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2022/01/22 13:34 1/10 Griechenland

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Griechenland

1. Drittstaatenverfahren

1.1 BVerfG, Beschluss vom 31.07.2018, 2 BvR 714/18

Rn. 23 ff.:

Zwar trifft die Grundannahme des Verwaltungsgerichts zu, dass anerkannt Schutzberechtigten nach Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsricht-linie) und den Wohlfahrtsvorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention im Wesentlichen - nur - ein Anspruch auf

Inländergleichbehandlung zusteht. Das Verwaltungsgericht setzt sich jedoch nicht damit auseinander, dass zum einen die von Artikel 34 Qualifikationsrichtlinie geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden Integrationsmaßnahmen nicht angeboten werden (vgl.

zur Relevanz dieser Maßnahmen bei der Prüfung einer Verletzung des Art. 3 EMRK: Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -, juris, Rn. 29 ff.). Zum anderen knüpfen die in Griechenland verfügbaren Sozialleistungen an einen bis zu 20jährigen legalen Aufenthalt an, weshalb anerkannt Schutzberechtigte von der Inanspruchnahme dieser Leistungen faktisch ausgeschlossen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 -, juris, Rn. 20).

Zudem bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Einschätzung, bei anerkannt

Schutzberechtigten ebenso wie bei Asylbewerbern treffe die Annahme des Europäischen

Gerichtshofs für Menschenrechte zu, dass es sich hierbei um eine besonders verletzliche Gruppe handelt, die zumindest für eine Übergangszeit auf staatliche Hilfe bei der Integration in den Aufnahmestaat angewiesen ist (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 4. November 2016 - 3 A 1292/16.A -, juris, Rn. 24 f.). Es hätte daher - insbesondere vor dem Hintergrund, dass die von Artikel 34 Qualifikationsrichtlinie vorgeschriebenen Integrationsmaßnahmen nicht

existieren - weiterer Feststellungen dazu bedurft, ob und wie für nach Griechenland zurückgeführte anerkannt Schutzberechtigte zumindest in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft der Zugang zu

Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt wird.

Die erforderlichen Erkenntnisse hierzu enthält jedenfalls nicht die vom Verwaltungsgericht benannte Empfehlung der Kommission vom 8. Dezember 2016. Denn diese legt nur

Verbesserungen - auch der humanitären Standards - für die Dauer des griechischen Asylverfahrens dar, bezieht sich also nicht auf die hier relevante Problematik der anerkannt Schutzberechtigten.

Insbesondere ist nicht die Rede davon, dass erweiterte - nach wie vor nicht ausreichende -

Unterbringungskapazitäten für Asylbewerber auch rückgeführten anerkannt Schutzberechtigten zur Verfügung stünden. Im Übrigen empfiehlt die Kommission Rückführungen zur Durchführung von Asylverfahren ohnehin nur für den Fall, dass jeweils im Einzelfall aufgrund einer Zusicherung der griechischen Behörde feststeht, dass der Zurückzuführende in einer Flüchtlingsunterkunft

unterkommen kann (vgl. Ziff. 10 der empfohlenen Maßnahmen zur Verbesserung des griechischen Asylsystems). Eine solche Zusicherung seitens der griechischen Behörde, den Beschwerdeführer zumindest für eine Übergangszeit unterzubringen, ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht abgegeben und von Bundesamt oder Bundesregierung - soweit ersichtlich - auch nicht angefordert

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worden. Vielmehr hat das Bundesamt in seinem Bescheid vom 20. Mai 2017 lediglich ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass Griechenland die einschlägigen Regelungen des EU-Rechts einhalte. Auf welcher Grundlage diese Annahme beruht, wird nicht offengelegt. Sie ist auch

angesichts der seit sieben Jahren bejahten systemischen Mängel im griechischen Asylsystem nicht nachvollziehbar.

1.2 VG Arnsberg, Urteil vom 07.07.2020, 4 K 3842/19.A

Denn die Klägerin würde nach den vorliegenden Erkenntnissen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen bei einer Rückkehr nach Griechenland in extreme materielle Not geraten und könnte ihre elementarsten Bedürfnisse, insbesondere die Erlangung einer menschenwürdigen Unterkunft, nicht befriedigen.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Ein praktiziertes staatliches System, das für rückgeführte anerkannte Schutzberechtigte deren mindestens vorübergehende Unterbringung und existenzsichernde Versorgung gewährleisten würde, existiert nach den vorliegenden Auskünften bislang nicht.

