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Juni 1887 zu Forst in der Lausitz geboren, wuchs er als der älteste von drei Brüdern auf

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Johannes Nobel (1887—1960)

Von Wilhelm Rau, Marburg

Am 22. Oktober 1960 starb in Marburg an den Folgen einer Operation

der emeritierte ordentliche Professor für Indische Philologie und Kultur¬

geschichte des Ostens, Dr. phil. Julius Adolf Johannes Nobel.

Als Sohn des Buchhalters Oskar Nobel und dessen Ehefrau Elisa¬

beth geb. Teicheet am 25. Juni 1887 zu Forst in der Lausitz geboren,

wuchs er als der älteste von drei Brüdern auf. Im Jahre 1890 siedelte die

Famihe von Forst nach Fulda über, wo Nobel von 1893 bis 1897 die

Volksschule und von 1897 bis 1907 das katholische Dom-Gymnasium

besuchte. Schon während der Schulzeit entwickelte er ein lebhaftes

Interesse für Sprachen und Literaturen, besonders für das Lateinische,

Griechische und Hebräische, und begann sofort nach bestandenem

Abitur gegen den Willen seiner Eltern, die ihn zum katholischen Priester

bestimmt hatten, in Greifswald das Studium der Semitischen Sprachen,

des Sanskrit und der Vergleichenden Sprachwissenschaft. Er hörte dort

zwei Semester Arabisch und Türkisch bei F. Giese, Vergleichende

Sprachwissenschaft bei E. Zupitza und Indologie bei L. Hellee. Der

Letztgenannte, ein ebenso scharfsichtiger wie warmherziger Philologe

aus der Schule F. Kielhobns, hat Nobels Werdegang aufs entschei¬

dendste beeinflußt. Er lenkte das noch unbestimmte Streben des jungen

Studenten von Vorderasien auf Indien und dort wiederum auf die in¬

dische Kunstdichtung, nicht auf das Spezialstudium der einheimischen

Sanskrit-Grammatik, die er ebenso gründlich hätte lehren können.

Nobel war in der Tat zum Philologen, nicht zum Grammatiker, geboren.

Da ihm finanzielle Hilfe von Hause versagt blieb, wäre es indessen un¬

klug von ihm gewesen, sich allzu früh auf die Orientalia zu beschränken.

Er dachte damals wohl daran, sein Studium mit einem Staatsexamen

abzuschließen, und hörte deshalb bei Bickel, Gercke, Hosius und

Peenice klassische Philologie, ältere Germanistik bei Koneath und

Philosophie bei Rehmke. Dazu begann er bereits im 2. Semester aus¬

hilfsweise an der Universitätsbibhothek Greifswald zu arbeiten, um

Geld zu verdienen. Zum Sommersemester 1908 zog ihn vor allem R.

Pischels glänzender Name nach Berhn, doch war jener Sommer Pi¬

schels letzter: er starb lange vor seiner Zeit am 26. 12. desselben Jahres

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J ohannes Nobel 7

auf einer Indienreise in Madras. Nichtsdestoweniger wurde Nobel durch

ihn endgültig für die Indologie gewonnen: die Matrikel der Berliner

Universität verzeichnet ihn von nun an als Studenten des Sanskrit und

der Vergleichenden Sprachwissenschaft. Seine Lehrer waren in der Indo¬

logie H. Lüdees, E. Sieg — beide wie L. Hellee Schüler F. Kiel¬

hoens — und, speziell für das Tibetische, H. Beckh, in der Indogerma¬

nistik W. Schulze, in der klassischen Philologie H. Diels und U. von

Wilamowitz-Möllendoeff, in der Germanistik G. Roethe, im Kel¬

tischen H. Zimmer d. Ä., in der Philosophie A. Lasson und A. Riehl.

Wer beneidet ihn heute nicht um solche Lehrer ! Aber auch hier schenkte

die Muse das Gute nur zusammen mit dem Harten. Nobel war

fast völhg mittellos und mußte seinen Lebensunterhalt neben dem

Studium sauer verdienen. Im Frühling 1910 trat er als Hilfsarbeiter bei

der Preußischen Staatsbibhothek ein und schlug sich kärghch durch.

