• Keine Ergebnisse gefunden

Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung —Eine Untersuchung der Interview-Projektforschung 1968—19721

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung —Eine Untersuchung der Interview-Projektforschung 1968—19721"

Copied!
15
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

© F. Enke Verlag Stuttgart Zeitschrift für Soziologie, Jg, 9, Heft 2, April 1980, S. 179 - 193

Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung — Eine Untersuchung der Interview-Projektforschung 1968—19721

Bernd Buchhofer

Max-Planck-lnstitut für ausländisches und internationales Privatrecht Mittelweg 187, D-2000 Hamburg 13

Hartmut Lüdtke

Universität Hannover, Fachbereich Erziehungswissenschaften Bismarckstraße 2, D-3000 Hannover 1

Z u s a m m e n f a s s u n g : In dieser Untersuchung wird die Organisation der Arbeitsteilung in der akademi­

schen empirischen Sozialforschung erstmals einer systematischen empirischen Analyse unterzogen. Grundlage der Untersuchung sind die Daten der Mitarbeiter (n = 680) von empirischen, die Interviewmethode verwendenden Forschungsprojekten (n = 143), die zwischen 1968 und 1972 in der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich durchgeführt worden sind. Mit Hilfe verschiedener Analyseverfahren wird folgendes Bild herausgearbeitet: Der komplexen funktionalen Differenzierung des sozialwissenschaftlichen Forschungsprozesses entspricht ein charakte­

ristisches sozial differenziertes Beteiligungsprofil der Mitarbeiter, gemessen an ihrem akademischen-Status. Danach gibt es bei den verschiedenen Statusgruppen charakteristische Monopolisierungs- und Meidungstendenzen. Der für das Gelingen der Projekte wichtige Wissens- und Informationstransfer wird offenbar durch einen integrativen Aus­

gleich der differentiellen Kosten, Investitionen und Belohnungen gewährleistet, bei dem die mittleren Ränge im Sektor der Projektdurchführung und die oberen Ränge im Sektor der Leitung, Initiation und Projektkonzipierung dominieren. Am Reputation und Qualifikation verheißenden Publikations-Output partizipieren die unteren und mittleren Ränge jedoch in erheblichem Umfang.

1. Problemstellung

Empirische Forschung in den Sozial Wissenschaf­

ten findet typischerweise als Unternehmen ar­

beitsteiliger Gruppen statt. Zumindest seit sie eine gewisse Reife erreicht hat, unterscheidet sie sich hierin nicht von anderen Bereichen kollek­

tiver Arbeitsorganisation. Theoretische Soziolo­

gie und empirische Sozialforschung haben die Formen der Arbeitsteilung, ihre Einflüsse auf das beteüigte Personal und auf die Qualität der resultierenden Produkte in außer wissenschaft­

lichen Organisationen oft genug untersucht. Die Erhellung dieser Zusammenhänge in der eigenen Produktionssphäre der Forschung ist aber bisher noch kaum in Angriff genommen. Dabei wäre es natürlich sehr reizvoll zu erfahren, ob mit wachsender Komplexität und methodologischem Fortschritt der Sozialforschung - ähnlich der Produktion für expansive Märkte - eine Ten­

denz zu „ambivalenter Industrialisierung“ einher­

geht: zunehmende Spezialisierung der Arbeits­

rollen führt indirekt, über den Zwang zur Koor­

dination und die Konzentration der Verantwort­

lichkeit, zu wachsenden Statusunterschieden zwi­

schen bestimmten Positionen. Dies würde dem bekannten Gefälle zwischen Leitung und Pla­

nung einerseits, Ausführung andererseits oder dem strukturellen Gegensatz zwischen Stab (Do­

minanz der Problemlösung) und Linie (Domi­

nanz der Kontrolle) entsprechen (vgl. Etzioni

1967: 127 ff.). Wir vermuten zumindest eine all­

gemeine Tendenz in dieser Richtung bei kom­

plexer werdenden Forschungsprojekten. Sie wür­

de eine Abkehr vom „vorindustriellen“ Ideal einer prinzipiellen Gleichrangigkeit der zum Zweck gezielter intellektueller Kreativität auf Zeit kooperierenden Wissenschaftler bedeuten.

In jüngster Zeit sind Qualität und Leistungsfähig­

keit der empirischen Sozial for schung zunehmend einer kritischen Betrachtung ausgesetzt gewesen.

So wird heute auf der Grundlage umfangreicher empirischer Erhebungen ganz allgemein die for­

schungspolitisch und forschungssoziologisch mo­

tivierte Frage nach der Lage der Forschung an den Hochschulen der Bundesrepublik diskutiert (vgl. die beiden Studien — im Auftrag der Wis­

senschaftsstiftungen - IFD 1976/77 und - im Auftrag des Bundesministeriums für Büdung und Wissenschaft - Infratest 1977); darüber hinaus geben neuere Untersuchungen auch bereits Aus­

kunft über Art und Beschaffenheit speziell der

1 Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsge­

meinschaft gefördert. Die Autoren danken Jürgen H.

Lottmann (Informationszentrum, Bonn) und Tho­

mas A. Herz (Zentralarchiv, Köln) für ihre freundliche Hilfe bei der Lösung der Stichprobenprobleme dieser Untersuchung. Schließlich und nicht zuletzt sind wir all denjenigen Kollegen zu großem Dank verpflichtet, die als „Probanden“ an dieser Untersuchung teilge­

nommen haben.

(2)

180 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 9, Heft 2, April 1980, S. 179 - 193 Strukturen sozial wissenschaftlicher Forschung

(v. Alemann 1975 u. 1976 und Lutz 1975); und schließlich wird verstärkt überhaupt nach der Wirklichkeit der akademischen empirischen So­

zialforschung gefragt (Herz u. Stegemann 1976;

Platt 1976; Buchhofer 1979).

Elementar bedeutet Arbeitsteilung die Aufsplitte­

rung komplexer Arbeitsgänge in einzelne Arbeits­

schritte. Mit solcher Differenzierung spezialisier­

ter, aufeinander bezogener Arbeitsabschnitte ent­

steht das Problem ihrer Integration und Koordi­

nation: Kooperation in der Gruppe, Arbeitstei­

lung und Koordination werden dabei zumeist un­

ter dem Aspekt der Produktivitätssteigerung ge­

sehen. Oder es ist umgekehrt mit der Reduktion der Leistungsfähigkeit eines sozialen Systems oder gar seines Zusammenbruchs zu rechnen, so­

weit sich anomische Formen der Arbeitsteilung (vgl. Dürkheim 1964: 343 ff.) entwickeln, d.h.

wenn extreme Spezialisierung einhergeht mit einem Zusammenbruch der Kommunikation zwi­

schen einzelnen Funktionsträgern: Trennung und Isolation bewirken dann eine Aufweichung der die Interdependenz steuernden Normen.

Platt hat in ihrer Untersuchung diesen Mechanis­

mus, bezogen auf die interne Organisation der empirischen Sozialforschung in England, so prä­

zisiert:

“. . . intellectual consequences are deeply in­

volved with the social ones. Division of labour implies division of knowledge, and eventually, in a team that was initially undifferentiated, be­

comes division of competence. Knowledge once divided, can be hard to put together again.”

(Platt 1976: 90)

Dies trifft vor allem dann zu, wenn die verschie­

denen Arbeitsschritte und Funktionen einer so­

zial unterschiedlichen Bewertung unterliegen und wenn die Teilnahme an den Arbeiten mit dem sozialen Status variiert - etwa zwischen den Ex­

tremen Abstinenz und Monopol; d.h. wenn sta­

tushohe Teilnehmer sich auf sozial hoch bewer­

tete und hoch belohnte Arbeitsabschnitte kon­

zentrieren und den statusniedrigen Beteiligten die sozial geringer geachteten und schlecht be­

lohnten Arbeiten überlassen oder zuweisen. Im Sinne des Durkheimschen Konzepts der „er­

zwungenen Arbeitsteilung“ wäre dann auch dem Phänomen der Entfremdung und deren Konse­

quenzen für die sozial wissenschaftliche For­

schung nachzugehen. So hat Roth (1966) ein­

dringlich davor gewarnt, daß eine „hired hand mentality“ auf die Qualität der Arbeitsprodukte sozialwissenschaftlicher Forschung durchzuschla­

gen droht, wenn unter den an Forschung Be­

teiligten die meisten ihre Arbeiten nur nach den Erwartungen und Plänen anderer Leute ausfüh­

ren, ohne an den Belohnungen der Projekte an­

gemessen beteiligt zu werden.

