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Flexibilisierungspotenziale für die deutsche Berufsbildung durch Europa? : kritisch-konstruktive Anmerkungen mit Blick auf das deutsche "Übergangssystem"

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Academic year: 2022

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Thomas Deißinger

Flexibilisierungspotenziale für die deutsche Berufsbildung durch Europa? Kritisch-konstruktive Anmerkungen mit Blick auf das deutsche "Übergangssystem"

1. Der Problemkontext aus deutscher Sicht

Ein Meilenstein der aktuellen europäischen Bildungspolitik ist der sog. "Lissa- bon-Brügge-Kopenhagen-Prozess", der auf Beschlüsse des Europäischen Rates von Lissabon 2000 rekurriert. Insbesondere die Brügge-Initiative von 2001 wird als ein programmatischer Grundstein für die nachfolgende Erklärung von Ko- penhagen gesehen. In ihr haben sich die EU-Mitgliedsstaaten auf eine intensive Zusammenarbeit verständigt (Fahle/Thiele 2003, S.10). Der Brugge-Prozess steht hierbei nicht allein oder gar in Konkurrenz zu vergleiChbaren europäischen In- itiativen; Zielsetzungen und Beschlusslagen, wie dem im aktuellen LEONAR- DO-Programm zeIltr,!1 avisierten "Lebenslangen Lernen", sondern er ist eine ShIJe innerhalb einer Gesamtstrategie: Wichtige Zielmarken sind hierbei die Weiterentwicklung der Bildungsbeteiligun:g in Europa, die Stärkung der beruf- lichen Bildung und ihrer gesellschaftlichen Verwertbarkeit sowie die Durchläs-

s~gkeit der Bildungs- und Berufsbildungssysteme. Als ein Hauptprodukt auf der politisch-strategischen Ebene kann hierbei der "Europäische Qualifikations- rahmen" (European Commission 2005) betrachtet ~erden. Seine Festigung als Ziel einer neuen Europäischen Berufsbildungspolitik mit doch recht deutlicher Bindungswirkung erfolgte dann vor allem in Maastricht 2004 (Maastricht-Kom- munique), in dem es nochmals um die Imagesteigerung beruflicher Bildung, die Optimierung von Übergängen und Durchlässigkeit, die bessere Verzahnung von Berufsbildung und Arbeitsmarkt, verbesserte Chancen für Geringqualifi- zierte und zudem um das Thema "Qualität" in der Berufsbildung ging (Dun- kellJones 2006).

Die Themenkreise "Europäischer Qualifikationsrahmen" und "Lebenslanges Lernen" sowie die damit assoziierten Vorstellungen von Einheitlichkeit, Trans- parenz und Durchlässigkeit im Bildungs- und Berufsbildungssystem beschäfti- . gen vor diesem Hintergrund sowohl die für Gestaltungsfragen zuständige Poli- tik als auch die diese Entwicklungen analysierend und kritisch-reflektierend begleitende Wissenschaft (Küssner/Seng 2006; Winterton 2005; Hake 1999; Münk '2005). Beim sog. "Lissabon-Brügge~Kopenhagen-Prozess" (Fahle/Thiele, 2003)

231 Zuerst ersch. in: Labyrinth Übergangssystem / Dieter Münk ...

(Hrsg.) Bonn: Pahl-Rugenstein, 2008, S. 231-242

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-86320

URL: http://kops.ub.uni-konstanz.de/volltexte/2009/8632/

(2)

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geht es u.a. um die Schaffung eines Europäischen Qualifikationsrahmens, mit dem sich folgende Ziele verbinden:

- Systematisierung von Qualifikationsniveaus, ,

~ Transparenz beruflicher Bildungswege und -abschlüsse und das Ziel der Bildungsmobilität,

- Erleichterung der Akkreditierung bereits erworbener Kompetenzen so wie des informellen Lernens,

- Ermöglichung der Integration bzw. Verzahnung unterschiedlichster Bil- dungs- und Ausbildungswege,

- Förderung und systematische Weiterentwicklung des Lebenslangen Ler- nens.

