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Archiv "Staatliche Entwicklungszusammenarbeit: Malawi – (k)ein hoffnungsloser Fall" (29.11.2002)

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umpf erinnere ich mich an ein reich- lich vergilbtes Merk- blatt aus einer der unte- ren Schreibtischschubla- den in einem Arztzim- mer der Medizinischen Poliklinik der Univer- sität München: „Verhal- ten bei Choleraverdacht.“

Plötzlich, Jahre später und mehrere Tausend Ki- lometer von der ehema- ligen Ausbildungsstätte entfernt, wird diese in der westlichen Welt kaum noch bekannte Erkran- kung Realität. Cholera ist in Malawi endemisch.

Regelmäßig zur Regen- zeit bricht sie unter den Ärmsten der Armen wie- der aus. In diesem Jahr ist es besonders schlimm,

weil gleichzeitig eine Hungersnot grassiert.

Das kleine Binnenland in Südostafri- ka hat knapp elf Millionen Einwohner und zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Gut zwei Drittel der Bevölkerung leben von einem Einkommen von weni- ger als einem US-Dollar pro Tag. Nur etwa die Hälfte der Erwachsenen kann lesen und schreiben. Entsprechend ungünstig fallen die Gesundheitsindi- katoren aus: Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 39 Jahre, 23 Prozent aller Kinder sterben, bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen. Man muss davon ausgehen, dass sich diese Zahlen angesichts der

Aids-Pandemie im südli- chen Afrika weiter ver- schlechtern. 1999 lag in Malawi die HIV-Sero- prävalenz bei Frauen im gebärfähigen Alter be- reits bei 24 Prozent. Etwa 70 000 Menschen sterben dort jährlich an HIV- assoziierten Erkrankun-

gen. Das wiederum führt zu einer hohen Zahl von Waisen, die deutlich schlech- tere Zukunftschancen haben.

Angesichts dieser Misere unterstützt Deutschland Malawi im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenar- beit in drei Bereichen: Gesundheit, Grundbildung und demokratische De- zentralisierung. Bei der Gesundheits- förderung spielt neben dem huma- nitären Aspekt auch die wechselseitige Beziehung zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Gesundheitswesen ei- ne Rolle. Als ein Instrument deutscher staatlicher Entwicklungszusammenar- beit unterstützt das Centrum für Inter-

nationale Migration und Entwicklung (CIM) der- zeit zwölf europäische Fachärzte an malawi- schen Zentral- und Distriktkrankenhäusern.

Das Lilongwe Central Hospital ist mit 1 000 Planbetten – 120 davon entfallen auf die Innere Medizin – das größte der vier Zentralkrankenhäu- ser des Landes. Neben der eigentlichen Aufga- be, der Tertiärversor- gung, wird in großen in- ternistisch-allgemeinme- dizinischen und chirurgi- schen Ambulanzen auch die Primärbetreuung von Bewohnern der Hauptstadt und des Distrikts wahrgenom- men. Eine weitere wich- tige Funktion erfüllt das Krankenhaus als Unterrichtsstätte für Medizinstu- denten, Clinical Officers (Kliniker mit einer vierjährigen, hauptsächlich symptomorientierten Ausbildung) und Pflegende. Zusätzlich obliegt den Chefärzten die Supervision der acht Distriktkrankenhäuser der Zentral- region.

Das Gesundheitssystem Malawis folgt dem Vorbild der ehemaligen Kolo- nialmacht Großbritannien. Die staatli- che Finanzierung sollte jedem Einwoh- ner eine kostenfreie Kranken- und Me- dikamentenversorgung ermöglichen.

Allerdings ist die Finanzausstattung so schlecht – sie lag 1999 bei knapp drei US-Dollar pro Einwohner und Jahr –, dass dieses Verspre- chen nicht annähernd eingelöst werden kann.

Die extreme Unterfi- nanzierung hat drasti- sche Folgen für die Pati- enten. Krankenhausbet- ten müssen häufig mit T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4829. November 2002 AA3245

Staatliche Entwicklungszusammenarbeit

Malawi – (k)ein

hoffnungsloser Fall

Das Centrum für Internationale Migration und Entwicklung unterstützt derzeit zwölf euro- päische Ärzte an malawischen Krankenhäusern.

Die Mehrheit der malawi- schen Bevölkerung lebt auf dem Land in strohgedeckten Lehmhütten. Elektrizität und fließendes Wasser gibt es nicht. Fotos: Stefan Lüftl

Das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) vermittelt Fachkräfte an einheimische Arbeitgeber in Afrika,Asien, Lateinamerika, Mittel- und Osteuropa und zahlt einen Zuschuss zum lokalen Gehalt. Das Zentrum wurde 1980 als Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH und der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung gegründet. Finanziert wird CIM zum größten Teil vom Bundesmini- sterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, aber auch von anderen Bundes- und Landesministerien sowie nationalen und internationalen Organisationen und der Privatwirtschaft. Weltweit sind derzeit etwa 700 CIM-Fachkräfte in mehr als 80 Ländern tätig, davon 15 in Malawi. Kontakt: CIM, Barckhausstraße 16, 60325 Frankfurt, www.cimonline.de

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zwei oder drei Kranken belegt werden.

