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D S FS III 95 - 404

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FS III 95 - 404

S ozialberichterstattung in und für D eutschland

Ein Ziel - zwei Wege?

Dokumentation einer Arbeitstagung zu

„Sozialreport 1994“ - „Datenreport 1994“

hrsg. von Roland Habich

Wolfgang Z a p f

W issenschaftszentram Berlin für Sozialforschung (WZB) und

Gunnar Winkler

Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ)

Juli 1995 Abteilung „Sozialstruktur und

Sozialberichterstattung“

im Forschungsschwerpunkt III Wissenschaftszentrum Berlin

für Sozialforschung (WZB)

(2)

Seite I

S ozialb erich te rstattu n g in und für Deutschland

Ein Ziel - zwei W ege?

D okum entation einer A rbeitstagung am 29. Mai 1995

am W issen sch aftszen tru m Berlin fü r Sozialforschung zu „Sozialreport 1994" - „D atenreport 1994"

hrsg. von

Roland Habich, W olfgang Zapf,

W issenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (W ZB);

und Gunnar Winkler,

Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ)

Die Arbeitstagung wurde gemeinsam vom WZB und dem SFZ vorbereitet;

die Organisation lag in den Händen von Roiand Habich (WZB) und Reinhard Liebscher (SFZ).

Für die vorliegende Dokumentation baten die Herausgeber die Referenten um eine schriftliche Fassung der vorbereiteten und mündlich vorgetragenen Stellungnahmen. Zudem haben w ir Diskutanten um ihre Statements gebe­

ten. Bei der Umsetzung der zugesandten Manuskripte hat uns Nicole Schneider zuverlässig unterstützt.

(3)

Seite II Sozialreportvs Datenreport

(4)

Seite III

Begrüßung und Einführung

Wolfgang Zapf, B eg rü ßu ng ...1 Gunnar Winkler, Einführung in den "Sozialreport"...3 Heinz-Herbert Noll, Einführung ...8

Gliederung

Teil I-O b jektive Lebensbedingungen: Lebensbereiche, Dimensionen, ausgewählte Befunde

Elvir Ebert, Entwicklung der materiellen Lebensbedingungen... 11 Roland Habich, Objektive Lebensbedingungen... 16 Statements:

Horst Berger, Bedeutung der Erwerbsbeteiligung ... ... 21 Heidrun Mollenkopf, Lebensbedingungen älterer M enschen... 23

Teil II - Subjektives W ohlbefinden

Petra Drauschke, Margit Stolzenburg, Subjektives Wohlbefinden

der neuen Bundesbürger...25 Annette Spellerberg, Subjektives W ohlbefinden... 29 Statements:

Wolfgang Zapf, Subjektives W ohlbefinden... 32 Margit Stolzenburg, Tendenziös oder immer wieder

den eigenen Ergebnissen m ißtrauend...32

Teil III - Demokratie, Präferenzen, Soziale Partizipation

Eckhard Priller, Demokratie, Präferenzen, Soziale Partizipation...35

Teil IV Bewertung der Vereinigung

Wolfgang Zapf, Bewertung der Vereinigung ...41 Ingrid Kurz-Scherf, Anmerkungen zur kritischen Würdigung

des Sozialreport 1994 von Wolfgang Z a p f...45 Wolfgang Engler, Kommentar zu

Sozialreport 1994 - Datenreport 1994...49

Diskussionsbeiträge

Heinz-Herbert Noll; Rainer Schubert; Jürgen Schupp;

Dietmar Dathe; Rainer Geißler; Helmut S a h n e r...51 Schlußbem erkungen

Heinz-Herbert Noll; Roland Habich; Gunnar W in k le r... 59

(5)

Seite IV Sozialreportvs Datenreport

1. W orkshop "Sozialreport - Datenreport" im Jahre 1990.

Titelblatt und Inhaltsverzeichnis der damaligen Dokumentation

P 9 0 - 102

So z i a l r e p o r t

1 9 9 0

//« /cm und Fakten zu r sozialen Lage d er D D R

Dokumentation eines W orkshops am W issenschaftszentrum Berlin

für Sozialforschung (WZB)

Die vorliegende Dokumentation beruht auf schriftlichen Aus­

führungen der Teilnehmer, einer Mitschnft der Diskussionen und wurde von den Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Sozialberichter- stattung

KnstmeDreyer Christian Holst Wolfgang Seifeist Annette Spellerberg unter der Leitung von Roland Habich erstellt.

AG Sozialberichlerstattung Berlin, Juni 1990 Zweite, leieht veränderte Fassung,

(6)

Workshop zum "Sössiabepon I W

Inhalt*

I. Einführung

Sozial report 199® - Birne kritisclie Bewertung... .3 Wolfgang /a p t

II. Datenlage fü r den Sozialreport W O

Gunnar Winkler ... ... 9

Horst Berger Eckhard P riter ...12 HI. Diskussion einzelner Kapitel

Heinz-Herbert Hall ... ...1.3

Ingrid Latsch _______ _________ M

Annette Spellerberg ... .. 19

Hcwst Miethe Heinz-Herbert Hell _______ __________ 24

Eivir Eben Korreferat... ... ... ... ...2S

B neh Wiegand Familie... ... ... .29

Ursula Hempel Martin Dtewald/Jurgen Hampel ... 36 Korreferat...

Reinhard Liebscher HetnrichSMamann ... .4©

Horst Aduim

Umwelt...

Korreferat... ... ..

Wolfgang Glotzer _________________ _______ ______44

Roland Mater ... ... .. .46 Roland SesehankfHetlefLanduafWa^gang Meyer I'fv.izc.n und Kultur... ... .49

Irene Zterke Korreferat ... . ...S2

Elke Holst/Peter Krause Zusam m enfassung...-- --- --- ...--- ...SS

3 Neben den aufgeliihrten Referenten waren an der Vorbereitung aktiv be­

teiligt Roland täainch, Jürgen Sebnpp (Kapitel Arbeit} und @ert Wagner (Kapitel SvziälYersiekerittig)

(7)

BEGRÜSSUNG UND EINFÜHRUNG Seite 1

Sozialreport 1 9 9 4 -Datenreport 1994

Sozialberichterstattung in und für Deutschland - ein Ziel, zwei Wege?

Begrüßung W olfgang Zapf

WZB

Ich möchte Sie recht herzlich im Namen der Abteilung Sozialstruktur und Sozialberichterstattung im Wissenschaftszentrum begrüßen. Es ist fast genau fünf Jahre her, daß w ir am 21. Mai 1990, noch vorder Buchauslieferung, kurz­

fristig eine Arbeitstagung über den Sozialreport 1990 der DDR durchgeführt haben. Die Veröffentlichung des Sozialreport 1990 war eine große Leistung, geschah sie doch in weniger als sechs Monaten nach der Wende. Wir haben sie als Ausdruck einer großen Befreiung auch der Sozialwissenschaften der DDR empfunden, von denen uns die Kollegen ja erzählt haben, wie sie durch Erhebungs- und Publikationseinschränkungen und durch Geheimhaltungsvor­

schriften behindert worden sind.

Als w ir vor fünf Jahren die Arbeitstagung durchgeführt haben, w ar die weitere Entwicklung der DDR in groben Zügen bereits abzusehen, denn die ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 hatten ein Ergebnis gebracht, das dem westdeutschen Parteiensystem bereits sehr ähnlich war und mehrheitlich eine rasche Vereinigungspolitik vorsah. Was w ir aber nicht wis­

sen konnten, w ar das Tempo der Veränderung und des Umbaus des gesamten Institutionengefüges der DDR einschließlich der wissenschaftlichen Institutio­

nen. So wurde die Akademie der Wissenschaft und damit das Institut für So­

ziologie und Sozialpolitik, das den Sozialreport 1990 erstellt hat, abgewickelt.

Einige Mitarbeiter dieses Instituts wurden auf Empfehlung des Wissenschafts­

rats in westdeutsche Einrichtungen übernommen, so auch insgesamt neun Personen hier im WZB. Die anderen mußten über selbständige Gründungen, über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, mit kurzfristigen Projekten oder im Vor­

ruhestand den Fortgang ihrer wissenschaftlichen Arbeit sichern, und einige haben resigniert. Angesichts dieser Umstände ist es eine bemerkenswerte Leistung, daß die Serie der Sozialreports 1992 und 1994 fortgesetzt werden konnte und daß die Befragung „Leben", nämlich Leben in Ostdeutschland, sogar jährlich stattgefunden hat.