Gerade weil der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR/EQF) von outco- mes, also Lernergebnissen, und weniger von Bildungswegen ausgeht, haben wir es mit der Idee "offener Systeme" zu tun, die nicht nur mit dem deutschen Tra- ditionsverständnis beruflicher Erstausbildung massiv konfligiert, sondern die zudem jene Grenzen abzubauen versucht, welche dem deutschen Gesamtvei:~

ständnis der Gestaltung der Relationen von Allgemeinbildung, Berufsbildimg;

tertiärer Bildung sowie informeller und non-formaler Bildung (Hanf/Rein 2007;

Deißinger 2006b) zu eigen sind. .

Die Geschichte des Kerns des deutschen Berufsbildungssystems, des "dua- len Systems" (Gremert 1993), die Geschichte seiner berufsbildungspolitischen Steuerung und Weiterentwicklung sowie die ihm immanente Ausprägung ei- ner spezifischen "Lernkultur" (Harris/Deißinger 2003), verweist demgegenüber auf eine konservative Struktur, die sich grundlegenden Veränderungen bislang entzogen hat. Dies gilt für die "Überlebensstrategie" des dualenAusbildungs- systemsin den 1960er und 1970er Jahren in

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",:eise wie für

di~ j~ng~r:

Zeit, die nichtsdestoweniger durch eine Debatte uber seme "ZukunftsfahIgkeü geprägt ist (Greinert 2006; Geißler 1991). Hierbei dürfte als stabilster ~arameter

das "Berufsprinzip" gelten (Deißinger 1998), das vor allem von den Gewerk- schaften und Teilen der Arbeitgeber protegiert, aber auch durch die offizielle Politik sanktioniert wird (bspw. Drexe12005; Brunner/Esser/Kloas 2006). GleiCh~

zeitig werden sowohl die Strukturen, auf die das berufliche Len:enhierbei.~~s­

gerichtet ist, als auch die Institutionen, die es absi~ern und dIe es t:mkt~onal

halten, durchaus in Frage gestellt (BaetJ,"lge 2007). HIerzu bedarf es kemer Ideo- logischen Argumente, sondern es sind Tatsachen, die als Herausforderunge~

interpretiert werden können: .:'

232

- Wie soll mit der zunehmenden Pluralisierung des Berufsbildungssyst~ms

(vollzeitschulische Berufsbildung, Berufsvorbereitung, Trägerrnaßnahme'n etc.) berufsbildungspolitisch umgegangen werden?

-

Welche~

Potential haben Flexibilisierungs_ und

Differenzie""~

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gIen 1TIl nb Ick auf substantielle Weiterentwicklungen der staatlich an-

erk~nn~en ~usbildungsberufe

bzw. welche neuen Berufsbilder ein- schließlich

~~aiger

Kurzausbildungsgänge sollten geschaffen werden?

- Welche Po.htischen. und didaktischen Möglichkeiten sollte es künftig ge- ben, um dIe Funktion schulischer Berufsbildung im Gesamtsystem vo allem in

Hinbli~

auf. Verzahnungen und

Anrechnungsmodalitäte~ an~

gemessen zu beruckSIchtigen? ,

-

Inw~~~eit

kann bzw. sollten informell erworbene Kompetenzen mit den

Ze~tifizlerungsstruk~ren

.. der herkömmlichen Berufsbildungswege ver-

~upft

werden und WIe konnte diesbezüglich ein übergreifendes Zertifi- zierungs- bzw. Akkreditierungssystem geschaffen werden?

Di:se Fragen

sin~

angesiedelt vor dem Hintergrund der europäischen Be-

rufsbIld,~ng~strategle, d~r

- ähnlich wie im tertiären Sektor dem sog. IIBologna- Prozess - dIe

V~~st:llun~

eines einheitlichen europäischen Bildungsraums mit' grenzenlosen Moghchkelten der Mobilität von.Arbeitskräften zugrunde lie t Es sind hierbei Vor allem der Framework·Gedanke und seine Impn t. g .