Für eine empirische Untersuchung solcher Zu­

sammenhänge kann man davon ausgehen, daß die typische organisatorische Einheit sozialwis­

senschaftlicher Forschung das Projekt bzw. die Projektgruppe ist. Unsere Arbeit konzentriert sich somit auf diesen modalen Forschungstyp.

Daher bleiben Aspekte der Arbeitsteilung inner­

halb komplexerer Forschungseinheiten (z.B. in Instituten) oder zwischen verschiedenen For­

schungseinheiten (z.B. bei Vergabe eines Arbeits­

abschnitts, etwa der Feldarbeit, an ein privates Erhebungsinstitut, vgl. Buchhofer 1979) hier außer Betracht.

Im Mittelpunkt solcher arbeitsteiliger Projekte, deren Mitarbeiter eine begrenzte Zeit lang koo­

perieren, um mit befristeten Mitteln ein defi­

niertes Arbeitsziel zu erreichen, steht in der em­

pirischen Sozialforschung in der Regel die Lö­

sung von Meßproblemen Da dies in den mei­

sten Fällen auch die Primärerhebung von Daten bedeutet, ohne daß hierin ein Selbstzweck der Projektarbeit läge, kristallisieren sich alle ande­

ren Arbeitsabschnitte um diesen Vorgang der Datensammlung.

Es fällt nicht schwer, anhand der meisten Me­

thodenlehrbücher zu einem Katalog der verschie­

denen abgrenzbaren Arbeitsschritte zu gelangen, aus denen sich der sozialwissenschaftliche For­

schungsprozeß zusammensetzt (vgl. insbesondere v. Alemann 1977). Diese lassen sich zunächst grob in Investitions- oder Input-Funktionen und in Output-Funktionen untergliedern. Investitio­

nen sind vor allem in der politischen und kon­

zeptuellen Vorbereitungsphase eines Projekts zu tätigen, wenn Leitungsaufgaben auszuüben sind und/oder die Initiative für ein Forschungsvorha­

ben zu übernehmen ist, um zunächst eine Pro­

jektkonzeption — in der Regel in der Form ei­

nes Antrags an einen Forschungsförderer — zu entwerfen. Diese Funktionen werden meistens

(3)

B. Buchhofer/H. Lüdtke: Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung 181 in der dann anschließenden Phase der Planung

und Ausführung der Datenerhebung und Analyse durch weitere konzeptuelle Arbeiten ergänzt. Es steht hier die Konzipierung der Meßinstrumente an (z.B. eines Fragebogens) und in der Regel auch die Konzipierung von Auswertungsinstru­

menten (z.B. eines Code-Plans). Als organisato­

rische Funktionen ergeben sich dann die Organi­

sation, Durchführung und Kontrolle der Feldar­

beit und, entsprechend, der Codierarbeit, Ar- beitsgänge, die schließlich von analytischen Funktionen abgelöst werden, nämlich durch ED V und Datenanalyse.

Output-Funktionen fallen schließlich in der Phase der Ergebnis-Produktion und -Dissemina­

tion an. Sie beinhalten im wesentlichen die Teil­

nahme an der Niederschrift der Ergebnisse und an deren Publikation, ein Vorgang, durch den die Resultate des Forschungsprozesses den betei­

ligten Personen als Leistungen zurechenbar wer­

den. Dies ist der übliche Weg, auf dem Wissen­

schaftler innerhalb des Belohnungssystems ihrer Disziplin Qualifikation und Reputation erwer­

ben. Auszuwählen wären hier vor allem: die Be­

teiligung an Buchpublikationen, soweit solche aus dem Projekt hervorgingen, die Beteiligung an Aufsatzpublikationen, der Erwerb formaler Qualifikation durch Anfertigung einer Qualifika­

tionsarbeit (Diplom-, Magister-Arbeit, Disserta­

tion, Habilitation) und schließlich, als Charakte­

ristikum der befristeten Projektforschung, die Statusstabilisierung durch Aufstieg aus einer temporären Projektposition in eine Planstelle im Anschluß an die Projektarbeit.

Diese Reihenfolge von Arbeitsschritten bzw. In- put-Output-Funktionen unterstellt die regelhafte Struktur eines Problem-Zeit-Ablaufs, die für ein geordnetes Forschungsprojekt konstitutiv ist.

Schatzman und Strauss (1973) heben dagegen hervor, daß in der Praxis viele dieser Arbeitspha­

sen parallel oder in umgekehrter Reihenfolge ablaufen, auch wenn der Untersuchungsbericht im nachhinein vorspiegelt, der Forscher habe sich streng an einem orthodoxen Ablaufplan orientiert. Hätte er sich bei einer Feldforschung tatsächlich nach solchen Regeln verhalten, so wären ihm mit Sicherheit die meisten unerwar­

teten Beobachtungen verborgen geblieben. Wir können dennoch für unseren Gegenstandsbereich aus folgenden Gründen daran festhalten, daß eine wahrscheinliche Reihenfolge der Arbeits­

schritte bei den meisten Projekten faktisch ein­

gehalten wird:

1. Schatzman und Strauss beziehen sich auf Pro­

jekte der Feldforschung i.e.S., wir uns dagegen ausschließlich auf den modalen Projekttyp auf der Basis von Interviewdaten. Aber bereits an der unteren Grenze einer nennenswerten Stich­

probe von Befragten werden eine Arbeitsteilung zwischen Untersuchungsleiter und Interviewer(n) und eine entsprechende Reihenfolge der Funk­

tionen zwangsläufig sein.

2. Die zitierten Einwände mögen in bezug auf rein explorative Studien stichhaltig sein, die von einem oder sehr wenigen Wissenschaftlern durch­

geführt werden. 31% der für diese Untersuchung ermittelten Projekte hatten 1 - 2 Mitarbeiter, allerdings ohne Berücksichtigung der Interviewer.

Aber selbst diese kleinen Projektgruppen hatten es mit durchschnittlichen Stichproben zwischen 374 (1-Mann-Projekte) und 1.000 Fällen (2- Mann-Projekte) zu tun (Buchhofer 1979: 70, 102).

3. Die überwiegende Praxis der empirischen So­

zialforschung impliziert bei einem Projekt also eine Vielzahl von massenstatistischen Problemen der Datensammlung und -analyse, die ohne eine systematische Abfolge von Konzeption, Erhe­

bung und Analyse nicht sinnvoll lösbar wären.

4. In den üblichen Bewilligungsverfahren bei der Projektforschung ist die Vorlage von ausführli­

chen Anträgen mit der Angabe präziser Arbeits­

schritte und diesen zugeordneter Zeitphasen meist obligatorisch. Die Antragsformulierer ha­

ben daher in der Regel vor der Durchführung ein mehr oder minder explizites Modell des ge­

samten Projektverlaufs fixiert. Man geriete wahr­

scheinlich bei der Verwendung meist knapper Ressourcen in arge ökonomische Bedrängnis, würde man später in der Praxis mehr als spora­

disch vom geplanten Schema des Ablaufs und der Arbeitsteilung abweichen.

Wir gehen also von einer komplexen Beziehung zwischen den einzelnen Funktionen aus: Gege­

ben ist zumindest eine sequentielle Interdepen­

denz der Arbeiten (Thompson 1967), bei der mit späteren Arbeitsabschnitten nicht begonnen werden kann, bevor die jeweils unmittelbar vor­

angehenden abgeschlossen sind. Darüber hinaus

(4)

182 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 9, Heft 2, April 1980, S. 179 - 193 trägt der so strukturierte Forschungsprozeß auch

deutliche Zeichen reziproker Interdependenz (Thompson 1967): der Output vieler einzelner Teilabschnitte ist jeweils Input für viele andere.