W ir haben die Serie der Datenreports, die 1985 erstmals in Zusammenar­

beit des Statistischen Bundesamtes und Sozialwissenschaftlern herausgekom­

men ist, 1992 vom WZB aus koordiniert und erstmals Umfragedaten aus Ost­

deutschland verwendet, nachdem sowohl das Sozio-ökonomische Panel als auch der Allbus und der von uns am WZB organisierte Wohlfahrtssurvey 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt worden sind. Wir haben eine weitere Ausgabe des Datenreports ebenfalls 1994 vorgelegt. Hier ist die wichtigste Datenquelle der Wohlfahrtssurvey 1993, den man für Westdeutschland mit dem Survey 1988, für Ostdeutschland mit dem Survey 1990 vergleichen kann.

Es liegen also zw ei Publikationen mit dem sehr ähnlichen Ziel vor, den

(8)

Sozialreport - Datenreport

sozialstrukturellen Wandel und die Wohlfahrtsentwicklung in Deutschland zu beobachten. Dabei beschränkt sich der Sozialreport auf Ostdeutschland, der Datenreport bemüht sich durchgängig um den ost-westdeutschen Vergleich.

Es lohnt sich also, beide Produkte einmal sowohl wohlwollend wie auch kri­

tisch anzusehen und gegeneinander zu stellen und sodann über inhaltliche Ergebnisse, methodische Entwicklungen und theoretische Konsequenzen zu diskutieren.

Ich darf zum Schluß meiner Begrüßung noch erwähnen, daß nach meinem W echsel aus dem Am t des WZB-Präsidenten die frühere A rbeitsgruppe Sozialberichterstattung in die Abteilung Sozialstruktur und Sozialberichter­

stattung umgewandelt wurde und ihr bisheriges Programm fortsetzen und erweitern wird.

(9)

Begrüssungund Einführung Seite 3

Fast auf den Tag genau findet nach fünf Jahren der Diskussion des ersten So­

zialreports 1990 die heutige Beratung zum Sozialreport 1994- in Verbindung mit dem Datenreport 1994 - statt.

Anliegen und Zusammensetzung der Diskussionsrunde belegen die Mög­

lichkeiten einer produktiven Ost-West-Zusammenarbeit. Eine durchaus noch nicht überall übliche Kooperation, die vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und vor allem von Prof. Zapf immer wieder gefordert und gefördert wird, dem w ir für seine Bemühungen an dieser Stelle danken möch­

ten.

Auch das Sozialwissenschaftliche Forschungszentrum Berlin-Brandenburg e.V. (SFZ) steht für notwendige und sinnvolle Kooperation. 1991 als gemein­

nütziger Verein paritätisch aus jeweils 10 Sozialwissenschaftlern der alten und neuen Bundesländer gebildet, konnte das SFZ inzwischen auch als Forschungs­

einrichtung eine Reihe von Projekten und Forschungsaufträgen übernehmen.

Von den heute am SFZ beschäftigten 35 Mitarbeitern (z.T. in ABM) sind ein Drittel aus Westdeutschland/Westberlin und zwei Drittel aus Ostdeutschland/

Ostberlin.

Dieses Zusammenwirken hat sich nicht nur als notwendiger, sondern auch effektiver Teil zur Bewältigung der Hauptforschungslinien unserer Einrichtung bewährt. Die Zusammenarbeit ist mehr als normale wissenschaftliche Koope­

ration, sondern trägt vor allem auch dazu bei, unterschiedliche Erfahrungen und Kenntnisse auszutauschen/zu übertragen und sich aus unterschiedlichen historischen Entw icklungen ergebende W ertungen und Einschätzungen kennenzuiernen und zu diskutieren. Das ist u.E. ein notwendiger Teil für ge­

genseitiges Verständnis und Miteinander.

Das SFZ konzentriert sich gegenwärtig auf drei Forschungslinien:

• Analyse der sozialen Lage in den neuen Bundesländern Hierzu finden jährlich seit 1990 repräsentative Bevölkerungs­

befragungen statt, die von einer eigenen methodischen Arbeitsgrup­

pe (EM M AG) mit eigenem Interviewernetz realisiert werden. Es werden rd. 1.500 Bürger ab dem 18. Lebensjahrzu ihren subjektiven Befindlichkeiten befragt (Mai 1995 läuft die 5. Welle).

Durch eine hohe Stabilität im konstanten Teil der Befragungen (vor allem Einstellungsdimensionen zu Werten, Informiertheit, Zufrieden­

heit, sozialen Normen und Befindlichkeiten, aber auch Aussagen zu einzelnen Lebensbereichen) konnte eine für die neuen Bundesländer bereits im Frühjahr 1990 beginnende Längsschnittanalyse realisiert werden.

• Analysen zur Lebenslage spezifischer sozialer Gruppen

Es ist hier vor allem auf den Seniorenreport (empirische Erhebungen 1990, 1992, 1994), den Frauenreport (1990) und den Behinderten­

report (1994) zu verweisen. Inzwischen gibt es auch eine Reihe von Arbeiten zur Analyse von Lebensbedingungen älterer Bürger in einzelnen territorialen Einheiten (z.B. Altenreport Berlin-Marzahn).

• Forschungen zur Arbeitszeitentwicklung im Ost-West-Vergleich Unter Nutzung der spezifischen Lebensbedingungen in Berlin werden aus der Sicht des Vergleichs des Ost- und Westteils Arbeitszeit­

strukturen und Arbeitszeitpräferenzen ermittelt.

Einführung in den Sozialreport Gunnar W inkler

SFZ

(10)

Sozialreport - Datenreport

Unsere Einrichtung konnte - trotz angespannter finanzieller Lage und ohne jegliche Grundfinanzierung - in den vergangenen Jahren eine Reihe wichtiger Ergebnisse vorlegen, die z.T. auch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussio­

nen zur Sozialunion in Deutschland - z.B. mit der Hans-Böckler-Stiftung (jähr­

lich seit 1990; am 4.10.1995 das sechste Mal) - waren.

Anliegen des heute zur Diskussion stehenden Sozialreports ist es - anknüp­

fend an die Sozialberichterstattung westlicher Industriegesellschaften -, vor allem den internen, sich im Osten Deutschlands vollziehenden Prozeß der so­

zialen Transformation, der sozialen Annäherung und Anpassung zu analysie­

ren. Es geht nicht vordergründig um den Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern, sondern um eine vergleichende Darstellung der Entwicklung innerhalb der neuen Bundesländer und eine Darstellung von Veränderungen von Lebenslagen und Lebensverhältnissen im Vergleich zu den Jahren vor 1990.

Dabei können w ir uns z.T. auf Arbeiten in den Jahren ab 1980 stützen, die auch 1990 eine schnelle Herausgabe des ersten Sozialreports ermöglichten.

Ausgehend von einem sich an dem international üblichen Indikatorenstandard orientierenden Modell (1982 Berger u.a.) wurden-allerdings weitgehend ohne empirische Befunde aus Bevölkerungsbefragungen - seitdem wesentliche Le­

bensbereiche dargestellt.

Grundaufbau Indikatorenmodell 1982 bis 1990

Bereich Indikatoren­

modell (1982) Studien Sozialreport ‘90

1985 1987 1988 1989

Bevölkerung X X X X X X

Sozialstruktur X X X X - -

Bildung/Qualifikation - - X X X X

Arbeit X X X X X X

Einkommc n/V erbrauch X X X X X X

Wohnen X X X X X X

Gesundheit X X X X X X

Kultur/Erholung/Freizeit X X X X X X

Umwelt X X X X X X

demokratische Mitwirkung X X X X X

spezielle soziale Gruppen - - - - X

Die Autoren des Sozialreports - die sich mehrheitlich bereits vor 1990 mit der Analyse sozialer Lagen und Befindlichkeiten beschäftigten - bringen m .E. die erforderliche Kompetenz mit, die für eine sachbezogene Bewertung von in­

zwischen eingetretenen und zu erwartende Veränderungen erforderlich ist.

Die Autoren gingen auch in den vorliegenden Reports (1990, 1992, 1994) davon aus, daß der seit der staatlichen Einheit vollzogene soziale Umbruch in Ostdeutschland nicht auf veränderte Einkommens-und Verbrauchsstrukturen zu reduzieren ist, sondern bedeutet:

• Wandel in der Schicht-, Beschäftigungs-, Berufs- und Bevölkerungs-

(11)

BEGRÜSSUNG UND EINFÜHRUNG Seite 5

Struktur;

• Neuordnung von Werten, Wertorientierungen und Zukunftsvor­

stellungen, ebenso wie eine teilweise Umbewertung bisheriger Lebensverläufe;

• Neugestaltung des offiziellen sozialen Lebens, der Gesetzlichkeit, des Systems der politischen und sozialen Interessenvertretung, der Möglichkeiten und Chancen aktiver Selbstgestaltung.