d· G . , l a IOnen,

, le. r:nzzlehungen inne.rhalb eines plural strukturierten Gefüges von unter-

s~edhch~ten ~aßnahrpen

beruflicher Vorbereitung, GTurldbildung, grundstän- dIge!. ErstausbIldung sowie Weiterbildung ausschließen. In diesem Zusammen- h.ang

er~~eint

das deutsche" Übergangssystem" mit dem gewachsenen Anteil

,,~rregul~er

Maßnahmen" außerhalb der dualen Berufslehre _ welches ja nach

SI~~else

als IIMaßnahmensystem" oder auch "ChancenverbesseTurlgssystem"

etIkettiert wird,

a~s grö~te

Herausforderung. Es werden hierunter Ausbildungs-

a~gebote

.subsumiert, dIe unterhalb des Niveaus einer qualifizierten Berufsaus- bIldung hegen und sowohl schulische wie auch außerschulische Maßnahrnm

umfas.~:n

(Neß 2007; KrewerthlUlrich 2006). Will man sich politisch auf die europaische Strategie einlassen, dann impliziert diese Herausforderung ein Ein- lassen auf

Str~kturveränderungen,

wie sie mit dem Bologna-Prozess im Hochschulbereich trotz vielfältiger Skepsis der Verantwortlichen und derBe- tr,?ffenen angestoßen und realisiert wurden.

2. Ein deutsches Kernproblem: Die Abgrenzung von dualer und vOllzeitschulischer Berujsbildung

Stru~t~rv~ränderunge~,

die im Zusammenhang stehen mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen, betreffen u.a. ein wichtiges Segment des deutschen Über- gangssystems", nämlich die beruflichen Vollzeitschulen. IF

" Die berufliche Bildung an Vollzeitschulen ist in ihrer bildungspolitischen

233

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Funktion zwar priTIzipiell anerkannt, hat jedoch traditionell unter der Nach- rangigkeit der Berufsqualifizierungsfunktion schulischer Berechtigungen zu leiden, was in Einzelstudien immer wieder herausgestellt wurde (Euler 2000, Feller 2002; Deißinger/Ruf2006)_ Vor allem die sog. "Schulberufe nach Landes- recht" müssen angesichts der "Vormachtstellung" der dualen Ausbildung bis heute ihr Qualifizierungs~rgebnis an dem der Berufslehre messen_ Dies gilt auch für die Assistentenqualifikation, wie sie Ld.R. an (Höheren) Berufsfachschulen bzw. Berufskollegs (BKs) vergeben wird. Brisanz erhält dieses Problem durch Lehrstellenknappheit und entsprechende Verdrängungseffekte auf den Ausbil- dungsmärkten, die u.a. einen Zuwachs der Schülerzahlen an Vollzeitschulen bei gleichzeitigem Rückgang bei den Berufsschülern mit Ausbildungsvertrag nach sich ziehen (Waiden 2006; Deißinger 2006a)_

Hinzu kommt, dass zwar auch beim dualen System nicht von einem einheit- lichen, in sich geschlossenen Gebilde gesprochen werden kann; die strukturelle Komplexität eines auf 16 Bundesländer streuenden Teilbereichs unseres Berufs- bildungswesens die der Lehre durch institutionelle und terminologische Viel- falt und entsprechende Sonderformen für einzelne Berufe oder Branchen aller- dings deutlich übersteigt. Angesichts dieser Komplexität überrascht es auch nicht, dass als herausragende Merkmale beruflicher Vollzeitschulen oftmals die Attribute "Notlösung" oder "Parkfunktion" herausgestellt werden. Dies hat si~

cherlich auch damit zu tun, dass diejenigen beruflichen Vollzeitschulen, die mehr als nur berechtigungsorientiert sind, bspw_ die Berufsfachschulen, strukturell im "Mittelraum" zwischen allgemein bildendem Schulwesen und dualer Be- rufsausbildung stehen. Gegenüber anderen Ländern mit Lehrtradition, wie bspw.

Österreich (Aff 2006), erfüllen die deutschen beruflichen Vollzeitschulen aller- dings nur in geringem Umfang klassische Qualifizierungsaufgaben, und eme nachfolgende Berufsausbildung im dualen System ist entweder durch die Beto- nung einer-berufsfeldorientierten Grundbildung intendiert oder von den Schü- lerinnen und Schülern relativ klar perzipiert. Hinzu kommt, dass Schulformen wie das Wirtschaftsgymnasium oder das Kaufmännische Berufskolleg bzw. die Höhere Handelsschule ihre Berechtigungsangebote (Abitur bzw. Fachhochschul- reife) werbewirksam postulieren_ .

Wir haben es demnach bei den beruflichen Vollzeitschulen nicht nur mit dem.

