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Brunhart, Andreas (2019): Mehr Arbeitsplätze als Einwohner. In: Global Investor 4/2019, S. 16-17.

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Academic year: 2022

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as Fürstentum Liechtenstein, welches in diesem Jahr sein 300-jähriges Jubiläum feiert, hat sich nach dem 2. Weltkrieg von einem sehr armen Agrarstaat zu einem Land mit enormem Wohlstand und ho- her volkswirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entwickelt. Heute leben dort rund 38.000 Personen – seit 2017 gibt es in Liech- tenstein sogar erstmals mehr Arbeitsplätze als Einwohner. Die kleine, offene Volkswirtschaft weist einen hohen Anteil an Finanzdienstleistungen auf (17 % der Beschäftigung), verfügt aber gleichzeitig über einen großen und breit-diversifizierten Industriesektor, der inklusive Waren produzierendes Gewer- be ungefähr 40 % der nationalen Bruttowertschöpfung und Beschäftigung abdeckt, was im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Der starke Beschäftigungsausbau in den letzten Jahr- zehnten war vor allem möglich durch den starken Anstieg der Grenzgänger aus Österreich und der Schweiz (Zupendleranteil mittlerweile über 50 %).

Die liechtensteinische Volkswirtschaft hat sich trotz der massiven Wachstumseinbrüchen durch die Finanzkrise, des Aufwertungsdrucks des Schweizer Frankens (offizielle Währung Liechtensteins) und der Finanzplatz-Transformation – Stich- wort „Weissgeldstrategie“, welche das traditionelle Treuhandge- schäftsmodell obsolet machte – als erstaunlich robust erwiesen.

Die Arbeitslosenquote ist mit unter 2 % sehr niedrig, und die meisten wichtigen Wirtschaftsaggregate haben den Vorkri- senstand von 2007 preisbereinigt mittlerweile wieder erreicht.

Das Bruttonationaleinkommen pro Kopf ist (auch kaufkraftbe- reinigt) das höchste aller EU-/EFTA-Staaten, die öffentlichen und privaten Reserven sind hoch, und Standard and Poor’s be- wertet Liechtenstein zusammen mit anderen 10 Staaten (von 133 Ländern) mit dem höchsten Rating AAA. Doch welche Faktoren haben eigentlich zum hohen Wohlstand und Produktivitätsaus- weis der liechtensteinischen Volkswirtschaft beigetragen?

Natürlich waren die speziellen Rahmenbedingungen wich- tig. Einerseits die Partnerschaft mit den Nachbarländern, vor allem aber mit der Schweiz, mit welchem Liechtenstein eine Zollunion, eine Währungsunion und viele weitere bilaterale Ab- kommen teilt. Andererseits die wirtschaftliche Integration wie beispielsweise Liechtensteins Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum, der EFTA und der WTO. Auch die politische Stabilität im Zusammenspiel von direkter Demokratie und Mo- narchie war eine wichtige Bedingung für den wirtschaftlichen Erfolg, gepaart mit einer umsichtigen Finanzpolitik in Politik und Wirtschaft, welche zu einer hohen Reservebildung der öf- fentlichen und privaten Haushalte und starker Eigenkapitalisie- rung der Unternehmen geführt hat.

Sicher waren diese Rahmenbedingungen nicht nur auf ei- gene strategische Arbeit zurückzuführen, sondern auch vom Wohlwollen der internationalen Partnerstaaten abhängig. Oder es waren schlichtweg auch glückliche Umstände, beispielswei- se, dass Liechtenstein in den Weltkriegen weitgehend unver- sehrt blieb, im stabilen und prosperierenden Mitteleuropa liegt und sich zur wirtschaftlich sehr dynamischen Bodenseeregion zählen kann.

Innerhalb dieser Rahmenbedingungen gelang es, Vorteile

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Arbeitsplätze als Einwohner

Liechtenstein startete als Agrarstaat und entwickelte sich zum prosperierenden Banken- und Gewerbestandort. Das kleine, starke Land steht gleichwohl vor allerhand Herausforderungen.

Autor: Dr Andreas Brunhart

der Kleinheit in Verbindung mit der Eigenstaatlichkeit für sich nutzen zu können. Wichtige rechtliche und wirtschaftspoli- tische Grundlagen hierfür wurden bereits in der Zwischen- kriegszeit gelegt, zum Beispiel durch die Schaffung einer libe- ralen Wirtschafts- und Rechtsordnung, kombiniert mit tiefer Steuer- und Abgabenbelastung. Hierbei waren und sind auch die kleinstaatlichen „kurzen Wege“ in Politik, Verwaltung und Wirtschaft und damit verbundene Effizienz, Flexibilität und Handlungsschnelligkeit hilfreich. Ein Beispiel dafür ist die im Anschluss an die „Zumwinkel-Affäre“ innerhalb weniger Wo- chen beschlossene und breit mitgetragene „Weissgeldstrategie“

(Steuertransparenz und Informationsaustausch).

