14. DEZEMBER 2012
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A U E R NZ
E I T U N G31
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ZÜRICH ■ Die Kundinnen und Kunden eines Hofladens möch- ten möglichst gesunde, einwandfreie, schmackhafte Le- bensmittel, die auch umweltge- recht und mit Rücksicht auf das Tierwohl hergestellt wurden.
Kurz, Qualität ist gefragt. Lang hingegen kann die Liste der Kri- terien für ein Qualitätsprodukt sein, wenn alle Wünsche einbe- zogen werden. Für die Bäuerin oder den Bauern ist es deshalb nicht einfach, sich ein klares Bild davon zu machen, ob sich für ein Produkt eine Qualitätssteige- rung lohnen könnte. In einer ETH-Bachelorarbeit an der For- schungsanstalt Agroscope Re- ckenholz-Tänikon ART wurde, gestützt auf eine Literaturre- cherche, ein Qualitätsschema entworfen (siehe Tabelle), das eine umfassende Definition und Bewertung von Qualitätsstrate- gien erlaubt. Konkret kann damit die bisherige Qualität eines Pro- dukts mit einer neuen Qualität verglichen werden. Um das vor- geschlagene Qualitätsschema zu illustrieren, wurde eine Ta belle mit einem fiktiven Zahlenbei- spiel für ein Kilo Tafeläpfel im Direktverkauf erstellt.
So ist die Tabelle zu lesen
In der ersten Spalte sind alle Qualitätsmerkmale aufgeführt, die als relevant für das zu unter- suchende Produkt erachtet wer- den. Wichtig ist, dass dazu Quali- tätsmerkmale sowohl für die Produkt- als auch die Prozess- qualität ausgewählt werden. Je nach Produkt und Herstellungs- prozess können natürlich auch andere Qualitätsmerkmale ge- wählt werden. Als nächstes wer- den Gewichte für die Produkt- und Prozessqualität vergeben,
die zusammen 1,0 ergeben. In unserem Beispiel wird die Pro- duktqualität (Gewicht 0,6) als wichtiger erachtet als die Pro- zessqualität (Gewicht 0,4), und innerhalb der Prozessqualität werden die ökologischen Merk- male höher gewichtet (Gewicht 0,7) als die sozioökonomischen Merkmale (Gewicht 0,3).
In der zweiten Spalte sind die Qualitätswerte (QW) aufgeführt, die ebenfalls zwischen 0,0 und 1,0 bewertet werden. Für die bis- herige Qualität wird der Ist-QW und für die neue Qualität der Soll-QW geschätzt und daraus die Differenz berechnet. Mit der Gewichtung jedes einzelnen Qualitätsmerkmals lässt sich der gewichtete Qualitätswert der ge- samten Qualitätsstrategie be- rechnen. In unserem Beispiel hat der Apfel für das Produktmerk- mal «Aroma» den Ist-QW 0,7 und den Soll-QW 0,8, was die Diffe- renz von 0,1 ergibt. «Aroma»
wurde hier mit 0,25 gewichtet, womit Aroma neben «Farbe»
(0,3) mit Abstand als wichtigstes Merkmal eingestuft wurde. Ver- rechnet man die Qualitätswerte über alle Merkmale mit den ent- sprechenden Gewichtungen, er- reicht die Soll-Qualität einen hö- heren Qualitätswert (0,7) als die Ist-Qualität (0,61). Es stellt sich nun die Frage, ob sich die höhere Qualität der Soll-Strategie auch wirtschaftlich lohnt. Dazu wer- den die Kosten und die Zah- lungsbereitschaft pro Merkmal eingeschätzt, um daraus in der letzten Spalte der Tabelle den Gewinn respektive Verlust einzu- tragen. In unserem Beispiel er- gibt sich für die Produktqualität insgesamt ein Gewinn von 2 Rp./kg für die Ist-Qualität. Die Soll-Qualität hingegen ist gerade noch kostendeckend (0 Rp./kg
Gewinn). Bei der Prozessqualität sieht es anders aus. Hier schnei- det die Soll-Qualität im Vergleich zur Ist-Qualität bei den ökologi- schen Merkmalen besser ab (3 Rp./kg Gewinn im Vergleich zu 0
Rp./kg), und bei den sozioöko- nomischen Merkmalen lässt die Soll-Variante einen etwas kleine- ren Verlust erwarten (−1 Rp./kg im Vergleich zu −2 Rp./kg Ver- lust). Über alle Merkmale resul-
tiert für die Soll-Qualität ein Ge- winn von 2 Rp./kg und 0 Rp./kg für die Ist-Qualität. Fazit: Mit der neuen Strategie kann ein hö - herer Qualitätswert erwartet werden, der insgesamt mehr Ge-
winn abwerfen kann als die bis- herige Strategie.
Nutzen
des Qualitätsschemas
Der Nutzen dieses Schemas liegt darin, dass verschiedene Qualitätsstrategien für ein Pro- dukt im Direktverkauf umfas- send durchleuchtet werden kön- nen. Dies hilft, möglichst klar aufzudecken, bei welchen Quali- tätsmerkmalen Handlungsbe- darf besteht. Weil das Schema alle wichtigen Qualitätsmerk - male eines Produkts bewertet, kann es auch in der Kommuni- kation mit den Kundinnen und Kunden verwendet werden. Es lässt sich damit aufzeigen, wo ein Qualitätsmehrwert mit ei- nem bestimmten Produkt er- reicht wird. Die Struktur des Schemas könnte auch auf Pro- dukte, die über den Grosshandel abgesetzt werden, angewendet werden. Dazu müsste das Sche- ma erweitert werden, um die Partner einer Wertschöpfungs- kette einzubeziehen. Mehr Klar- heit darüber, wer bei einer Qua- litätsstrategie welche Kosten trägt und wer welche Profite rea- lisiert, kann die Zusammenar- beit in der Wertschöpfungskette verbessern. Die Wettbewerbsfä- higkeit aller Partner könnte ver- bessert werden, weil Qualitäts- produkte optimal auf Kosten und Zahlungsbereitschaft abge- stimmt sind. Aber vorerst ist das vorgeschlagene Qualitätssche- ma nicht mehr und nicht weni- ger als ein hoffentlich inspirie- render Ansatz, der in der Praxis erprobt werden muss.
Patrik Mouron, Forschungs - anstalt Agroscope Reckenholz- Tänikon ART, und Nicolas Zogg, BSc ETH Zürich Umweltnatur- wissenschaften
Welche Qualität lohnt sich im Direktverkauf?
Hofladen / Die Kunden wünschen sich einwandfreie Lebensmittel. In einer Bachelorarbeit wurde dafür ein Qualitätsschema entworfen.
Qualitätsschema zur Bewertung von Qualitätsstrategien für landwirtschaftliche Direktverkaufsprodukte. Die Wer- te stellen ein fiktives Beispiel für 1 kg Tafeläpfel dar. Skala: 0 = sehr schlechte-, 1 = beste Qualität. (Tabelle nz)