Der sozialwissenschaftliche Forschungsprozeß stellt sich damit als ein komplexer, arbeitsteilig differenzierter Arbeitsablauf dar, der durch jede Form personeller Diskontinuität, einer lediglich partiellen Teilnahme an Einzelarbeiten und Teil­

habe an den Belohnungen höchst verletzbar er­

scheint.

Primäres Ziel der Gesamtuntersuchung war eine deskriptive Analyse der faktischen Organisation der Arbeitsteilung und Gratifikationsverteilung in der akademischen sozialwissenschaftlichen Projektforschung, deren Ergebnisse einen Zugang zur genaueren Einschätzung vor allem ihrer per­

sonal-strukturellen Beschaffenheit und damit zur Verbesserung ihrer Randbedingungen eröff­

nen könnten. Demgemäß und angesichts des Mangels an vorliegenden Forschungen in diesem Feld waren die erkenntnisleitenden Hypothesen relativ allgemein. Vermutet wurde ein deutliches Muster der Arbeitsteilung, d.h. der Spezialisie­

rung der Projektmitarbeiter auf wenige Funktio­

nen, die mit der Komplexität und Dauer eines Projekts zunimmt. Weiterhin wurde angenom­

men, daß diese Arbeitsteilung nicht unabhängig vom akademischen Status der Mitarbeiter be­

steht - im Sinne der eingangs behaupteten Ten­

denz - und daß eine deutliche Grenze der Funk­

tionsallokation und Spezialisierung bzw. der Sta­

tusgruppen zwischen „Theorie“ (Konzeption, Initation, Leitung) und „Praxis“ (insbesondere Feldarbeit und Datenanalyse) verläuft.

2. Methode und Stichprobe

Die Untersuchung wurde im Winter 1974/1975 in Hamburg durchgefiihrt. Sie stützt sich auf eine schriftliche Befragung von Sozialwissen­

schaftlern, die schon mindestens einmal an sol­

chen empirischen Forschungsvorhaben beteiligt waren, bei denen die Technik der mündlichen Befragung verwendet wurde. Speziell wurde auf die wissenschaftlich verfaßte, akademische Pro­

jektforschung abgezielt: Es wurden nur solche Projekte in die Erhebung einbezogen, die primär aus Mitteln von Wissenschaftsstiftungen finan­

ziert waren (insbesondere von der DFG, der VW-Stiftung sowie von sonstigen Wissenschafts­

förderern).

Direkt befragt wurde jeweils ein speziell mit den praktischen Methodenfragen befaßter Mitarbei­

ter der Projekte, die in den Jahrespublikationen des Zentralarchivs in Köln zwischen 1968 und 1972 dokumentiert sind. Dort finden sich die Portraits von insgesamt ca. 4.000 empirischen Forschungsvorhaben, die vor allem in der Bun­

desrepublik, aber auch in der Schweiz sowie in Österreich in diesem Zeitraum als geplant, lau­

fend oder abgeschlossen gemeldet worden sind.

Von den dort anzutreffenden 929 stiftungsfinan­

zierten Projekten bedienten sich 485 unter ande­

rem oder ausschließlich der Interviewmethode.

Nach Eliminierung der Mehrfachmeldungen (183 waren in jenem Zeitraum zwei- oder mehrfach gemeldet) und nach Abzug der gar nicht zustan­

de gekommenen (n = 13), grundlegend veränder­

te Projekte (n = 13), der Nicht-Erreichbaren (n = 27), der Verweigerungen und unbrauchba­

ren Interviews (n = 25) sowie der Projekte, bei denen keinerlei Reaktion auf die insgesamt drei Erhebungswellen erfolgte (n = 81), reduzierte sich die Anzahl der auswertbaren Fälle auf 143 Projekte.

Da diese Untersuchung als Totalerhebung einer spezifizierten Zielgruppe durchgeführt wurde, die innerhalb des Rücklaufs einer vorausgegangenen umfassenderen Erhebung (als „Huckepack-Stich- probe“ der Dokumentationserhebung des Infor­

mationszentrums bzw. des Zentralarchivs) z.T.

durch Kontaktinterviews erst noch genauer ein­

zugrenzen war, läßt sich eine Vollständigkeits­

rate hier sinnvoll nicht ermitteln; so kann sich unter den Nicht-Erreichbaren, den Verweigerern oder den Reaktionslosen noch eine Anzahl nicht zustandegekommener, veränderter oder doppelt gemeldeter Projekte befunden haben. Die Unter­

suchung dürfte aber repräsentativ für die inter­

viewzentrierte akademische Projektforschung des genannten Zeitraums sein mit einer leichten Ten­

denz zur Überrepräsentation umfangreicherer Forschungsvorhaben (detaillierte Angaben zu Er­

hebungsverfahren, Stichprobe und Fragebogen vgl. Buchhofer 1979: 35 ff.).

Jeder ausgefüllte Fragebogen enthält parallele Daten aller am Projekt beteiligten Wissenschaft­

ler. Insgesamt liegen Daten von 680 Personen vor. In deren Analyse gehen die Projektmerk­

male als Kontextvariablen von Individuen ein.

Dies geschieht natürlich unter dem Postulat, daß

(5)

B. Buchhofer/H. Lüdtke: Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung 183 die Projekte Elemente eines Systems der Sozial­

forschung darstellen, innerhalb dessen die Per­

sonen zwischen den Elementen beliebig aus­

tauschbar sind. Die Operationalisierung der rele­

vanten Variablen geht aus dem Fragebogenaus­

zug im Anhang hervor.

3. Ergebnisse

3.1 Aufgabenbeteiligung und Arbeitsteilung bei den Statusgruppen des Projektpersonals

Abb. 1 veranschaulicht das Beteiligungsmuster des Projektpersonals nach vier akademischen Statusgruppen entlang 13 Aufgaben im For­

schungsprozeß.

Da die beiden letzten (Qualifikations- und Sta­

tusfunktionen) logisch nicht streng zu den übri­

gen Leitungs-, Planungs-, Organisations- und Analysefunktionen gehören bzw. sich mit den Publikationsfunktionen überschneiden, bleiben sie bei den folgenden Vergleichen unberücksich­

tigt, so daß die Beteiligungsprofile in bezug auf nur 11 Aufgaben betrachtet werden.

Tab. 1 enthält die entsprechenden Prozentwerte der Beteiligung und einige relevante Randpara­

meter. Je größer die mittlere Distanz ist, desto ungleicher die Verteilung der Beteiligungsquoten über die Statusgruppen, d.h. desto höher ist die Arbeitsteilung bei einer Aufgabe. Die Standard­

abweichung der Beteiligungsquoten je Status­

gruppe ist ein entsprechendes Maß für ihren Spe­

zialisiere ngsgrad.

io 20

30

40

50 60 70 80 90

100

l

Leitung Initiative

Konzeption/Antrag Konzipierung der Auswertungsinstrumente Konzipierung der Auswertungsinstrumente Organisation, Durchführg., Kontrolle der Feldarbeit Organisation, Durchführg., Kontrolle d. Kodierarbeit E D V - Spezialisierung Analyse - Spezialisierung Buch - Publikation Aufsatz - Publikation Anfertigung einer Qualifikationsarbeit Status - Stabilisierung

- M ita r b e ite r --- ohne akad.

Grad

--- Diplomierte u. vergleich­

bare Abschlüsse

Promo­

vierte

Pro­

fesso­

ren Abb. 1 Beteiligungsmuster des Projektpersonals (in %)

(6)

184 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 9, Heft 2, April 1980, S. 179 - 193

TABELLE 1 Beteiligung an den Forschungsaufgaben in % der Statusgruppen

A ufgaben Mitarb.

oh n e akad.