Wie auch in den vorangegangenen Arbeiten waren w ir bemüht, "objektive"

statistische Daten auf den einzelnen Sachgebieten mit der Darstellung subjek­

tiver Reflexionen der Bürger zu verbinden, ausgehend davon, daß sich das Denken und Handeln nicht neben und unabhängig von den sich objektiv voll­

ziehenden - auch statistisch ausgewiesenen - Prozessen vollzieht, und zugleich eine Beschreibung der sozialen Situation zu erreichen, die alle Lebensbereiche erfaßt.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Reports haben w ir diesmal eine Darstellung spezifischer Lebenslagen von sozialen Gruppen nicht vorgenom­

men, da zeitgleich ein Seniorenreport 1994 und Behindertenreport 1994 erar­

beitet w urd en.* Nach wie vor wird nicht selten die Frage nach der Notwendig­

keit eigenständiger "O st” analysen gestellt mit dem Hinweis auf etaöiierte Untersuchungsreihen (z.B. SOEP, Wohlfahrtssurvey, Ailbus), die sich in zuneh­

mendem Maße des Ost-West-Vergleichs annehmen.

Unseres Erachtens besteht nach wie vor diese Notwendigkeit, da

• die Einmaligkeit des Transformationsprozesses im Osten Deutsch­

lands - auch im Vergleich zu anderen osteuropäischen Ländern - die nicht wiederkehrende Chance bietet, diesen Prozeß aus der Sicht der ihn Gestaltenden durch integrierte Wissenschaftler zu begleiten.

Unter den ihn Gestaltenden sind dabei nicht die Politiker, sondern die Bürger mit ihren Verhaltens- und Wertstrukturen, mit ihren Aktivitä­

ten und Passivitäten, ihren Zufriedenheiten und Unzufriedenheiten zu verstehen. Dies aus der Sicht der betroffenen Akteure und nicht einer von außen vorgenommenen „Drauf"schau vorzunehmen, ist ein Anliegen unserer Arbeit

• in den vergangenen Jahren relativ konsequent die Maßstäbe der Bewertung einseitig aus dem Modell der Bundesrepublik abgeleitet und alle Ungleichheiten als "Modernisierungsrückstände", als "Le­

benslagen der 50er Jahre" usw. etikettiert wurden. Erst in letzter Zeit gibt es weiterführende Überlegungen, die auch dem Osten Struktu­

ren zugestehen (gemeinschaftsbezogene Einstellungen, ökonomische Beziehungsnetze, sozialpolitische Netzwerke, regionale Identifizie­

rung u .a.), die für die weitere Gestaltung der sozialen Einheit produk­

tiv eingebracht werden können.**

Was die wissenschaftliche Analyse des Vereinigungsprozesses erschwert ist, daß a) die subjektive Reflexion des Einigungsprozesses nicht nur durch eine unterschiedliche Wirksamkeit für den einzelnen bestimmt wird, sondern auch durch unterschiedliche Erwartungen, Vorstellungen, Hoffnungen und Wün­

sche gebrochen wird, die z.B. im Osten ihren Ausgangspunkt in den unter­

schiedlichen DDR-Biographien haben; b) der Bewertung der objektiven Verän­

derungen ebenso w ie deren subjektiver Reflexion unterschiedliche Maßstäbe

* Vgl. Senioren­

report '94. Daten und Fakten zur sozialen Lage

älterer Bürger in den neuen Bundesländern (Hrsg.: Sozialwissen­

schaftliches Forschungs­

zentrum Berlin-Branden­

burg e.V.), Berlin 1995;

vgl. Behindertenreport 1994. Daten und Fakten

zur sozialen Lage von behinderten Bürgern in den neuen Bundesländern (Hrsg.: G. Winkler), Berlin 1995.

** Vgl. S. Hradil: Die Modernisierung des Denkens - Zukunfts­

potentiale und "Altlasten"

in Ostdeutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte,

Beilage zur Wochen­

zeitung Das Parlament, B 20/95 vom 12. Mai 1995, S. 12 -15.

(12)

Seite 6 Sozialreport - Datenreport

* Vgl. hierzu: G. Winkler:

Datenreport 1994 erschienen, in: Sozialre­

port IV/94 (Quartals­

zeitschrift), Sozialwissen­

schaftliches Forschungs­

zentrum Berlin-Branden­

burg e.V.

- insbesondere zwischen Ost und West - zugrunde liegen.

Die Diskussion wird sicher verdeutlichen, daß die Ziele, Maßstäbe und Bewer- tungskriterien der Transformation sich im Datenreport und Sozialreport unterscheiden. Die Meßlatte "West" führt auch dazu, daß z.B. Widersprüche zwischen verbesserter objektiver Lage und subjektiver Reflexion durch die Ostdeutschen festgestellt werden, die letztlich ihre Interpretation in einem von vornherein festgelegten Maßstab (West) haben.

So sieht der Datenreport '94 sein Anliegen durchaus darin zu beschreiben, wie die Bürger in Ost und West ihre Situation sehen, geht jedoch m .E. unzu­

reichend davon aus, den Transformationsprozeß in den alten Bundesländern zu beschreiben.

Der soziale Transformationsprozeß im Westen erfolgt sicher nicht in der Totalität w ie im Osten, aber sicher auch nicht nur in kleinen quantitativen Abweichungen einer sich vollziehenden Kontinuität. Insofern ist Darstellung der Transformation immer(noch) Darstellung der Veränderungen im Osten. In der Analyse von Reformbedarf und-bedürfnissen, notwendigem Innovations­

bedarf (für den es möglicherweise in anderen Ländern in der Vergangenheit und Gegenwart schon Lösungen gab) ist u.E. ein zwingendes Feld sozialwis­

senschaftlicher Zusammenarbeit zu sehen.

Es soll hier nicht im einzelnen auf u.E. deutliche Fortschritte in den Darstel­

lungen des Datenreports eingegangen werden.*

Der Datenreport stellt sich dem Anliegen, das Zusammenwachsen Deutsch­

lands und noch vorhandene Unterschiede zu verdeutlichen. Die Fortschritte sind im Vergleich zum 92er Datenreport unverkennbar, sind doch im statisti­

schen Teil fast durchgängig sowohl die Daten aus den neuen Bundesländern als auch die aus dem früheren Bundesgebiet ausgewiesen. Hinsichtlich der Interpretation dieser Daten und der ihnen zugrunde liegenden Entwicklungen ist jedoch nicht zu übersehen, daß in dem vom Statistischen Bundesamt zu verantwortenden Teil - von wenigen Abschnitten abgesehen - die neuen Bun­

desländer keine Vergangenheit haben - alles beginnt 1990. Sicher ist nicht alles vergleichbar, manche statistischen Aussagen aus der Zeit vor 1990 bedürften der Interpretation - das gilt aber nicht nur für Statistiken aus dem Osten. Es müßte im Datenreport auch im I. Teil über die DDR-Daten aus der Zeit 1950/

60 bis 1990 informiert werden. Selbst wenn man den schwer vergleichbaren Wirtschaftsteil wegläßt, vermißt man eine Vielzahl von Zeitreihen für den Osten.

Die Geschichte dieser neuen Bundesrepublik, in die w ir uns - Ost wie West - hineinbegeben, hat nicht nur eine Vergangenheit und eine Denk- und Interpretationsstruktur.

Die objektiven Lebensbedingungen haben sich für alle Ostdeutschen radi­

kal verändert: zum Positiven, aber auch in verschiedenen Bereichen und für einzelne soziale Gruppen zum Negativen. Die Anteile sind dabei für den Bür­

ger bzw. für soziale Gruppen unterschiedlich strukturiert, aber sie lassen sich nicht auf die vereinfachte Formel " Zufriedene" oder "Unzufriedene", von

"Gewinnern" und "Verlierern" bringen.