Ein Harmonium und der Grundstock zu einer eigenen Bibhothek wurden

buchstäbhch vom Munde abgespart, das Studium hauptsächlich in den

Abendstunden erledigt. Zum Rigorosum am 31. Juh 1911 erhielt er von

der Bibliothek einen Tag Urlaub und promovierte am 20. Dezember 1911

bei H. Lüdees und W. Schulze mit der Dissertation ,, Beiträge zur

älteren Geschichte des Alamkärasästra", die er seinem verehrten Gro߬

vater mütterlicherseits, Julius Teicheet, widmete. Letztlich dürfte

die Anregung zu dieser Arbeit auf L. Heller zurückgehen, wenngleich

es feststeht, daß Nobel schon von der Schule eine entschiedene Neigung

zur Poesie mitbrachte und früh erkannte, daß die bloß romantische Be¬

trachtung orientahscher Dichtung so lange unzureichend bleibt, wie ihre

theoretischen Grundlagen unerforscht sind. Die Untersuchung der

Quellen des Alamkärasästra zog ihn während der nun folgenden 14

Jahre ganz in ihren Bann und gipfelte in der Monographie „The foun¬

dations of Indian poetry and their historical development (General

Outhnes)", Calcutta 1925.

Wie früh er sich auf diesem Gebiete sicher fühlte, zeigt u. a. seine

Kontroverse mit A. B. Keith über die Echtheit des Rtusamhära : cf.

ZDMG 66, 1912, pp. 275 sqq., JRAS 1912, pp. 1066—1070, JRAS 1913,

PP- 401 sqq. und 410 sqq. Da trat der junge Doktor mit schöner Kühn¬

heit einem Gelehrten von internationalem Rufe entgegen und hielt sich

wacker.

Im Oktober 1913 wurde er auf Grund glänzender Zeugnisse von

H. Lüdees und W. Schulze bei der Preußischen Staatsbibhothek als

Volontär zugelassen, bestand im August 1915 die Bibhotheksfachprü-

fung und wurde zum Bibliotheksassistenten befördert. Kurz darauf

fand ihn der Mihtärarzt ,, garnisondienstfähig" und im November 1915

ging er als Armicrungssoldat ins Feld in die Vogesen. Vom Sommer 1917

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8 Wilhelm Bau

bis zum Frühling 1918 wurde er in Berhn zum Heeresdohnetscher für

Türkisch ausgebildet und diente anschheßend in dieser Eigenschaft beim

Großen Hauptquartier in Bad Kreuznach, zuletzt in Spa. Am 14. Mai

1918 heiratete er Charlotte Schmidt, eine Kollegin bei der Preußischen

Staatsbibhothek, und 2 Jahre später wurde seine einzige Tochter Inge

geboren. Bereits vor Ende 1918 aus dem Heeresdienst entlassen, war

es Nobel trotzdem noch 15 Monate lang nicht möglich, zu seinen Stu¬

dien zurückzukehren, da er bei der pohtischen NachrichtensteUe des

Auswärtigen Amtes weiterverwendet wurde. So kam es auch, daß er eine

Stellung als Hilfsbibhothekar bei der Universitätsbibliothek Göttingen,

auf die er schon zu Anfang 1917 versetzt worden war, nicht einen Tag

wahrgenommen hat; denn zum 1. April 1920 trat er wieder zur Preußi¬

schen Staatsbibliothek über und wurde im Oktober desselben Jahres

zum Bibliothekar ernannt. Damit begann nach 414-jähriger Unter¬

brechung ein neuer Lebensabschnitt: in gesicherter Lebensstellung

koimte er an seine Habihtation denken. Das unpubhzierte deutsche

Original seiner Habilitationsschrift trug den Titel: „Die theoretischen

Grundlagen der indischen Kunstdichtung" und erschien erst im Jahre

1925 in gekürzter englischer Fassung als „Foundations of Indian Poetry",

s. o. Die venia legendi für Indische Philologie datiert vom 5. 8. 1921.

