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W Die Säulen der Wissenschaft

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© 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1617-9439/13/0202-3 Physik Journal 12 (2013) Nr. 2 3 M E I N U N G

+) in „Perspectives on Psychological Science“, http://pps.sagepub.com/

content/7/6/670

&) siehe auch die Denk- schrift der DFG zur gu- ten wissenschaftlichen Praxis unter http://bit.ly/

dxF0OL

#) www.

singaporestatement.org

Meinung von Prof. Dr. Katharina Al-Shamery. Die Physikochemi- kerin ist Vizepräsidentin für For- schung und Transfer der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, Fachkollegiatin der DFG und Mitglied des Gremiums „Ombuds- man der Wissenschaft“.

W

orin besteht eine „gute wis- senschaftliche Praxis“? Diese Frage wurde in den 1970er-Jahren erstmals breit diskutiert. Voraus- gegangen war ein Medienbeben, als bekannt wurde, dass der ameri- kanische Wissenschaftler William Summerlin das Fell einer weißen Maus mit schwarzem Textmarker gefärbt hatte, statt wie vorgegeben die Haut von einer schwarzen auf eine genetisch nicht verwandte weiße Maus transplantiert zu ha- ben. Er selbst nannte als Motiv sei- nes Fehlverhaltens den „extremen Produktionsdruck“, immer wieder

„überraschende Entdeckungen“

vorweisen zu müssen.

Die Physik hatte ihren Skandal 2002 mit Jan Hendrik Schön, der mit der Fälschung von Publika- tionen (darunter etliche Artikel in Science und Nature) beinahe Max-Planck-Direktor geworden wäre. Spektakulär war, dass das ausgeklügelte System der Wissen- schaftskontrolle versagt hatte, denn weder das Begutachtungsverfahren (Peer Review) noch die Mitverant- wortung der Koautoren hatten den Betrug verhindert. Zeitschriften wie Nature zogen Konsequenzen, indem sie verlangen, die Beiträge aller Autoren explizit aufzuführen – eine Praxis, die man sich generell wünschen würde.

Anfällig für Fälschung sind offensichtlich besonders junge Superstars, die bei gestandenen Kollegen als brilliant gelten und einen meteorhaften Aufstieg er- fahren, um dann à la Ikarus tief abzustürzen. Dies zeigen die So- zialpsychologen Stroebe, Postmes und Spears in einer Analyse von 40 der spektakulärsten internationalen Fälschungsfälle.+) Sieben dieser Fälle waren solchen „Wunderkin- dern“ wie Schön zuzuschreiben.

Die Autoren stellen fest, dass der Gutachter, der nur den einzelnen Zeitschriftenartikel sieht, auch des-

halb versagt, weil er erst gar nicht das Undenkbare annimmt, dass die Ergebnisse auch gefälscht sein könnten. Spektakuläre Fälle sind selten, doch, so zitieren Stroebe, Postmes und Spears verschiedene Erhebungen, die Dunkelziffer von Fälschungen könnte bei einem bis zwei Prozent liegen.

Nicht unerheblich ist die Rolle von „Whistleblowern“, die internes Wissen öffentlich machen. Diese Personen riskieren oft Sankti- onen oder eine nicht objektive Behandlung des Falls, wird das Verfahren innerhalb der eigenen Institution geführt. Sie können sich in Deutschland an das dreiköpfige Gremium „Ombudsman der Wis- senschaft“ wenden, das der Senat der DFG bereits 1999 auf Empfeh- lung der „Kommission Selbstkon- trolle in der Wissenschaft“ neben ihren internen Überwachungs- organen eingesetzt hat.&) Das von der DFG unabhängige Gremium behandelt generell Fragen der guten wissenschaftlichen Praxis und diskutiert pro Jahr etwa 50 bis 60 Anfragen meist aus den Lebens- wissenschaften und etwas mehr als zehn Fälle. Dabei dominieren eher Fragen zu Autorenschaften.

Selten ist ein Fall aus der Physik dabei, in der offensichtlich viele Konflikte untereinander geregelt werden. Oft sind zerrüttete Be- treuungsverhältnisse die Ursache der Konflikte. Die Etablierung von Graduiertenschulen ist eine von vielen Maßnahmen, die langfristig Abhilfe schaffen kann, denn sie ermöglichen ein strukturiertes Promovieren in klaren Betreuungs- verhältnissen. Für die Ausbildung des Wissenschaftsnachwuchses ist auf www. ombudsman-fuer-die- wissenschaft.de ein Curriculum für verschiedene Lehrveranstaltungen zum Thema „Gute wissenschaft- liche Praxis“ auf Deutsch oder Englisch von Frau Gerlinde Spon-

holz zu finden, die zusammen mit Kollegen auch persönliche Kurse anbietet.

Schlechte Betreuung spielt sicher auch eine Rolle bei Plagiats- fällen in Dissertationen, die spä- testens seit zu Guttenberg in aller Munde sind. Die erschreckende neue Dimension beim Fall zu Guttenberg war die öffentliche Meinung, die das „Schummeln und Betrügen“ zunächst als „Ka- valiersdelikt“ bagatellisierte. Dies stellte die Fundamente wissen- schaftlichen Arbeitens grundsätz- lich in Frage, die im „Singapore Statement on Research Integrity“

auf dem zweiten Weltkongress für Wissenschaftsintegrität 2010 quasi als weltweiter Ehrenkodex formuliert worden sind.#) Die darin formulierten 14 Eckpunkte basie- ren auf den vier Grundprinzipien Ehrlichkeit in allen Aspekten der Forschung, Verantwortung bezüg- lich der Durchführung von For- schung, professionelle Verbindlich- keit und Fairness im Umgang mit anderen sowie guter Umgang mit der Wissenschaft anderer. Erhalten wir uns diese Säulen, bewerten wir unsere Kollegen nicht nur anhand von Zitationszahlen, erziehen wir unseren wissenschaftlichen Nach- wuchs zu Eigenständigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Vor allem aber, schüren wir bei ihm die Freude an einer Entdeckung und machen klar, wie wertvoll auch die Umwege über Negativresultate sein können!

Die Säulen der Wissenschaft

Wie steht es zehn Jahre nach dem Fall Schön mit der guten wissenschaftlichen Praxis?

Katharina Al-Shamery

Referenzen

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