Neben positiven Veränderungen für die Mehrheit (Einkommen, Konsuman­

(13)

BEGRÜSSUNG UND EINFÜHRUNG Seite 7

gebot und -Struktur, Selbstbestimmungsspielraum in einzelnen Lebensberei­

chen u.a.) stehen Verschlechterungen für große Teile (Arbeitslosigkeit, unge­

schützte Arbeitsverhältnisse, soziales Sicherungssystem, soziales Beziehungs­

gefüge u .a.), die nicht nur für diesen oder jenen zutreffen, sondern in dieser oder jener Form jeden betreffen.

Es bedarf nicht des gesonderten empirischen Nachweises, daß sich die Bürger in den neuen Bundesländern "extremen Veränderungen nahezu aller Lebens­

umstände ausgesetzt (sehen). Arbeit und Freizeit, Familienleben und Freun­

deskreis, Politik und Kultur, die vielen Kleinigkeiten des Alltags, aber auch die allgemeinen Normen und Werte, die Lebens- und Zukunftsverhältnisse haben sich ruckartig und tiefgreifend verändert."*

Es gibt in den neuen Bundesländern durchaus eine kritische Sicht auf das in der Vergangenheit Gewesene, was die Akzeptanz von Lösungen, die für den einzelnen günstiger waren - vor allem im sozialen Bereich -, einschließt. Aber:

A kzeptanz von Instrumentarien sozialer Sicherung ist nicht nachträgliche Systemakzeptanz, genausowenig w ie die Anerkennung von progressiven so­

zialpolitischen Lösungen und Leistungen der sozialen Marktwirtschaft schon identisch mit völliger Akzeptanz des Gegenwärtigen ist.

Hauptproblem ist m.E, die Akzeptanz eines anders gelebten Lebens. "An­

ders" sollte nicht schon wieder in Rückständigkeits- und Modernisierungs­

potentiale getrennt werden.

Es wird noch über viele Jahre ein geteiltes Deutschland in bezug auf Befindlichkeiten geben, die nicht nur einkommensbedingt sind. Zwei deutsche Befindlichkeiten beruhen auf unterschiedlichen Lebenserfahrungen in bezug auf Arbeit, auf den Zugang zu Bildung und Kultur, hinsichtlich der Gleichheit des Zugangs zu sozialen und gesundheitlichen Leistungen, auf unterschiedli­

chen Schicht- und Vermögensstrukturen, auf sich unterscheidende Erfahrun­

gen im Umgang mit der Macht, mit der Möglichkeit, seine Interessen einzu­

bringen, auf sich unterscheidenden Umgang der Menschen miteinander und nicht zuletzt auf abweichenden Erfahrungen im Umgang mit Gewalt, Radika­

lismus und Bedrohung.

Die beiderseitige Akzeptanz von unterschiedlich gelebtem Leben, ohne Pauschalverklärung oder Pauschalverurteilung ist eine wichtige Bedingung für das gemeinsame Miteinander.

* R. Geißler; Sozialer Wandel, in: Handbuch zur deutschen Einheit, Bonn 1994, S. 591.

(14)

Seite 8 Sozialreport - Datenreport

Einführung

Heinz-Herbert Noll Sprecher der Sektion Sozialindi­

katoren der DGS

Aus der Perspektive der Sektion Sozialindikatoren der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, für die ich hier spreche, kann man nur froh darüber sein, daß es Anlässe zu Tagungen wie dieser gibt und innerhalb der Profession mehrere Gruppen aktiv Sozialberichterstattung betreiben. Es ist zudem keineswegs selbstverständlich und daher besonders zu begrüßen, wenn die Gelegenheit wahrgenommen wird, die jeweiligen Ansätze und Berichtskonzepte miteinan­

der zu konfrontieren und darüber zu streiten, inwieweit die eine oder andere Form der Berichterstattung und die wenigstens partiell voneinander abwei­

chenden Ergebnisse und Schlußfolgerungen den realen Verhältnissen und Entwicklungstendenzen mehr oder weniger gerecht werden.

Im internationalen Rahmen betrachtet, spielt die wissenschaftsgetragene Sozialberichterstattung in Deutschland eine ganz hervorgehobene Rolle.

Sozialberichterstattung auf der nationalen Ebene wird hier im Unterschied zu den meisten anderen Ländern, in denen zumeist die statistischen Ämter die Hauptakteure sind, in erster Linie von wissenschaftlichen Einrichtungen, wie z.B. der Abteilung Sozialstruktur und Sozialberichterstattung des WZB, der Abteilung Soziale Indikatoren des ZUMA sowie dem SFZ Berlin-Brandenburg, betrieben. Das galt schon für die alte Bundesrepublik, in gewisser Weise aber auch für die DDR, wenngleich man dort nicht unbedingt von Sozialberichter­

stattung, aber immerhin doch von Sozialindikatorenforschung sprechen konnte.

Heute gibt es vermutlich weltweit kein anderes Land - vielleicht mit der Aus­

nahme von Ungarn - in dem wissenschaftliche Einrichtungen auf dem Gebiet der Sozialberichterstattung eine so bedeutende Rolle spielen wie in Deutsch­

land.

Während der Sozia Ire port e\n wissenschaftlicher Sozialbericht im klassischen Sinne ist, der im Rahmen eines wissenschaftlichen Instituts zusammengestellt und als eine wissenschaftliche Buchpublikation vertrieben wird, hat der Da- tenreportm gewisser Weise einen Zwitterstatus: Zur Hälfte handelt es sich um eine mehr oder weniger offizielle Form der Sozialberichterstattung, für die das Statistische Bundesamt verantwortlich zeichnet, zur anderen Hälfte handelt es sich um wissenschaftliche Sozialberichterstattung, die von den jeweiligen Abteilungen von WZB und ZUMA getragen wird. Ungewöhnlich - und im inter­

nationalen Rahmen ohne Parallele - ist auch die Herstellungs- und Vertriebs­

form des Datenreports über die Bundeszentrale für Politische Bildung. Beide Formen der Sozialberichterstattung, die offizielle wie auch die inoffizielle, wissenschaftliche haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile im Hinblick auf Unabhängigkeit, öffentliche Aufmerksamkeit und politische Verbindlichkeit, auf die aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll.

Bei der Diskussion hier geht es-wenigstens aus meiner Sicht-vor allem um eine innerwissenschaftliche Debatte. Im Vordergrund steht dabei allerdings nicht so sehr die Konfrontation sich grundsätzlich unterscheidender Konzep­

te, Prinzipien und Berichtsansätze. Auf dieser Ebene gibt es - wie mir scheint - viele Ähnlichkeiten, und auch der Sozialreport folgt im wesentlichen einem Konzept von Sozialberichterstattung, wie es in Westdeutschland im Rahmen des SPES-Projekts und des Sonderforschungsbereichs 3 "M ikroanalytische Grundlagen der Gesellschaftspolitik" entwickelt und maßgeblich von Wolfgang Zapf geprägt worden ist. Grundelemente dieses Konzeptes sind: (1) eine Ori­

(15)

Begrüssungund Einführung

entierung an Lebens- und Politikbereichen; (2) ein Wohlfahrtsverständnis, das objektive und subjektive Komponenten und dementsprechend auch objektive und subjektive Indikatoren um faßt sowie (3 ) eine spezifische, auf die Wohlfahrtsmessung ausgerichtete Datenbasis. Auf dieser Ebene der Konzep­

te und auch des methodischen Zugangs sehe ich zwar viele Unterschiede im Detail, aber keine prinzipiellen Differenzen.

Kontrovers erscheint mir dagegen vielmehr die Interpretation der präsen­

tierten empirischen Befunde und die Schlußfolgerungen, die daraus für die Bewertung des bisherigen Transformations- und Integrationsprozesses gezo­

gen werden. An dieser Stelle lassen sich eine Vielzahl von zum Teil sehr weit­

reichenden inhaltlichen Diskrepanzen und Positionsunterschieden konstatie­

ren. A uf einen einfachen Nenner gebracht, repräsentiert der Sozialreport eine Position, die den Einigungs- und Transformationsprozeß außerordentlich kri­

tisch beobachtet, Probleme und Mißerfolge stärker betont als Fortschritte und Erfolge und in der tendenziell auch pessimistische gegenüber optimistischen Sichtweisen überwiegen. Der Datenreport beansprucht für sich zweifellos ebenfalls, die Entwicklungen kritisch zu beobachten, hält sich aber prinzipiell mit Wertungen stärker zurück. Sofern dennoch Wertungen vorgenommen werden, fällt hier jedoch der Tendenz nach die Bilanz des Transformations­

und Einigungsprozesses positiver aus und sind die optimistischen Töne häufi­

ger zu vernehmen als im Sozialreport.

