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yazamaide (1) haomayö gava barasmuna (2) hizvö daahanha ma&ra öa 1

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(1)

und bei Zarathustra^

Paul Thieme, Yale Station (Conn.)

I ... yazamaide (1) haomayö gava barasmuna (2) hizvö daahanha ma&ra öa

1. Das hier ausgehobene Bruchstück ist Teil eines im Jungawesta in

verschiedenen Zusammenhängen wiederholten Ganzen. Als Objekt von

yazamaide ,,wir verehren" erscheinen wechselnde, durch voneinander ab¬

weichende Attribute gekennzeichnete Gottheiten, z. B. ASa vahiSta

(Yt. 3.18), Haurvatät (Yt. 4.10), Anähitä (Yt. 5.9 ~ Ny 4.9), HvaraxSaeta

(Yt. 6.6 = Ny. 1.16), TiStrya (Yt. 8.3), Drväspä (Yt. 9.6), Mi&ra (Yt.

10.6), Vdrd^ragna (Yt. 14.5), Vaya (Yt. 15.5), ASi (Yt. 17.3), Xvarnö

(Yt. 19.54).

2. Die zunächst möglicherweise willkürlich erscheinende Maßnahme,

die angeführten Zeilen von der Fortsetzimg:

(3) vaöa Sa Syaodna Sa zao&räbyas 6a (4) arSuxdaeibyas Sa vägzibyö

zu trennen, läßt sich durch mehrere von einander unabhängige Indizien

als notwendig erschließen.

Das erste wäre der Gebrauch des ca. In einer Reihe gleichgeordneter

Nomina — in diesem Falle Instrumentale — kann Sa entweder hinter

jedem einzelnen Glied erscheinen (Baetholomae, Wb. Sp. 572): dies ist

in (3) und (4) der Fall, oder nur hinter dem letzten (Bartholomae, Wb.

' Die folgenden Erörterungen geben den Inhalt eines von mir auf dem

Deutschen Orientalistentag in Hambmg (1955) gehaltenen Vortrags. Der zu¬

viel versprechende Titel ist beibehalten, ebenso die skizzenhafte Darstellung

in Teil III. Im einzelnen ist manches geändert und hinzugefügt, teils auf

Grund der Anregungen und Belehrungen, die mir die Aussprache und die

Kritik mehrerer hervorragender Fachgenossen geboten haben. Auch eigenes

weiteres Nachdenken hat mich gelegentlich zu Umgestaltungen veranlaßt.

Hierher gehört meine Kombination mit dem Agnihotra. Bei meiner Diskus¬

sion von haomayö gava habe ich mich nicht mehr auf die ANDREAs'sche

Theorie berufen, mit der meine Vermutung sich sehr leicht, vieUeicht aUzu

bequem, verteidigen läßt, sondem eine Begründung gegeben, wie sie ohne sie

lauten müßte. Damit gebe ich kein Urteil über die genannte Theorie ab, das

ich vielmehr gänzlich den iranistischen Fachleuten überlasse.

(2)

68 Pattl Thieme

Sp. 570): so in (1) und (2). Die beiden Strophenhälften brauchen also

einerseits zwei von einander abweichende Methoden der Begriffs Verknüp¬

fung, und andrerseits hat das 6a hinter madra nur dann einen guten Sinn,

wenn dies eine Reihe als letztes Glied abschließt. Das legt die Annahme

nahe, daß Zeile (3) und (4) eine später und nicht sehr geschickt hinzu¬

gefügte Erweiterung der ursprünglich allein vorhandenen Zeilen (1) und

(2) darstellen.

Das zweite Indiz ergibt sich aus dem auffallenden Metrum in Zeile (3),

deren Silbenzahl (zehn) sich nicht ohne Willkür auf die erwartete (acht)

reduzieren läßt. Aufs neue werden wir auf die Vermutung gebracht, daß

wir eine nachträgliche Hinzufügung von zweiter, wenig glücklicher Hand

vor uns haben.

Das dritte Indiz liefert der Inhalt'. Wie ich zu zeigen hoffe, bilden

Zeilen (1) und (2) nicht nur syntaktisch, sondern auch im Gedankenauf¬

bau ein in sich geschlossenes, vollkommenes Ganze. Zeile (3) und (4)

fügen kein notwendiges Element hinzu, machen vielmehr den Eindruck

tautologischen, zarathustrisch gefärbten Wortschwalls. Damit bestätigt

sich die durch das syntaktische und metrische Indiz — als wie immer

gering man dieses, für sich allein betrachtet, bewerten mag — geschaf¬

fene Präsumption, daß ursprünglich Zeile (1) und (2) ein Thema zum

Abschluß brachten.

3. Diese Zeilen, in denen wir also den verhältnismäßig alten Grund¬

stock eines später in erweiterter Gestalt gebrauchten Versatzstückes ver¬

muten, geben Auskunft über gewisse Einzelheiten altiranischen Gottes¬

dienstes. Fünf Instrumentale qualifizieren die Handlung der Verehrung

(yaz). Sie zeigen, wie sie — jedenfalls bei gewissen Gelegenheiten — voll¬

zogen wurde, welches ihre wesentlichen Elemente waren. Eine Inter¬

pretation, die die Einzelheiten etwas näher ins Auge faßt, wird deutlicher erkennen lassen, daß sie sich tatsächlich zu einer sinnvoll gegliederten,

in sich ruhenden Einheit zusammenfügen. Allerdings wird sich diese Ein¬

heit, sobald sie erfaßt und verstanden ist, als das Ergebnis einer histo¬

rischen Entwicklung zu erkennen geben, die in vorgeschichtlicher Zeit in

Wirklichkeit Disparates erst zusammengelötet hat.

Wir beginnen unsere Interpretation am Ende.

4. [yazamaide .. .] ma'&ra ,,[Wir verehren ...] durch mqdra."

Bei der Deutung von ma'&ra dürfen wir von skt. mantra ausgehen.

Aber wir müssen uns hüten, den Sprachgebrauch des klassischen Sanskrit

zugrunde zu legen. Hier ist mantra eine 'traditionelle Formel', deren

Würde eben darin besteht, daß sie von den Weisen der Vorzeit her über-

' Ein viertes mag man der Form vägzibyö entnehmen, wenn man sie mit

Babtholomab, Wb. Sp. 1335 erklärt.

(3)

liefert ist. Sie hat eine Wirkung, die sich bei früheren Gelegenheiten

bewährt hat und die bedingt ist nicht so sehr durch ihren Inhalt als durch

ihre Form, die in peinlich korrekter Aufsagung gewahrt werden muß. Die

strikten Opfertheologen, die Mimämsaka, gehen so weit zu sagen, die

mantra des Veda seien 'ohne Siim'. Pürva Mim. S. 1.2.39, behauptet aus¬

drücklich das mantränarthakyam mit mehreren im Vorausgehenden ge¬

gebenen Begründungen. Schon Yäska (jedenfalls älter als Patafijali) zi¬

tiert Nir. 1.15 das Argument eines gewissen Kautsa: anarthakä hi manträh

„denn die mantra sind ohne Sinn." Damit ist gemeint: sie haben keinen

Sinn im profanen Verstände des Wortes wie alle anderen sprachlichen

Äußerungen, sie haben nur, wenn sie richtig rezitiert werden, eine Wir¬

kung, die wir magisch nennen dürfen'. Die mantra genannten Formeln

sind ,, Zaubersprüche".

Einen ganz anderen Sinn hat mantra im RV. Der rigvedische Dichter

macht seine mantra selbst, er ist ein tnantrakrt (RV 9.114.2), und er trägt

sie auch selbst beim Opfer vor (RV 1.152.2 mdntrah kavisastdh, 6.50.14d,

10.14.4 manträh kaviSastäh). Nicht was er von anderen gelernt, sondern

was er selbst in seinem Herzen gestaltet hat, nennt er mantra: 2.35.2

imäm sv äsmai hrdd d sütastarn mantrarn vocema ,,wir wollen ihm in

schöner Weise den mantra sprechen, der wohlgezimmert ist aus dem

Herzen heraus"; 1.67.2 ndro dhiyamdhd hrdd ydt tastdn mdntra dsarnsan

,,als sie, die Einsicht [in die verborgene Wahrheit] schaffenden Männer,

die mittels des Herzens gezimmerten mantra vortrugen." mantra wird

hier also in einem Sinn gebraucht, der sich unmittelbar aus der Bedeu¬

tung ableiten läßt, die die grammatische Analyse ergibt : er ist das — als

Masculinum personifizierte — Instrument (4ra) der durch das Element

man- benannten Handlung, also das Instrument des Denkens, des Er¬

kennens: ein ,, formulierter Gedanke", den man sprachlich vortragen

kann, der dem Dichter hilft in seinen Refiexionen und Meditationen fort¬

zufahren. Er gibt der Einsicht (dhi) des Dichters eine endgültige Gestalt,

die er festzuhalten und von der er fortzuschreiten vermag zu weiteren

Gedanken und Erkenntnissen.

Die Konnotation des Dichterischen, Feierlichen und Wunderkräftigen,

die dem Wort im RV innezuwohnen scheint, verdankt es in Wahrheit

nur dem Zusammenhang, in dem es gebraucht ist. Ganz natürlicherweise

ist ja im RV vorwiegend von den wunderwirkenden Gedanken der Dichter

oder auch einzelner Götter (z. B. 1.67.3) die Rede. Es ist der bare Zufall,

daß uns wenigstens eine Stelle aufgehoben ist, an der mantra in ganz pro¬

fanem Sinn von gewöhnlichen Gedanken gebraucht ist. Purüravas, der mit

^er entweichenden Urvaäi noch einmal ins Gespräch kommen möchte, sagt :

' Vgl. hierzu O. Stbadss, ZDMG, N. F. 6, S. 120; Thieme, Zeitschrift für

Indologie 8, S. 26ff.

(4)

70 Paul Thieme

RV 10.95.1 hiyi, jdye, mdnasä, tistha ghore,

vdcämsi misrä krrbavävahai nü

nä nau mänträ änuditäsa eti

mdyas karan pdratare canähan

„He, Weib ! Mit Vernunft — bleib stehn, du Grausame — laß uns jetzt

Worte wechseln! Nicht werden uns diese Gedanken (= die Gedanken,

die wir im Sinne haben), [wenn sie] unausgesprochen [bleiben], später

Freude schaffen."