Der Privatdozent fand sich in Berlin selbst während der bösen Nach¬

kriegsjahre in einem höchst anregenden Kreise gleichinteressierter Kol¬

legen und betrachtete jene Berliner Jahre immer als die heitersten seines

Lebens. Am nächsten standen ihm unter der älteren Generation das

Ehepaar H. und E. Lüdebs. W. Bang-Kaup, A. H. Fbancke, unter

den Altersgenossen W. Siegling, W. Schubbing, H. Zimmeb d. J.,

H. V. Glasenapp, E. Waldschmidt, W. A. Zieseniss, G. Wbibgen

und V. S. Sukthankab. In dieser Zeit begann er mit dem Studium des

Mahäyäna-Buddhismus, das für seine folgende Lebensarbeit entscheidend

wurde. Seit 1923 widmete er sich neben dem Tibetischen privatim

auch dem Chinesischen und nahm in zahlreichen Publikationen das Wort

zu den Themen, die damals im Brennpunkt des Interesses der Berliner

Indologen standen. Das Alamkärasästra wurde deswegen zwar nicht

vöUig beiseite gelegt, trat jedoch merklich zurück, und gelegentliche

Exkursionen ins Gebiet der Bibliographie, der Handschriftenkunde und

der Epigraphik blieben Feiertagsausflüge. Die Beschäftigung mit dem

Mahäyäna führte am Ende der Berliner Jahre zu den Abhandlungen

über Kumärajiva (SPAW 1927), Kumäraläta (NGGW 1928) und Asva¬

ghosa (NGGW 1931). Im Jahre 1927 erreichte ihn ein Ruf an die Uni¬

versität Canton/China, den er ablehnte. Am 28. Dezember 1927 er¬

nannte ihn die Berhner Fakultät zum api. Professor, und kurz danach

erhielt er beinahe gleichzeitig zwei weitere Rufe: den einen nach Königs-

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Johannes Nobel 9

berg, den anderen nach Marburg. Er entschied sich ohne Zögern für den

zweiten, der ihn in die Nähe seiner Heimat zurückbrachte. K. F. Geld¬

ner (seit 1921 emeritiert) erlebte noch die Freude, die „echte Sanskrit- Philologie" [Brief vom 19.2.1928] wieder in Marburg einziehen zu sehen,

und bemerkte, daß bei der Berufung ,,auch das Chinesische mit in die

Waagschale gefallen" sei [Brief vom 11.1. 1928]. Der herzlichen Freund¬

schaft zwischen den beiden Gelehrten setzte freilich Geldnees Tod am

5. 2. 1929 ein rasches Ende; Nobels Nachruf auf ihn findet sich IJ 14,

1930, pp. 363—371. Ähnlich wie bei L. Heller und R. Pischel sollte

aber auch hier eine kurze Begegnung von weittragenden Folgen sein,

wie sich unten zeigen wird.

In den nun folgenden 30 Jahren wuchs langsam aber stetig das mag¬

num opus seines Lebens, die Bearbeitung des Suvarnaprabhäsottama-

sütra, heran. 1937 erschien der Sanskrit-Text, 1944 die tibetischen Über¬

setzungen, 1950 das Glossar Tibetisch-Deutsch-Sanskrit, 1958 in zwei

Bänden die deutsche Übersetzung I-chings chinesischer Version und

deren tibetische Wiedergabe mit photomechanischem Nachdruck des

chinesischen Textes. Nebenher Uef die Arbeit über die tibetische Über¬

setzung des Roruka-Avadäna, hrsg., ins Deutsche übertragen und mit

einem Wörterbuche versehen, 1955. Diese Werke dürfen als Beispiele

philologischer Akribie und als Muster für Editionen ähnlicher Texte

gelten. Daß sich ihr Abschluß so lange hinzog, hatte vielerlei Gründe.