Eine der Fragen, um die es bei dieser Veranstaltung meiner Ansicht nach gehen sollte, ist die, inwieweit die jeweils vorgenommenen Interpretationen und Bewertungen auch empirisch angemessen gestützt werden oder sich von den präsentierten Befunden verselbständigen. Der Sozialreport reklamiert - wenn ich das richtig sehe - expressis verbis für sich das Privileg der besseren Einsicht kraft unmittelbarer Erfahrung. Einer bestenfalls als neutral angesehe­

nen, persönlich unbeteiligten, routiniert mit hergebrachten Instrumenten operierenden westdeutschen Sozialberichterstattung wird eine spezifisch ost­

deutsche Sozialberichterstattung gegenübergestellt, die sich nicht nur z.T. auf eine eigene Datenbasis stützt, sondern nicht zuletzt auch die Unmittelbarkeit der Beteiligung und Betroffenheit der Berichterstatter an den aktuellen gesell­

schaftlichen Prozessen ins Feld führt.

Was die Vorzüge und Nachteile, die pros und cons des einen oder anderen Vorgehens sind, wird zu diskutieren sein. Ich bin gespannt auf die vor uns lie­

gende Debatte und wünsche mir, das Diskussionen über die Ziele, Konzepte, Instrumente und Ergebnisse der Sozialberichterstattung zukünftig auch in der Sektion Sozialindikatoren wieder einen breiten Raum einnehmen werden.

(16)

Seite 1 0 Sozialreport - Datenreport

Daten und Fakten zur sozialen Lage in den neuen Bundesländern

Schriftenreihe Band 280

Schriftenreihe Band 325

Statistisches Bundesamt (Hrsg.) In Zusammenarbeit mit dem

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Zentrum für Umfragen,

Methoden und Analysen, Mannheim Statistisches Bundesamt (Hrsg.)

In Zusam m enarbeit mit dem Sonderforschungsbereich 3

d er Universitäten Frankfurt und Mannheim

D atenreport 1989

Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland

D atenreport 1994

Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland

Bundeszentrale für politische Bildung

Bundeszentrale für politische Bildung

(17)

Objektive Lebensbedingungen Seite 11

Zu diesem wichtigen Gebiet der Transformation werden in beiden Reporten umfangreiche Aussagen gemacht. Die verwendeten objektiven Daten sind (zwangsläufig) identisch, die subjektiven Daten entsprechen sich im wesentli­

chen. Sie unterscheiden sich vor allem darin, daß der Datenreport fast gänzlich auf Bewertungen verzichtet, der Sozialreport demgegenüber - von der Einlei­

tung über die Sachkapitel bis zur Schlußbemerkung - reichlich davon Gebrauch macht. Sie unterscheiden sich auch darin, daß im Datenreport objektive und subjektive Daten säuberlich voneinander getrennt, im Sozialreport jedoch - innerhalb der einzelnen Kapitel - untereinander verflochten werden.*

Der Datenreport steht in der Tradition langjähriger nationaler und interna­

tionaler Sozialindikatorenforschung und Sozialberichterstattung. Der Sozial­

report hat seine W urzeln in den in den 80er Jahren entstandenen „Analysen zur sozialen Entwicklung in der DDR" (jährlich in 7facher Ausfertigung als „Ver­

trauliche Verschlußsache" für die „Partei- und Staatsführung"). Daß diese Analysen so streng vertraulich behandelt wurden weist darauf hin, daß sich darin durchaus die wachsenden sozialen Probleme der DDR reflektierten.

Der erste Sozialreport 1990 - in der Noch-DDR erschienen - konnte an dieser problemorientierten Sicht anknüpfen und quasi den Beginn einer Aufarbei­

tung der sozialen Gegebenheiten der DDR markieren. Dieser erste Sozialre­

port w ar Gegenstand des Workshops im Wissenschaftszentrum Berlin vor genau fünf Jahren.

Der zweite Sozialreport 1992 reflektiert die rigorosen Veränderungen auf allen sozialen Gebieten im Zuge der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 1. Juli 1990 und der Herstellung der deutschen Einheit am 1. Oktober 1990. Der Datenreport 1992 geht nur äußerst begrenztauf diese Problematik ein.

Der dritte Sozialreport 1994 bewertet den erreichten Stand fast fünf Jahre nach der Wende und vier Jahre Einheit und ist um Verallgemeinerung von bis­

herigen Ergebnissen der Transformation bemüht.

Unterschiedliche Wurzeln, Anliegen und Herangehensweisen sind damit schon feststellbar. Ich sehe darin eine Begründung für ein Nebeneinander beider Reporte. Nämlich so lange, wie der komplizierte Prozeß der sozialen Vereini­

gung Deutschlands und der Herstellung gleicher Lebensbedingungen währt.

Eine Abgrenzung ist nur gewährleistet, wenn sich der Sozialreport an den Problemen der Transformation in Ostdeutschland orientiert.

Wichtiger als diese Formaliades Neben-, Mit-oder Gegeneinander von Daten- und Sozialreport sind mir doch die inhaltlichen Probleme, der in fast fünf Jah­

ren Einheit erreichte Stand der Lebensbedingungen in Ostdeutschland und in welchen Zeiträumen sehr ähnliche Lebenslagen erreichbar sind. Die in einer atemberaubenden Geschwindigkeit in den letzten fünf Jahren abgelaufenen politischen, ökonomischen und sozialen Prozesse in Ostdeutschland sind letzt­

lich weder in objektiven Daten noch in subjektiven Reflexionen hinreichend darstellbar. Dies geht wohl nur in relativ geordneten geschichtlichen Verläufen.

Vom Oktober 1989 bis Oktober 1990 sind im Zeitraffertempo Veränderun­

gen in der DDR vonstatten gegangen, die kaum jemand vorher für möglich hielt und die bis heute emotionale Wellen auslösen. Der Aufstand der DDR-

Zur Entwicklung der materiellen Lebensbe­

dingungen Elvir Ebert

* Ich habe es in meinen Arbeiten immer so gehalten, weil ich die Darstellung objektiver Sachverhalte und ihre subjektive Reflexion im Komplex für günstig halte.

(18)

Sozialreport - Datenreport

Bürger gegen ein System, das sich fälschlicherweise Sozialismus nannte. Die Entmachtung des allmächtigen Politbüros. Der Zusammenfall des ausgeklü­

gelten Macht- und Sicherheitssystems der DDR in wenigen Tagen. Die demo­

kratische Wende führte bis März 1991 zu den wohl basisdemokratischsten vier Monaten in der deutschen Geschichte. In allen Einrichtungen, Organisationen, Instituten, Parteien und Verbänden wurden Konzepte für eine „bessere DDR"

geschmiedet. Auch die neuen Bürgerbewegungen hatten im Grunde keine an­

dere Zielstellung. Kurzfristig wurde aus dem Gedanken einer engen Koopera­

tion mit der Bundesrepublik die Idee einer Konföderation. Die Straße erzwang die Einheit. Die Alliierten und insbesondere die Sowjets machten mit. Über die ersten freien Wahlen im März 1990 ging es zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli und über den Einigungsvertrag zur Vereinigung beider deutscher Staaten am 3. Oktober.

Vieles, nahezu alles, änderte sich für die Ostdeutschen. Währung, Preise, Steuern, Sozialabgaben, Güter- und Leistungsangebote, Grenzen, Medien, Wohnverhältnisse - und Arbeitsbedingungen, Beschäftigung und eine bislang nicht gekannte Arbeitslosigkeit. Hinzuweisen ist auf die Politik der Treuhand, die Eigentumsproblematik, die Altschuldenregelung für Betriebe und Genos­

senschaften. All das betraf und betrifft Menschen und Familien. Es hat zu ei­

nem ständigen Wechselbad der Gefühle geführt.

Viele Wünsche erfüllten sich, Illusionen platzten. Das alles ist ein weites Feld - ich möchte nur daran erinnern, ohne diese (natürlich viel breitere und kom­

plexere) Sichtweise kann man den erreichten sozialen Stand nicht begreifen und nicht bewerten. Keineswegs möchte ich daraus ableiten, daß dazu nur ein

„Betroffener", ein Ostdeutscher fähig wäre.

Was wurde nun in diesen fünf Jahren auf dem Gebiet der materiellen Le­

bensbedingungen in Ostdeutschland erreicht? Der A ntw ort ist die Frage vor­

anzustellen, w as ist eigentlich der Maßstab für die Bewertung des Erreichten?