Ganz entsprechend scheint der Gebrauch von ma&ra im Awesta. Die

in den Gä'&äs formulierten ,, Gedanken" des Zarathustra, die er selbst

mit ma'&ra bezeichnet (Y. 28.5, 44.17), können im Jungawesta mit dem

gleichen Wort benannt werden (G. 1.6), das also in diesem Zusammen¬

hang auf ,, überlieferte Gtebetsformeln" geht, die auch sonst so heißen.

Bei Zarathustra kann es sich bei ma&ra auch um die 'Gedanken', das

heißt die Gebote und Festsetzungen, dea Ahura Mazdä handeln (Y. 43.14),

aber ebenfalls um die 'Gedanken' des Lügners (Y. 31.18): die Konno¬

tation 'fromm' ist also, wo sie vorhanden ist, durch den Zusammenhang

bedingt. Ein eigenes mqQra n. ,, Gedanke" für unsere Stelle und G. 2.7

anzusetzen (Baetholomae, Wb. Sp. 1179) ist überflüssig und durch kein

Indiz des Sprachgebrauchs zu rechtfertigen. Wir werden ohnehin ma.'&ra

— nicht z. B. mit Lommel, Die Yäshts ..., S. 24 (Yt. 3.18) durch: ,,mit

... Spruch", sondern — ,, durch einen Gredanken" übersetzen und aus

dem Zusammenhang als selbstverständlich entnehmen, daß es sich um

einen „dichterischen Gedanken" handelt. Wir sind auch keineswegs ge¬

nötigt, an ein ,, überliefertes Gebet" zu denken. Es ist durchaus wahr¬

scheinlich, daß der Verfasser der Zeilen einen vom Dichter im Augenblick

des Vortrags oder zum Zweck einer bestimmten Gelegenheit ,,mit dem

Herzen gezimmerten Gedanken" meint.

5. Für eine solche Interpretation, die das durch die grammatische

Analyse und den Sprachgebrauch der Gäl^äs und des RV als ursprüng¬

lich erweisbare, gegenwärtig-lebendige Element des Wortes mantra als

vorhanden voraussetzt, spricht der unmittelbar vorausgehende Ausdruck :

{yazamaide ...] hizvö danhanha ,,[Wir verehren ...] durch das [weise,

wunderbare] Können der Zunge."

Dürfen wir in mg&ra einen Hinweis auf die Formung des Gedankens

durch den Dichter sehen, so gibt hizvö daahaaha einen Hinweis auf die

Formung durch den Rezitator. In ähnlicher Weise stehen bei Zarathustra

mq&rä und hizvä gelegentlich nebeneinander: Y. 28.5c „durch [meinen]

Gedanken und [meine] Zunge", das heißt: ,, durch einen von mir ge¬

dichteten Gedanken und seinen Vortrag". In unserem Zusammenhang

ist die Kunst des Vortrags besonders betont. Wenn wir die Ausdrucks¬

weise ernst nehmen — und das sollten wir doch tun, solange nicht starke

(5)

Indizien es widerraten —, müssen wir darin eine Andeutung sehen, daß

es die ästhetische Bewertung des Vortrags ist, die im Vordergrund steht,

nicht etwa, wie es im späteren Indien selbstverständlich wäre, die laut¬

getreue Exaktheit der Rezitation.

Greifen wir bei der Übersetzung von hizvö danhanha zu ,, Zungen¬

fertigkeit" — so Lommel, o. c. —, so haben wir zwar einen uns nahe¬

liegenden Ausdruck eingesetzt, interpretieren damit aber bereits die

Worte des Originals in einem ganz bestimmten Sinn. Von ,, Zungen¬

fertigkeit" sprechen wir doch nur, wenn es sich nm eine rasche und ge¬

schickte Rede oder um ein rasches und ohne Anstoß oder Versprechen

vorsichgehendes Aufsagen handelt. Ich halte es geradezu für eine der

hauptsächlichen Gefahren für den Übersetzer, daß er sich versuchen

läßt, eine fremde Ausdrucksweise mit einem uns geläufigen, in der Struk¬

tur äußerlich ähnlichen Idiom kurzerhand zu identifizieren, statt auf

etwa vorhandene Konnotationsunterschiede zu lauschen. Lommel über¬

setzt hier einmal — was man ihm im allgemeinen keineswegs vorwerfen

kann — im Stile Geldnees, der die genannte Gefahr nicht nur nicht zu

scheuen, sondern geradezu aufzusuchen pfiegt.

ddmsas im RV ist eine weise oder auch wunderbare Kunst, keine

,, Fertigkeit". Der kunstvollste Vortrag ist aber kaum — außer in ganz

speziellen Zusammenhängen — der „zungenfertigste", sondern der Ge¬

sang, hizvö danhaaha mqiha 6a mag also geradezu meinen : ,, durch Ge¬

sang und Dichtung", zum mindesten aber heißt es: ,, durch kunstvolle

Rezitation und Dichtung". RV 10.138.2 steht der Instrumental ddmsasä

,, durch [weises] Können" parallel einem rtajätdyä gird ,, durch ein aus der

Wahrheit geborenes Lied", und das Nebeneinander eines Ausdrucks für

,, Gedicht" und eines Ausdrucks für ,, Gesangsvortrag" ist überhaupt ge¬

läufig: z. B. 9.71.3 matt ... gird, 9.71.6 dhiyd ... girä, 8.8.19 dhitibhir

girhhis, 8.41.2 girä ... mänmabhis, 5.68.1 vipd (durch 'Zitterung' =

'durch in Erregung geschaffenes Gedicht') girä, 9.96.17 girbhih kdvyena,

8.27.5 red girä, 7.80.1 stömebhis .. . girbhis, 5.22.4 stömais ... girbhis.

6. [yazamaide ...] barasmana

Beim Opfer der Parsi ist das bardsman bekanntlich ein Bündel von

Stäbchen, das der rezitierende Priester, der zaotar, in seiner Hand hält'.

' Erwähnt von Strabo XV 3.14: ,,Ihre Gesänge aber lassen sie (die Magier

beim Opfer) eine lange Zeit dauern, indem sie ein Bündel von dürmen

Tamariskenstäbchen halten." Für die BeurteUung wesentlich scheint mir die

Verbindung zwischen Rezitation und Bündel (vgl. im folgenden), wie sie hier

erschemt. S. Bisnvenistb, The Persian religion, S. 57, hält Strabos 'bundle of rods' für eine Entlehnimg aus babylonischem Kult und für nicht identisch

mit dem awestischen barasman. Er identifiziert es aber mit dem 'bundle', das

Anähita in Yt. 5.127 in der Hand zu halten scheint, das jedoch gerade baras¬

man genannt wird (barasmö.zasta). Wenn ich überhaupt eine Entlehnimg er-

(6)

72 Paul, Thiemb

Im Jungawesta besteht es nicht aus Stäbchen, sondern aus Pflanzen

(urvarä: V. 18.3, N. 90.98), das heißt doch wohl aus Gräsern. Eine ent¬

sprechende Sitte liefert das vedische Opfer. Bei der Rezitation reichen

sich die beteiligten Priester ein Grasbündel von Hand zu Hand oder

halten je ein eigenes (vgl. z. B. Caland-Heney, L'Agnistoma I, p.

XXXVII s. V. prastara und p. 171 f. nebst n. 13).

Aber nicht nur die Priester, auch der Opferherr und seine Gattin

nehmen es, sobald sie einen heiligen Vers oder Spruch sprechen (Hatto,

Ait. Br., p. 79; Eggelino, SB I, p. 84 n. 2). Es spielt nicht nur eine Rolle

beim Opfer. Der Vedaschüler ergreift es, bevor er zu rezitieren beginnt

und die heilige Silbe om ausspricht (vgl. Manu Smrti 2.75 nebst Kullüka),

Patanjali läßt es Pänini in der Hand haben, während er sein Sütra for¬

muliert (Mahäbhäsya I S. 39 Z. 10 f.).

Die Ausdrücke, mit denen man dieses Bündel bezeichnet, das aus min¬

destens zwei Gräsern besteht (Äp.S. S. 12.17.9), wechseln. Da es beim

Opfer von der Grasausbreitung (barhis, prastara), die den Göttern als

Sitz dient, genommen wird, nennt man es z. B. schlechtweg barhis

(Baudh., Äp., Bhär., Hir.S.S., vgl. Caland, o. c, p. 171 n. 12 und 13),

oder prastara (Chandoga). Sonst heißt es auch darbhapavitra „Reini¬

gungsmittel aus darbha-Gr&a" (z. B. SB 3.1.3.18, Pat. I S. 39 Z. 10) oder

einfach pavitra (Manu 2.75). Diese letzteren Ausdrucksweisen zeigen ganz

deutlich, was gelegentlich auch ausdrücklich gesagt wird (SB 3.1.3.18,

Manu 2.75), daß dieses Grasbündel reinigende Funktion hat. Es reinigt

vor allem den, der rezitiert, und schützt ihn damit bei seiner hochgefähr¬

lichen Handhabung des kraftgeladenen heiligen Wortes.

Das vom zarathustrischen Priester bei der Rezitation in der Hand

gehaltene Grasbündel (später: Zweigbündel) hat also eine ehrwürdige

Vergangenheit. Es beruht auf urarischer Sitte. Trotzdem ist es offen¬

sichtlich, daß die ursprüngliche Bedeutung von barasman nicht ,, Gras¬

bündel, das vom Rezitator in der Hand gehalten wird" gewesen sein

kann. Immer wieder erscheint es im Jungawesta als Objekt von fra und

Star „hinbreiten", muß also ehemals ,, Grasausbreitung" gewesen sein wie

vedisch barhis n., das mit einem verschiedenen Suffix von derselben

arischen Wurzel *brzh „hinbreiten" geformt ist. Die Entwicklung von

barasman *„ Grasausbreitung" zu barasman „Grasbündel" wird über „von

der Grasausbreitung genommenes Bündel" geführt haben, ganz analog

der von vedisch prastara, barhis „Grasausbreitung" zu späterem „vom

Rezitator in der Hand gehaltenes Grasbündel".

wägen würde, möchte ich höchstens an eine Beeinflussung in der Form

(Stäbchen statt Gräser) denken. Wirklich notwendig scheint mir auch das

nicht.

(7)

Herodot erwähnt bei seiner Darstellung des offiziellen' persischen Tier¬

opfers eine „Grasausbreitung":

1.132 „... nachdem er (der Opfernde) das Opfertier in seine Teile zer¬

legt und das Fleisch gebraten hat, breitet er ein möglichst zartes Gras

aus — vorzugsweise aber Klee — und auf dieses hat er nun alles Fleisch

gesetzt ..."