Sachverhalt institutioneller und curricularer Heterogenität, sondern auch mit dem der Vielschichtigkeit didaktischer und gesellschaftlicher Aufgabej1- zuweisungen und Funktionen zu tun (Zabeck 1985; Deißinger 2007). Am offen- sichtlichsten ist hierbei sicherlich das Spannungsfeld von Berechtigungs- orientierung einerseits und der Ausrichtung au~ Ausbildungsaufgaben ande- rerseits (Qualifikationsorientierung). Dies bede~tet jedoch zugleich, dass voll:

234

zeitschulis.ch ausgebildete Berufe nach Bimdesrecht andere Wertigkeiten auf dem Arb€ltsmarkt aufweisen als solche, die als landesrechtlich konstruierte

~usbildungsgänge

quasi "in Konkurrenz" zu den staatlich anerkannten Aus-

bIld~ngsb~rufen

und somit zur dualen Berufsausbildung geschaffen wurden.

BIslang. 1St es

_~cht

gelungen, dieses Akzeptanz- bzw. Rezeptionsproblem konstruktiv zu losen, obwohl das reformierte Berufsbildungsrecht hierzu for- melle Vorgaben liefert, die eigentliche Problemlösung jedoch an die Länd delegiert Zu diesem Zweck hat das überarbeitete Gesetz (BMBF 2005) mit Bli::

auf .andere .als duale Ausbildungsgänge "in für die Weiterentwicklung der be-

ru~chen

BIldung maßgeblichen Bereichen die Zuständigkeit für das Ob und

WI.~

von Umsetzungsregelungen auf die Länder Übertragen" (LorenzlEbert/

Krüger 2005, S. 168). Einer der "Schlüsselparagraphen" des Gesetzes zielt hier- bei auf die

~rechnung

von Zeiten schulischer beruflicher Ausbildung auf eine duale. AusbIldung. Auch soll künftig zur Abschlussprüfung zugelassen wer- d.en,. "wer in einer berufsbildenden Schule oder einer sonstigen Berufsbildungs-

e~nch~g ~usgebildet

worden ist, wenn dieser Bildungsgang der Berufsaus- bIldung m emem anerkannten Ausbildungsberuf entspricht"_ Unter den dies- bezüglichen Kriterien fmdet sich u_a. die "GeWährleistung eines

~ngemessenen

Anteils an

fij.chprakt!§fh~r

Ausbildung durch Lernortkooperation" (BMBF 2005

S.30)__ \ '

Die-E~g~bnisse

eines Konstanzer Forschungsprojekts (Deißinger/Ruf 2006;

2?07!

De~ßmg~r

2007), das den Schul versuch "Berufskolleg mit Übungsfirma"

~nsIchth~

semer didaktischen und gesellschaftlichen Wirkungen evaluierte, smd ambIvalent ausgefallen. Je nach Lesart können hieraus eher optimistische Fingerzeige für die Weiterentwicklung der beruflichen Vollzeitschulen wie auch pessimistische Szenarien abgeleitet werden. Hatte die Politik erwartet dass sich

~it ~em En:s~tz v~n

Übungsfirmen das Qualifizierungsproblem in

e~e

grund-

sa_tzli~

pOSItive

Ri~tung

entwickeln würde, so waren die hier kurz genannten WIchtIgsten Ergebmsse zumindest teilweise ernüchternd. Aus wissenschaftli- cher Sicht sind sie jedoch nicht als unerwartet anzusehen:

In diesem Zusammenhang muss konstatiert werden, dass auch mit dem re- formierten Berufsbildungsgesetz

viE~1

stärker die Tradition der Berufslehre fort- ge.schrieben wurde, als dass Weiterungen des Berufsbildungssystems in den BlIck genommen worden wären - ein Sachverhalt, der von der kritischen Wis- senschaft betont wird (Greinert 2006), der aber offensichtlich unvermeidlich erscheint im Kontext Von Zuständigkeitsfragen zwischen Bund und Ländern.

Gravierender erscheint der notorische Hinweis vieler Verbandsvertreter aus den Reihen des Handwerks oder auch der Gewerkschaften, denen das Beharren auf den Vorzügen des dualen Systems wichtiger zu sein scheint als die im Dickicht

235

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des deutschen Übergangssystems-in "Ehrenrunden", "Warte schleifen" oder auch

"Sackgassen" sich verirrenden Jugendlichen. Diese Grundresistenz gegenüber strukturellen Reformen des deutschen Gesamtberufsbildungssystems scheint sich aktuell auch im Kontext der Konstruktionsprinzipien zum Deutschen Qua~

lifikationsrahmen (DQR) weiter zu verfestigen.