Die allgemeine Antwort ist wohl richtig: Meßlatte ist der westdeutsche Stan­

dard, ist das Verfassungsgebot der Herstellung gleicher Lebensbedingungen.

Dies sollte man nicht ohne Einschränkung gelten lassen, zumindest nicht, wenn es um Zeitvorsteilungen geht, wann nämlich welcher Anteil, wann in Gänze Gleichheit in den Lebensbedingungen erreicht wird.

Für mich sind gleichermaßen wichtige Bewertungskriterien einmal die Aus­

gangslage in der DDR und die gegenwärtigen Bedingungen in den ehemali­

gen RGW-Ländern östlich von Oder und Neiße.

• Die DDR bewegte sich in den 80er Jahren auf den ökonomischen Konkurs zu. Keine - heute nicht selten anzutreffende - nostalgische Verklärung der DDR kann darüber hinwegtäuschen.

Etwa ein Viertel der westdeutschen Arbeitsproduktivität, eine desola­

te Infrastruktur (die schon keine mehr w ar), verfallende Städte und Dörfer (heute noch zu besichtigen!), ein chronischer Mangel an allem, das Vorschreiben was gelesen, gehört, gesagt und geschrie­

ben werden darf, die enorm eingeschränkten Reisemöglichkeiten u.v.a.m ., waren bestimmende Merkmale der DDR.

• Die Weiterexistenz einer wie auch immer gestalteten „demokrati­

schen DDR" nach der Wende hätte zwangsläufig zu einem Abbau

(19)

Objektive Lebensbedingungen Seite 13

des ohnehin bescheidenen Lebensstandards führen müssen. Die Lage in den östlichen Nachbarländern, die den Transformationsprozeß zw ar mit westlicher finanzieller Hilfe, aber überwiegend aus eigener Kraft gestalten müssen, beweist diese Feststellung hinreichend.

Wenn in der gesamtdeutschen Aufbruchstimmung von 1990 eine Prognose über erreichbare Veränderungen und Angleichungen gewagt worden wäre, wären die „blühenden Landschaften" sicher als sehr kurzfristig erreichbar eingeschätzt worden. Der gleiche Versuch in der gedämpfteren Stimmung der Jahre 92/93 wäre weniger gut ausgefallen,

Welche Veränderungen sind in den Bereichen mit unmittelbarem Einfluß auf Lebenslagen und -bedingungen im engeren Sinne eingetreten? Die dramati­

schen demographischen Veränderungen, die großen Beschäftigungsprobleme, Fragen der Landwirtschaft, des Handwerks, des Einzelhandels sollen in die­

sem Zusammenhang nicht aufgegriffen werden. Im Durchschnitt des Jahres 1994* erreichte die Industrieproduktion (Grundstoff- und Produktionsgüter, Investitionsgüter) - 2. Halbjahr 1990 = 100 - einen Stand von 109,9 % , Ver­

brauchsgüter sowie Nahrungs- und Genußmittelindustrie 98,5 % , der Berg­

bau 67,6 % und das Bauhauptgewerbe einen Stand von 197,7 % (I). Das ist eine Entwicklung, die aus mehreren Gründen nicht zu erwarten war. Viele führen die Privatisierungspolitik der Treuhand mit den vielen damit verbunde­

nen Turbulenzen ins Feld. Ich möchte insbesondere auf zwei wichtige Etappen der Strukturpolitik der DDR verweisen:

die Überwindung der Spaltung Deutschlands als ökonomische Ziel­

stellung, vor allem der 50er Jahre,

die „ökonomische" Unabhängigkeit gegenüber dem westlichen Ausland und die gleichzeitige Integration in den RGW-Wirtschafts- raum ab Ende der 60er Jahre.

Das bedeutete einmal, daß ökonomische Strukturen des früheren Gesamt­

deutschland (insbesondere im schwerindustriellen Bereich) in der DDR neu ge­

schaffen wurden. Und im weiteren eine Abkoppelung vom Weltmarkt und insbesondere vom internationalen wissenschaftlich-technischen Fortschritt.

Diese Etappe w ar durch umfassenden Eigenbau von Rationalisierungsmitteln und durch Herstellung von Konsumgütern außerhalb der Konsumgüterindu­

strie gekennzeichnet - letztlich mit sehr niedriger Produktivität.

Alle diese Kapazitäten konnten zwangsläufig keinen Platz in einer wieder­

vereinigten W irtschaft finden. Der Einbruch mußte groß sein, nicht nur aus Gründen politischer und harter Konfrontation mit dem Weltmarkt ab 1. Juli 1990.

Wenn heute das Produktionsniveau vom 2. Halbjahr 1990 wieder erreicht und überboten wurde, ist dies positiv zu bewerten. Die Brutto-Anlage-Investi- tionen stiegen von 1991 bis 1994 von 92 Mrd. DM auf 179 Mrd. DM. Das war pro Einwohner Ost gegenüber West

* Alle folgenden gesamt­

wirtschaftlichen Daten wurden entnommen bzw.

errechnet aus: Statisti­

sches Bundesamt, Tabellensammlung zur

wirtschaftlichen und sozialen Lage in den neuen Bundesländern, Ausgabe 1/95.

(20)

Sozialreport - Datenreport

Ost 1991

1994

5.800 DM 11.500 DM

West 8.800 DM 8.600 DM

oder je Erwerbstätigen 1994 (Ost) 28.500 DM gegenüber (West) 19.700 DM.

Damit verbunden ist ein starker Produktivitätsschub. Das Bruttosozialprodukt je Einwohner stieg von 13.500 DM 1991 auf 22.600 DM 1994, damit von 32,3%

auf 50,5 % der adäquaten westdeutschen Daten.

Der private Verbrauch erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 179.6 Mrd.

DM auf 261,9 % , d.h. um 46 % (zu festen Preisen um 17 % ). Wurden im pri­

vaten Verbrauch 1991 je Einwohner 49,9 % des westdeutschen Niveaus er­

reicht, waren es 67,4 % im Jahre 1994.

Die Besonderheiten der Transformation in Ostdeutschland liegen jedoch in folgendem: Das Bruttosozialprodukt betrug 214 Mrd. DM im Jahre 1991, ver­

wendet wurden jedoch für privaten Verbrauch (179,6 Mrd. DM), Staats­

verbrauch (87,7 Mrd. DM) und Brutto-Anlage-Investitionen (92,1 Mrd. DM) rd.

359 Mrd. DM. 40 % der Endverwendung (rd. 145 Mrd. DM) wurden nicht aus den eigenen Sozialprodukten, sondern aus westdeutschen Transferleistungen finanziert. 1994 wurden 3 8 % des Bruttosozialproduktes, das sind jedoch bereits 213 Mrd. DM, nicht aus eigenem Aufkommen finanziert. Aus dieser Tatsache resultiert die schnellere Entwicklung der materiellen Lebensbedingungen als aus eigener Produktionsentwicklung möglich gewesen wäre:

1991 1994

Volkseinkommen je Einwohner 36,3 54,4

Verfügbares Einkommen je Einwohner 50,9 71,5

Nettolohn- und Gehaltssumme

je beschäftigten Arbeitnehmer 55,1 71,5

Monatliche Eckrente (1.7.90) 55,5 (1.7.95) 78,8

Am westdeutschen Stand (= 100) wurde erreicht: Der Preisindex für alle Arbeitnehmerhaushaite betrug 135,4 % Ende 1994 gegenüber dem Stand 1.7.1990 bis 30.6.1991 = 100 % . Darin werden die gravierenden Preis­

veränderungen zum 1.7.1990 gegenüber den vorherigen DDR-Preisen nicht deutlich. In dem Index von 135,5 sind die Einzel-Indices für Mieten (700,1), Energie (204,2), Beherbergung, Kredite, Versicherungen (148,8) enthalten.