Herodot berichtet hier Tatsachen, die er selbst sicher weiß (vgl. 1.140),.

ohne eine Deutung zu versuchen. So sagt er nichts von der Vorstellung,

die man etwa mit dem „Gras" verband. Die Vermutung, daß es, ebenso

wie die Grasausbreitung im RV, als Sitz der beim Opfer bewirteten

Gottheit gedacht war, die sich an und für sich schon aufdrängt, wird als

richtig bestätigt durch seinen Hinweis auf die Zartheit des Grases:

diese hat einen guten Sinn, wenn es als Sitz dienen sollte. Wollte man

Herodots Ausdruck ax; inalaziifj in einen rigvedischen umsetzen, würde

man etwa unmmradas „von der Weichheit der Wolle" wählen, das

RV 5.5.4 als frommer Wunsch von Agni gesagt wird und zwar in einem

Zusammenhang — dem vierten Vers eines Äpra-Hymnus, — wo die

Vorstellung des barhis notwendigerweise vorhanden, weim auch nicht

ausdrücklich genannt sein, muß: ürnamradä vi prathasva „breite dich

[o Agni] wollenweich aus [wie sich das barhis wollenweich ausbreitet]."

Der griechische Historiker bezeugt uns also eine Einrichtung, die wir

aus dem im Jungawesta mit bardsman verbundenen Sprachgebrauch

und der entsprechenden Sitte des RV sowieso erschließen würden.

Die vollkommene Harmonie dieses Zusammenhanges zerstört man

aber, wenn man — z. B. mit Benveniste, Persian Religion, S. 31 — die

Voraussetzung macht, das iranische Wort für den von Herodot beschrie¬

benen Grassitz sei barziS- n. gewesen, das nachträglich „seine religiöse

Konnotation" verloren habe und daher im allgemeinen Sinn von „Polster¬

sitz" gebraucht werde. Wenn wir nicht den vedischen Sprachgebrauch

hätten, für den barhis allerdings der stehende Ausdruck für den beim

Opfer verwendeten Grassitz ist, würde wohl niemand auf diesen Gredan¬

ken kommen. Tatsächlich läßt sich weder für ein arisches *barzhiS- noch

für ein arisches *barzhnmn- das ursprüngliche Vorhandensein einer

religiösen Konnotation irgendwie aus der Wortbildung begründen. Beide

Wortstämme benannten eine „[Gras-]Ausbreitung" : bei der Bezeichnung

> Vgl. fi. Benveniste, Persian religion, S. 30. Da ich im folgenden mehr¬

fach auf Einzelheiten zu sprechen komme, in deren Beurteilung ich von

Benveniste abweiche, bemerke ich hier, daß ich ihm in der von ihm ein¬

geschlagenen Richtung durchaus folge, insbesondere meine, daß er recht tut,

wenn er Herodots Darstellung nicht auf einen zarathustrischen Ritus bezieht

und die Rolle der Yäst als Opferlieder und ihre Verwandtschaft mit ve¬

discher Dichtung betont.

(8)

74 Paul Thieme

des beim Opfer ausgebreiteten Grassitzes fiel die Wahl in einem Fall —

bei den Indo-Ariern — auf das bereit liegende *barzhiä-, im anderen —

bei den Irano-Ariern — auf das ebenfalls bereit liegende *barzhman-.

Neben der sich allmählig einstellenden Verschiedenheit in gewissen

Aussprachegewohnheiten ist es ja gerade die Wortwahl, die sich zu

verschiedenen Sprachen entwickelnde Dialekte der gleichen Sprache

trennt. Erst in dem durch diese Wahl geschaffenen Zusammenhang

ergab sich nachträglich eine ,, religiöse Konnotation". An und für sich

hätte man z. B. auch ein *barzhana- (vgl. ved. upabarhana ,, Polster") wählen können.

Natürlich dürfen wir die Frage stellen, ob barasman, für das sich eine

prähistorische Bedeutung ,, Grasausbreitung" mit aller nur wünschens¬

werten Deutlichkeit ergibt, nicht auch im Awesta noch gelegentlich in

diesem Sinne gebraucht wird. Wir sind sogar dazu verpflichtet. Die

Tatsache, daß prastara und barhis in vedischen Texten gelegentlich

charakteristische Bezeichnungen des „in der Hand gehaltenen Gras¬

bündels" sind, hindert nicht, daß sie in anderen Zusammenhängen

unzweideutig den ,, Grassitz" meinen.

Prüft man die Belege, an denen barasman im Jungawesta erscheint,

so zeigt sich, daß an gewissen Stellen und in gewissen Ausdrucksweisen

allerdings an das bei der Rezitation in der Hand gehaltene Bündel zu

denken ist. Hierher gehört das Kompositum barasmö.zasta, das dem

barhirmusti vedischer Sütren entspricht, oder z. B. N. 90 ävata nä nitama

barasmana ratufriS'i ^riSurvara ,, Durch ein wie großes kleinstes Bündel

genügt man der Regel? Durch eines, das drei Pflanzen hat. .." An den

meisten Stellen ist eine Entscheidung, ob von „Grasausbreitung" oder

„in der Hand gehaltenem Pflanzenbündel" die Rede ist, gar nicht leicht

möglich. Auch z. B. der Ausdruck aiwyäohana ,, Gürtel", wenn er im

Zusammenhang mit barasman erscheint (z. B. Y. 71.23), ist nicht ent¬

scheidend, da ja auch das Gras, das auf der vedi liegt, jedenfalls teilweise

gebündelt ist. Einige Stellen aber ergeben einen besseren Sinn, wenn

wir bardsman auf die ,, Grasausbreitung" beziehen. Am deutlichsten

erscheint mir eine Stelle wie Yt. 17.61 (vgl. auch Yt. 10.138): barazam

barät zaota väSim hiStamnö pas6a barasma ,,Der zaotar soll eine hohe

(laute) Rede darbringen', indem er hinter das barasman tritt." Das wird

doch kaum heißen sollen: ,, hinter das Grasbündel", das er in der Hand

und natürlich vor sich hält, sondern: ,, westlich der Grasausbreitung"

(die ihrerseits westlich vom Feuer, an der Stelle der spätvedischen 'vedi'

liegt): also das Gesicht zum Feuer und nach Osten gewendet, wie es

uralter, charakteristischer Gebetsstellung entspricht. Auch Pänini in der

von Patanjali (Mahäbhäsya I, S. 39, Z. 10) geschilderten feierlichen

' Vgl. z. B. RV. 3.10.5 väco 'gndye bharata brhdt.

(9)

Situation der Formulierung seines Sütra blickt nach Osten: pränmukha upavisya.

Ebenso scheint mir in unserem Verse, der doch ein verhältnismäßig

altes Stück darstellt, ,,wir verehren durch Grasausbreitung" (Lommel

Yt. 5.9: ,,mit Opferstreu") unzweifelhaft besser als ,,mit Opferzweigen"

(so Lommel sonst). Das in der Hand gehaltene Bündel von Gräsern

(„Pflanzen"), die späteren ,, Opferzweige", war, wie das Indische zeigt,

jedenfalls von Haus aus kein Instrument der Verehrung, sondern ein

Schutz des Rezitators. Nichts nötigt uns zu der Annahme, der Dichter

habe seine Rolle mißverstanden und es fälschlich dazu gemacht. Setzen

wir voraus, daß er von der Grasausbreitung spricht, ist alles in schönster

Ordnung. Diese dient nicht dem Priester, sondern der Gottheit. Wie an

Gedicht und Vortrag soll sie sich an dem (weichen) Sitz erfreuen.

7. yazamaide .... haomayö gava

„[Wir verehren. ..] durch Milch" scheint einfach genug. Aber haomayö

macht beträchtliche Schwierigkeiten. Wir erwarten einen Instrumental,

den weder *haomayu- ,,zum hauma strebend", noch *haom(i)ya- ,,mit

haumM versehen" — beide Stämme an und für sich voraussetzbar, wenn

auch unbelegt — in dieser Form liefern.

Nun können wir uns von vornherein nicht auf die Worttrennung der

Handschriften verlassen. Tatsächlich lesen mehrere: haoma yö gava

(auch haoma, yöi gava ist vertreten). Das ergäbe: ,, durch hauma, welcher

mit Milch [ist].". Sorgen macht jedoch immer noch das yö. Wir erwarten

das Relativum im Nominalsatz im Kasus seines Beziehungswortes, also

hier im Instrumental. Ein *haoma yä gava wäre allerdings mißverständ¬

lich. Es könnte auch meinen: ,,mit hauma, welcher Milch [ist]". Die von

K. Hoffmann (mündlich) erwogene Annahme, der Dichter könne eben

um dieses Mißverständnis zu vermeiden, die Kasusattraktion des Relativs

aufgegeben haben, würde näherer Begründung durch Parallelen bedürfen,

die ich nicht aufzutreiben vermag. Sehr eifrig habe ich allerdings nicht

gesucht, derm es will mir scheinen, daß der Verfasser, wenn er nichts

weiter hätte sagen wollen als: ,, durch hauma mit Milch", statt zu einer,

wenn auch nicht geradezu unmöglichen, jedoch auf jeden Fall harten,

Relativsatzkonstruktion zu einem sehr viel einfacheren, naheliegenden,

auch metrisch korrekten *haama gaomata (vgl. z. B. RV 8.3.1. sutdsya. ..

gömatas) oder etwa haoma *gaomana (vgl. Y. 10.12 haomö gaoma „mit

Milch gemischter hauma") gegriffen hätte.

Ich bleibe daher bei meinem Vorschlag, in yö gava eine Mißschreibung

für *yaog{a)va zu sehen, das sich als *yavagva interpretieren läßt : „durch

Gersteiunilch".

yao- für yava- im Vorderglied eines Kompositums erscheint in yao.krS

(Baetholomae, Wb. Sp. 1228) „Gerste bauen", denominativ aus

(10)

76 Paul Thieme

*yava.krS- „Gerste bauend (pflügend)." Sobald man von diesem, später

nicht mehr verständlichen, *yao.g(a)va ein gava ,, durch Milch" abtrennte,

mußte man natürlich, worauf mich W. B. Henning hinweist, das im

Wortausgang unmögliche yao in yö umschreiben.