A bschluß D ip lo­

m ierte u.a.

Promo­

vierte Profes­

soren Mitt­

lere D i­

stanz*

B etei­

ligung msges.

Leitung 4 7 36 70 3 7,8 19

Initiative 11 16 48 74 3 6 ,8 28

K onzeption/A ntrag 19 30 71 88 4 8 ,8 41

K on zep tion Meßinstr. 38 6 6 71 41 20,7 55

K on zep tion

A usw ertung 37 55 60 19 2 3,3 46

Organisation

Feldarbeit 20 39 33 8 17,5 28

Organisation

K odieren 20 33 29 0 17,5 24

EDV, Programmierung 16 37 27 2 18,8 24

D atenanalyse 17 38 33 9 16,3 26

Buchpublikation 28 52 41 33 13,7 4 0

A ufsatzpublikation 22 50 48 41 15,0 40

M ittelwert 21,1 38,1 4 5,2 3 5,3

StD 9 ,7 16,4 15,3 2 9 ,6

N 2 0 4 252 125 80 661

* M ittelw ert der 6 Prozentw ertdifferenzen zw ischen je 2 Gruppen

Die Statusgruppen lassen sich nach diesen Daten folgendermaßen klassifizieren:

Gesamt­

beteiligung

Breite der Beteiligung

Aufgaben­

schwerpunkte Mitarbeiter

ohne Abschi.: gering groß Konzeption

Meßinstr./

Konzeption Auswertung/

Buchpublik.

Diplomierte

u.ä.: mittel mittel Konzeption

Meßinstr./

Konzeption Auswertung / Buch/Aufsatz

Promovierte: hoch mittel K onzeption/

K onzeption/

Meßinstr./

Konzeption Auswertung Professoren: m ittel gering Initiative/

Leitung / Konzeption

Die relative Beteiligung der Promovierten ist am höchsten, die der Mitarbeiter ohne akademischen Abschluß am geringsten. Offensichtlich steigt der mittlere Beteiligungsgrad bei den drei ersten Gruppen mit der formalen akademischen Quali­

fikation: ein Indiz für den faktischen Zusammen­

hang zwischen akademischer Sozialisation und Selektion und der Chance des Zugangs zu quali­

fizierten Forschungsrollen.

Die Professoren erscheinen empirisch als „Her­

ren“ der Forschung: hohe Spezialisierung auf Konzeptions-, Leitungs- und Kontrollfunktionen mit Monopolstellung. Ihr Status sichert ihnen also weitgehend die Funktion der Bestimmung der Legitimitätsbasis eines Projekts. Dies ent­

spricht auch ihrem Selbstverständnis als Status­

gruppe und ihrem Stereotyp in der Öffentlich­

keit: Höchste formale Qualifikation impliziert Kontrolle über die Forschung. Daß dies im so­

zialwissenschaftlichen Bereich so deutlich wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn ge­

rade hier wurde diese Tendenz bisher am ehe­

sten problematisiert, wenn man an die Debatten der sechziger Jahre über die Kontrolle der Hoch­

schulforschung denkt. Eine weitergehende Ana­

lyse dieser Kontrollfunktionen könnte indes er­

geben, daß sich dahinter eher formale und ri­

tuelle Tätigkeiten verbergen, so z.B. wenn ein Professor sich namentlich mit einem Projekt identifiziert und es formal auch leitet, das von einem Mitarbeiter angeregt und entworfen wur­

de. Immerhin zeigt sich, daß unter den drei qualifizierten Statusgruppen die Professoren die Projekte am wenigsten durch Publikationen

„ausbeuten“ . Dies spricht für eine eher symbo­

lische Kontrollfunktion oder für eine Tendenz, sich auf politische Aufgaben wie die des „For­

schungsmaklers“ , „Forschungsunternehmers“

oder „Hintermannes“ (Platt 1976: Kap. 5) zu spezialisieren2.

Betrachten wir nun zeilenweise den Spezialisie­

rungsgrad der Wahrnehmung einer Aufgabe (mittlere Distanz):

Hoch spezialisiert werden folgende Aufgaben wahrgenommen: Konzep- tion/Antragstellung Projektleitung Projektinitiation

2 Jennifer Platt (1976) hat in ihrer qualitativen Analy­

se der empirischen Projektforschung in England an­

dere Beobachtungen gemacht: Zwar fand sie ebenfalls eine aktive und weitgehend exklusive Beteiligung der Leiter/Professoren in der Initialphase der politisch­

konzeptionellen Arbeiten und ebenso - im Anschluß daran - einen Rückzug dieser Gruppe aus dem Nah­

bereich der Datenerhebung. Ihre Reaktivierung an­

läßlich der Niederschrift der Resultate zeichnete sich dort jedoch durch eher monopolistische Wiederbetei­

ligung aus.

(7)

B. Buchhofer/H. Lüdtke: Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung 185

Wenig spezialisiert werden folgende Aufgaben wahrgenommen:

Organisation der Kodierar­

beiten

Organisation der Feldarbeit Datenanalyse

Aufsatz- und Buchpublika­

tion

Die breite Beteiligung der verschiedenen Status­

gruppen, auch noch der Mitarbeiter ohne Ab­

schluß, an den Publikationsfunktionen, indiziert im Verhältnis zu Vorstellungen über die traditio­

nelle Organisation der Hochschulforschung eine bemerkenswerte Innovation: Nicht mehr länger ist die Veröffentlichung von Forschungsergebnis­

sen eine (alleinige) Domäne derjenigen, die zu­

gleich über den höchsten formalen Status verfü­

gen und wesentlich die Leitungsfunktionen inne­

haben. Im Bereich der „Lehnstuhlforschung“

und theoretischer Veröffentlichungen dürften die Beteiligungsquoten hingegen anders ausse- hen.

In Tab. 2 wurden die Daten im Hinblick auf folgende Frage transformiert: Wie groß ist die tatsächliche Chance für die Mitglieder einer Statusgruppe, bei gegebener Gesamtbeteüigung (letzte Spalte der Tab. 1) an einer Forschungs­

aufgabe beteiligt zu sein? Diese Chance läßt sich bestimmen als das Verhältnis von gruppen­

spezifischer Beteiligung zu theoretischer Betei­

ligung ohne Gruppenunterschiede:

Beobachtete Beteiligung n$F , . --- 2— _ = --- , wobei Theoretische Beteiligung Pp * Ng S : Statusgruppe

F : Aufgabe

Pp : Anteil aller Mitarbeiter (N = 661), die an einer Aufgabe beteiligt waren.

Interpretationsbeispiel aus der ersten Zeile: Pro­

fessoren übernehmen 3,7 mal so häufig wie die Gesamtheit der Mitarbeiter Leitungsaufgaben, Diplomierte u.ä. nur zu etwas mehr als einem Drittel der Gesamthäufigkeit dieser Beteüigung.

Sehr deutlich wird das Statusgefälle des Zugangs zu den drei oberen Funktionen; die Professoren haben hier eine eindeutige Monopolstellung.

Von einer etwas schwächeren Monopolstellung der Diplomierten u.ä. läßt sich im Bereich der

Datenaufbereitung und -analyse sprechen. Die Mitarbeiter ohne Abschluß erreichen bei keiner Aufgabe die theoretische Beteiligung.

TABELLE 2 Die Zugangschancen der Statusgruppen zu den Forschungsaufgaben

Aufgaben Mitar­

beiter o.A.

Diplo­

mierte u.a.

Promo­

vierte Profes­

soren

Leitung 0,20 0,37 1,89 3,70

Initiative 0,39 0,58 1,75 2,73

Konzeption/Antrag 0,46 0,72 1,72 2,14

Konzeption Meßinstrument 0,68 1,19 1,28 0,75

Konzeption Auswertung 0,80 1,19 1,31 0,41

Organisation Feldarbeit 0,71 1,38 1,15 0,29

Organisation Kodierung 0,83 1,35 1,20 0

EDV, Programmierung 0,65 1,88 1,11 0,07

Datenanalyse 0,63 1,41 1,22 0,33

Buchpublikation 0,69 1,29 1,03 0,82

Aufsatzpublikation 0,55 1,25 1,20 1,04

Betrachten wir die Beteiligungsmuster nach Tab.