Zunächst wohl den, daß solche Unternehmen ganz naturgemäß während

der Bearbeitung unversehens wachsen. Das ist ein Glück. Übersähe man

alle Schwierigkeiten von vornherein, so fänden derartige, unbedingt

nötige, Aufgaben in unseren geschwinden Zeiten kaum Bearbeiter. Zu

diesem Umstand, der in der Sache selbst begründet ist, kamen aber,

vom zweiten Weltkrieg abgesehen, noch drei weitere. Es galt in Mar¬

bmg ein Seminar aufzubauen, die nötigen Arbeitsmittel zu beschaffen,

eine ostasiatische Abteilung einzurichten. Bei K. F. Geldners Tode war

nahezu nichts vorhanden : Geldnee lebte und arbeitete in seiner Privat-

bibUothek. Der Jahresetat für das damahge Orientalische und Indoger¬

manische Seminar belief sich auf 200,— Mark. Der Lehrstuhlinhaber

war alles in einer Person : Ordinarius, Assistent, Lektor,Bibliothekarund

Schreibkraft. Trotzdem lehrte Nobel seit 1930 neben der indischen

Philologie Tibetisch und Chinesisch. Am 1. 10. 1935 wurde sein persön¬

liches Ordinariat in ein planmäßiges umgewandelt, am 8. 1. 1938 er¬

weiterte der Kultusminister den Lehrauftrag für Indische Philologie zu

einem solchen für Indische Philologie und Kulturgeschichte des Ostens,

seit 1940 wirkte am Seminar ein nichtplanmäßiger Lektor für Japanisch,

im Jahre 1948 wurde die Indisch-Iranische Abteilung des Orientalischen

und Indogermanischen Seminars als Indisch-Ostasiatisches Seminar

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10 Wilhelm Rau

verselbständigt, 1952 wurde ein Sinologe habilitiert. Solche Fakten

scheinen dürr und unbedeutend. Eingeweihte werden richtig einschätzen,

welches Maß an Arbeit, Zeit und Nervenkraft in jenen Jahren nötig war,

auch nur so viel zu erreichen. Noch im Jahre 1957 betrug der Gesamt¬

etat 600,— DM und mußte der Direktor sämtliche Verwaltungsarbeit

des Seminars allein erledigen. — Weiter ist zu erwähnen, daß 1936

H. Hackmanns (1865—1935) Bibliothek und Nachlass nach Marburg

kamen mit dem Beding, daß das MS. des Erklärenden Wörterbuchs zum

Chinesischen Buddhismus von hier aus ediert werde. Auch das übernahm

Nobel und legte bis zu seinem Tode 6 Lieferungen vor (Leiden, 1951—

1954). Endlich schuldete er auf Grund eines Versprechens K. F. Geld¬

nee und dessen Freunde Ch. R. Lanman die Herausgabe der deutschen

Rgveda-Übersetzung, d.h. die letzten Korrekturen der Bände 1—3 und

die Herausgabe des Indexbandes. Vorgänge, auf die weder Nobel noch

Lanman Einfluß hatten, verzögerten das Erscheinen des Werkes bis

1957 (Bd. 1—3: 1951; 4: 1957 = HOS vols. 33—36), aber Nobel hat

sein Wort noch einlösen können. Wer heute Geldnees Rgveda-Über¬

setzung benutzt, sollte nicht vergessen, daß er sie ohne Nobels Anstren¬

gung nie zu lesen bekommen hätte.

Was die Lehrtätigkeit betrifft, so ist es vielleicht für eine künftige

Geschichte der deutschen Indologie nicht uninteressant zu wissen,

welche Themen Nobel in Übungen behandelt hat. Neben den obhgaten

Einführungskursen ins Sanskrit, Päh, Tibetische und Chinesische er¬

klärte er im Sanskrit: Rgveda, Chändogyopanisad, Käthakopanisad,

Bhagavadgitä, Rämäyana, Mrcchakatika, Kälidäsa's Rtusamhära,

Raghuvarnsa, Kumärasambhava, Meghadüta, Abhijnänasäkuntala,

Dandin's Kävyädarsa, Bhäravi's Kirätärjuniya, Mägha's Sisupälavadha,

Subandhu's Väsavadattä, Bäna's Harsacarita und Kädambari, Jaya-

deva's Gitagovinda; im Päli: Dhammapada, Thera- und Therigäthä,

Jätakas; vom Mahäyäna-Schrifttum: Divyävadäna, Sukhävativyüha,

Suvarnaprabhäsottamasütra — soweit wie möglich sämthch Sanskrit-

Tibetisch-Chinesisch ; im Tibetischen besonders: Milaraspa's Gedichte;

im Chinesischen: K'ung-tzu, Lao-tzu, Meng-tzu, die Reiseberichte

Fa-hsien's, Hsüan-tsang's, I-ching's, die Schriften Kumärajiva's und

seines Kreises.

Bei all diesen und zahlreichen anderen Aufgaben teils in der Selbstver¬

waltung der Universität, teils in der Gutachtertätigkeit für die Deutsche

Forschungsgemeinschaft bewährte sich sein gleichmäßiger Fleiß und

seine ausgeglichene Sinnesart: ich habe ihn nie in Hast oder Aufregung

gesehen. Er arbeitete bedächtig aber unaufhaltsam. Seine einzige Er¬

holung bestand im Reisen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger K. F.