Ein als arisch voraussetzbares KoUektivdvandva *yava-gv-a n. ,, Gerste

(yava) und Kuh [-Milch]" hat ein Seitenstück in spätvedischem yavägü

f. „Körnerbrei".

Dieses erheischt freilich selbst eine Erläuterung. Als höchstwahr¬

scheinlich, geradezu als selbstverständlich, darf man unterstellen, daß

es ebenfalls ein Kompositum aus yava und gu ist. Es kann ja wohl

niemanden emstlich stören, daß yavägü im Ritual auch für irgend¬

welchen „Körnermilchbrei" gebraucht wird, daß also statt der als

ursprünglich vorauszusetzenden Gerste auch andere Körner (vorzugs¬

weise Reiskörner) Verwendung finden. Neben einem alten KoUektiv¬

dvandva *yavagva n. war natürlich ein Dvandva möglich, in dem beide

Glieder im Dual und akzentuiert erschienen (Wäckernagel, Altind.

Gramm. II, 1 § 63a—d, S. 150—152): Nom. *ydvägü, der schon früh

durch einen Nom. *yavägu ersetzt werden konnte (Wackernagel, o. c,

§ 63e und f, S. 153). Die Flexion wäre gewesen: Nom. Acc *yavägü,

Instr. Dat. Abl. *yavägübhyäm und yavägubhyäm (Wackernagel,

Altind. Gramm. III, § 21b ß, S. 54 f.), Loc. Gen. *yaväguv6s (Wäcker¬

nagel, o. c, § 22b, S. 56 f.) und *yavägvös (später). Überführung eines

solchen Dvandva in den Singular (Wackernagel, Altind. Gramm. II,

1 § 68a und b, S. 160, und § 70, S. 165), konnte, wenn man vom Nom.

Acc. *yavägu ausging, einen fem. Nom. *yavagüs und Acc. *yavägüm

ergeben: Käth. 15.2 cod. Ch. yavägus, Käth. 10.2 yavägum. Bei der

Bildung der übrigen Singularformen, insbesondere des häufigen Instru¬

mentals (konstruiert mit yaj), mußte man notwendigerweise auf *yavagvd

oder *yavagüvä = yavägva kommen. Grerade diese letztere, belegte

Form entspricht aufs genaueste der allgemeinen Tendenz, die femininen

i- und i-, u- und w-Stämme in der Flexion auszugleichen (Wackernagel,

Altind. Gramm. III, § 68, S. 134—138), und zwar unter Einfluß der devi-

Flexion (vgl. auch Wackernagel, o. c, § 97d, S. 188f.), aber unter

häufiger Beibehaltung des Akzents des wfc»-Typus (Wackernagel, o. c,

§ 99a und b, S. 191 f.). Neben yavägva (z. B. T S. 5.4. 3.2, T B. 2.1.5.6,

ÖB. 1.7.1.10, 2.5.3.1'), müssen wir ein *yavagvai usw. voraussetzen, zu

dem man dann wie zu tanva, tanvai (neben älteren tmive) einen Acc.

tanüm (Wackernagel, o. c, § 98d, S. 190f.) einen Acc. yavägum

(z. B. MS. 2.2.7, Kap. S. 48.15, Käth. 35.17) und einen Nom. yavägüs

(z. B. TS. 6.2.5.2, TA. 2.8.8) bildete.

^ Beide Male Weber in offenbar unrichtiger Interpretation der Akzent -

bezeichmmg der Überlieferung *yavdgvä.

(11)

Dem Gegenüber von ved. barhis und aw. barasman entspricht das von

frühved. *ydvägu und aw. *yavagva-: auch hier ist die Wahl zwischen

zwei gleichermaßen vorhandenen, sich mit gleichem Recht anbietenden,

Bildungsmöglichkeiten in abweichender Weise getroffen.

8. Meine Übersetzimg der beiden Zeilen lautet also :

„Wir verehren durch hauma (ved. soma), durch Gerstenmilch (spät¬

vedisch yavägü f.), durch eine Grasausbreitung (ved. barhis), durch das

(weise, wunderbare) Können (ved. ddmsas) unserer Zunge und durch

(dichterischen) Gedanken (ved. mdntra). . ."

Diese Art der Verehrung hat einen guten Sinn, weim wir sie auffassen

als den Ausdruck einer einfachen Idee, die die verschiedenen Elemente

zu einer Einheit verbindet. Diese Idee ist die gastliche Bewirtung.

Dem ankommenden Gast werden angeboten: ein Getränk — hauma

in diesem Fall — für seinen Durst; etwas zu essen — GerstenmUchbrei

in diesem Fall — für seinen Hunger; ein Sitz — eine Grasausbreitung in

diesem Fall — für seine müden Glieder; Gesang und Gedicht — die Kunst

der Zunge und ein dichterischer Gedanke — für seine Unterhaltung.

9. Diese Idee ist auch keineswegs überraschend. Sie paßt aufs beste

in den Rahmen der allgemeinen Vorstellungen, die man mit den Göttern

und mit dem Opfer verband und aus denen der Kult ganz offensichtlich

herausgewachsen ist. Herodot hebt hervor (1.132), daß die Perser weder

Bildwerke, noch Tempel, noch Altäre hatten'. Noch auch gibt es der¬

gleichen in der vedischen Religion oder bei Homer^. Der Wohnsitz der

Gottheiten ist nicht auf der Erde, sondern im Himmel, schon idg. heißen

sie *deivö- „himmlisch" (vgl. W. Schulze, Kl. Schriften, 146): ,,das ist

eine sichere Tatsache, mit der die Religionsgesehichte jedes einzelnen

Indogermanenvolkes zu rechnen hat" (W. Schulze, o. c, 206 Anm. 5).

Sie kommen herab zur Erde als Gäste, die bewirtet werden. Es ist ein

fundamentaler Gedanke rigvedischer Poesie, daß die Götter zum Mahl

geladen werden und sich an seinen Ingredienzien — dazu gehört auch

die vorgetragene Dichtung — erfreuen. Der gleiche Gedanke ist uns

vertraut aus Homers Gedichten. Ich erinnere nur an die verschiedenen

Gelegenheiten, da Zeus nicht gegenwärtig ist, weil er ,,zu einem Mahl zu

den Aethiopiern fortgegangen ist." Das Wort Sat? ,,Mahr' ist bei Homer

ein charakteristischer Ausdruck für Opfermahl (vgl. z. B. Thieme,

Studien zur idg. Wortkunde und Religionsgesehichte^, S. 68 f.). Ich würde

auf diese wohlbekannten Dinge gar nicht so ausführlich hinweisen, wenn

1 Vgl. auch Cicero, rep. III 9.14; Strabo XV 3.13.

^ Siehe auch Benveniste, Persian religion, S. 48, über altrömische

tempel- und bildlose Religion. Vgl. ferner Tacitus, Germania 9.3 (nebst z. B.

den Noten J. G. L. Andersons im Anhang seiner Ausgabe [Oxford 1938]).

Ber. Verh. Sächs. Akad. Wissenschaften, Phil. Hist. Kl. Bd. 98, Heft 5.

(12)

78 Paul Thieme

es mir nicht schiene, daß sie gelegentlich in auffalliger Weise ignoriert

werden. Und zwar gerade dann, wenn es sich darum handelt, die „Ideo¬

logie" des idg. Opfers zu rekonstruieren. Um die Aufmerksamkeit nur

auf einen charakteristischen Punkt zu richten: wir bedürfen nicht der

geistreichen Konstruktion einer soziologischen Symbolik, um die Frage

zu beantworten, warum man keine Hunde opferte, wie Benveniste,

RHR 139 (1945), S. 12 glaubt. Die einfache Antwort ist doch: weü man

sie selbst nicht aß und darum auch den himmlischen Gästen nicht anbot.

yadannah puriiso bhavati tadannä tasya devatä „was der Mensch ißt, das

ißt auch seine Gottheit". Daß der Hund als abscheuliche Speise galt, zu

der man sich nur unter dem Zwang fürchterlicher Not entschloß, dürfen

wir an und für sich voraussetzen. Ganz Ängstliche seien auf RV 4.18.13

verwiesen: ,,Aus Not briet ich mir die inneren Teile des Hundes,nicht

fand ich mir einen Erbarmer unter den Himmlischen, ich sah (mußte

ansehen), wie der (meiner) Frau Unehre geschah. .."

Das Opfer bei den Ariern ist nur eine besondere Form jener Gastlich¬

keit, die bei Indern wie Iraniern des Altertums in dem gleichen hohen

Ansehen stand wie bei den Griechen Homers und, nach dem Zeugnis

des Caesar (beü. Gaü. 6.23.9) und Tacitus (Germania 21.2—3), bei den

Germanen und welche „is, in fact, usual in undeveloped countries"

(Anderson, Germania, p. 119). Der Name selbst mit dem sie sich be¬

zeichnen, hebt diesen von ihnen selbst als charakteristisch empfundenen

Zug ihrer Gesittung hervor: arya (in Iran) „die Gastlichen", ärya (in

Indien) ,,die zu den Gastlichen Gehörigen" sind Ableitungen von ari

,,Fremder'".

10. Fragen wir schließlich, ob es Indizien gibt, die eine Vermutung

über den ursprünglichen Zusammenhang erlauben, in den unsere zwei

Zeüen gehören, das heißt darüber, welcher von den wechselnden Kon¬

texten derjenige ist, in den sie nicht nachträglich verpflanzt sein werden.

Zunächst haben wir ein äußeres Indiz. Nicht unwahrscheinlicher Weise

sind sie von einer Stelle, an der sie mit dem Vorausgehenden einen voll¬

ständigen Vierzeiler ergeben, an die anderen Stellen, wo dem yazamaide

Prosa vorausgeht oder wo es nur den Abschluß einer einzigen achtsübigen

Zeile bildet (Yt. 17.3) oder wo das geläufige Konstruktionsschema über¬

haupt nicht erscheint (Yt. 5.9), übertragen. Wir dürfen geradezu an¬

nehmen, daß jene von uns als (3) und (4) bezeichneten und als nach¬

träglich hinzugedichtet verdächtigten Zeüen (o. § 2) ihre Existenz dem

Wunsche verdanken, die Zeilen (1) und (2) wieder in einem Vierzeiler

unterzubringen, nachdem der metrische Charakter des Vorhergehenden

um des Zusammenhanges willen zerstört werden mußte.

' Vgl. unten Exkurs, S. 617ff.