Viele Patienten liegen auf selbst mitge- brachten Strohmatten auf dem Boden.

Die meisten Toiletten und Wasserhähne funktionieren nicht, und viele Zimmer haben abends kein Licht.

Schwerer als die zahlreichen Ausstat- tungsmängel wiegen freilich die be- schränkten diagnostischen Möglichkei- ten. Unlängst war das Krankenhausla- bor wegen eines Geräteausfalls über Wochen nicht in der Lage, Blutbilder anzufertigen. Die klinische Chemie ar- beitet nur sporadisch, und immer wie- der kommt es vor, dass die Diabetiker- ambulanz den Blutzucker nicht bestim- men kann. Auch Röntgenuntersuchun- gen müssen häufig ausfallen, da entwe-

der Filme oder Chemikalien fehlen.

Diese Schwierigkeiten lassen sich zu- mindest teilweise durch sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung ausgleichen. Für fehlende Medikamen- te gibt es hingegen meist keine Alterna- tive. Die von der WHO als essenziell eingestuften Präparate sind nicht annähernd vollständig oder regelmäßig in der Krankenhausapotheke verfüg- bar. Dies führt dazu, dass viele Patien-

ten an eigentlich gut behandelbaren In- fektionserkrankungen wie Pneumonie, bakterieller Meningitis oder Malaria sterben. Denn nur ein kleiner Teil der Patienten kann es sich leisten, im Kran- kenhaus fehlende Medikamente in ei- ner privaten Apotheke zu erwerben.

Aufgrund der chronischen Unterfi- nanzierung des Gesundheitswesens fehlt es auch an Personal. Ein Oberarzt verdient im staatlichen Gesundheitswe- sen monatlich etwa 150 Euro. Das ermög- licht selbst in Malawi nur ein kärgliches Überleben. Neben- einkünfte aller Art sind daher die Regel

und erscheinen auch notwendig. Die Versuchung, den Staatsdienst ganz zu verlassen und in lukrativere Positionen im privaten Sektor oder ins Ausland ab- zuwandern, ist sehr groß. So sind am Li- longwe Central Hospital nur drei der zehn Fachabteilungen mit malawischen Fachärzten besetzt. Noch ungünstiger sieht es in der Pflege aus. Dort ist fast die Hälfte aller Stellen vakant. Auf den internistischen Stationen ist daher häu- fig nur eine voll ausgebildete Kranken- schwester für bis zu 50 Patienten ver- antwortlich.

Entwicklungshilfe sollte nachhaltig wirken

Diese strukturellen Mängel fallen durch die Aids-Pandemie im südlichen Afrika noch stärker ins Gewicht. Etwa 70 Prozent aller Patienten auf den inter- nistischen Stationen sind HIV-infiziert, bei fieberhaften Patienten liegt die Quote sogar bei annähernd 80 Prozent.

Die Krankenhausmortalität beträgt knapp 15 Prozent. In Malawi sterben derzeit mehr Lehrer an den Folgen von T H E M E N D E R Z E I T

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A3246 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4829. November 2002

Angehörige der Patienten bereiten auf kleinen Holzfeuern Essen zu, um die sehr einseitige und spärliche Krankenhauskost aufzubessern.

Patienten mit Cholera werden in zwei Camps abseits des Krankenhau- ses behandelt. Sie liegen in so genannten Cholera- betten: In einem Holzrah- men werden netzartig Seile gespannt, der Stuhl wird in darunter stehen- den Plastikschüsseln auf- gefangen.

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Aids, als ausgebildet werden, und man muss davon ausgehen, dass es sich bei den Beschäftigten im Gesundheitswe- sen ähnlich verhält.

Angesichts dieser ungünstigen Rah- menbedingungen stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch lohnt, das staatli- che Gesundheitssystem Malawis weiter zu fördern, und ob es nicht sinnvoller wäre, wenn deutsche Entwicklungshil- fegelder ausschließlich Missionskran- kenhäusern und Projekten von Nicht- Regierungs-Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen zugute kämen. Die Ant- wort lautet, dass ein kontinuierliches Engagement im staatlichen Gesund- heitssektor trotz all seiner Mängel für viele Menschen außerordentlich hilf- reich ist. Der Staat ist durch seine viel- fältigen Einrichtungen der bei weitem größte und wenigstens ansatzweise flächendeckende Gesundheitsdienstlei- ster Malawis. Gerade die Ärmsten der Armen sind auf seine kostenfreien Lei- stungen angewiesen, da sie sich nicht einmal die geringen Konsultationsge- bühren der Missionskrankenhäuser lei- sten können.