1 als gruppenspezifische Profile, wobei die 11 Aufgaben als logisch gleichwertige Skalen der Forschungsaktivität zwischen den Werten „keine“

und „vollständige“ Beteiligung postuliert werden, dann lassen sich die Profilähnlichkeiten (Q-Kor- relation nach Hofstätter 1959: 257) errechnen (Tab. 3).

TABELLE 3 Ähnlichkeiten der akademischen Status­

gruppen nach ihrer Beteiligung an den Forschungsauf­

gaben

I II III Hauptfaktor

I Mitarbeiter ohne Abschluß .98

II Diplomierte u.ä. .93 .97

III Promovierte .57 .40 .49

IV Professoren -.2 8 -.4 0 .59 -.39

Nach funktionaler Beteiligung sind die Diplo­

mierten u.ä. den Mitarbeitern ohne Abschluß ähnlicher als den Promovierten. Die Promovier­

ten sind den übrigen drei Gruppen etwa gleich ähnlich, was ihre Mittelposition unterstreicht.

Eine Faktorenanalyse dieser Affinitäten führt zur Identifikation eines Hauptfaktors (nach der Zentroidmethode), den man als „Fußvolk der empirischen Sozialforschung“ interpretieren kann. Seine Ladungen bilden eine Skala der Sta­

tusdistanz zwischen den Gruppen. Auf dieser Skala rangieren die promovierten Forschungs­

mitarbeiter näher beim „Fußvolk“ als bei den

„Herren“.

(8)

186 Zeitschrift fur Soziologie, Jg. 9, Heft 2, April 1980, S. 179 - 193

3.2 Dimensionen der Struktur und Funktio­

nen des Projektpersonals

Es soll nun auf einfache Weise analysiert werden, in welcher Weise die Aufgaben des Forschungs­

personals in den Strukturkontext von demo­

graphischen und Projekt-Variablen eingebettet sind. Hierfür werden neben 11 Funktionen im Forschungsprozeß (Beteiligung) herangezogen:

Geschlecht, Alter, Merkmale des formalen Sta­

tus (akademischer Status ab Promotion, „Dritt- mittel“-Mitarbeiter, temporäre Mitarbeit, Mitar­

beit nur an Teilprojekten, Auskunftsperson bei der Befragung) sowie Projektgröße nach Mitar­

beiterzahl und Zeitpunkt der Projekterwähnung (Alter des Projekts). Wir bedienen uns dabei der explorativen Form der Faktorenanalyse (Haupt­

komponenten nach Varimax-Rotation). Zu die­

sem Zweck wurden die 20 Variablen dichotomi- siert (vgl. Tab. Al im Anhang). Das Verhältnis der Teilgruppengrößen, in die jeweils gesplittet wird,

ist natürlich nicht ohne Einfluß auf den theore­

tisch möglichen Wert der Phi-Koeffizienten. Bei den meisten Variablen handelt es sich jedoch um echte ja-nein-Dichotomien (diskrete Variablen), deren Klassenanteile durch die Struktur der For­

schung festliegen, so daß ein nicht normiertes Phi hierbei eine Kovariation innerhalb gegebener Randbedingungen mißt, was unserer Intuition entspricht. Lediglich bei den Variablen 3 Alter, 18 Projektalter und 19 Projektgröße war die Wahl des Splits frei. Hier haben wir ein 50:50 Verhält­

nis anzunähern versucht (vgl. ausführlicher zu die­

sem Problem Küchler 1973). Die Interkorrela­

tion der Variablen enthält Tab. A2. Fälle ohne Angabe wurden korrelationsweise eliminiert. Da­

durch kommt es zu abweichenden Fallzahlen, die im Extrem bei drei Variablen nur 72 bis 75%

der Stichprobe umfassen. Die hierdurch mög­

liche Einschränkung der Zuverlässigkeit der Kor­

relationen wird wegen immer noch hoher Fall­

zahlen in Kauf genommen.

TABELLE 4 Faktormatrix ,,Struktur der Mitarbeiter an sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekten“

Variablen:

F A K T O R E N

(1) (2) (3) (4) (5)

1. (Weibliches) Geschlecht ( - .1 9 ) 2. „DrittmitteL-Mitarbeiter - .4 2

3. Alter .58

4. Projektinitiator .67

5. Beteiligung an Antrags­

formulierung .69

6. Projektleiter .72

7. Promovierte und Professoren .79

8. Temporäre Mitarbeit - .3 6 - .3 7

9. Beteiligung an Aufsatzpubl. .58

10. Beteiligung an Buchpublik. .61

11. Verfasser einer Qualifi-

kationsarbeit ( - .1 9 ) .43

12. Beteiligung an Fragebogen .40

13. Auskunftsperson .21 .35

14. Beteiligung an Org. etc.

der Feldarbeit

15. Beteiligung an Org. etc.

der Kodierarbeiten 16. EDV-Arbeit

17. Datenanalyse .21

18. Projekterwähnung nach 1971 19. Mitarbeit in umfangreichen

Projekten

20. Teilprojekt-Mitarbeiter

.24

.26

- .3 9

.34 .49 .40 .62 .43

-.22

.21

.37 .58 .73 .70

Kommunali- täten:

.06 .31 .36 .52 .57 .56 .66 .46 .38 .40 .40 .47 .38 .53 .53 .59 .54

.20

.50 .03

Eigenwerte: 2.89 1.52 1.51 1.65 0.89 8.46

Varianzanteile: 14.5 7.6 7.6 8.3 5.5 42.3%

(9)

B. Buchhofer/H. Lüdtke: Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung 187 Es wurden 5 Faktoren extrahiert, die rund 42%

der gemeinsamen theoretischen Varianz der Merkmale ausschöpfen. Tab. 4 enthält eine ge­

ordnete Übersicht über die Ergebnisse.

Interpretation der Faktoren:

Faktor 1:

Projektleitung: Wer sie innehat, initiiert typi­

scherweise auch das Projekt und formuliert den Antrag, besitzt höhere akademische Qualifika­

tion, ist häufiger Planstelleninhaber und nicht

„Drittmittel“-Mitarbeiter und natürlich älter.

Dieses Merkmalssyndrom bildet deutlich den Spezialisierungsgrad und die exponierte Stellung der Inhaber von Kontrollpositionen ab.

Faktor 2:

Publikations-Output: Wer die Forschungsergeb­

nisse veröffentlicht, ist häufig auch Autor einer Qualifikationsarbeit und war an der Fragebogen­

formulierung beteiligt — die beiden letzten Merk­

male gehören aber auch zur Symptomatik des Faktors 3.

Faktor 3:

Feldarbeit: Ein Syndrom operational-technischer Organisation und Kontrolle. Die Organisatoren der Feldarbeit sind häufig auch an der Fragebo­

genformulierung beteiligt, organisieren die Co­

dierarbeiten (aber weniger als die Datenanalyti­

ker: Faktor 4) und sind (seltener) Verfasser von Qualifikationsarbeiten. Sie beantworteten relativ häufig den Fragebogen.

Faktor 4:

Datenanalyse: Ein Syndrom spezialisierter ana- lytisch-technischer Service-Leistungen. EDV im engeren Sinn der Programmexpertise und prak­

tischen Durchführung und Datenanalyse sind ty­

pischerweise in denselben Händen, häufig mit der Organisation der Kodierarbeiten und (selte­

ner) mit der Organisation der Feldarbeit verbun­

den.

Faktor 5:

Projektgruppenexpansion: Projekte nach 1971 haben mehr Mitarbeiter als frühere, ein Indiz für die Expansionstendenz der Sozialforschung auf Projektgruppenebene.