Am Beispiel Baden-Württembergs zeigt sich, wie Lösungsansätze, die von der Politik angestoßen vvurden, von der Wirtschaft in ihre Schranken gewiesen wer- den. Im Zuge der didaktisch-curricularen Weiterentwicklung des Berufskollegs haben die teilweise ernüchternden Evaluationsergebnisse zum "Kaufmännischen Berufskolleg mit Übung~firma" zu Kooperationsvereinbarungen zwischen Kul- tusministerium und Kammern geführt: Hierbei geht es insofern um die o.g. Ak- zeptanzproblematik, als Absolventen des zweijährigen Berufskollegs offensicht~

lich nur selten als vollwertige Arbeitskräfte betrachtet werden, noch in den Ge- nuss eines Zugangs zur Kammerprüfurtg kommen (DeißingerlRuf 2007):

Den eher ambivalenten Forschungsergebnissen zur "externen Funktionalität", wie sie sich in der "Außenwirkung" 'des Berufskollegs mit Übungsfirma nie- derschlägt, stehen durchaus positiv zu wertende Erkenntnisse über die didakti- sche Qualität des Übungsfirmenunterrichts entgegen (DeißingerlRuf 2006, S.

71 ff.). Als wesentliche Ergebnisse zur internen Funktionalität lassen sich zu- sammenfassend die folgenden anführen:

236

- Mit dem Übungsfirmenunterricht wird der Forderung nach Individu- alisierung und Eigenständigkeit des Lernens - ganz im Sinne der hand- lungsorientierten Didaktik - entsprochen. Über sie relativiert sich - wenn auch mit unterschiedlicher Intensität - auch tendenziell die Lehrerrolle im Sinne .einer neuartigen Zentriertheit des Unterrichts.

- Die Schüler treffen in der Übungsfirma sowohl auf komplexe Aufgaben- steIlungen als auch auf Routinetätigkeiten. Damit bietet die Übungsfir- ma den Schülern die Möglichkeit, sich durch Lernhandeln kognitive Re~

präsentationen furtktional~r Struktur- und Prozesszusammenhänge im Kontext berufspraktischer Handlungsvollzüge aufzubauen und auszu- differenzieren.

- Da viele der die Lernmotivation konstituierenden Faktoren im Übungs- firmenunterricht vergleichsweise. stark ausgeprägt. sind und diese posi~

tiv mit dem Motivationsstatus korrelieren, kann durchaus davon gespro"

chen werden, dass die Schüler in der Übungsfirma in ihrem "Streben nach Autonomie, nach Kompetenz und nach sozialer Einbindung" (Kramer/

Prenzel/Drechsel 2000, S. 209) unterstützt werden.

- Die Realitätsnähe der Lern- und Arbeitsprozesse in der Übungsfirma wird von den Schülern, den Lehrern und auch von den Unternehmen im Ge-

samtbild positiv bewertet. Dies tri~ft insbesondere auf die einfachen Sachbearbeitertätigkei ten zu.

- Grundsätzlich kann von der positiven subjektiven Einschätzung des Er-

~erbs von Fach-, Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz im Ubungsfirmenunterricht ausgegangen werden. Die Werte der Korrela- tionen ZWischen Unterrichts eigenschaften (Prozessebene) und den ein- zelnen Dimensionen der beruflichen Handlungskompetenz (Produkt- ebene) sind positiv und hoch signifikant.