Der griechische Staat wird der Klägerin keine Unterkunft zur Verfügung stellen. Es existiert in Griechenland weder für Einheimische noch für die mit ihnen rechtlich gleichgestellten

Schutzberechtigen ein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen. Einzelne Kommunen setzen Programme zur Obdachlosenhilfe mit EU-Mitteln um.

Vgl. Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das Verwaltungsgericht (VG) Leipzig vom 28. Januar 2020, S. 2.

Dass die Klägerin in einem kommunalen Obdachlosenheim unterkommen könnte, ist jedoch auf Grundlage der dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel mit Blick auf die dort nur sehr begrenzt vorhandenen Kapazitäten nicht anzunehmen.

In Griechenland fehlt es insgesamt an einer effektiven staatlichen Obdachlosenfürsorge. Da keine eigenen Unterbringungsplätze für Schutzberechtigte bereitgestellt werden, konkurrieren diese nicht nur untereinander um Schlafplätze, sondern auch mit Asylbewerbern und Einheimischen.

Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der

Staatendokumentation Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4. Oktober 2019, letzte Information eingefügt am 19. März 2020, S. 30; Asylum Information Database (AIDA), Country Report: Greece vom 31. Dezember 2018, Stand: März 2019, S. 185.

Die Situation in den griechischen Obdachlosenunterkünften ist von stetigen Auslastungsraten geprägt, was u.a. der Bericht der AIDA am Beispiel der Hauptstadt Athen aufzeigt. Demnach gibt es dort nur vier Obdachlosenunterkünfte, die sowohl Schutzstatusinhabern und Asylbewerbern als auch griechischen Staatsangehörigen und sonst legal aufhältigen Drittstaatsangehörigen offenstehen. Zwar kann jede Person einen Antrag auf Unterbringung in diesen Einrichtungen stellen, generell ist es jedoch extrem schwer, dort angenommen zu werden, da diese Unterkünfte stets überfüllt und die Wartelisten aufgrund neuer Unterbringungsanträge lang sind.

Vgl. AIDA, Country Report: Greece, Stand: März 2019, S. 185; OVG NRW Informations- und Dokumentationsstelle, Anfragebeantwortung: Lebensbedingungen für Personen mit

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internationalem Schutzstatus in Griechenland, Stand: 29. Oktober 2019, S. 2.

Das Auswärtige Amt stellt ebenfalls fest, dass die Obdachlosenunterkünfte - auch soweit es sich um nichtstaatliche Einrichtungen handelt - in Athen nicht bedarfsdeckend sind.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018, S. 3.

Dies ist nach einer Befragung von ProAsyl aus dem Jahre 2018 nicht nur für Athen, sondern auch für die unmittelbaren Nachbarstädte, wie etwa Piräus, anzunehmen, wobei keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass sich die Lage seitdem maßgeblich verbessert hätte.

Vgl. ProAsyl, Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland - Update, 30. August 2018 und „Abschiebungen ins Nichts: Zur Situation von anerkannten

Flüchtlingen in Griechenland“, Bericht vom 7. Januar 2019; VG Aachen, Urteil vom 12. Mai 2020 - 10 K 1208/19.A -, juris, Rn. 76 ff..

Schätzungen zufolge sollen im Jahr 2019 allein im Athener Stadtzentrum noch ca. 1.500 Menschen obdachlos gewesen sein.

Vgl. taz, Obdachlosigkeit in Griechenland, Mit einem Buchhandel aus der Not,

https://taz.de/Obdachlosigkeit-in-Griechenland/!5610043/ , abgerufen am 26. Juni 2020.

Viele von ihnen kommen nicht in Notunterkünften unter, sondern bleiben obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten, oft untervermieteten Wohnungen unter erbärmlichen Verhältnissen.