Als Hauptergebnis dieser Analyse kann der Nach­

weis gelten, daß die Steuerung des Ablaufs so­

zialwissenschaftlicher Forschungsprojekte der

Tendenz nach in drei unabhängigen Dimensio­

nen erfolgt: Initiation und Leitung, verbunden mit akademischen Statusvorteilen (Faktor 1), Feldarbeit, also eigentliche Erhebungspraxis (Faktor 3) und Datenanalyse (Faktor 4). Dabei erscheinen Leitung und Feldarbeit als mit tem­

porärer Mitarbeit am Projekt einigermaßen un­

verträglich. Die Aufbereitung der Daten durch Kodierung liegt typischerweise im Überschnei­

dungsbereich von Feldarbeit und Datenanalyse mit stärkerer Tendenz zu letzterer.

3.3 Versuch einer kausalen Interpretation des Forschungsprozesses

Im ersten Abschnitt haben wir die Wahrschein­

lichkeit dafür begründet, daß die Projekte in ei­

ner bestimmten Reihenfolge der Funktionen ab­

gewickelt werden, die sich vereinfacht so be­

zeichnen läßt: Initiation - Leitung - Fragebo­

genentwicklung — Feldorganisation — Kodier­

arbeit — Datenanalyse — Bericht/Dissemination.

Da diese Reihenfolge nicht umkehrbar ist, läßt sie eine kausale Interpretation zu. Angenommen, es gäbe keine Arbeitsteilung zwischen den Funk­

tionen, und jeder Projektmitarbeiter wäre an al­

len Funktionen beteiligt, so wäre die Varianz der Beteiligung an einer Funktion durch die Be­

teiligung an der vorangehenden Funktion und die Varianz der letzten Variablen (Dissemina­

tion) durch jede vorangehende vollständig er­

klärt. Weiterhin läßt sich postulieren, daß der akademische Status (Promovierte/Professoren vs. andere) den Funktionen exogen ist, d.h. die Beteiligung an ihnen von ihm abhängig ist, aber nicht umgekehrt. Schließlich erscheint das Ziel der Anfertigung einer Qualifikationsarbeit der späteren Buchpublikation vorgeordnet.

Nach diesen Überlegungen wurden die Variablen in dem Kausalmodell der Abb. 2 angeordnet.

Nach ihm sollen, unter Anwendung der rekur­

siven Kausalanalyse (Opp/Schmidt 1976; Hum- mell/Ziegler 1976) auf der Basis der entspre­

chenden Phi-Korrelationen3 (vgl. Tab. Al und

3 Nach dem Pfadtheorem ry = Spjqrqj setzt sich die Korrelation von \ und j zusammen aus den direkten Wirkungen der auf j gerichteten Variablen q unter der Bedingung der Korrelation von q und j. 1st nur ein Pfad von j auf \ gerichtet, so gilt ry = py. Das Pfad­

theorem kann daher auch so formuliert werden:

rij = Pij + ^pjqTqj. Eine für ähnliche Zwecke gute Er­

läuterung des Verfahrens findet sich bei Lange (1978) in dieser Zeitschrift.

(10)

188 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 9, Heft 2, April 1980, S. 179 - 193

Abbildung 2 Sukzession der Beteiligung an den Forschungsfunktionen und funktionale Abhängigkeit des Outputs

A2), genauer als zuvor die direkten Einflüs­

se der Variablen aufeinander gemessen, d.h. der Grad der sukzessiven Funktionsüberschneidung bzw. Arbeitsteilung unter dem Projektpersonal und die Abhängigkeit des Forschungs-Outputs von den Inputs abgebildet werden. Von verschie­

denen überprüften Pfadmodellen ist das der Abb. 2 am besten mit den Daten vereinbar4.

Die empirischen Einsichten auf der Grundlage dieses Modells lassen sich wie folgt formulieren:

Politische und Kontrollfunktionen:

Typischerweise initiieren und (weniger ausge­

prägt) leiten Promovierte und Professoren Pro­

jekte der empirischen Sozialforschung. Die Pro­

jektinitiative führt häufiger direkt zur Projekt­

leitung als der akademische Status als solcher.

Zerlegt man die verschiedenen kausalen Effekte auf die Leitung, so zeigt sich, daß der direkte Effekt des Status (0,31) und sein indirekt über die Initiation wirkender Effekt (0,46 • 0,46 = 0,21) zusammen (0,52) kaum höher sind als der direkte Einfluß der Initiation (0,46). Insgesamt werden 44% der Varianz der Leitung durch Sta­

tus und Initiation erklärt.

4 Siehe den Vergleich der durch das Modell implizier­

ten mit den beobachteten Korrelationen (Tab. A3) Da keine Abweichung > 0 .1 0 , gilt das Modell, ent­

sprechend der üblichen Konvention, als nicht falsifi­

ziert. Zur besseren Übersichtlichkeit sind in Abb. 2 nicht alle Residualpfade angegeben.

Bisher also haben Projektinitiatoren — unabhän­

gig von ihrem akademischen Statu« — ungefähr die gleiche Chance, ihr Projekt formal zu leiten, wie Personen mit einem institutioneilen Status­

vorteil. Es scheint wert zu prüfen, ob diese rela­

tive „Demokratie der Kreativen“ heute noch der öffentlich geförderten Projektforschung ent­

spricht. Dabei ist die Frage zu klären, wie häu­

fig die faktische Identität von Antragstellern und Leitern einerseits (die verfahrenstechnisch

„natürliche“ Annahme der Antragsadressaten) und von Projektinitiatoren andererseits ist.

Zu diesem Zweck wurde das Teilmodell der Her­

kunft der Projektleiter um die Variable Beteili­

gung an der Antragsformulierung (Konzeption) erweitert (Abb. 3). Sie trägt nur unwesentlich zur Erklärung bei (insgesamt 47% Ausschöpfung der Varianz der Leitung).

R2

^ . 0 9

*2

Abbildung 3 Die Abhängigkeit der Projektleitung von Status, Initiation und Konzeption

(11)

B. Buchhofer/H. Lüdtke: Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung 189 Zerlegen wir die auf die Leitung wirkenden kau­

salen Gesamteffekte, so ergibt sich:

Varianz­

anteil direkter Effekt Status 0.250

indirekter Effekt Status

- Initiation 0.179

indirekter Effekt Status

- Antragformulierung 0.058

indirekter Effekt Status

- Initiation - Antrag 0.042

Gesamteffekt Status 0.529 13,0%

direkter Effekt

Initiation 0.390

indirekter Effekt

Initiation - Antrag 0.092

Gesamteffekt Initiation 0.482 23,4%

direkter Effekt Antragsformulierung 0.20 10,6%

Der direkte Effekt der Initiation auf die Leitung bleibt am höchsten, ebenso die Gleichrangigkeit der Gesamteffekte von Status und Initiation.

Nimmt man jedoch das Kriterium der erklärten theoretischen Varianz (vgl. die Varianzanteile) statt des Kriteriums der Standardabweichung (die Effekte bedeuten Anteile der Standardabwei­

chung der erklärten Variablen), so hat die Initia­

tion das größte „kausale Gewicht“ für die Lei­

tung. Wie die entsprechenden direkten Effekte und die Varianzanteile zeigen, haben die status­

höchsten Mitarbeiter und die Antragsformulierer fast die gleiche Chance, das Projekt zu leiten.

Der Zusammenhang von Initiation und Leitung mit Aufgaben der Projektdurchßhrung:

Nach dem Modell in Abb. 2 besteht kein direk­

ter oder indirekter Übergang von der Leitungs­

funktion auf die Aufgaben der Projektrealisie­

rung von der Entwicklung des Erhebungsinstru­

ments bis zur Datenanalyse. Wer allerdings ein Projekt initiiert (und aufgrund dessen höhere Leitungschancen) hat, ist auch häufiger an der Entwicklung des Instruments beteiligt. Die wei­

teren indirekten Einflüsse der Initiation auf den Projektablauf sinken auf eine quantity nöglige- able: direkte Beteiligung am Fragebogen: .25, indirekte an der Feldorganisation: .08, an der Organisation der Kodierarbeit: .05, an der Da­

tenanalyse: .01. Bei den statushöheren Beteilig­

ten besteht eher ein schwacher Gegensatz als eine Affinität zur ebenso zentralen wie prakti­

schen Aufgabe der Erhebungskontrolle (= Feld­

organisation). Diese Befunde belegen die Reali­

tät des Delegationsprinzips bei der Realisierung

eines Projekts auf seiten der Statushöheren und Leiter, die diese Funktion offenbar eher nur symbolisch ausüben.