Somit wird mit der Implementierung von Übungsfirmen an beruflichen Voll- zeitschulen wie dem Berufskolleg die Wahrnehmung einer (wie auch immer historisch, didaktisch oder politisch legitimierbaren) Trennung der Sphären von Theorie und Praxis beim beruflichen Lernen grundsätzlich in Frage gestellt und Geg~ntei1iges in u~terrichtliche Praxis umgesetzt. Damit wird ein Aspekt auf- gegnffen, den bereIts 1990 die Senatskommission für Berufsbildungsforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit dem Hinweis versah, die Unter- scheidung, dass "Lernprozesse mit Ernstcharakter pauschal dem Betrieb" und solche "ohne Ernstcharakter dagegen ebenso ausnahmslos den beruflichen Schu- len zugerechnet werden", treffe nicht mehr zu (DFG 1990, S. 76). Unverkennbar bewegen >yir uns hier im Kontext theoretischer wie auch praktischer Überle- gu~~nund Konzepte zur Verbesserung und Intensivierung der Lernortkoope- ration (Euler 2004). Stimmt man der didaktischen Sinnhaftigkeit der Ziele und Wege beruflichen Lernens zu, wie sie in der modernen Didaktik beschrieben werden, so schließt sich aus pädagogischer Sicht der Appell an die Verantwort- lichen des beruflichen Schulwesens, der Lehrerbildung wie auch der curricula- ren und Schulorganisatorischen Planung von Unterricht an, dass auch bei der künftigen Weiterentwicklung und Gestaltung der Lernumgebung "Übungsfir- ma" verstärkt auf Schüleraktivität; Realitätsnähe und einen auf die. Schüler ab- gestimmten Schwierigkeitsgrad der Aufgaben geachtet werden sollte. Mit der Wahrnehmung dieser Merkmale des "handlungsorientierten Lernens'; bzw.

"komplexer Lehr-Lern-Arrangements" (Achtenhagen 1993) verbinden auch die

"Abnehmer" beruflicher Qualifikationen durchaus Vorzüge. Insofern kann _ vorsichtig formuliert - von einer "Konvergenztendenz" der didaktischen wie

~uch der beschäftigungspolitischen und bildunispolitischen Zielvorstellungen 1m Zusammenhang mit de.rn Berufskolleg mit Übungsfirma gesprochen wer- den. Allerdings kann vom Idealfall der Übungsfirma als "Lernort eigener Prä- gung" nur im Bevvusstsein der Lehrkräfte sowie der Schüler gesprochen wer- den, während die Unternehmen vor allem die "Praxisersatzfunktion" mit all ihren Defiziten sowie die berufsvorbereitende, auf das ,duale System hinfüh- rende Funktion vollzeitschulischer Ausbildung wahrnehmen. Letztlich ist hier

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das Vertrauen in die "eigenen" StrUkturen" stärker, das sich über ganzheitliche Vorstellungen von der Güte und Geschlossenheit der Berufslehre sowie von der Zertifizierungskultur des dualen Systems konstituiert.

3, Konstruktive Perspektiven und Lösungsansätze durch Europa?

Während der didaktische "Nutzen" des Übungsfirmenunterrichts also von den Ergebnissen der Studie bestätigt wird (Deißinger/Ruf 2006, S. 71 ff,), muss offen bleiben, ob in Zukunft mit einer verbesserten Marktgängigkeit schulischer Be- rufsbildungszertifikate - mit oder ohne Rückgriff auf didaktische Innovationen, wie sie Übungsfirmen verkörpern - zu rechnen sein wird. Verlagerungen bzw.

Ankoppelungen im Verhältnis der beiden bislang getrennten Teilbereiche des beruflichen Bildungswesens (duales System vs. berufliche Vollzeitschulen) könn- ten hier eine Richtung weisen, ohne dass dies bedeuten muss, dass die Wirtschaft einseitig den Bildungsauftrag der beruflichen Schulen umdefiniert. Sowohl struk- turierte Praktika bzw. "Verzahnungsmodelle" mit "Sandwichcharakter", d.h. mit getrennten Blöcken rein schulischer und rein betrieblicher Ausbildung (letztere in verkürzter Form gegenüber der grundständigen Lehre im dualen System), als auch die "Auslagerung" von Ausbildungsberufen in die Vollzeitschulen sind Per- spektiven, die aufgegriffen und gestaltet werden sollten, solange das duale Sy- stem seine Integrationsleistungen nur unzureichend erfüllt (Euler 2000). Auf der didaktischen Gestaltungsebene weist hierbei wiederum die Übungsfirma einen Weg, der Lernortgrenzen permeabler machen kann.