Eine gewisse Widerstandsfähigkeit ist in einem sehr kleinen Staat den Unternehmen quasi „anerzogen“. Wegen der kleinen Binnenwirtschaft sind diese schon früh internationalem Wett- bewerb ausgesetzt, da der Großteil der Nachfrage sich im Aus- land befindet. Zudem kann sich die Wirtschaft nicht auf staat- liche Unterstützungsmaßnahmen verlassen, weil Kleinstaaten üblicherweise über keine autonome Geldpolitik verfügen und der Hebel der Fiskalpolitik wegen der vergleichsweise geringen Ressourcen schwach ist (auch weil sich die Nachfrage ja vor allem im Ausland befindet). Die fehlende Pufferfunktion der Binnenwirtschaft und die damit verbundene höhere Sensitivität gegenüber internationalen Konjunkturschocks führt ebenfalls dazu, dass die Unternehmen widerstandsfähiger sind gegenüber Schocks und strukturellem Wandel. Wichtig ist auch, dass die

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Wirtschaftsunternehmen mit einer konsequenten Nischenstra- tegie (Qualität statt Preis) die kleinheitsbedingte Not zur Tugend gemacht hat. Die Nischenstrategie und Anpassungsfähigkeit haben in Liechtensteins Wirtschaft zu hoher Innovationskraft geführt: Die privaten Forschungsausgaben in Relation zum BIP sind mehr als doppelt so hoch wie im europäischen Durch- schnitt, Ähnliches gilt für die Anzahl Patente pro Kopf.

Zudem hat es Liechtenstein geschafft, viele ökonomische Kostennachteile der Kleinheit abzufedern, indem man sich nur auf die wirklich notwendigen Staatsaufgaben konzentriert hat und durch internationale Partnerschaften und Abkommen ge- wisse Staatsaufgaben „outsourcen“ konnte. Auch dadurch konn- ten die Staats- und die Fiskalquote auf sehr tiefen 20 % gehalten werden. Dass diese Partnerschaften möglich waren, hat vor allem mit der kleinheitsbedingten Insignifikanz in der öffentli- chen Wahrnehmung zu tun, aber natürlich auch mit internatio- nalem Goodwill.

Trotzdem sieht sich auch Liechtensteins Volkswirtschaft mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Seit der Jahrtau- sendwende hat sich das durchschnittliche Wirtschaftswachs- tum merklich verlangsamt und war vor allem auf Beschäfti- gungsausbau statt Produktivitätsgewinne zurückzuführen.

Schwaches Produktivitätswachstum ist zwar auch in den meis- ten anderen Industriestaaten zu beobachten, die Konsequenzen daraus sind aber in einem Kleinstaat mit begrenzter Fläche und knappen natürlichen und personellen Ressourcen noch gravie-

render. In diesem Kontext stellt auch die Raum- und Verkehrs- gestaltung ein eminentes Problemfeld dar. Der Zupendler- und Binnenverkehr, voranschreitende Zersiedelung und fehlende Raumplanung bedrohen das Gleichgewicht von Wirtschaften, Wohnen und Natur (von den 160 km2 Landesfläche eignet sich der überwiegende Teil nicht für Siedlungs- oder Wirtschaftsak- tivität). Darüber hinaus sind die strukturellen Anpassungen durch die „Weissgeldstrategie“ und die Bewältigung der gene- rell steigenden Regulierungsanforderungen im Finanzdienst- leistungssektor noch nicht ganz ausgestanden. Auch setzt der starke Franken der Exportindustrie immer noch zu, was durch die aufziehenden Handels- und Zollauseinandersetzungen noch verstärkt wird. Gerade hier zeigt sich, dass die weltweit zu be- obachtende steigende wirtschaftliche und rechtliche Unsicher- heit gerade für kleine, exportorientierte Staaten ohne nennens- werte Macht und Einfluss ein Problem ist. //

DR. ANDREAS BRUNHART

F O R S C H U N G S L E I T E R W I R T S C H A F T L I E C H T E N S T E I N - I N S T I T U T

„Liechtenstein konnte seine Staatsquote auf sehr tiefen 20 Prozent halten.“

WACHSTUMSRATE BRUTTOINLANDSPRODUKT (INFLATIONSBEREINIGT) SEIT 1972

12 10 8 6 4 2

–12 –6 –8 –10 –4 –2 0

Quelle: „Wirtschafts- und Finanzdaten zu Liechtenstein“, Hg. Regierung des Fürstentums Liechtenstein

’73 ’77 ’79 ’83 ’85 ’87 ’89 ’91 ’93 ’95 ’97 ’99 ’05 ’07

’11

’13 ’15 ’17 2001

’03

’09

’81

’75

~ L I E C H T E N S T E I N ~

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