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Der blauvernebelte Geist

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Academic year: 2022

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KOLUMNE HOLGER SCHULZE

K

ennen Sie das auch? Das nicht zu beherrschende Verlangen nach der nächsten Zigarette? Raucher nutzen den blauen Dunst zur Steigerung der Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, aber auch zur Beruhigung – alles zunächst einmal positive Effekte. Doch obwohl Tabakrauch die Nummer Eins unter den vermeidbaren Killern darstellt, kommt der Raucher meist nicht davon los: Nikotin hat ein höheres Suchtpotenzial als so genannte

„harte“ Drogen wie Kokain oder Heroin. Und auch auf das Gehirn hat Nikotin neben positiven Kurz- zeit- erhebliche negative Langzeiteffekte. Was also macht diese Substanz mit unserem Gehirn?

Nikotin ist ein Agonist des daher nach ihm benannten nikotinischen Acetylcholinrezeptors (nAChR). Dabei handelt es sich um einen Re - zeptor, der in Synapsen, also den Kontaktstellen zwischen Nervenzellen, die Signalübertragung gewährleistet. Normalerweise wird er von dem Transmitter (Botenstoff) Acetylcholin (ACh) ak- tiviert, Nikotin kann als Agonist aber ebenfalls an den Rezeptor binden und eine Erregung aus - lösen. nAChR sind im gesamten Nervensystem weit verbreitet, daher wirkt Nikotin auch auf so vielfältige Weise. Der Schlüssel zu den oben ge- nannten Wirkungen liegt im mesolimbischen System, dem internen Belohnungssystem des Ge-

hirns. Dieses wird durch Nikotin aktiviert, da nAChR auf den Neuronen der ventralen tegmentalen Area sitzen, welche bei Erre- gung Dopamin im frontalen Kortex (Stirnhirn) und dem Nucleus accumbens ausschütten. Des Weiteren stimuliert Nikotin die so ge- nannte Langzeitpotenzierung im Hippocampus, ein Mechanismus zur Verstärkung von Synapsen, der als zentral bei Lernvorgängen angesehen wird. Während der frontale Kortex ebenfalls für Ge- dächtnisbildung wichtig ist, spielt der Nucleus accumbens eine zen- trale Rolle bei der Sucht entstehung.

Kurzzeitig kann Nikotin also positive Effekte auf Lernen, Gedächt- nis und Aufmerksamkeit entfalten, durch die unphysiologische Ak- tivierung des Belohnungssystems gerät man aber schnell in ein echtes Suchtverhalten. Langzeitkonsumierung führt dann zu weite- ren, negativen Effekten im Gehirn: Durch die Dauerstimulierung der nAChR werden diese inaktiv, sodass zur Kompensation mehr Rezeptoren gebildet werden. Wird dann Nikotin abgesetzt, sorgen die zusätzlichen nAChR zu einer Überaktivierung durch normal ausgeschüttetes ACh. Man wird nervös, gereizt, braucht die nächste Zigarette zur „Beruhi-

gung der Nerven“. Zu- sätzlich führt Dauer- konsum zu einer Aus- dünnung der Groß- hirnrinde und Schä- digung der Blut-Hirn- Schranke und damit zu einer Funktionsbeein- trächtigung des Ge- hirns insgesamt. Bes- ser also, man probiert den blauen Dunst gar nicht erst aus – ich hoffe, so kennen Sie das auch …

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ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze Hirnforscher

Holger.Schulze@uk-erlangen.de Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg. Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.

www.schulze-holger.de

12 DIE PTA IN DER APOTHEKE | August 2011 | www.pta-aktuell.de

Was bewirkt der blaue Dunst im Gehirn und wieso kommt man nicht davon los?

»Was macht das Rauchen so attraktiv?«

Der blau-

vernebelte Geist

Referenzen

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