(13)

Folgen wir dieser Spur, deren Wert man zunächst so bescheiden ver¬

anschlagen mag wie man will, werden wir darauf geführt, daß unsere

zwei Zeilen nur an zwei Stellen echt aussehen :

Yt. 8.3 tiStrlm stäram raevatam xvaranaxmhqtam yazamaide

haoma * yavägva usw.

„Wir verehren Tiätr(i)ya, den Reichtum besitzenden (bringenden)

Stern, den Herrschaftsglanz besitzenden (bringenden) ..."

Yt. 6.6 (= Ny 1.16) hvaraxSaetam amasam raem

aurva .asjmn yazamaide

haoma *yavagva usw.

,,Wir verehren Hvaroxiaeta, [seine] Lebenskraft, [seinen] Reichtum',

ihn, der schnelle Pferde hat. .."

Wir können auf unserer Suche nach dem ursprünglichen Kontext

unserer Zeilen auch einer ganz anderen Fährte nachgehen. Wir können

fragen: Wo ist die Gottheit, der die Verehrung gezollt wird, durch ein

Attribut gekennzeichnet, das eine mögliche Beziehung hat zu der im

folgenden als Bewirtung charakterisierten Verehrung ? Das ist nur einmal

der Fall und zwar just in einem der beiden Verse, auf die auch unsere

andere Spur hinführte : in Yt. 6.6 (= Ny. 1.16). Hvaraxäaeta ist bezeichnet als aurvat.aspa ,,der schnelle Pferde hat", das heißt also als der, der sich —

kraft seiner Natur als Sonne — auf schneller Reise befindet und dem eine

rasche Stärkung willkommen sein mag.

Denn um ein feierliches Mahl, zu dem man eingeladen hat, kann es

sich nicht handeln, wenn ,,Gerstenmilchbrei" vorgesetzt wird. Das ist

nur möglich, wenn es sich um einen Gast handelt, der alsbald wieder

weiter muß und nicht warten kann, bis ein Tier geschlachtet und zu¬

bereitet ist.

11. Macht man sich die einfache Natur der hier gereichten Mahlzeit

klar — und die Situation wäre nicht anders, wenn es sich nicht um

,, GerstenmUchbrei" sondern um ,, Milch" handelte, — wird man aller¬

dings auch sagen müssen, daß hauma, Gesang und Dichtung, nicht

wirklich dazu passen. Wir werden in jedem Fall annehmen müssen, daß

entweder ein ursprüngliches Fleichgericht — etwa durch zarathustrischen

Einfluß — durch Gerstenmilchbrei ersetzt wurde, oder aber daß diese

einfache Darbringung durch Hinzufügung von Elementen, die einem

feierlichen Opfer entstammen, das eine Tierschlachtung involvierte,

bereichert wurde.

' oder: „[der] Lebenskraft [ist], [der] Reichtum [ist]". Zu amaSa n.

„Lebenskraft" vgl. Thieme, Studien zur idg. Wortkunde, S. 26f.

(14)

«0 Paul Thieme

Ich selbst habe mir lange die erstere Möglichkeit als näherliegend be¬

jaht. Der spezifische Zusammenhang tritt aber für die zweite ein.

Bei einer Mahlzeit, die dem Sonnengott in seiner Eigenschaft als

aurvat.aspa dargeboten wird, ist es in Wahrheit näherliegend an einen

kurzen, einfachen Imbiß zu denken, also nicht an ein über mehrere Tage

ausgedehntes Opfermahl, wie es in Indien der Agnistoma ist, bei dem die

Darbringung des Soma, feierliche Rezitation und Gesang und schließlich

Tierschlachtung den endlich, nach mehrtägiger Vorbereitung erreichten

Höhepunkt darstellen.

12. Eine aus einer einfachen Gabe -— ,, Gerstenmilchbrei" oder

,, Milch" — bestehende Verehrung eriimert vielmehr an das Agnihotra-

Opfer, über dessen Einzelheiten P. E. Dumonts mustergiltige Darstellung

(UAgnihotra, Baltimore 1939) bequem unterrichtet. Das Agnihotra

besteht nur aus einer Darbringung von Müch, die zwar — selbstverständ¬

lich — von Formeln begleitet wird, aber ohne feierliche Rezitation eines

Gedichts, sozusagen ohne „darnsas" und ohne „rtajätd gir" (vgl. RV

10.138.2 o. § 5), vor sich geht. Das ist schon anders z. B. bei dem später

hinzugefügten, fakultativ zu vollziehenden Agnyupasthäna. Das Agni¬

hotra ist auch nicht bei besonderen feierlichen Gelegenheiten, sondern

täglich — bei Sonnenaufgang und bei Sonnenniedergang — zu zele¬

brieren.

Statt der Milch kann man auch andere Gaben darbringen. Nach

einigen Sütren (Äpastamba, Hiranyakeäin) aus bestimmten Motiven z. B.

Soma oder Fleisch: das sind offensichtlich sekundäre Substitute. Alle

Sütren lassen aber yavägü als Substitut zu, und zwar wenn man gräma-

käma ist, im Gegensatz zu einem der pasukäma „sich Vieh wünschend"

(so üblicherweise) oder svargakäma ,,sich die Himmelswelt wünschend"

(so Kätyäyana wahlweise) opfert. Neben besonderen Formen der Müch

(saure Müch, Butter, Butterschmalz) spielen besondere Formen des

Milchbreis (verschiedene Reisbreiarten) eine Rolle als Ersatzformen.

Einen ernstlichen Anspruch darauf als alt und ursprünglich angesehen

zu werden, haben ganz offensichtlich nur Müch (payas) und Gersten¬

milchbrei (yavägü). Der letztere ganz besonders. Er hat ja sonst nirgends

einen festen Platz bei einem Hauptopfer, erscheint vielmehr nur in

gelegentlichen Nebenzeremonien (Satarudriya, Sühnedarbringungen),

weshalb er im RV auch nicht erwähnt ist. Jedenfalls ließe es sich leichter

verstehen, daß die ganz ungewöhnliche yavägü der so naheliegenden und

selbstverständlichen Milch Platz gemacht hätte, als das Umgekehrte.

13. Dumont hat die stärksten Gründe dafür angeführt, daß das

Agnihotra ursprünglich nicht eine Feuerverehrung, auf welche der Name

zu weisen scheint, sondern ein Sonnenritual war (o. c, Introduction,

P- VIII). Er kann sich nicht nur auf gewisse Einzelheiten des Rituals

(15)

selbst berufen, sondern auch auf ausdrückliche Deutungen in den

Brähmana, die eine Verbindung des Agnihotra mit der Soime — und das

ist eben im Iranischen HvardxSaeta^ — voraussetzen. Das indische und

das iranische Ritual berühren sich also hier nicht nur in der dargebrachten

Speise — iran. *yavagva: ind. yavägü — sondern, ursprünglich, auch in

der Gottheit, der sie zugedacht war. Ein einfacher Entwicklungsgang

läßt sich mit hinreichender Deutlichkeit ablesen : In Indien substituierte

man für die Sonne das Feuer, und ersetzte wahlweise den Grerstenmilch-

brei durch andere Spenden, vorwiegend ebenfalls Milchspeisen, behielt

aber den einfachen Charakter des Ritus — ohne Soma und Rezitation —

bei. In Iran blieb zunächst die Verbindung mit der Sonne bestehen —

die Übertragung der für diesen Ritus gedachten Verse auf andere Gott¬

heiten geschieht sozusagen unter unseren Augen, — erweiterte aber die

einfache Spende durch Hinzufügungen, die man feierlicheren Opfern

entnahm.

Auch die Motive des ursprünglichen Agnihotra und des Opfers an

Hvanxäaeta berühren sich. ,,L'agnihotra est un sacrifice qui a pour objet

de procurer au sacrifiant la prosp6rit6, la sante, la long6vit6, la richesse en betail. .." (Dumont, o. c, Vll)^. Hvaraxsaeta wird verehrt, insofern

' Wenn Herodot sagt (1.131), die Perser opferten neben dem „Himmel"

der Sonne, dem Mond, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den Winden,

wird „Sonne" gewiß auf Hvaraxäaeta gehen, nicht auf Mi'&ra (so Benveniste,

Persian religion, S. 25), der im folgenden mit OüpavtT) gleichgesetzt wird.

Wenn dagegen Strabo bemerkt (15.3.13), die Perser hießen die Sonne [itTpa?,

so entspricht das der späteren Entwicklung des Gottes Mi'&ra. Im Awesta ist

er nicht der Sonnengott, wie Benveniste, o. c, S. 54 mit Recht bemerkt.

Also kann man auch nicht sagen (Benveniste, o. c, S. 53), Strabo habe

Midras Rolle als Sonnengott wiederhergestellt („restored"). Was er gegen¬

über Herodot wiederhergestellt hat, ist nur die entschiedene Männlichkeit des Gottes.

" grämalcäma, wie in den Ö.SS. derjenige bezeichnet wird, der das Agnihotra mit yavägü opfern soll, interpretiert Dumont (z. B. o. c. S. 6) als „[quelqu'un qui] dösire obtenir le village (la suprömatie dans le village)". Das entspricht

der Deutung des Ausdrucks durch TS 2.1.6.1, 2.1.1.2, 2.1.3.2. Man darf aber

wohl seine Zweifel haben, ob das der ursprüngliche Sinn ist. Wenn wir der

TS folgen, dürfen wir ja z. B. das unverfängliche annädyakäma (z. B. Äp.

S.S. 6.15.1) auch nicht übertragen: ,, quelqu'un qui dösire obtenir la nourri- ture" (Dumont, o. c, S. 40) sondern — gemäß z. B. TS 2.1.6.2 — „jemand,

der Speise zu schenken wünscht." Ich möchte vielmehr glauben, daß

grämakäma ursprünglich nicht in dem speziellen Sinn, den ihm die TS zuer¬

kennt und sehr möglicherweise unterschiebt, sondern allgemeiner gemeint

war: ,,wer einen Wunsch hat für das [gesamte] Dorf" (das wir uns als Ge¬

schlechtsdorf vorstellen müssen). Also einen Wunsch, wio ihn z. B. AV 6.40.2

ab äußert:

astnai grdmäya pradisaä cätasra

Ürjarn aubhütärn svasti savitd nah krnotu 6 ZDMG I07/I

(16)

82 Paul Thieme

er „Leben" {anidSa: sante, longevite) und insofern er ,, Reichtum"

(rayi : prosperite, richesse en betail) ist und daher auch bringt.