Geldnee, der Deutschland nur ein einziges Mal verheß, um in Kopen-

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Johannes Nobel 11

hagen eine Handschrift zu kollationieren, besuchte er zu wiederholten

Malen beinahe alle Länder Westeuropas, auch Finnland, und dreimal

Indien: Oktober 1951— ^April 1952 mit Aufenthalt in Burma März/April

1952; Oktober 1953— März 1954 und Januar/Februar 1960, wo er auch

Nepal und Ceylon zu sehen bekam. Dagegen galten ihm äußere Ehren

nichts; das Dekanat hat er mehrere Male abgelehnt, um keine Zeit für

seine wissenschafthchen Arbeiten zu verlieren. ,,Was einmal von uns

bleibt, sind nur unsere Veröffentlichungen", pflegte er zu sagen.

Dennoch wurde er Mitghed der International Academy of Indian Culture

(1937, damals Lahore, jetzt New Delhi) und Mitarbeiter am Satapitaka-

Projekt, sowie korrespondierendes Mitghed der Suomalais-Ugrilainen

Seura (Finno-Ugrian Society) in Helsinki (1942). April 1959 erschien

zu seinem 70. Greburtstag die Festschrift ,,Jfiänamuktävali", über die er

sich herzlich freute, obwohl sie etwas verspätet kam. Emeritiert wurde

er am 1. 10. 1955.

Wer den Verstorbenen nur oberflächlich kannte, wird seiner vor allem

als eines schweigsamen, nüchternen, genauen Mannes gedenken. Seine

Rede war knapp, sein Tageslauf nach der Uhr geregelt. Wer ihm näher

kommen durfte, entdeckte daneben einen erstaunlichen Hang zur Natur¬

beobachtung, besonders des Sternenhimmels, zur klassischen und roman¬

tischen Musik, zur Dichtung auch seltener Gattungen wie etwa des

Kunsträtsels, zu mathematischen Aufgaben. Er hatte eine urwüchsige

Freude am Humor in allen seinen Schattierungen von der feinen Ironie

des Gebildeten bis zur politischen Satire und Karikatur. Seine Anhäng-

hchkeit an alte Freunde und seine ehrliche Hochachtung für seine mittel¬

baren und unmittelbaren Lehrer war geradezu rührend: ,, Kielhorn

hat sich nie geirrt. — Was Geldner am Rgveda nicht herausbekommen

hat, ist nicht herauszubekommen. — Heller konnte wirklich Sanskrit."

Das waren oft wiederkehrende Sätze. Er war die Güte selbst gegenüber

denen, die er schätzte. Werm ich hier von mir reden darf, so soll es fest¬

gehalten sein, daß er mir 1946 persönlich die Anlage des Katalogs der

Marburger Universitätsbibhothek erklärte — die Bibliothek Geldner

hatte er selbst aufgenommen — und 1952 eine Habilitationsschrift

abnahm, deren Thema er wahrhaftig fernstand. Er versuchte nie, einen

anderen auf seine eigenen Interessen festzulegen. Endlich zeichnete ihn

eine ebenso stille wie unnachgiebige geistige Unabhängigkeit aus. Land¬

läufigen Meinungen in rehgiösen oder politischen Fragen hat er sich nie

gebeugt. Hier gab er auch nicht um Haaresbreite nach. Er ist nirgends

mitgelaufen, und das bedeutete zwischen 1911 und 1960 etwas.

Bei Eignung und gutem Willen konnten seine Schüler jeder Förderung

von seiner Seite sicher sein, aber der Unbestechhchkeit seines wissen¬

schafthchen Urteils gegenüber hatte selbst die persönhche Schätzung

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12 Wilhelm Rau, Johannes Nobel

des anderen zu verstummen. Das ist das Schwerste und das Schönste,

dessen sich ein Gelehrter rühmen kann.

Wir rufen dem Verstorbenen mit dem vedischen Sänger in Dankbar¬

keit nach:

„Zieh hin, zieh hin auf den uralten Pfaden, Die unsre Väter vordem hingezogen!"

Ein vollständiges Schriftenverzeichnis des Verstorbenen findet sich in:

Jnänamuktävali, Commemoration Volume in Honom of Johannes Nobel.

Edited by Claus Vogel. International Academy of Indian Culture, New

Delhi 19.59 = Sarasvati Vihara Series vol. 38, pp. 7—16. Den dortigen An¬

gaben ist hinzuzufügen :

unter I. Monographs p. 7 :

Johannes Nobel. Der Buddhismus. Stuttgart: Kohlhammer [ersi ■ i, ■ . j n

Kürze] . (Die Religionen der Menschheit. 23).

unter III. Reviews p. 16 :

Meisezahl, R. O. : Die tibetischen Handschriften und Drucke des Linden-

Museums in Stuttgart; in: Tribus. Veröffentlichungen des Linden-Museums.

