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EuGH: Transportveranlassung orientiert sich nicht nur an vertraglichen Vereinbarungen

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Academic year: 2022

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Dr. Atanas Mateev Steuerberater,

Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.)

+49 (0) 89 217 50 12-53 atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 08.07.2020 I Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt.

Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden I © KMLZ 1 Sachverhalt

Das polnische Unternehmen KrakVet verkaufte online Tierprodukte, u. a. auch über eine ungarische Domain. Der Versand der Waren erfolgte stets aus Polen zum Privatkunden nach Ungarn. Es stand den Kunden frei, die gekauften Waren direkt im Lager von KrakVet in Polen abzuholen oder einen Spediteur frei zu wählen. Gleichzeitig bot die KrakVet auf ihrer Webseite den Kunden die Möglichkeit an, mit der Spedition KBGT einen Speditionsvertrag abzuschließen.

KrakVet wurde diesbezüglich keine Vertragspartei. Wählten die Kunden die empfohlene Spedition, räumte KrakVet einen Rabatt auf den Preis der Waren ein, so dass der Transport effektiv nur ca. EUR 0,25 kostete. Die polnische Steuerbehörde bestätigte KrakVet, dass die Umsatzsteuer auf Basis von Art. 32 MwStSystRL in Polen geschuldet wird, und setzte für diese Lieferungen 8% polnische Umsatzsteuer fest. Nach einer Prüfung stellte die ungarische Finanzbehörde jedoch fest, dass die in Art. 34 MwStSystRL vorgesehene Lieferschwelle überschritten wurde, und besteuerte die Lieferungen (zusätzlich) mit 27% ungarischer Umsatzsteuer.

2 Doppelbesteuerung

Der EuGH bestätigt zunächst einmal, dass die Finanzbehörden eines Mitgliedstaats einen Umsatz besteuern können, wohl wissend, dass eine Finanzbehörde eines anderen Mitgliedstaates diesen bereits besteuert hat. Die Finanzbehörden sind nicht verpflichtet, die Rechtsfrage gemeinsam zu klären oder diesbezüglich eine Einigung zu erzielen, selbst wenn sich dadurch eine Doppelbesteuerung ergibt.

29 I 2020 EuGH: Transportveranlassung orientiert sich nicht

nur an vertraglichen Vereinbarungen

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Stand: 08.07.2020 I Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt.

Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden I © KMLZ 3 Missbräuchliche Praxis

Der EuGH bestätigt auch, dass eine missbräuchliche Praxis nur dann anzunehmen ist, wenn eine rein künstliche Gestaltung vorliegt. Wenn ein Steuerpflichtiger seine wirtschaftlichen Tätigkeiten aber derart organisiert, dass er von einem niedrigen Steuersatz eines Mitgliedstaates profitiert, ist dies anzuerkennen.

4 Transportveranlassung

Die spannendste Frage war allerdings, wer aus umsatzsteuerlicher Sicht für den Transport zuständig war. Der EuGH stellte eine zweistufige Prüfung an. Im ersten Schritt war die vertragliche Situation zu prüfen. Allerdings entsprechen die Vertragsbestimmungen laut EuGH nicht immer der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität. In diesem Fall ist eine umfassende Würdigung aller besonderen Umstände erforderlich. Gegenstände werden dann „für Rechnung des Lieferers“

versandt oder befördert, wenn der Lieferer und nicht der Kunde tatsächlich darüber entscheidet, wie die Gegenstände versandt oder befördert werden sollen. In diesem Fall findet nur eine Zustimmung des Kunden zu der durch den Lieferanten bereits getroffenen Wahl statt. Das gilt auch dann, wenn der Lieferant keine Vertragspartei im Beförderungsvertrag wird. Diese Voraussetzungen sollen vom vorlegenden Gericht noch geprüft werden; aller Voraussicht nach wird dieses wohl feststellen, dass die KrakVet für den Transport zuständig war.

5 Auswirkungen für die Praxis

Nach dieser Entscheidung muss man sich nun fragen, welche Auswirkungen sich auf grenzüberschreitende Reihengeschäfte ergeben können. Auch bei der Zuordnung der bewegten Lieferung kommt es darauf an, welche Partei den Transport veranlasst hat. Aus deutscher Sicht ist bei der Zuordnung der bewegten Lieferung auf die Auftragserteilung abzustellen (Abschn. 3.14 Abs. 7 S. 4 UStAE). Kann Deutschland nun in dieser Absolutheit daran festhalten? In anderen Mitgliedstaaten gibt es ohnehin teils andere Sichtweisen. Die Unsicherheit bei diesem Kriterium hat sich auch bei der Einführung der Quick Fixes gezeigt. Die EU-Kommission wollte zunächst primär auf die Gefahrtragung abstellen. Nach einiger Diskussion hat sie dann in den Explanatory Notes darauf abgestellt, wer den Vertrag mit der Spedition hat.

Der EuGH verwirft nicht im Grundsatz das bisherige Rechtsverständnis zur Frage, welche der Parteien nun für den Transport zuständig war. Denn der Gerichtshof stellt zuerst fest, dass bei dieser Beurteilung weiterhin die vertraglichen Vereinbarungen das entscheidende Kriterium darstellen. Gleichzeitig schränkt er aber diese allgemeingültige Aussage ein und gibt eine zweite Prüfungsstufe vor.

Wie der EuGH jetzt ausführt, entspricht eine rein zivilrechtliche Betrachtung nicht immer der Realität. Wenn die Vertragsbestimmungen die wirtschaftliche und geschäftliche Realität nicht wiederspiegeln, sind sie nicht mehr zu berücksichtigen. Natürlich sind die Äußerungen des EuGH einzelfallbezogen. Mit seinen Aussagen gibt der EuGH jedoch möglicherweise eine Richtung vor, die einige Unternehmen zum Umdenken zwingen könnte. Manche Unternehmen, die letzter Abnehmer im Reihengeschäft sind, „empfehlen“ ihren Lieferanten bestimmte Speditionen, um ihre Beschaffungsabläufe zu perfektionieren. Oder man denke an Reihengeschäfte im Konzern, bei denen von einer Produktionsgesellschaft über eine zentrale Vertriebsgesellschaft, beide im gleichen Land ansässig, an den Kunden geliefert wird. Die Logistik wird oft durch die Produktionsgesellschaft organisiert, der Transport aber unter der Kundennummer der Vertriebsgesellschaft bei der Spedition beauftragt. Hierdurch wird die bewegte Lieferung „nach hinten“ geschoben und eine Registrierung der Vertriebsgesellschaft im Ausland vermieden. Es stellt sich nun die Frage, ob man an solchen Gestaltungen noch festhalten sollte.

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