Entwicklungshilfegelder sollten die Lage idealerweise nachhaltig und lang- fristig verbessern. Dieses Ziel ist im me- dizinischen Bereich allerdings nie strikt vom humanitären Aspekt zu trennen.

Die nachhaltigste Wirkung des deut- schen Engagements wird sicherlich in der Aus- und Weiterbildung erreicht.

Das Lilongwe Central Hospital ist aka- demisches Lehrkrankenhaus der Uni- versität von Malawi in Blantyre. So ro- tieren, vergleichbar mit dem deutschen Praktischen Jahr, immer fünf bis zehn Medizinstudenten im letzten Jahr ihres Studiums durch die verschiedenen Fachabteilungen. Weiterhin dient das Krankenhaus als Praktikumsstätte für die Ausbildung von Clinical Officers, Pflegenden und Laboranten. Eine kon- tinuierliche Fortbildung der klinisch

tätigen Mitarbeiter wird unter anderem durch die Diskussion neu aufgenomme- ner Patienten im Rahmen der täglichen Morgenbesprechung, durch regelmäßi- ge Lehrvisiten und eine wöchentliche klinische Mittagskonferenz mit Fallvor- stellungen und der Besprechung aktuel- ler Artikel aus Fachzeitschriften er- reicht. Drei erfahrenere Kliniker der Abteilung für Innere Medizin erhalten zudem eine Ausbildung in Sonographie und diagnostischer Gastroskopie. Zwar ist der Erwerb der Facharztanerken- nung derzeit in Malawi nicht möglich,

aber nach einer mindestens einjährigen Anstellung im Staatsdienst sind junge Ärzte wenigstens grundsätzlich qualifi- ziert, sich um eine entsprechende Wei- terbildung im Ausland zu bewerben.

Neben der Aus- und Weiterbildung lässt sich nachhaltiger Fortschritt auch durch organisatorische Veränderungen erzielen. So konnte beispielsweise in den letzten zwei Jahren eine Spezialam- bulanz zur antiretroviralen Therapie von HIV-Infizierten aufgebaut werden.

Der für die Entwicklungsländer günsti- ge Ausgang des Patentstreits mit den in- ternationalen Pharmakonzernen hat es dem malawischen Gesundheitsministe- rium ermöglicht, eine preisgünstige ge- nerische Tripel-Kombination aus Indien zu beziehen. Auch wenn die monatli- chen Therapiekosten von knapp 40 Eu- ro für die meisten Malawier noch im- mer unerschwinglich sind, profitieren mittlerweile doch mehr als 300 Patien- ten von dieser Behandlung. Zusätzlich lassen sich wertvolle Erfahrungen für die Ausweitung derartiger Therapiepro-

gramme sammeln, auf die man durch Mittel des Global Fund und anderer Hilfen der internationalen Geberge- meinschaft hoffen darf.

Aber nicht nur Malawi profitiert von der staatlichen Entwicklungszusam- menarbeit. Trotz aller Widrigkeiten empfinde ich es als außerordentlich loh- nend und bereichernd, mit teilweise sehr engagierten malawischen Kollegen an einer Verbesserung der medizini- schen Versorgung eines der ärmsten Länder der Welt mitzuwirken. Dabei ermöglichen die hier weit verbreiteten schweren Krankheitsbilder wie Cholera häufig Therapieerfolge, wie sie so un- mittelbar in Deutschland viel seltener zu erzielen sind.

Dr. med. Stefan Lüftl Lilongwe Central Hospital P.O. Box 149, Lilongwe, Malawi E-Mail: lueftl@gmx.de T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 4829. November 2002 AA3247

HIV und Aids sind mittlerweile das größte Gesundheitsproblem im südlichen Afrika. Das „Lighthouse-Pro- jekt“ am Lilongwe Central Hospital reagiert auf diese Herausforderung. Es vereint zahlreiche Aktivitäten:

Beratung und Angebot kostenfreier HIV-Tests, ambulante Betreuung HIV-infizierter Patienten inklusive anti- retroviraler Therapie, tagesklinische Versorgung sowie die Organisation häuslicher Krankenpflege. Die Stif- tung finanziert sich überwiegend durch Zuwendungen der internationalen Gebergemeinschaft und private Spenden. Der malawische Staat beteiligt sich an den Personalkosten. Besonders problematisch ist der re- gelmäßige Medikamentennachschub. Es fehlen vor allem Schmerzmittel zur palliativen Versorgung. Jegliche Unterstützung ist daher willkommen. Spendenkonto: Verein Hilfe für Malawi e.V., Verwendungszweck

„Lighthouse“, Kreissparkasse Groß-Gerau, BLZ 508 525 53, Kontonummer: 70 70 766.

Weil es keine Isolierabteilung gibt, werden Patienten mit Verdacht auf infektiöse Erkrankun- gen wie Tuberkulose auf einem der Krankenhausbalkone untergebracht.

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