Der K ontext der technisch-methodischen Funk­

tionen:

Zwischen Fragebogenentwicklung, Feldorganisa­

tion, Organisation der Kodierarbeit und Daten­

analyse besteht eine Kette direkter Abhängigkei­

ten: Wer an einer Arbeitsphase mit wirkt, ist überzufällig häufig auch an der nächsten und (in geringerem Maße) übernächsten beteiligt. Der Gesamteinfluß von x 5 auf x 7 ist rechnerisch ge­

nauso stark wie der Einfluß von x6 auf x 7. Zwi­

schen den Beteiligungen an Feld- und Kodierar­

beit besteht der geringste Grad der Arbeitstei­

lung (sie laden auch beide substantiell auf den Faktoren 3 und 4).

Nach verbreiteter Expertenerfahrung besteht seit einigen Jahren die Tendenz zur Komplika­

tion des empirischen Forschungsprozesses durch den größer werdenden Aufwand der Datenanaly­

se, zu dem methodologischer Fortschritt und die Entwicklung gut zugänglicher Programmpa­

kete beigetragen haben (vgl. Allerbeck 1972).

Die Varianz der Beteiligung an der Datenana­

lyse wird in unserem Modell zu 5% von der Be­

teiligung an der Feldorganisation und zu 13%

von der Organisation der Kodierarbeit erklärt.

Der direkte Einfluß früherer Arbeitsphasen auf die Datenanalyse wird explizit ausgeschlossen:

Feldorganisation (einschließlich Stichprobenkon­

trolle), Datenaufbereitung und -analyse scheinen ein relativ geschlossener, arbeitsteiliger Funk­

tionsbereich von Spezialisten zu sein — meist von Diplomierten oder auch qualifizierten stu­

dentischen Hilfskräften, die, obgleich entschei­

dende „Ergebnisproduzenten“, von der forma­

len Verantwortung für ein Projekt weitgehend ausgeschlossen sind. Da der Zugang zur Soft­

ware der Datenanalyse im letzten Jahrzehnt der Sozialforschung erheblich erleichert worden ist, bedeutet diese Arbeitsteilung wahrscheinlich den Reflex der Tatsache, daß der methodologische Standard der Analyse höher, die Möglichkeiten der Anwendung von Analysemodellen erweitert und der adäquate Umgang mit ihnen aufwendi­

ger geworden ist.

Einflüsse a u f die Outputs:

Mitarbeiter, die ein Projekt mit einer Qualifika­

(12)

190 Zeitschrift für Soziologie, Jg. 9, Heft 2, April 1980, S. 179 - 193 tionsarbeit (Magister-, Diplomarbeit, Dissertation,

seltener: Habilitationsschrift) abschließen, sind die typischen „Handwerker“ der Forschung. Sie haben zuvor überzufällig häufig bei der Instru­

mententwicklung. Feldorganisation und Daten­

analyse mitgewirkt. Der negative Einfluß des Status auf die Anfertigung einer Qualifikations­

arbeit ist natürlich größtenteils tautologisch. Die drei übrigen Einflüsse erklären rund 14% der theoretischen Varianz von x 85.

An einer Buchpublikation sind typischerweise Fragebogenkonstrukteure, Projektleiter und Da­

tenanalytiker beteiligt, also vornehmlich solche Personen, die neben der Leitung maßgeblich zur Dimensionierung und Generierung der Daten beigetragen haben. Interessant ist insbesondere, daß ein direkter Einfluß der Projektinitiative auf die Buchpublikation nicht besteht. Insge­

samt werden freilich nur 18% der Varianz von Buchpublikation durch das Modell erklärt.

4. Zusammenfassung und Diskussion

Anhand der Mitarbeiterdaten aus 143, zwischen 1968 und 1972 dokumentierten, akademischen Projekten der empirischen Sozialforschung mit der Technik der mündlichen Befragung wurden Muster der Arbeitsteilung im Forschungsprozeß, Input - Output — Zusammenhänge, Sequenzen der Beteiligung an Projektaufgaben und Einflüsse des formalen Status untersucht.

Dabei bestätigte sich die angenommene allge­

meine Tendenz der Forschungsorganisation da­

hingehend, daß dem Ranggefälle des formalen akademischen Status eine Funktionszuordnung mit partiell monopolartigen Zügen entspricht, die zwischen den Polen „Theorie“, Leitung, Konzeption versus „Praxis“ , Durchführung, Technik liegt. Diese Tendenz kennzeichnet je­

doch nur höchst unvollkommen die arbeitstei­

lige Organisationsstruktur der modernen Sozial­

5 A u f den ersten Blick scheint dieser Anteil sehr ge­

ring. Man beachte allerdings, daß aufgrund der gege­

benen „natürlichen“ Dichotom ien die drei Korrela­

tionen von X4, X5, x 7 mit x 9 maximale Werte von 0 .76 bis 0.86 annehmen können. Die drei Variablen könnten also die Varianz von x9 jeweils höchstens zu 5 8 -7 4 % determinieren statt der 100%, die bei Be­

rechnung des Residualpfades postuliert wurden. Vgl.

hierzu Küchler (1973).

forschung hierzulande. Zunächst muß einmal zwischen der Gesamtbeteiligung und der Breite der Beteiligung am Projekt unterschieden wer­

den. Professoren weisen eine mittlere Beteili­

gung mit geringer Breite auf, Mitarbeiter ohne Abschluß eine nur geringe Beteiligung mit der größten Breite. Die größte Beteiligungsrate mit mittlerer Breite haben die Promovierten, m itt­

lere Werte die Graduierten.

Auf der gegebenen Datenbasis konnten wir als Komponenten der Funktionsstruktur der Pro­

jektforschung vier Dimensionen identifizieren:

Projektleitung, Publikations-Output, Feldarbeit und Datenanalyse. Sie indizieren ein hohes

„industrielles“ Maß der sequentiellen und re­

ziproken Differenzierung des Forschungsprozes­

ses. Dabei zeigte sich am deutlichsten, daß der Statusunterschied zwischen postgraduier­

ten und übrigen Mitarbeitern nur in der ersten Dimension wirksam wird.

Postuliert man eine strukturelle Zwangsläufig­

keit dafür, daß ein Vorteil des formalen aka­

demischen Status die Wahrscheinlichkeit der Ausübung von Leitungsfunktionen im For­

schungsbetrieb der Hochschulen überhaupt er­

höht, dann bedeuten die in der Analyse re­

konstruierten Kausalbeziehungen ein recht aus­

gewogenes Verhältnis von Mechanismen der Rekrutierung von Projektleitern zugunsten sach­

lich-kreativer Leistungen im Forschungsablauf.

A m wenigsten läßt sich bisher hier von einer Usurpation der Leitung qua Status oder von ei­

ner traditionellen Feudalstruktur der Sozialfor­

schung sprechen.

Die Leitung scheint eher symbolisch als kon­

zeptionell. Zumindest läßt sich indirekt schlie­

ßen, daß Leitung nicht identisch ist mit einer ständigen Steuerung der Informationsgenerie­

rung im Projekt verlauf. Die Professoren und Lei­

ter verfügen über kein Publikationsmonopol. Ihre Askese bezüglich konzeptioneller Kontrolle und analytischer Forschungspraxis reflektiert wahr­

scheinlich ihre Absorption in akademischen Lehr-, Verwaltungs- und Repräsentationsverpflichtun­

gen sowie Mittel-Bewilligungskämpfen, aber auch die Tatsache, daß ein erheblicher Teil der Pro­

jekte der akademischen Sozialisation und Selek­

tion (Qualifikationsarbeiten) dient. Auf jeden Fall scheint empirische Sozialforschung typi­

scherweise eher eine Funktion von Statusmobi­

(13)

ß. Buchhofer/H. Lüdtke: Arbeitsteilung und Statusunterschiede in der empirischen Sozialforschung 191 len als eine der Reputationssicherung für Profes­

soren zu sein — sicherlich auch eine nationale Besonderheit unseres Faches, zumindest bis

1972.