II

14. Nachdem Odysseus das Haus des Herrschers der Phäaken betreten

hat (Od. 7.135ff.), schreitet er auf das Königspaar zu, umschlingt die

Knie der Arete und fleht sie und ihren Gatten um Schutz (7.147) und

Geleit nach Hause (7.151) an. Die Königin erscheint hier in einer Rolle,

nach der sie mit einem rigvedischen Ausdruck arydpatni heißen könnte,

dem Sinn nach: ,, gastfreundliche Herrin", grammatisch genauer: ,,die

deren Gatte gastfreundlich (oder: ein gastfreundlicher Herr) ist"'. Nach¬

dem er seine Bitte vorgebracht hat, setzt sich Odysseus in die Asche beim

Herdfeuer. Aber Alkinoos nimmt ihn bei der Hand und führt ihn zu

einem Sitz (7.16811.). Dieser ist weniger primitiv als das vedische barhis,

es ist ein ^•p6vo(;, von dem der Hausherr seinen Sohn aufstehen heißt, der

ihm zunächst gesessen hat. Eine Dienerin reicht darauf dem Odysseus

Wasser, seine Hände zu waschen (173 f.) und die SchafFnerin bringt ihm

zu essen (175): alzoq, also Körnerspeise (vgl. z. B. Od. 9.9,12.19 crtTov xal xpla), das heißt etwas der ved. yavägü oder dem purodäs Entsprechendes^.

Am nächsten Tag erst gibt es ein feierliches Mahl : Schafe, Schweine und

„Für dieses Dorf die vier Richtungen ( = freier Raum nach allen Seiten) !

Nahrung, Wohlstand, Heil soll uns Savitr schaffen!",

oder AV 8.7.11b träyantäm asmln gräme gäm divani purusarn pasüm

,, Mögen sie schützen in diesem Dorfe das Rind, das Pferd, den Menschen, das Vieh!"

Das wäre ein Wimsch, der in bestem Einklang mit dem Charakter des

Agnihotra stünde, wie ihn Dumont formuliert.

' Den Charakter des Wortes als Bahuvrihi habe ich in memer Arbeit

Fremdling, S.84, wahrscheinlich (Akzent!) verkannt. Das gebe ich Dumäzil,

RHR 124, S. 52 zu. Aber mit ihm zu übersetzen: ,,die deren Gatte ein Be¬

schützer der arischen Welt ist" und einen solchen Ausdruck zugleich für ein

„artifice rh^torique" und natürlicher (natmel) als meine Auffassung zu hal¬

ten, vermag ich nicht. Die Begriffe „artifice" und „naturel" schließen sich nach meinem Bedünken strikte aus. Wir sind beide genötigt, eine poetische,

also künstliche Übertragimg des Ausdrucks auf die ,, Morgenröte" und die

, .Wasser" anzunehmen. Wir müssen also einen nicht-übertragenen Gebrauch

voraussetzen, den wir selbstverständlich nm auf Grund des sonstigen Ge¬

brauchs von aryd rekonstruieren können. Mit „natürlich" läßt sich hier nicht

argumentieren. Und das ist gut so, denn Dumäzils und meine Ansichten

darüber, was als ,, natürlich" anzusehen wäre, imterscbeiden sich be¬

trächtlich.

^ Ich klammere für diese Gelegenheit den gastlichen Trunk und seine Ent¬

wicklung beim vedischen Opfer aus, da er einer speziellen und voraussicht¬

lich langwierigen Untersuchung bedürfte.

(17)

Rinder werden geschlachtet (Od. 8.59fF.)', Vertreter offensichtlich der

wertvollsten als Schlachtvieh gehaltenen Herden. Es sind die gleichen

wie die, die in Rom bei den suovetaurilia geopfert werden und über deren

angebliche gesellschafts-symbolische Bedeutung Benveniste, RHR 129,

S. 12ff., so geistreich wie immer, aber so wenig überzeugend wie selten,

spekuliert. Hunde (,, chiens") läßt Alkinoos natürlich nicht schlachten (vgl. o. § 9), aber auch keine Pferde (,, chevaux") — offenbar weil sie nun

doch zu wertvoll sind: nur bei der ganz besonderen Gelegenheit des

Asvamedha, das von einem siegreichen König dargebracht wird, schlach¬

tet man in Indien ein Pferd; die Pferdeherdenopfer der Brähmana und

Yäät gehören ins Reich ausschweifender mythologischer Opferphantasie

— und auch kein Geflügel (oiseaux) — offenbar weil es nicht wertvoll

genug ist: an und für sich wäre es natürlich weder als Mahl noch als

Opfer ausgeschlossen ; ich erinnere an bekannteste Beispiele, den Hahn,

den Sokrates in seiner letzten Stunde dem Asklepios zu opfern aufgibt,

die beiden Vögel, mit denen Midra Yt. 10.119 verehrt wird.

16. Zu dem festlichen Mahl, das Alkinoos für Odysseus veranstaltet,

wird nun auch ein Sänger (äoiSoi;) geholt (Od. 8. 62ff.), und nachdem

man Durst und Hunger befriedigt hat, „läßt die Muse den Sänger auf¬

stehen 'die Ruhmestaten der Männer' (xXea läcvSpcav, vielleicht ursprüng¬

lich richtiger : 'was die Männer rühmen' : Thieme, Fremdling, S. 73) zu

singen."

Cicero behauptet mehrfach (Tusc. 1.3, 4.3, Brut. 19.75), Cato habe in

seinen Origines die Nachricht hinterlassen, daß lange Jahrhunderte vor

seiner Zeit bei Gastmählern die Teilnehmer zur Flötenbegleitung das Lob

und die Mannestaten berühmter Männer (clarorum virorum laudes atque

virtutes) zu besingen pflegten. Das stimmt gut genug zu homerischen Ge¬

pflogenheiten um den Wahrscheinlichkeitsschluß zu erlauben, daß wir

hier eine Sitte vor uns haben, die als altrömisch empfunden wurde —

und die daher Horaz, carm. 4.15.25—32 wiederbeleben möchte, — die

1 Die Dreiheit : Begrüßungsspeise aus Körnern, festhcher Tnmk und feier¬

liches Mahl, schimmert auch in der Ausdrucksweise von RV 10.28.1 durch,

wo von einer Bewirtung die Rede ist :

vUvo hy änyö arir d jagäma mämed äha svd&uro ndjagäma jakslydd dhänä utä somarn, paplyät sväiitah pünar dstam jagäyät

„1st doch jeder andere, [nämlich jeder] Fremde (oder: ,, jeder andere

Gast") gekommen, mein eigener Schwäher ist nicht gekommen. Er würde

Körner (bei Homer: oito?) gegessen haben, er würde Soma (bei Homer:

olvo?) getrunken haben, wohl gespeist (durch ein Festmahl mit Braten,

[bei Homer: xpea]) würde er wieder nach Hause gegangen sein."

Zu meiner Interpretation von sväiitah vgl. V. 3: ... sunvdnti sömam .. .

päcanti te vr^abhän . . . 6*

(18)

84 Paül Thieme

aber in Wirklichkeit ihre Wurzel in uraltem indogermanischem Brauch

hat.

Ausdrücklich schreibt Tacitus den Grermanen alte Lieder zu als die

einzige Art geschichtlicher Überlieferung, die sie besitzen (Germania 2.3);

wenn sie in die Schlacht ziehen, besingen sie 'tapfere Männer' (Ger¬

mania 3.1). Tatsächlich haben wir ja, sobald Germanen selbst durch

überlieferte Denkmäler zu uns zu reden beginnen, eine Heldendichtung

und Sänger, die bei Gastmählern und Gelagen singen.

Hätten wir nur die Angaben des Cato und Tacitus, könnten wir selbst¬

verständlich dem Schluß entgehen, daß sich bei Römern und Germanen

eine idg. Sitte fortgesetzt habe. Es könnte sich um Erscheinungen han¬

deln, die sich bei Griechen, Römern und Germanen in voneinander unab¬

hängiger Entwicklung eingestellt hätten. An und für sich ist ja eine solche

Poesie etwas sehr Naheliegendes, etwas, das sehr wohl in paralleler Weise

an verschiedenen Orten und bei verschiedenen Völkern zur Entstehung

kommen kann.

16. Gegen die Annahme sekundärer 'konvergenter Entwicklung' spricht

jedoch eine Reihe von anderen Tatsachen, die, ihrerseits unabhängig von

jenen Überlieferungen, deutlich zeigen, daß

1. es eine urindogermanische Dichtung gegeben hat,

2. die Vorstellung von einem inspirierten Dichter urindogerma¬

nisch ist,

3. diese Dichtung, jedenfalls teilweise, eine Heldendichtung war,

4. die älteste sakrale Dichtung der Inder und Iranier als eine auf

die Bewirtung himmlischer Wesen spezialisierte Gastmahls¬

dichtung, wie sie uns bei Homer entgegentritt und wie sie für

die Römer von Cato beglaubigt wird, auch ohne das griechische

und lateinische Zeugnis historisch interpretiert werden müßte.

Wenn sich alles so widerspruchslos und glücklich zusammenfügt wie

hier, scheint mir ein Zweifel jedenfalls so lange ungerechtfertigt als er auf

bloßem allgemeinen Räsonnement beruht und nicht auf konkreten Tat¬

sachen, die einen entsprechenden Schluß verbieten. Ich gehe ganz kurz

auf die genannten vier Punkte ein, ohne hier den Versuch zu machen,

von anderen oder von mir schon früher Festgestelltem Neues hinzuzu¬

fügen, und indem ich mich auf das beschränke, was mir am deutlichsten

scheint.

1) Die Entsprechungen zwischen gewissen Metren der griechischen

Lyrik und gewissen vedischen Metren — insbesondere den Zeilen der

sapphischen Strophe und der Tristubh — sind so eng und so charakteri¬

stisch, daß sie die Annahme eines indogermanischen Prototyps erfordern.

Das hat Meillet, Les origines indo-europiens des metres grecs (1923), in

vorsichtiger und sorgfältiger Analyse erwiesen.

(19)

Wo Metren waren, war auch Dichtung. Auf die Annahme einer idg.