Nr. 7. Oktober 1957, S. 1—166. Stuttgart 1957. ~ Ural-altaische Jahr¬

bücher Bd. 30, 1958, pp. 142—143.

Berichtigung und Ergänzung [zur vorgenannten Besprechung] — Ural-

altaische Jahrbücher Bd. 32, 1960, p. 135.

Speyer, J. S. : Avadänagataka. A century of edifying tales belonging to the

Hinayäna. 's-Gravenhage: Mouton and Co. 1958, S. CX, 388, 238. gr. 8°=

Indo-Iranian Reprints ed. by the Editorial Board of the Indo-Iranian

Journal III. — OLZ 1959, Nr. 9/10, Sp. 524—526.

Dhvanyäloka of Änandavardhana (Uddyota 1). Ed. with an elaborate

English exposition by Sri Bishnupada Bhattacharya. With a foreword by

Sushil Kumar De. Calcutta: K. L. Mukhopadhyay 1956. pp. XLIX, 177. 8».—

ZDMG Bd. 110, 1960, pp. 202—203.

Müller, R. F. G.: Eigenwertimgen in altindischer Medizin. Leipzig: Barth

1958. S. 132. 4» = Nova Acta Leopoldina. N. F. Bd. 20, Nr. 138. — JAOS

1961 (rni Druck).

Wo die Angaben des Lebenslaufs in der Jnänamuktävali von den hier

gegebenen abweichen, sind sie irrig und entsprechend zu verbessern.

(10)

Rudolf Strothmann (4. 9. 1877—15. 5. 1960)

Von Rudi Paeet, Tübingen

Nicht selten kommt es vor, daß ein Theologe zur Orientalistik hinüber¬

wechselt. Eine ganze Anzahl bedeutender Orientalisten waren von Haus

aus Pfarrer oder wenigstens Studenten der Theologie. Bei manchen von

ihnen ist das Interesse an theologischen Fragen später — oder schon

unmittelbar im Anschluß an den Übergang von der einen zur anderen

Disziplin — gänzhch eingeschlafen. Nicht so bei Rudolf Steoth-

mann^. Geboren 1877 in Lengerich in Westfalen, hatte er zwar während

seines Universitätsstudiums in HaUe und Bonn auch Orientalia getrieben

(besonders bei C. Beockelmann), war aber dabei der Theologie nicht

untreu geworden und hatte anschheßend viele Jahre lang eine voU-

berufhche Tätigkeit als Oberlehrer in Münster (ab 1905) und als Studien¬

rat und Pfarrer in Schulpforta (1907—23) ausgeübt. Erst 1923, im Alter

von 46 Jahren, erhielt er, ohne sich vorher habilitiert zu haben, einen

Ruf auf das Ordinariat für Orientalistik in Gießen. Im Jahr 1927 kam

er in derselben Eigenschaft als Nachfolger Hellmut Rittees nach

Hamburg. Dort lehrte er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1947 und

darüber hinaus. Publizistisch war er auch in der Folgezeit bis kurz vor

seinem Tod unermüdhch tätig.

Der Wechsel vom Beruf des Studienrats und Pfarrers zu dem des

Universitätsprofessors für Orientalistik bedeutete für Strothmarms

geistige Entwicklung keine Zäsur. Im Grund genommen blieb er, was er

war: ein ernster, für die letzten Fragen des Lebens aufgeschlossener,

durch und durch theologisch interessierter, frommer Mensch, dazu ein

begnadeter Lehrer. Eben als Theologe fand er auch, und zwar schon

längst vor seiner Berufung zum Professor, den unmittelbaren Zugang

zum Islam als einem in erster Linie rehgiösen Phänomen. AUes, was er

in einem langen Gelehrtenleben darüber ausgesagt und niedergeschrieben

hat, war getragen von einem tiefen religiösen Verständnis, und eben

deshalb auch wirksam und eindringUch. Selbst in seinen Editionen

spröder Gnosistexte spürt man etwas von dem menschhch ernsten Be-

1 Eine der wenigen Photographien, die es von Strothmann gibt, ist dem

schönen Nachruf aus der Feder Bertold Spulbrs (Der Islam 36, 1960,

1—3) beigegeben.

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