lauf einer B-Streptokokken-Sepsis günstig beeinflussen können (20).
Dies wird verständlich, wenn man bedenkt, daß den Kindern mit B- Streptokokken-Infektionen offen- bar von der Mutter übertrage- ne schützende Antikörper gegen den auslösenden Streptokokken- stamm fehlen (4, 7).
Risikofaktoren und Prophylaxe Ein Mangel an protektiven Anti- körpern, die passiv von der Mutter
auf den Fetus übertragen werden und das Neugeborene vor einer septischen Infektion schützen können, scheint also ein wesentli- cher Risikofaktor zu sein. Voraus- setzung für eine Infektion ist na- turgemäß weiterhin — bei den Ear- ly-Onset-Erkrankungen immer — die Besiedlung des mütterlichen Genitale mit B-Streptokokken.
Einige der sonst wichtigen präna- talen und perinatalen Risikofakto- ren sind in Tabelle 4 aufgeführt.
Demnach ist jegliche geburtshilfli- che Komplikation als ein Risiko in dieser Hinsicht zu betrachten, so- fern die Gebärende B-Streptokok- ken-Keimträgerin ist (23). Frühge- borene sind — wie für jede andere Infektion — besonders gefährdet;
die Letalität der Erkrankungen ist bei ihnen besonders hoch.
Soweit bei den von uns untersuch- ten Fällen diesbezügliche Anga- ben erhältlich waren, wurden die folgenden Risikofaktoren eruiert:
C) eine Frühgeburt (8mal), C) eine kindliche Asphyxie sub partu, bei der frustrane Atembe- wegungen zur Aspiration B-Strep- tokokken-haltigen Vaginalsekre- tes führen können (6mal),
C) ein vorzeitiger Blasensprung, durch den eine frühe Eintrittspfor- te der Erreger gegeben ist (5mal),
eine Cerclage als möglicher Störfaktor des mikrobiologischen Scheidenmilieus (2mal).
Zum Teil kamen diese Risikofakto- ren miteinander kombiniert vor.
Aus den bisher bekannten Risiko- faktoren können Schlußfolgerun- gen für die Möglichkeiten einer Prophylaxe gezogen werden. Au- ßer den klinischen lassen auch ex- perimentelle Erfahrungen Ansätze zu Prophylaxemaßnahmen erken- nen. Die Untersuchung jeder Schwangeren bzw. erst der Gebä- renden auf eine vaginale Besied- lung mit B-Streptokokken wird, obwohl mancherorts praktiziert, Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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Neugeborenen-Sepsis
im allgemeinen als nicht sehr hilf- reich angesehen, da die Besied- lung der Mutter mit B-Streptokok- ken keinesfalls allein eine Defini- tion des Risikos einer Neugebo- reneninfektion zuläßt (5) bzw. da der Befund für die Einleitung einer Antibiotikaprophylaxe beim Neu- geborenen oft zu spät kommt (10 der 22 Early-Onset-Erkrankungen in unserem Material traten inner- halb von 24 Stunden post partum auf). Eher sollten Vaginal- und Rektalabstriche rechtzeitig wäh- rend der Schwangerschaft ent- nommen werden, wenn zusätzli- che Risikofaktoren wie z. B. Zer- vixinsuffizienz mit Erfordernis zu einer Cerclage dies ratsam er- scheinen lassen.
Bei vorzeitigem Blasensprung sollte in jedem Falle ein Scheiden- abstrich bakteriologisch unter- sucht werden. Im positiven Fall kann dann noch vor der Entbin- dung eine antibiotische Sanierung der Keimträgerin mit Penicillin G (oder Ampicillin, parenteral) ein- geleitet werden, eventuell auch ei- ne kurzdauernde Penicillinpro- phylaxe zu Beginn der Geburt er- wogen werden (8). Nicht immer, wenn bei einem Kind post partum eine B-Streptokokken-Sepsis auf- tritt, sind pränatale Risikofaktoren erkennbar.