Diese statusmobilen, jüngeren Projektmitarbeiter können als entscheidende Ergebnis-Kreatoren be­

trachtet werden, da sie stark an Instrumentent­

wicklung, Feldkontrolle und Datenanalyse betei­

ligt sind. Für diese These sprechen:

a) die empirisch begründete Annahme, daß der permanente Einfluß der Antragsteller und Leiter auf die eigentliche Generierung und Analyse der Erkenntnisgrundlagen sehr gering sein dürfte;

b) die Notwendigkeit hoher Spezialisierung und Qualifikation in bezug auf die methodisch-tech­

nische Seite des Projekts bei gegebener starker Expansion des Angebots an Informationen und Software;

c) die herrschende Bewilligungspraxis: meist wer­

den entsprechende wissenschaftliche Mitarbeiter für das laufende Projekt und diese Funktionen finanziert.

Die Integration der unterschiedlichen, von den verschiedenen Gruppen beigesteuerten Leistun­

gen scheint dem austausch-theoretischen Modell zu folgen: Es besteht offensichtlich die Tendenz, die differentiellen Kosten, Investitionen und die Belohnungen zu einem Ausgleich zu bringen. Da­

bei konzentrieren die Professoren ihren Beitrag auf die Initialphase der Projektkonzipierung und Mittelakquisition, ziehen sich während der Durchführung aus den Projekten zurück, um sich später wieder — jedoch in zurückhaltender Weise

— an der Niederschrift der Forschungsergebnisse zu beteiligen. Die mittleren Ränge bringen ihre

„expert power“ vor allem im technisch-metho­

dologisch determinierten mittleren Abschnitt der Datensammlung und -analyse ein. Für diese im allgemeinen nicht sehr hoch eingeschätzten

„Knochenarbeiten“ werden sie aber am „Ertrag“

der Forschung hinlänglich beteiligt, ein Beleg für die These vom relativ starken Gewicht dieser Gruppen in informellen und dezentralen Organi­

sationen des Wissenschaftssystems (vgl. Anger 1960: 445; Nitsch u.a. 1966: 92 ff.; Peisert 1966; Geser 1977).

Das komplexe Interdependenzverhältnis der un­

terschiedlichen Arbeitsabschnitte des sozialwis­

senschaftlichen Forschungsprozesses hat offen­

sichtlich Aufforderungscharakter für eine enge soziale und intellektuelle Integration der ver­

schiedenen Statusgruppen angehörenden Betei­

ligten, die auf einen reibungslosen Leistungs­

und Wissenstransfer wechselseitig angewiesen sind.

Es erhebt sich die Frage, ob diese hohe funk­

tionale und motivationale Interdependenz der Mitarbeiter in kleinen Gruppen noch aufrecht­

erhalten werden kann, wenn Forschungsprojekte stärker in relativ wenigen und großen Institu­

ten bearbeitet werden, die als kontinuierliche Betriebe zwangsläufig auf ein noch höheres Maß der Arbeitsteilung und feste Mitarbeiterstäbe mit geringer Statusmobilität angewiesen sind.

Strukturelle Vorteile der Routine und des Zeit­

gewinns könnten in ihnen möglicherweise zu Lasten der Originalität von Problemlösungen und der Engagiertheit von Mitarbeitern gehen.

Anhang: Fragebogenauszug und Zusatztabellen

Die Befragten (n = 143) waren u.a. aufgefordert, auch Angaben über die Mitarbeiter (n = 680) der 143 unter­

suchten Projekte zu machen. Die Antworten auf die anschließend im Auszug wiedergegebenen Personalfra­

gen (Fragebogen Teil I, Fragen Nr. 14 - 34) waren in ein vorgegebenes Raster einzutragen bzw. anzukreuzen.

Zu berücksichtigen waren „ . . . alle wissenschaftlichen Mitarbeiter, die im Laufe des Projekts substantiell an diesem beteiligt waren“.

1.14. Geschlecht der Mitarbeiter?

1.15. Alter der Mitarbeiter zu Beginn/bei Eintritt in das Projekt?

1.16. Welche dieser Personen sind Sie, der/die Be­

fragte?

1.17. Welchen akademischen Grad hatten die Beteilig­

ten jeweils zu Beginn/bei Eintritt in das Projekt?

1.18. Wen würden Sie als Initiator(en) des Projekts be­

zeichnen?

1.19. Welche Mitarbeiter waren an der Formulierung des Antrags an den Forschungsförderer beteiligt?

1.20. Hatte das Projekt einen Leiter?

1.21. Wird oder wurde im Zusammenhang mit dem Projekt eine wissenschaftliche Qualifikationsar­

beit angefertigt? (Art der Qualifikationsarbeit Für den betreffenden Mitarbeiter war einzutra­

gen)

1.22. Welche Mitarbeiter sind als Ko-/Autoren an Buch-Publikationen beteiligt (gewesen), die aus dem Projekt hervorgegangen oder in Arbeit sind (ausschließlich der in Frage 21 angegebenen Qualifikationsarbeiten)?

1.24. Welche Mitarbeiter sind als Ko-/Autoren an wis­

senschaftlichen Aufsätzen beteiligt (gewesen), die aus dem Projekt hervorgegangen oder in Arbeit sind?

1.26 Wer hat den/die Fragebogen/Interviewleitfaden für das Projekt entworfen?

Abbildung

Abb.  1  veranschaulicht  das Beteiligungsmuster  des  Projektpersonals  nach  vier  akademischen  Statusgruppen  entlang  13  Aufgaben  im  For­
TABELLE  1  Beteiligung  an  den  Forschungsaufgaben  in  %  der  Statusgruppen A ufgaben Mitarb
TABELLE  2  Die  Zugangschancen  der  Statusgruppen  zu  den  Forschungsaufgaben Aufgaben Mitar­ beiter o.A
TABELLE  4  Faktormatrix  ,,Struktur  der  Mitarbeiter an  sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekten“
+3

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Betrachtet man den allgemeinen Stand der Implementierung des Shareholder-Value- Konzepts, zeigt sich, daß eine Mehrzahl der großen deutschen Unternehmen sich zu- mindest teilweise

Dabei hat sich gezeigt, dass im lokalen Wettbewerb im Privatkundensegment vor allem die Sprachtelephonie und das Anbieten von Internet-Services derzeit und auch in Zukunft als

❱ Wie OCLC 1 ausgehend vom Standort, an dem die Suche durchgeführt wird, die am nächsten liegende, lieferfähige Bibliothek im Web für Suchmaschinen, Le- ser-

Übung.. Eine amerikanische Arbeitskraft kann 10 Tonnen Weizen pro Jahr erzeugen, während eine deutsche nur 5 Tonnen pro Jahr produziert. Nehmen Sie an jedes Land verfüge über

Umgekehrt kann man quantitative Daten in qualitative, semantische Daten konvertie- ren, die wiederum qualitativ ausgewertet werden können (Tahakkori & Teddlie, 1998,

In der vom Senat der Universität Wien eingesetzten Berufungskommission für die Besetzung einer Professur für „Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt

tritt nicht nur die Interessen der Mitglieder nach außen, sondern hat auch eine Funktion als Binnenkontrolle, indem die Mitglieder diszipliniert und bei Verstoß gegen

haltsvorstände, Gruppe 6 für deren Ehepartner. Die Teilgruppen 7 und 8 enthalten ebenfalls die Korrelationen der eigenen Parteipräferenzen von Haushaltsvorständen und