Dies hängt jedoch nicht nur von der Flexibilität der Schulpolitik ab uDd da- von, wie sie die allgemeinen Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes in Landes- recht und landesspezi,fische Regelungen zu transformieren bereit oder in der Lage ist, sondern tangiert gleichermaßen die Interessenkonfiguration auf der betrieblichen Seite des dualen Systems. Hierbei erscheint es gleichwohl bildungs- politisch geboten, neben der Ausbildungsfunktion beruflicher Schulen deren Bildungsfunktion - verstanden als "beruflicher Bildungsweg" in die Hochschu- len hinein - nicht aus dem Auge zu verlieren. In jedem Falle jed()ch wäre es wichtig, reliable Akkreditierungsmechanismen zu institutionalisieren, die im' Kern am dualen System orientiert sein müssten, die sich jedoch prinzipiell öff- nen. Hierzu bedürfte es jedoch sowohleiner Informationsoffensive zur Bedeu- tung beruflicher Vollzeitschulen, einer kO,ntinuierlichen Verbesserung ihrer per- sonellen und didaktischen Qualität und Professionalität sowie rechtlicher und organisatorischer Weiterentwicklungen des deutschen Berufsbildungssystems/, die eine Infragestellung von Tabuzonen einschließen müsste. " . All dies sollte sich dann auch in einem Deutschen Qualifikationsrahmimnie:~::

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derschlagen; Er muss hierzu mehrstufig für die BerufsbiIdung konzipie~t sein und er muss im Sinne der allseits beschworenen Reformimplikationen eines solchen Instruments Transparenz und Durchlässigkeit nicht nur rhetorisch umreißen, sondern tatsächlich ermöglichen. Wenn dies nicht gelingt, bleibt das Ganze Makulatur und reiht sich ein in die allfällige Rhetorik unseres politisch-

administrativen Systems. ,

Bislang scheint offen, ob die P~inzipien; die dem Kompetenzansatz angel- sächsischer Prägung und seiner Uberführung in einen Qualifikationsrahmen _ zugrunde liegen, in einem deutschen Transparenzinstrument tatsächlich berück- sichtigt werden sollen bzw. können. Ein Hauptproblem dürfte das Spannungs- feld zwischen dem hier verwendeten Kompetenzbegriff und dem deutschen Verständnis vom Beruf und von beruflicher Handlungskompetenz sein (Dei- ßingerlHellwig 2005), Hierbeiist auch ungeklärt, wie viele Niveaus der DQR tatsächlich umfassen soll (die EU sieht acht vor), und welche Zuordnungsinhal- te herangezogen werden sollen. Sollen stringent nur Kompetenzen oder auch formale Qualifikationsniveaus, Bildungswegeoder gar Lernorte abgebildet werden? Hierzu gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen der EU-Kom- mission und nationalen Akteuren auf deutscher Seite, wie bspw. dem Kuratori- um der Deutschen Wi:i:tschaft für Berufsbildung, das eine Vermengung von In- pUJ: und Outcome-Orientierung ablehnt (Brunner/Esser/Kloas 2006).

Damit sind die "Hindernisse" benannt, die den deutschen Weg in Richtung EQF mühsam erscheinen lassen:

- die scharfe Trennung von Bildungswegen und Bildungsbereichen;

- die zentrale B,edeutung der dualen Berufsausbildung i~ Relation zu al- ternativen Wegen der Qualifizierung wie auch in Relation zur formellen Weiterbildung;

- die zentrale Bedeutung yon auf das Berufsprinzip gestützten "Signal- zuschreibungen" und "Botschaften", die Ausbildungswege und -ab- schlüsse auf dem Arbeitsmarkt erfahren bzw. die von ihnen ausgehen;

- die ebenfalls auf das Berufsprinzip rekurrierende Betonung der insti- tutionellen und curricularen Normierung der Berufsausbildung.

Es dürfte auf der Hand liegen, dass die Impl~mentierung der nationalen Qua- lifikationssysteme nicht kulturunspezifisch und in Absehung nationaler Spezi- fika der Wechselwirkungen von sch.ulischer Bildung, Berufsbildung, Hochschu- len und Arbeitsmarkt zu realisieren sein wird. Noch wichtiger als Traditionen und als das Vertrauen in das Vertraute und Bewährte sind jedoch die jungen Menschen, die nicht in den Genuss des "Regelsystems" kommen. Sie zurückzu- lassen, wäre gerade in Deutschland ein pädagogischer und bildungspolitischer

Offenbarungseid. '

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