Wünschenswert wäre es, bei einer mit B-Streptokokken besiedelten Schwangeren den Antikörpersta- tus zu erkennen, das heißt, ob sie über — gegenüber dem nach- gewiesenen B-Streptokokken- Stamm — protektives Immunglobu- lin G verfügt. Leider lassen die bis- her in der Literatur beschriebenen Verfahren zum Antikörpernach- weis (indirekte Immunfluoreszens,
Radioimmunassay, Enzymimmun- assay) keine sichere Aussage über eine schützende Wirkung der passiv übertragenen Antikörper für das Neugeborene zu.
Einer Immunprophylaxe durch Impfung mit einer Polysaccharid- vakzine (die aus dem Typenpoly- saccharid III bereits entwickelt wurde) stehen noch einige Hinder-
nisse im Wege, die hier nicht nä- her diskutiert werden sollen.
Um so wichtiger erscheint uns für eine Verhütung der B-Streptokok- ken-Infektionen der Neugebore- nen und Säuglinge die sorgfältige Überwachung der Schwanger- schaft, die im Falle jeglicher ein- tretender Risiken (siehe Tabelle 4) auch das mikrobiologische Scree- ning umfassen muß.
Bei dem geringsten Verdacht auf eine Neugeborenensepsis müssen die beschriebene Frühdiagnostik sowie die Chemotherapie rasch einsetzen, um die Letalität sowie die Spätschäden zu reduzieren.
(Wir danken den Kollegen aus den übrigen Kölner Frauen- und Kin- derkliniken, die uns Daten zu ihren Patienten freundlicherweise zur Auswertung überließen.)
Literatur
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Anschrift für die Verfasser:
Privatdozent
Dr. med. Rudolf Lütticken Hygiene-Institut der Universität Goldenfelsstraße 21
5000 Köln 41
FÜR SIE GELESEN
Reduzierte
Bioverfügbarkeit von Ranitidin durch Antazida
Aluminiumhydroxid-haltige Ant- azida adsorbieren eine Reihe von Pharmaka und bewirken dadurch eine verminderte Resorption. Da in der Ulkustherapie Antazida nicht selten mit anderen Thera- peutika, z. B. H 2-Blockern, kombi- niert werden, nimmt es nicht Wun- der, daß hier bei gleichzeitiger Einnahme mit Interaktionen zu rechnen ist. Vom Cimetidin konnte gezeigt werden, daß die Serum- spiegel durch Aluminiumhydro- xidabsorption um ein Drittel er- niedrigt werden. Die Autoren über- prüften bei sechs Probanden die Plasmaranitidinkonzentration, wenn einmal 150 mg Ranitidin in 60 ml Wasser, ein anderes Mal 150 mg Ranitidin mit 30 ml eines Aluminium-Magnesiumhydroxid -Gemisches verabreicht wurden.
Durch simultane Gabe des Antazi- dums kam es zu einer Reduktion der Plasmaspiegel um ein Drittel, die Elimination der Substanz blieb jedoch unverändert. Diese Interak- tionen lassen sich offenbar ver- meiden, wenn zwischen der Ein- nahme des H 2-Blockers und der Antazidagabe ein Intervall von ei- ner Stunde liegt.
Mihaly, G. W.; Marino, A. T.; Webster, L. K.;
Jones, D. B.; Louis, W. J.; Smallwood, R. A.:
High dose of antacid (Mylanta II) reduces bioavailability of ranitidine, Br. med. J. 285 (1982) 998-999, Austin Hospital, Heidelberg, 3084, Melbourne, Victoria, Australien —Gugler, R.; Brand, M.; Somogyi, A.: Impaired cimetidine absorption due to antacids and metoclopramide, Eur. J. Clin. Pharmacol. 20 (1981) 225-228
Berichtigung
Die Arteriosklerose
Im Editorial „Die Arteriosklerose"
von R. Gross, Heft 15/1983, ist ein sinnentstellender Druckfehler ent- halten. In der ersten Spalte muß es in der Aufreihung Kreislaufkrank- heiten heißen „davon: zerebrovas- kuläre Krankheiten". Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. DÄ 40 Heft 18 vom 6. Mai 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A