Dichtung führen nun auch ganz andersartige Indizien, nämlich eine Reihe

von Entsprechungen dichterischer Formeln im RV und bei Homer. Auf

solche Entsprechungen hat bereits A. Kuhn vor über 100 Jahren auf¬

merksam gemacht (vgl. W. Schulze, Kleine Schriften, S. 11), sie sind

inzwischen mehrfach diskutiert und durch Zeugnisse auch aus anderen

idg. Sprachen bereichert worden: z. B. W. Schulze, Kleine Schriften,

S. 285 ff., Thieme, Fremdling, S. 166 f., Specht, KZ 64, S. Ifif. (mit

manchem mir allerdings recht Fraglichem), H. H. Schaedeb, ZDMG 94,

S. 399, Thieme, Studien zur idg. Wortkunde, S. 15.

2) Wo eine Dichtung war, waren auch Dichter, die Kunstformen

schufen und entwickelten und Vorbilder lieferten. Auch eine Sitte, wie

die von Cato verbürgte: daß beliebige Teilnehmer an Gastmählern

Heldenlieder sangen, setzt die Existenz von von Dichtern geschalFenen

Gedichten voraus, die entweder wiederholt oder als mustergültig nach¬

geahmt wurden.

Von solchen Überlegungen unabhängige Indizien, die in die gleiche

Richtung weisen, ergeben sich aus der grammatischen Analyse mehrerer

belegter Benennungen des Dichters oder Sängers in einzelnen idg.

Sprachen.

Ved. Icärü ,, Sänger" ist von altertümlicher, in sehr viel Erbwörtern

vorliegender, im Zurückweichen und Aussterben begrififener Bildungs¬

weise (vgl. Wackebnaoel—Debeunneb II, 2 § 285, S. 463). Zu be¬

zweifeln, daß es von der Wurzel kf „rühmen" abgeleitet ist (Wäcker¬

nagel—Debeunneb, o. c, § 289 aa S. 475f.), fehlt ein Anlaß. Jedenfalls

aber wird die durch die Bildungsweise nahegelegte Vermutung, daß das

Wort aus ältester Zeit ererbt ist, durch griech. xäpü^ „Herold" (oder

dgl.) bestätigt, das zweifellos den Stamm *käru- enthält, wenn auch die

Stammbildung (langes ü) nicht ganz so sicher steht, wie z. B. Specht,

KZ 64, S. 3, meint. Auch die Bedeutungsentwicklung von „Sänger"

(ved. käru.) zu „Bote" (gr. xäpG^) läßt sich leicht begreifen. Der von Ge¬

höft zu Gehöft, von Herrensitz zu Herrensitz wandernde Sänger eignete

sich umsomehr zur Überbringung von Botschaften, als seine durch gött¬

liche Inspiration geheiligte Person Anspruch auf Unverletzlichkeit hatte

(vgl. z. B. Od. 22.345 ff.'; in Indien lebt die Unverletzlichkeit des Dich¬

ters, des brahmdn^, in der seines Nachkommen, des brähmana, fort).

Unter gegebenen Umständen konnte das Sängertum hinter dem Boten-

tum zurücktreten und schließlich verschwinden. In entsprechendem Ver¬

lauf ist später in Indien das Bardentum des süta, als welcher den Helden

im Kampf als Zeuge auf seinem Streitwagen begleitete und zugleich die

' Wie den doiSi? verschont Odysseus auch den xrjpu^: Od. 23.356ff.

2 Vgl. Thieme, ZDMG 102, S. 104ff.

(20)

86 Paui, Thibhe

Rolle des Wagenlenkers übernahm, hinter dem Wagenlenkertum zu¬

rückgetreten.

Ein lat. Stamm vät- (Gren. plur. vät-um) ,, (feierlicher) Dichter" kann

zurückgehen auf ein idg. Wurzelnomen agentis *vät- ,,der Blasende; der

beblasen Werdende (= der Inspirierte)", gebildet von der Wurzel

*vat ,, blasen", die im RV noch ganz lebendig ist. Von einem ebenfalls

alten, in üblicher Weise gebüdeten i-Stamm *vät-i- kann lat. väti- (z. B.

in Gren. plur. vätium) und irisch faith , .Dichter" stammen. Der lat. Nom.

sing, vätes schließlich kann ein idg. *vät-eu-s reflektieren: ,,der durch

Inspiration {*vät- f. ,, Blasung" und ,, Inspiration", vgl. altengl. wöd f.

,,Gresang, Dichtung" ; an. ödr m. ,, Dichtung", kymr. gwawd ,, Dichtung") Charakterisierte" (vgl. die griechischen Nomina vom Typus tepeui;).

Diese an und für sich einwandfreien, sich gegenseitig stützenden Mög¬

lichkeiten werden zu einer Wahrscheinlichkeit erhoben, die der Evidenz

gleichkommt, durch die Tatsache, daß der Nachkomme der Wurzel *vat

,, blasen" nicht nur im Lat., Kelt, und Gterm., sondern auch im Indischen und Iranischen mit der Vorstellung der ,, Inspiration" verknüpft auftritt (vgl. insbesondere RV 10.13.5, Y. 9.25)i.

Mit dem TroiTj-nfj? dürfen wir natürlich den vät^s nicht ohne weiteres

vergleichen. Er ähnelt dem homerischen äoiSo?: er hat prophetische

Gaben, denn seiner Dichtung liegen nicht fingierte Stoffe, sondern wahre

Begebenheiten der fernen heroischen Vergangenheit und der Götterwelt

zu Grunde, die er kraft seiner Inspiration sieht^. Er erfindet nicht, er

kündet. Und er bringt seine Gedichte nicht zu Papier. ,,Erst spät treten

ihm [dem vätes] der scriba Livius und noch später die auf griechische

Weise dichtenden poetae gegenüber"' und ersetzen seine Kunst durch

eigentliche ,, Literatur". Es liegt nicht der mindeste Grund vor, in vätes

ein keltisches Lehnwort zu sehen, jedenfalls nicht mehr, seit wir wissen,

daß die Wurzel vat im Indischen und Iranischen nicht nur „blasen"

sondern auch ,. inspirieren" heißt.

3) In meinem Fremdling im Rigveda, S. 166f.. habe ich bereits darauf

hingewiesen, daß die wenigen dichterischen Formeln, die wir als idg. zu

' VgL hierzu meine ausführlichere Behandlung in Asiatica, Festschrift

Fr. Weller (1954), S. 656—666.

^ So sagt etwa der dtotSö? in Od. 22.347 ^zoc, M (jioi (ppetilv otfxa; TravToCag lv£9UCTcv. — otjiY) wie oI\loc, (h. Hom. Mere. 451, Pind. od. 9.72) und oI[j.a

(— XlovTo? II. 16.752) entspricht aw. aeiama ,,Wut" ähnlich wie z. B.

altengl. wöö f. „Gesang, Dichtung" (ursprünglich: „Inspiration") dem ahd.

timot „wütend".

* ScHANZ-Hosius, Geschichte der römischen Literatur (1927), [Handbuch

der Altertumswissenschaften 8.1] S. 14, wo aber das Dichtertum des vates,

weil es nicht dem des 7roiY)-nf)<; entspricht, offensichtlich zu Unrecht geleugnet wird.

(21)

rekonstruieren wagen dürfen, sich in auffälliger Weise um den Begriff

,,Ruhm" gruppieren, und dementsprechend die daraus zu erschließende

Dichtungsart als eine ,, Heldendichtung" charakterisiert.

Dieser auf den Inhalt einzelner Formeln gegründete Wahrscheinlich¬

keitsschluß führt also auf das gleiche Thema, das für mehrere idg. Völker

als Inhalt alter poetischer Kunst ausdrücklich überliefert oder be¬

zeugt ist.

Der homerische äoiSo? singt, von der Muse veranlaßt, beim Gastmahl

die xX£a ÄvSpwv; beim altrömischen Gastmahl singen die Teilnehmer

clarorum virorum laudes atque virtutes gemäß Cato bei Cicero; die Ger¬

manen besingen , .tapfere Männer", werm sie in die Schlacht ziehen,

nach Tacitus.

Nicht anders aber formuliert nun auch der vedische rsi bei verschie¬

denen Gelegenheiten den Gegenstand seines Liedes. Er macht sich an-

heischisch, ,, Mannestaten, Heldentaten" {viryä[ni]) zu verkünden (pra +

brü, pra -f- vac) : z. B. RV 1.32.1 ... nü viryani prd vocam ,,ich will jetzt

die Heldentaten . .. verkünden"; 10.39.5 puränd ... viryä prd bravä jdne

,,ich verkünde die alten Heldentaten ... bei den Leuten", 6.59.1 (sutesu

„beim gepreßten Trank") ; 2.21.3; 4.32.10; 10.112.1, 8; 1.162.1.

Allerdings sind es ,, Mannestaten" nicht clarorum virorum, sondern der

Götter (des Indra, der Indra-Agni, der Näsatya) oder gar des Opferrosses

(1.162.1). Die Heldendichtung, die natürlich immer schon mit Götter¬

dichtung vermischt war, wie wir es bei Homer sehen, ist zur sakralen

Dichtung geworden.

Nicht weniger deutlich wird das, wenn wir die Yästs und die yäst-

artigen Teile des Awesta betrachten. Ich kann hier einen Zeugen sprechen

lassen, dessen Worte umso größeres Gewicht haben, als er in dem von

mir zitierten Zusammenhang von einer prähistorischen Erklärung der

beobachteten Tatsachen vollständig absieht und nicht einmal einen

Seitenblick auf die Dichtung des RV wirft. Aus H. Lommels ,, Allge¬

meinen Vorbemerkungen" zu seiner Übersetzung der Yästs des Awesta

(Quellen der Religionsgesehichte Bd. 15, Gruppe 6) hebe ich aus:

,,Die sogenannten großen Yästs (5, 8, 10, 13, 17, 19) ... können als

hymnusartige Verherrlichungen von Gottheiten beschrieben werden,

welche die Wirksamkeit der einzelnen Götter und übernatürlichen Wesen

schildern ... teils ... ihre Mitwirkung an den Großtaten des iranischen

Volkes und seiner Herren in balladenhaft andeutender Wiedergabe der

Heldensage erzählend (Yt. 5, 19, 17, 15 [und z. B. Y. 9)" (o. c. S. 1).

Zweitens sind die YäSts von besonderer Bedeutung dadurch, daß

sie uns die altiranische Heldensage überliefern ... In den Yästs ... ist

sie meist mit dem Preis der Gottheiten verknüpft, sehr oft in der Weise,

daß von einem Helden berichtet wird, er habe vor der Verrichtung einer

(22)

88 PAtTL Thieme

Heldentat eine Gottheit um Beistand angerufen, worauf sie ihm zu Hilfe

kam und er vermöge der göttlichen Hilfe das Abenteuer bestanden habe"

(o. c. S. 7 f.).

