126
Geschichtliches zur Etymologie von tf^sog.
Von Dr. E. Nestle.
Im .Jahrgang XXXII (1878) der Ztschr. der DMG. habe ich
eine sprachwissenschafthche Abhandlung des syrischen Kirchenvaters
Jakob von Edessa aus dem Jahr 701 veröffentlicht und erlaubte
mir aus Anlass derselben zwei Fragen an die klassischen Phüologen
zu richten. Die eine betraf ein syrisches Wort, das wörthch über¬
setzt „Bereitung des Wortes" hiess, dem Zusanunenhang nach Ab¬
leitung bedeuten musste und offenbar aus dem Griechischen zu
stammen schien, dessen Original ich rücht finden konnte. Prof.
G. Hoffmann in Kiel beantwortete diese Frage noch im gleichen
Jahrgang der Ztschr. der DMG., indem er zeigte, dass Jakob das
griechische Wort krvfiokoyia als ktoifioXoyia gedeutet und über¬
setzt habe. In Johannis Euchaitorum Metropohtae quae supersunt
1882 p. Vni, Anm. 1 macht Lagarde darauf aufmerksam, wie sehr
damit Hoffmann das Richtige getroffen, indem im cod. vat. gr. 1269
und 889, beide saec. XVI, der Titel eines Gedichts dieses Mannes
ursprünglich kroifioXoyixov ififxSTQOV geschrieben sei.
Die zweite Frage betraf eine Stelle, in welcher Jakob von der
Etymologie des griechischen Wortes ^eog handelte. Er sagt dort
(S. 484, 12—14): ,So kommt ja das griechische Wort für Gott,
das ■d'tog gesprochen wird, her vom Laufen, und das ist sein
ÜTOifiov, oder vom Sehen oder vom Brennen". In der Ueber¬
setzung S. 495 setzte ich die griechischen Worte &seiv, dmcd-m
und Öaiuv, das letztere mit einem Fragezeichen, hinzu. In meinen
Anmerkungen S. 502 verwies ich für die beiden ersten auf die
bekannten Stellen Cratylus 397 D und Macrobius Sat. I, 23; in
Betreff des dritten fragte ich , woher Jakob die Notiz habe , dass
«^•fo'e von einem Wort herkomme, das Brennen, verbrennen
bedeute. An Saiw , Saift uv zu denken hege wohl am nächsten,
ich könne aber diese Etymologie aus der mir bekannten griechischen
Literatur nicht belegen und auch die weitere Möglichkeit scheine
1 2
Nestle, Geschichtlichem zur Etymologie von ^cös. 127
mir nicht wahrscheinlich , dass Jakob an die Ableitung von Zsvg,
Zrjvög denke, die sich schon bei Heraklit finde, naQcc rviV 'ifinvQov
^iaiv oder nv() attytoov; er müsse, sagte ich damals, eine mir
bis jetzt unbekannte Etymologie im Auge gehabt haben.
Vergebens wartete ich seither auf Auskunft von Seiten klas¬
sischer oder orientahscher Philologen. Da fand ich sie selber ganz
unerwartet imd zwar gleich in den ersten Zeilen des Gedichts, in
dessen Ueberschrift Lagarde die Schreibung iroifiokoyixog nach¬
gewiesen hatte. Wie billig fängt dasselbe mit &e6g an, um dann
zu äyytlog, a€Qa(ftfi, j^egovßtfi, &q6voi, baifiuv, ovgavog u. s. w.
fortzugehen und da lauten die 6 ersten Verse in der Ausgabe von
(Studemund-) BoUig-Lagarde p. IX:
&e6g xaragj^u navrog 'igyov xai Xöyov.
&edg dii]X(ov rwv ckwv notrj^iärwv, (p&ävsi nagüv änaat. xal Soxst -d-esiv.
üg navranonrijg wv, &tnrai, rriv xriaiv,
a'i&et rf näv gvnaafia xai nvgog nXiov
ov ngogxvvüv Sixaiov, oii xgiveiv ö&ev.
Es ist klar : a'i&HV hatte Jakob von Edessa im Auge im Jahr
701 bei seiner Etymologie von &t6g. Aber woher hatte er die¬
selbe , und woher hat sie der griechische Bischof des eilften Jahr¬
hunderts ?
128
Anzeigen.
Centralasiatische Studien von Wilhelm Tomaschek II.
Die Painirdialekte. Wien 1880. gr. 8. pp. 168.
Schon Wood berichtet, dass die Thallandschaften am oberen
Oxus (Pandscha) von ,Tädschiks" bewohnt seien, ünter diesem
Namen begi-eift man im allgemeinen die persisch redende Bevölkerung
Centraiasiens im Gegensatz zu üzbeken und Kirghisen. Die Be¬
zeicbnung war aber insofern fiir jene Bergstämme unpassend, als
dieselben in ihrem Idiom mit den Bewohnem der Ebenen sich nicht
zu verständigen vermögen. Weit signifikanter ist der Name ,Galtscha'
(Bergbewohner), welcher die iu den Gebirgen sesshaften arischen
Stämme im Gegensatz zu den Tädschlks in den Tiefländern am
Oxus und .Jaxartes bezeicbnet.
Was wir nun durch neuere Reisende über diese Galtschas er¬
fuhren, war dazu angethan, unser lebhaftestes Interesse zu erregen.
Sie werden uns geschildert als Leute von kräftigem Körperbau und
hohem Wüchse, mit deutlich ausgeprägtem arischen Typus und
brachykephaler Schädelbildung. Haupt- und Barthaar sind dunkel¬
braun, häufig hellbraun, oft sogar i-oth oder flachsblond '). Galtschas
finden sich längs des Pandscha in Wakhän, Garän, Schugnän, Ro-
schän imd Darwäz, femer in Bädakhschän, KarategTn und am
oberen Zerafechän, sowie auf der östlichen Pamir in der Landschaft Sirikül.
Der berühmte Reisende R. Shaw hat überdies auch den Dia¬
lekten dieser Stämme seine Aufmerksamkeit zugewendet und seine
Sammlungen im Journal of the Asiatic Society of Bengal vol. 35
und -36 veröflfentlicht. Das hier gebotene Material hat Tomaschek
in der vorliegenden Schrift wissenschaftlich verarbeitet. Es ist uns
nunmehr möglich, die ethnographische Stellung der Pämirvölker
genauer zu präcisiren. Dieselben sind nicht etwa Perser, deren
1) Vorgl. nunmehr auch Regel in Petermanns Mittheilungen 1882—3
S. 113.