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„Juwelen der Klassik“

Beethoven und Mahler im Visier

musikalischer Kanonisierungsprozesse

Annegret Eberl

Was sind eigentlich die„Juwelen der Klassik“? Und warum können wir uns so sicher sein, Werke Ludwig van Beethovens darunter zu finden, nicht aber Leopold Anton Kozeluchs? Erklärungen, die durch eine historische Verortung des Kanonbegriffes und musikalische Analysen gegeben werden können, sind mit Hilfe der Betrachtung der Rezeptionsgeschichte von Komponisten am aktuellen Musikbetrieb zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren.

„Orpheus‘ Lyra öffnete die Tore des Orkus.“ (Hofmann 1977: 34)

Warum ist gerade die „Ode an die Freude“ aus Beethovens neunter Symphonie (in einer Instrumentalfassung) zur Europahymne geworden? Und warum findet sich diese Symphonie zum Jahreswechsel bei zahlreichen Orchestern auf dem Programm?

Alle diese Fragen zielen auf einen Kanon musikalischer „Meisterwerke“, die in der Musikwelt weiterhin einen wichtigen Platz einnehmen. Seit in den 1960er Jahren jedoch immer mehr Kritik an einer festgelegten Auswahl an „Klassikern“ laut wurde, ist an musikwissenschaftlichen Seminaren und Instituten die Lehre eines kanonischen Wissens zugunsten anderer Zielsetzungen zurückgetreten. Heute stehen vor allem kritisches Bewusstsein und eine möglichst genaue Reflexion im Zentrum. Auch wenn dies ohne Zweifel eine wichtige Aufgabe des wissenschaftlichen Arbeitens ist, so setzt sie doch in gewisser Weise ein kanonisches Wissen voraus. Das Tutorium „Juwelen der Klassik“ – Beethoven und Mahler im Visier musikalischer Kanonisierungsprozesse verband beides:

einerseits den Einblick in den musikalischen Kanon, andererseits aber auch die kritische Betrachtung des Gegenstandes, ein Kennenlernen und Einüben wissenschaftlicher Arbeitstechniken und das Schulen einer differenzierten Wahrnehmung.

Gibt es aktuell einen Kanon im Bereich der sogenannten „klassischen Musik“, was ist darin enthalten, wie ist er entstanden und wie wird er normativ bestätigt?

Mit einem breiten Methodenhorizont ist dies an Fallbeispielen unter anderem der Beethoven- und der Mahler-Rezeption untersucht worden, ferner an der Geschichte der Rezeption von Komponisten und Werken, die jeweils auf anderen (oft verschlungenen) Wegen ihren Platz im Repertoire bzw.

Kanon gefunden haben.

Die Frage nach einem Kanon wird traditionell in der Literaturwissenschaft gestellt und beantwortet.

Hier sind deshalb auch die Veränderungen in der Bildungslandschaft reflektiert sowie die Problematik der Entstehung und Auflösung eines Kanons theoretisch untersucht worden. Darüber hinaus führt diese Reflexion auch auf die Frage nach einem europäischen Bildungskanon überhaupt. In diesen Zusammenhang ist die Erforschung eines gegenwärtigen musikalischen Kanons im Tutorium situiert worden.

Nach einer historischen Verortung des Kanonbegriffes mit Hilfe von Literatur aus verschiedenen

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Disziplinen, haben wir das Augenmerk vor allem auf eine kritische Betrachtung des aktuellen Musikbetriebes gelegt. Die kulturellen Praktiken, durch die ein musikalischer Kanon im gegenwärtigen multimedialen Musikbetrieb erzeugt, transformiert und bestätigt wird, sind beobachtet und auf ihre wissenschaftliche Überprüfbarkeit untersucht worden. So haben wir beispielsweise begonnen, Daten aus den Konzertprogrammen der weltbesten Orchester zu erheben.

Durch das Erstellen von, an im Konzertbetrieb tätige Musikwissenschaftler gerichtete Fragebögen, konnten zudem weitere Methoden der empirischen Sozialforschung erprobt werden. Als Experten haben sich Steffen Georgi, Konzertdramaturg des Rundfunksinfonieorchesters, und Clemens Goldberg, Musikwissenschaftler, Radio-Autor und Moderator beim Kulturradio des RBB in jeweils einer Sitzung bereitwillig von uns interviewen lassen. Gleichzeitig konnten wir dabei Einblicke in Berufsfelder erlangen, die für angehende Musikwissenschaftler_innen interessant und relevant sein können.

Die Repertoirekenntnisse wurden durch die Diskussion der Kanonisierungsprozesse in einem Rahmen verortet und außerdem durch das Untersuchen von Kompositionen, die nicht im gängigen Kanon vertreten sind, erweitert. Die Erprobung eigener Kompetenzen in Paaren sowie im Plenum konnte die Beobachtungsfähigkeit im Hinblick darauf schärfen, wie sich in kommunikativen Prozessen Kriterien und Wertungen herausbilden, die gegebenenfalls bei den Kanonisierungsprozessen mitwirken. Musikwissenschaftliche Fachkenntnisse wurden durch das Heranziehen und kritische Hinterfragen von sowohl „klassischer“ Literatur als auch neusten Forschungsergebnissen erprobt, gefestigt und vertieft.

Literaturverzeichnis

Hofmann, E.T.A. (1977): Schriften zur Musik. München: Winkler.

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