Charakteristische Eigenheiten der altindischen und altiranischen sa¬

kralen Dichtung fordern also von sich aus die Hypothese einer vor¬

geschichtlichen Heldendichtung (mit übrigens teilweise identischen

Heldennamen). Sie geben uns außerdem einen wichtigen Fingerzeig.

Wenn wir von ,, Heldendichtung" sprechen, denken wir zunächst und

wie selbstverständlich an epische Dichtung. Die ,, Heldendichtung" der

Yägts ist aber eben nicht episch, sondern wie Lommel völlig richtig sagt

— und sich jeder am Text selbst überzeugen kann — ,, balladenhaft an¬

deutend". Die Yästs geben ,, lebhafte Szenen mit anschaulichen Einzel¬

zügen", lassen aber oft ,, Zusammenhänge und Begleitumstände für uns

dunkel" (Lommel o. c. S. 8): es ist gerade das Gegenteil homerischer

Erzählweise, die nicht nur die Zusammenhänge, sondern auch alle —

selbst nebensächliche — Einzelheiten in geruhsamer Breite zu veran¬

schaulichen dauernd bemüht ist'.

Auch der rigvedische Dichter wird niemals ,, episch". Niemals berichtet

er, immer deutet er nur an, feiert er Höhepunkte der Handlung in starken

Worten und Bildern, die das Gefühl erregen ; den Gang des Geschehens

setzt er als bekannt voraus : der Gott, der in erster Linie sein Zuhörer ist,

kennt ja selbst seine Taten gut genug.

Betrachten wir einmal RV 1.32, ein Lied, das noch am ehesten den

Eindruck erzählender Darstellung machen mag. Es wird von Geldnek,

Übersetzung, geradezu als „episches Lied" bezeichnet. In Wahrheit ist

es alles andere als das. Der Dichter ,,will die Heldentaten des Indra ver¬

künden" (V. 1), offenbar nicht, wie sie sich entwickeln und im einzelnen

vor sich gehen, sondern wie gewaltig sie sind, wie vernichtend in ihrer

Wirkung auf seine Feinde, wie von dauernder Giltigkeit für alle Zukunft,

wie von wesentlichster Bedeutung für die fromme Menschheit. Auf die

Spannung, die ein Erzähler natürlicherweise erregen möchte und die er

erreichen würde, indem er langsam und auf Umwegen zum Höhepunkt

und zur glücklichen Lösung hinführt, verzichtet er. Er will verherr¬

lichen und beginnt daher gleich mit dem großartigen Ende : dhann dhim

,,Er (Indra) erschlug den Schlangendrachen" (V. lc). Fünfmal wieder¬

holt sich dieses ahan „er erschlug" in den ersten fünf Versen, fünfmal mit

einer Bezeichnung des Schlangendrachen als Objekt. Dazu wird, vom

ersten Vers an, immer wieder das Resultat der Tat gefeiert : die Befreiung

der Wasser und des Lichts. Das Bild des Drachen wächst erst vom fünften

Vers an zu größerer Anschaulichkeit. Aber die Einzelheiten seiner Er-

* Vgl. etwa E. Auerbachs Analyse der homerischen Erzählweise in Mime¬

sis (Bern 1946), Kap. 1.

(23)

scheinung vor dem Kampf und des Kampfes selbst sind von geringerer

Wichtigkeit. Auf die Lage des Drachen wird in V. 2 angespielt, auf eine

Episode seiner Glegenwehr in V. 12, auf seine Waffen in V. 13. Viel le¬

bendiger ist die Schilderung des besiegten Drachen; sein übermütiges

Verhalten vor dem Kampf (V. 6, 7) dient nur als Folie seiner Niederlage,

die nun allerdings von fürchterlicher Endgiltigkeit ist. Es sind einzelne

Bilder, die der Dichter in eindrucksvollen Wendungen und kräftigen

Vergleichen vor Augen stellt. Es liegt ihm nichts daran, sie chronologisch

zu ordnen, nicht einmal daran, daß sie genau zueinander stimmen. Aber

sie atmen alle erregende Schrecklichkeit.

„Wie [ein Baumstamm: seine] Zweige [sind] mit der Axt abgehauen'

liegt der Schlangendrache da als Begatter^ der Erde (wie ein Mann auf

der Frau)" (V. 5); ^

„Er ist vollständig zermalmt, durch Zerschmetterung (ruj&f gesichts¬

los (dms)*," (V. 6);

„Er lag da vielfach auseinandergeschleudert" (V. 7);

„Zerspalten wie ein Rohr" (V. 8);

„Die [erschlagene] Gebärerin* war oben, der Sohn unten* (er ist be¬

graben unter seiner Mutter)" (V. 9);

,, Inmitten der nicht zum Stillstand kommenden (sich ständig vor¬

wärtsbewegenden), nicht zur Ruhe kommenden (sich ständig um ihre

Achse drehenden) [auf den befreiten Wassern treibenden] Holzstämme

[die ihn zur Unkenntlichkeit verstümmelnl' steckte sein Körper" (V. 10).

Es ist also das Symptom eines sinnvollen Zusammenhangs, daß nicht

der epische Hexameter, sondern die Versmasse der griechischen Ljrrik

' akdivdliärnalm. külwenä vlvrlcnä. Ich interpretiere als „offenes Bahuvriiu".

Vgl. z. B. W. Schulze, Kl. Schriften, 656 nebst Aiun. 2, auch H. Humbach,

Münchener Studien 5, S. 90ff.

2 Wörthch: „Sich-daran-Mischer". Die Anstößigkeit des Bildes steigert

seine Wirksamkeit. Vgl. u. Anm. 6.

' Instr. von rüj f. „Zerschmetterung", dem später ein rujä (Pän. 3.3.104,

Wackebnagel-Debbunneb II, 2 § 142b S. 246) entspricht. Vgl. Mahäbhär.

I 33.22 na ca vajranipätena rujä me 'stlha käcana.

* Ich interpretiere dn-äs, als Bahuvrihi mit bei einsilbigem Hinterglied

keineswegs überraschendem Akzent (Wackebnaoel II, 1 § 114a, Anm.

S. 293: ä-gu, d-jnäs, ä-dyut, ä-hri). Vgl. auch u. Anm. 7.

° Auf Wirkung berechnet wohl die Wahl des Ausdrucks sü statt mätr.

' Die Ausdrucksweise wohl ebenfalls gewählt, um anstößige Assoziationen zu erwecken.

' Vgl. Thieme, ZDMG 95, S. 348 Anm. 3 (S. 349). — Die Verstümmelung

des Leichnams zur Unkennthchkeit (vgl. auch än-äs „gesichtslos" in V. 6)

beraubt den Feind der Aussicht auf ein Weiterleben des Seelenbildes in der

Schattenwelt und eine allfällige Wiederkunft. Parallelen aus Homer (z. B.

Achills Behandlung des Leichnams des Hektor) sind deutlich.

(24)

«0 Paul Thiemb

in den Zeilen der vedischen Tristubh, Jagati und Anustubh und den ent¬

sprechenden Zeilen der awestischen Strophen ihr Gegenstück finden.

4) Das vedische Opfer ist durch alle wesentlichen Einzelheiten seiner

Form und seines Verlaufs definiert als ein stilisiertes Gastmahl. Für das

altiranische Opfer läßt sich der gleiche Charakter jedenfalls in deutlichen

Spuren (oben I) erkennen. Die für das Opfer gedichteten Hymnen sind

also ursprünglich Gastmahlspoesie. Gewiß läßt sich das nun im einzelnen

Fall nicht immer nachweisen; und gewiß ist sogar der alte Zusammen¬

hang teilweise verschoben — viele Gedichte sind stilisierte Einladungen

— oder ganz und gar aufgegeben. Nicht wenige Lieder aber kann man

eigentlich nur so auffassen, vor allem die meisten Indra-Lieder. Um bei

RV I 32 zu bleiben, sei zum Beispiel auf den charakteristischen Wechsel

zwischen dem Gebrauch der dritten und der zweiten Person, wenn von

Indra die Rede ist, hingewiesen : teils spricht der Dichter zu den übrigen

Teilnehmern am Mahl, teils wendet er sich an den Ehrengast selbst, was

bei den Höhepunkten geschieht.

III

17. Die Vorstellung, daß die Götter als himmlische Gäste beim Mahl

durch Gresang und Dichtung, die die Taten der Gäste als Thema wählt,

erfreut werden, ist im RV vielfach gekreuzt mit andersartigen. Vor allem

mit der Vorstellung von der magischen Kraft feierlich formulierter eso¬

terischer Wahrheit. Der Grott schenkt Reichtum und erfüllt Wünsche —

nicht nur, weil er wohl gespeist und unterhalten wurde, und durch die

Verkündigung seiner Taten geschmeichelt, und folglich in froher gebe¬

launiger Stimmung ist — sondern auch, und ganz besonders, weil er ge¬

zwungen ist, ein Wunder zu tun durch die Wahrheitsformulierung, die

der Hymnus enthält'. Die Bedeutung dieses Glaubens an die magische

Wunderkraft der Wahrheit, der auch in der späteren Literatur eine be¬

deutende Rolle spielt^, für die Religiosität des RV hat H. Lüders in

seinem Varuna (I, 1951) deutlich gemacht. In meinem Aufsatz über

brdhman (ZDMG 102, S. llOfF.) habe ich gezeigt, daß ein wesentliches

Element dieses Glaubens auf der Anschauung beruht, daß die Wahrheit,

um magisch wirken zu können, in bestimmter feierlicher Weise geformt

' Wir würden das wohl leichter verstehen, wenn wir nicht, indem wir den

griechischen Ausdruck , .Hymnus" auf die sükta des RV anwenden, zugleich

unsere aus Griechenland stammende Vorstellung vom Wesen eines Hymnus

an den RV herantrügen. Die Sprache Kälidäsas führt uns sehr viel dichiter an

das Verständnis. In seiner Terminologie können wir sagen: das vedische

aükta ist nicht sowohl stuti ,, Preis", als vielmehr bhütärtha-vyährti „Aus¬

sprechen emes wahren Sachverhalts" (Ragh.V. 10.33).

2 Vgl. hierzu E. W. Burlingame, JRAS 1917, S. 429ff. W. N. Brown,

Review of Religion, November 1940, S. 36ff.

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