Diese knapp dargestellten Entwicklungstendenzen waren bzw. sind Voraus­

setzungen für eine positive Gestaltung der Lebensbedingungen für die mei­

sten Ostdeutschen. Die Wohnqualität nimmt zu, das Städtebild ändert sich sichtbar, die Infrastruktur-insbesondere Straßen, Schienenwege, Energie, Was­

ser und Abwasser, Kommunikation etc. - wird ständig besser, völlig andere Einkaufsbedingungen sind gegeben, eine fast totale Neuausstattung der Haus­

(21)

Objektive Lebensbedingungen

halte mit PKW ist vonstatten gegangen, eine hochgradige Neu- und Erstaus­

stattung mit Ausstattungsgütern für Hauswirtschaft und Freizeit ist im Gange, der Erwerb von Wohneigentum ist in Fluß gekommen, die Reisemöglichkeiten werden im großen Umfang wahrgenommen. Trotz intensiver Anschaffungen hat sich die ostdeutsche Sparquote der westdeutschen angeglichen. Sie ist etwa doppelt so hoch wie vormals in der DDR. Der überwiegende Teil der ost­

deutschen Bevölkerung hat Wohlfahrtsgewinne zu verzeichnen. Diese Grund­

tendenzen enthalten eine zunehmende soziale Differenziertheit und andere viele „aber".

• Kriminalitätsentwicklung, Ängste um den Arbeitsplatz, generelle Zukunftsängste etc. sind in den Reporten als Probleme der Ostdeut­

schen hinreichend beschrieben.

• Ich halte das Erreichte unter Berücksichtigung aller direkten und indirekten Einflußfaktoren für optimal. Ob das Erreichte das Erreich­

bare wäre - mit den Rezepten des Anders- oder Bessermachens - ist nicht zu beweisen.

Eine Prognose der künftigen Entwicklung könnte etwa wie folgt lauten: In spätestens 3 bis 4 Jahren werden die Ostdeutschen gleiche Tariflöhne und -gehälter wie die Westdeutschen haben, damit wird sich auch die Eckrente angleichen und ein einheitlicher Rentenwert bestehen. Die infrastrukturellen Grundlagen der Lebensbedingungen werden sich weiter rasch verbessern.

Damit werden wichtige Etappen bei der Herstellung gleicher Lebensbedingun­

gen erreicht. Die endgültige Herstellung gleicher Lebensbedingungen wird jedoch noch ein sehr langer Prozeß sein.

Dafür sprechen folgende Gründe: Die bestehenden Unterschiede im finan­

ziellen, immobilen und mobilen Vermögen sind sehr hoch und werden sich nur über sehr lange Zeiträume aus- bzw. angleichen. Davon gehen erhebliche Ein­

flüsse auf Unterschiede in den Haushaltseinkommen aus. Auch eine gleiche Eckrente schafft keine Gleichheit. Pensionen, Betriebsrenten, Rentenversiche­

rungen (und eben Einkommen aus Vermögen) spielen vorläufig fast keine Rolle in ostdeutschen Rentnerhaushalten. Die Gesamtheit der Wohnbedingungen, der W ohnum w elt, der Stadtgestaltung etc. wird noch einem langen Aufholungsprozeß unterliegen, ehe eine Gleichheit mit westdeutschem Stan­

dard zu verzeichnen sein wird. Der Sozialreport könnte noch geraume Zeit den Prozeß der Annäherung der deutsch-deutschen Lebenslagen und -bedingungen mit professionellem Einfühlungsvermögen in ostdeutsche Befindlichkeiten verfolgen.

(22)

Seite 1 6 Sozialreport - Datenreport

Objektive Lebens­

bedingungen im Datenreport 1994 und im

Sozialreport 1994

Roland Habich

Mir fällt im Rahmen unserer Arbeitstagung die Aufgabe zu, das Eingangs­

statement über die Dimension der "objektiven Lebensbedingungen" abzuge­

ben. Uns allen hier dürfte klar sein, auf welche einzelnen Bereiche die Dimen­

sion der objektiven Lebensbedingungen abzielt: auf die Erwerbsbeteiligung, auf die Einkommensverhältnisse und den Lebensstandard, auf die Gesundheit, auf die Wohnungsverhältnisse oder auf die Familienverhältnisse - in der Sum­

me also alles das, was eben nicht ausdrücklich - etwa in der Logik unserer Gliederung des Datenreport 1994 - als subjektiv im Sinne von Einstellungen, Werten, Orientierungen und Bewertungen gekennzeichnet ist.

Es ist Ihnen ebenso klar, daß die Aufgabe, die ich mir gestellt habe, in einem Statement von etwa 15 Minuten nur in ausgewählten Aspekten und Kriterien einigermaßen zu bewältigen ist.

Für meine Vorgehensweise habe ich mir deshalb überlegt, ein kleines Expe­

riment auszuprobieren. Vielleicht, so w ar meine Überlegung, sollten w ir uns einen gebildeten und interessierten "Beobachter von außen" - in meiner Phan­

tasie: einen Amerikaner-vorstelien. Vielleicht sollten wir uns weiter vorstellen, der Datenreport 1994 und der Sozialreport 1994 wären ins Englische über­

setzt worden; allerdings mit dem folgenreichen Fehler, daß jeweils vergessen wurde, auf die zugrundeliegende räumliche Einheit-also: Ost- und Westdeutsch­

land - hinzuweisen. Statt dessen könnten w ir uns solche Floskeln wie etwa "in diesem Lande" oder "hier und dort" vorstellen.

Die unmittelbare einleuchtende Frage, die sich nun dieser Beobachter stel­

len würde, wäre: Wovon handeln diese beiden Bücher? Beschreiben beide Bücher das gleiche Land, oder werden hier verschiedene Länder dargestellt?

Zur Beantwortung dieser Frage würde sich nun dieser Leser vermutlich einfa­

che Kapitel und Lebensbereiche herausgreifen, von denen er begründbar an­

nimmt, anhand der dort vorfindbaren Informationen, den dort präsentierten Daten und Fakten, aber auch der jeweiligen Kommentierungen könnte er sei­

ne Frage am schnellsten beantworten. Er würde sich beispielsweise auf die Kapitel "Erwerbsbeteiligung", "Einkommen", "Gesundheit" oder "W ohnen"

konzentrieren und die Angaben in beiden Reports systematisch vergleichen.

Was wäre nun die Antwort eines solchen externen Beobachters? Ich be­

fürchte, er würde erhebliche Zweifel daran haben, ob beide Bücher über die soziale Lage der Bevölkerung eines Landes berichten. Er würde zunächst fest­

stellen können, daß beide Publikationen trotz unterschiedlichster Formulierun­

gen den gleichen Gegenstandsbereich zum Thema haben: über die soziale Lage der Bevölkerung in allen relevanten Lebensbereichen zu informieren und dabei der Beschreibung der jeweiligen objektiven Lage die entsprechende subjektive Befindlichkeit gegenüberzustellen. Dieses Ziel wird in beiden Reports explizit angestrebt. Daß dabei die jeweiligen Perspektiven und Formulierun­

gen dahingehend variieren, daß im Datenreport das erreichte "W ohlfahrts­

niveau" im Vordergrund steht und im Sozialreport nach dem "Ausmaß der sozialen Sicherheit" gefragt wird, ist legitim und für den externen Beobachter zunächst lediglich von sekundärem Interesse. Primär würde ihn interessieren, ob beide Berichteim Hinblickauf (a)das verwendete empirische Datenmaterial, (b) die Auswahl der präsentierten Indikatoren, (c) die Darstellung und Kom­

mentierung der Befunde erkennbare Schnittmengen und Gemeinsamkeiten

(23)

Objektive Lebensbedingungen

aufweisen, die sich gegebenenfalls vorwiegend in der Bewertung der doku­

mentierten Ergebnisse unterscheiden.

Nach meiner Einschätzung sind diese drei Kriterien für einen systematischen Vergleich besonders geeignet. Sie sind hilfreich dafür, der "inneren Logik" beider Reports auf die Spur zu kommen. Ich werde damit die Zweifel des externen Lesers zu begründen versuchen.

Daten und ihre Grundlagen: Im Teil II des Datenreport 1994 wird nahezu durchgängig das empirische Material des Wohlfahrtssurvey 1993 präsentiert.

Ergänzend dazu werden Daten des Sozio-ökonomischen Panels, das beispiels­

weise in der 1992er Ausgabe als eine zentrale Datenbasis genutzt wurde, aufgenommen. Diese Beschränkung auf wenige, und zudem eigene, Daten hat Vor- und Nachteile. Nachteile liegen zugegebenermaßen darin, daß rele­

vante Informationen, die über das Konzept der eigenen Surveys hinausgehen, ausgeblendet bleiben. Im Sozialreport 1994 werden veröffentlichte Daten aus der amtlichen Statistik benutzt, auf die eigenen Erhebungen der Serie "Leben"

zurückgegriffen und in einzelnen Kapiteln zusätzliche Umfragedaten (z.B.