Vgl. AIDA, Country Report: Greece, Stand: März 2019, S. 185; Pro Asyl, Stellungnahme zu den Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Update vom 30. August 2018, S. 5; Dresdener Neueste Nachrichten, In Athens Armenvierteln, So geht es Griechenland nach der Krise,

https://www.dnn.de/Nachrichten/Politik/In-den-Armenvierteln-von-Athen-So-geht-es-Griechenland-n ach-der-Krise , abgerufen am 26. Juni 2020.

In der zweitgrößten Stadt Thessaloniki gibt es lediglich eine Obdachlosenunterkunft, welche über 65 Schlafplätze verfügt,

vgl. OVG NRW Informations- und Dokumentationsstelle, Anfragebeantwortung: Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland, Stand: 29. Oktober 2019, S.2, so dass hier von einer ähnlichen Situation wie in Athen auszugehen ist.

Davon abgesehen bieten die Obdachlosenunterkünfte Schlafplätze in der Regel nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum an (z.T. nur nächteweise, höchstens für eine Dauer von bis zu 6 Monaten).

Vgl. OVG NRW Informations- und Dokumentationsstelle, Anfragebeantwortung: Lebensbedingungen für Personen mit nternationalem Schutzstatus in Griechenland, Stand: 29. Oktober 2019, S. 2.

Angesichts der unten noch geschilderten erheblichen Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche werden Rückkehrer - sollten sie im Einzelfall doch einen freien Schlafplatz bekommen haben - bis zum Ende des erlaubten Aufenthaltszeitraums zudem bei realistischer Betrachtung keine Arbeitsstelle

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gefunden haben, mit der sie eine Unterkunft eigenständig finanzieren können.

Aus dem westlichen Ausland zurückkehrende Schutzberechtigte haben auch keine beachtlich wahrscheinliche Möglichkeit, in Aufnahmelagern für Geflüchtete Unterkunft zu finden, da diese nur für Asylbewerber zur Verfügung stehen.

In das vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) organisierte

Hilfsprogramm „ESTIA“ werden hauptsächlich Geflüchtete aufgenommen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Zwar wurde in der Vergangenheit dort international

Schutzberechtigten auch nach ihrer Anerkennung Aufenthalt gewährt. Dass Rückkehrer aufgenommen worden wären, ist aber nicht bekannt. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Asylgesetz vom 1. November 2019, in Kraft getreten am 1. Januar 2020, alle anerkannt Schutzberechtigten Unterkünfte für Asylbewerber verlassen müssen.

Vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4. Oktober 2019, letzte Information eingefügt am 19. März 2020, S. 30; AA, Auskünfte an das VG Berlin vom 4. Dezember 2019, S. 3 und an das VG Leipzig vom 28. Januar 2020, S.1 f..

Anerkannte Rückkehrer haben die griechischen Behörden bislang nur im Falle des Vorliegens einer expliziten Einzelzusage zur Betreuung im Flüchtlingslager Eleonas in Athen untergebracht.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Leipzig vom 28. Januar 2020, S.2.

Unabhängig davon fehlt es in den griechischen Lagern an den erforderlichen Kapazitäten, um - ausnahmsweise - auch anerkannte Schutzberechtigte aufnehmen zu können.

Vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4. Oktober 2019, letzte Information eingefügt am 19. März 2020, S. 6, 20 f..

Über das durch die EU-finanzierte und von der International Organization of Migration (IOM) durchgeführte Hilfsprogramm „Helios II“ sollen anerkannt Schutzberechtigte unmittelbar in den sechs Folgemonaten ab Asylanerkennung eine Unterkunftsbeihilfe zur Anmietung von Wohnraum erhalten. Es steht jedoch – wie etwaige Schlafmöglichkeiten für Obdachlose, vgl. oben – allenfalls für diesen Übergangszeitraum zur Verfügung. Zudem greift es nur für ein begrenztes Kontingent und auch nur für solche Schutzberechtigte, die nach dem 1. Januar 2018 anerkannt worden sind, und soll insbesondere dazu dienen, Auffangplätze für die anerkannt Schutzberechtigten

bereitzustellen, die aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen die Asylbewerberunterkünfte, u.a. von „ESTIA“, verlassen müssen. Ferner steht es - soweit bisher bekannt - anerkannt

Schutzberechtigten, die nach Griechenland zurückkehren, nicht offen.

Vgl. AA, Auskünfte an das VG Leipzig vom 28. