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D Ritsch, ratsch – sortiert!

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B R E N N P U N K T

24 Physik Journal 17 (2018) Nr. 7 © 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Wärmebad. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik ist nicht ver- letzt, weil sich das gesamte System in einem permanenten Nichtgleich- gewichtszustand befindet.

Brownsche Ratschen ermögli- chen es somit, kolloidale Suspen- sionen in Mikro- oder Nanoflui- dikkanälen gezielt zu manipulieren [4, 5]. Dazu bedarf es aber Struk- turen, die mit Teilchen von einigen Mikro metern Durchmesser arbei- ten können, zum Beispiel mikro- strukturierte Flüssig keitskanäle von einigen 10 bis 100 μm Größe.

Die optischen und dielektropho- retischen Kräfte, die in solchen Mikrofluidik-Ratschen bisher an- gewendet wurden [4], skalieren mit dem Teilchenvolumen. Sie reichen daher auf der Nanoskala nicht mehr aus, um mit dem thermischen Rauschen zu konkurrieren.

Nun ist es einem Team von For- schern bei IBM Zürich gelungen, erstmals eine effiziente Fluidik- Ratsche für Nano kolloide zu bauen [6]. Die IBM-Forscher verwenden elektrostatische Potentiale, die mit der Teilchen oberfläche skalieren und auch auf der Nanoskala noch ausreichend ausgeprägt sind. Um diese Potentiale zu erzeugen, nut- zen sie aus, dass sich in Mikro- und Nanofluidikkanälen an der Grenz- schicht zwischen Festkörper und Flüssigkeit, also an Kanalwänden und Kugel oberflächen, elektrische Ladungen in der so genannten elektrischen Doppelschicht ansam- meln [7]. Die Kanäle besitzen eine asymmetrische Geometrie (Abb. 2a), welche die elektrostatische Wech- genannte On-Off-Ratsche (Abb. 1).

Ein räumlich periodisches Potential in einer Dimension wird dabei zeit- lich immer wieder ein- und ausge- schaltet. Dieser periodische Antrieb richtet die diffusive Brownsche Be- wegung eines Teilchens aus. Daraus ergibt sich eine Netto bewegung.

Ein solcher Ratscheneffekt tritt praktisch immer auf, sobald die räumliche oder zeitliche Symmetrie gebrochen ist und sich das System fern vom thermischen Gleichge- wicht befindet. Dann hängt die Transportrichtung im Detail davon ab, wie die Symmetrien gebrochen werden und wie der Nichtgleichge- wichtsantrieb realisiert wird [2]. Da- zu bedarf es nicht unbedingt zweier Wärmebäder mit unterschiedlichen Temperaturen wie in Feynman‘s Fall. Die On-Off-Ratsche kommt mit einem Wärmebad aus, falls das Teilchen darin nicht ins Gleich- gewicht kommt: Der zyklische Prozess gewinnt Arbeit aus dem

D

as Konzept einer „Brownschen Ratsche“ lässt sich in Richard Feynman‘s berühmten Lecture Notes kennenlernen [1]. Feynman erläutert anhand des Gedanken- experiments „Ratchet and pawl“,#) wie die Kombination räumlicher Asymmetrie, die den asymmetri- schen Zähnen einer mechanischen Ratsche ähnelt, und thermischen Nichtgleichgewichts dazu führt, aus ungerichteten thermischen Fluktuationen gerichteten Trans- port zu erzielen oder gar Arbeit zu verrichten. Doch erst wegweisende Arbeiten der frühen 1990er-Jahre sorgten dafür, dass solche „Brown- schen Ratschen“ oder „Brown- schen Motoren“ ein eigenständiges Forschungsfeld der Statistischen Physik wurden [2]. Seitdem hat sich das Feld rasant entwickelt – durch unzählige theo retische und experi- mentelle Ar beiten [2 – 4].

Eines der einfachsten theoreti - schen Ratschenkonzepte ist die so

Ritsch, ratsch – sortiert!

Asymmetrisch gebaute Nanofluidikkanäle erzeugen elektrostatische Potentiale, die Nanokolloide gerichtet transportieren und nach ihrer Größe sortieren.

Abb. 1 Das einfachste theoretische Kon- zept einer Ratsche beruht darauf, dass ein Teilchen (a, schwarzer Punkt) zu- nächst in einem Potential (rot) lokalisiert

ist (schwarze Kurve). Nach Abschalten des Potentials bewegt es sich durch thermi sche Fluktuationen ungerichtet im Raum (b) und wird beim erneuten

Anschal ten mit signifikanter Wahr- scheinlichkeit (grau) in das nächste Potentialminimum geschoben.

Seitenansicht Elektrode Glas

Wasser PPA Silizium z

x Glas

Wasser Au NP d

Silizium PPA

V0 in kBT

xr in µm 8

6 4 2

00 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5

a b

Abb. 2 Durch die spezielle Geometrie der Kanäle (a, PPA) wirken asymmetrische elektrostatische Potentiale auf die Gold-Nanopartikel. Deren ex- akter Verlauf hängt vom Abstand d ab, der zwi- schen 127 und 148 nm variiert (b). Die Elektroden erzeugen Wechselfelder für den Antrieb mittels Elektrophorese und Elektroosmose.

aus [6]

#) Online nachzulesen unter: www.feynmanlec- tures.caltech.edu/I_46.

html

an aus an

a b c

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B R E N N P U N K T

© 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 17 (2018) Nr. 7 25 selwirkung zwischen Kanalwand

und Teilchen in ein räumlich asym- metrisches Potential „übersetzt“

(Abb. 2b). Zusätzlich verwenden die Forscher die Oberflächenladungen, um mittels externer elektrischer Wechselfelder den notwendigen Nichtgleichgewichtsantrieb zu rea lisieren. Hier spielen Elektro- phorese und Elektro osmose eine Rolle [7]. Auf diese Weise gelang es, Goldkügelchen mit 60 nm Durch- messer mit Geschwindigkeiten um die 10 μm/s mittels des Ratschen- effekts durch die Nanokanäle zu transportieren.

Während es nach wie vor von Interesse ist, Ratschen als Nicht- gleichgewichtssysteme grund- legend zu verstehen, zielt die anwendungsorien tierte Forschung darauf ab, sie als Teilchensortierer auf der Mikrometerskala und da- runter nutzbar zu machen. Daher haben die Forscher als zweiten Schritt einen Trennapparat ent- wickelt. Dessen Funktion beruht auf zwei verschiedenen Ratschen- Topographien, deren Kombination sich in der geometrischen Struktur des Nanofluidikkanals wiederfindet (Abb. 3). Eine flache, breite Ratschen- struktur transportiert die kleineren Kügelchen nach links, während gleichzeitig eine tiefe, schmale Rat- schenstruktur die größeren Kügel- chen nach rechts befördert. Dabei ist die tiefe Struktur in die flachere eingelassen. Damit gelang es, eine

Mischung aus Goldkügelchen mit Durchmessern von 60 und 100 nm innerhalb weniger Sekunden mit hoher Effizienz aufzutrennen.

Eine Brownsche Ratsche ex- perimentell zu verwirklichen, die solch winzige Objekte gezielt manipulieren kann, ist ein ent- scheidender Schritt in der kontrol- lierten Ausnutzung thermischen Rauschens. Dies kommt sowohl der Grundlagenforschung als auch technologischen Anwendungen wie dem „Lab on a chip“ zugute [8]. So könnte die neue Entwicklung dazu beitragen, so genannte „point-of- care devices“ für die patientennahe Labordiagnostik oder für bio- und

umweltchemische Analysegeräte zu realisieren.

Ralf Eichhorn [1] R. P. Feynman et al., Feynman lectures on physics, Vol. 1, Addison-Wesley, Boston (1963)

[2] P. Reimann, Phys. Rep. 361, 57 (2002) [3] S. Denisov, S. Flach und P. Hänggi,

Phys. Rep. 538, 77 (2014)

[4] D. Cubero und F. Renzoni, Brownian Ratchets, Cambridge University Press (2016)

[5] S. Matthias und F. Müller, Nature 424, 53 (2003)

[6] M. J. Skaug et al., Science 359, 1505 (2018)

[7] H. Bruus, Theoretical microfluidics, Oxford University Press (2008) [8] D. Rosamund und F. Joshua, Nature

442, 367 (2006)

Dr. Ralf Eichhorn, Nordic Institute for Theoretical Physics, Roslagstullsba- cken 23, 106 91 Stock- holm, Schweden Abb. 3 Gold-Nanopartikel verschiedener

Größe lassen sich mit einem System trennen, das zwei Ratschen unterschied- licher Topographie kombiniert. Tiefe, schmale Kanäle (weiße Pfeile) sind dabei

in breite, flache Strukturen eingelassen.

Größere Partikel (Durchmesser: 100 nm) bewegen sich in der tiefen Ratsche nach links, kleinere (Durchmesser: 60 nm) in der flachen Struktur nach rechts.

z in nm 0 –30 –60

5 µm flache Ratschen

z in nm 0 –60

tiefe Ratschen

x

500 nm

140 nm

aus [6]

Wiley-VCH • Tel. +49 (0) 62 01-606-400 • E-Mail: service@wiley-vch.de

Irrtum und Preisänderungen vorbehalten. Stand der Daten: Dezember 2013 48280

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