Arbeitslosen-Survey; Sozio-ökonomisches Panel) präsentiert. Verschiedene Aspekte bleiben dabei unklar: handelt es sich um repräsentative Erhebungen (Arbeitslosensurvey; SÖSTRA als Datenquelle); welche Themen werden durch weiche Datensätze adäquat erfaßt; werden eigene Analysen präsentiert oder aus bereits vorliegenden Publikationen zitiert. Für einen externen Beobachter könnte möglicherweise der Eindruck der Beliebigkeit entstehen; zumindest ist erkennbar, daß die Möglichkeiten der einzelnen Datensätze nicht ausgereizt werden. Die Vorteile, die im Datenreport 1994 in der breiten Verwendung eines Datensatzes liegen, werden im Sozialreport 1994 vergeben.

Auswahl der Indikatoren: In den bisherigen Ausgaben des Datenreports wird ein klares Lebensbereichskonzept verfolgt, in dem für wohlfahrtsrelevante Lebensbereiche objektive Indikatoren und darauf bezogene subjektive Bewer­

tungen dokumentiert werden. Diesem Konzept sind praktisch alle Kapitel ver­

pflichtet. Die Systematik innerhalb der einzelnen Kapitel ist dabei weitgehend so angelegt, daß Verteilungsinformationen über objektive Lebensbedingungen für die Gesamtbevölkerung dargestellt werden, denen gruppenspezifische Untergliederungen folgen, mit denen, grob gesagt, privilegierte und benach­

teiligte soziale Gruppen identifiziert werden sollen. Abgerundet werden diese Informationen mit jeweils darauf bezogenen subjektiven Bewertungen, um zeigen zu können, inwieweit objektive Lage und Wohlbefinden korrespondie­

ren. Diese Struktur der Kapitel wird darüber hinaus durch eine systematische Darstellung der zeitlichen Entwicklung ergänzt. Damit werden die Vorteile der Dauerbeobachtung des sozialen Wandels durch das Instrument des Wohlfahrts- surveys genutzt.

Im Sozialreport 1994 ist eine ähnliche Vorgabe und Systematik nur in weni­

gen Fällen klar erkennbar. Das größere Defizit liegt sicherlich darin, daß man sich auf wenige, wenn auch zentrale Lebensbereiche konzentriert. Wichtige, für einen umfassenden Sozialreport zweifellos notwendige Kapitel fehlen entweder ganz (z. B. Freizeit) oder sind in anderen Kapiteln versteckt (Bildung).

Darüber hinaus ist keine die einzelnen Kapitel übergreifende Gliederung und Systematik des Aufbaus und der Indikatorenauswahl erkennbar. Dies drückt

(24)

Sozialreport - Datenreport

sich nicht zuletzt in der unterschiedlichen Länge der verschiedenen Kapitel und den jeweils darin gesetzten Schwerpunkten aus. Die ausgewählten Indikato­

ren zur Beschreibung der Lebensverhältnisse und die Untergliederung variie­

ren von Kapitel zu Kapitel; ein systematischer Vergleich über mehrere Kapitel oder ein Abgleich mit Ergebnissen des Datenreports ist schwierig oder gar unmöglich. Für den Beobachter, der die benutzten Datenquellen kennt, ist darüber hinaus nur schwer nachvollziehbar, warum die Datenbasis von Ab­

schnitt zu Abschnitt geändert wird. Hier werden auf jeden Fall Vorteile der eigenen Umfrageforschung verschenkt. Obwohl auch der Sozialreport das Verhältnis objektiv-subjektiv darstellen will, wird dieser Absicht nur vereinzelt durchgängig Rechnung getragen. Der Eindruck, die objektive Lage wird unab­

hängig von der subjektiven Bewertung gesehen, wird vor allem dadurch ver­

stärkt, daß nur in wenigen Fällen für beide Wohlfahrtsdimensionen die glei­

chen Gruppen analysiert werden. In den meisten Fällen werden, und dann oft noch für unterschiedliche Gruppen, lediglich Randverteilungen angeführt. Der naheliegende Vergleich, ob diejenigen Gruppen oder Personen, die in ihren objektiven Verhältnissen benachteiligt sind, darauf mit Unzufriedenheit rea­

gieren, wird ohne Not verhindert. Auch hier werden die Vorteile der Umfrage­

forschung nicht genutzt. Dies fällt besonders im Wohnungskapitel auf, in dem kaum nachvollziehbar mit unterschiedlichsten Daten für unterschiedlichste Zeitpunkte verschiedene Wohnungsbedingungen für differenzierte Bevölke­

rungsgruppen dargestellt werden - eine adäquate Analyse zur Wohnzufriedenheit fehlt dann aber.

Dennoch zeichnet sich der Sozialreport gegenüber dem Datenreport an einer Stelle besonders aus. Ich meine damit den Versuch, in einem umfangreichen Einführungskapitel eine umfassende Darstellung der objektiven Lebensverhält­

nisse und des subjektiven Wohlbefindens der ostdeutschen Bevölkerung zu geben. Eine solche Zusammenfassung bietet der Datenreport nicht; hier bleibt es dem Beobachter überlassen, sich selbst ein Urteil zu bilden. So hilfreich die­

se Darstellung des Sozialreports im einzelnen auch sein mag, nachvollziehbar ist aber nicht, daß die hier dokumentierten Trends und die analysierten sozia­

len Gruppen in den weiteren Kapiteln des Sozialreports kaum wiederzufinden sind. Vor allem die Entwicklungstrends des subjektiven Wohlbefindens von 1990 bis 1994 schlagen sich selten in den weiteren Kapiteln nieder. Dort wird eher eine zeitpunktbezogene Darstellung gewählt.

Darstellung und Kommentierung: Die auffälligsten Unterschiede zwischen Datenreport und Sozialreport liegen vermutlich darin, wie die Ergebnisse und Befunde dargestellt werden. Dies ist nicht unabhängig von den ersten beiden Punkten zu sehen und dokumentiert möglicherweise Diskrepanzen in der Auffassung des Konzeptes "Sozialberichterstattung". Während der Datenre­

port alles in allem sich als kommentierter Tabellenband versteht, der es dem Leser überläßt, seine eigenen Schlußfolgerungen vor dem Hintergrund der prä­

sentierten Daten zu ziehen (was ein Nachteil sein kann), scheint der Sozial­

report ein anderes Ziel zu verfolgen. Dem Beobachter von außen könnte sich der Eindruck aufdrängen, hier würde demgegenüber versucht, durch jeweils geeignete Daten die besonderen Probleme des ostdeutschen Transformations­

prozesses zu belegen. Dies ist, wissenschaftlich gesehen, durchaus legitim; es erschwert dennoch dem Leser, sich selbst ein zutreffendes Bild zu machen.

(25)

Objektive Lebensbedingungen

Dieser Eindruck mag von den Autoren und Autorinnen des Sozialreports nicht beabsichtigt gewesen sein; ich will ihn auch nicht unterstellen. Mir scheint, daß eher die fehlende "innere Logik" einer klaren systematischen Sozialbe­

richterstattung und auch die kaum verständlichen Sprünge zwischen unter­

schiedlichsten Datensätzen diesen Eindruck hervorrufen kann. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, daß viele Thesen der ostdeutschen Entwicklung un­

geprüft im Raum stehen bleiben, obwohl die eigenen Daten eine sorgfältige Prüfung ermöglichen würden und somit auch nahelegen.

Fazit: Die Zweifel, die ich zu Beginn meiner Ausführung einem externen Beobachter unterstellt habe, dürften nunmehr nachvollziehbar sein. Vergleicht man beide Reports systematisch anhand der angeführten Kriterien, fallen im Detail mehr unterschiedliche Perspektiven auf, als das gemeinsame Konzept der Sozialberichterstattung erwarten lassen dürften. Das implizite Verständ­

nis darüber, welches Set von wohlfahrtsrelevanten Indikatoren geeignet sei, die Wohlfahrtsentwicklung in Deutschland zu messen und zu beschreiben, ist zw ar erkennbar, wird allerdings im Sozialreport zu oft aus nicht naheliegen­

den Gründen verlassen. Auch deshalb ist es kaum möglich, unmittelbar direkt vergleichbare Informationen zu objektiven Lebensbedingungen und zum subjektiven Wohlbefinden in beiden Reports gegenüberzustellen. Der externe Beobachter hat deshalb größere Mühe zu entscheiden, ob sich lediglich Per­

spektiven der Interpretation oder aber empirische Befunde widersprechen.

(26)

Seite 2 0 Sozialreport - Datenreport

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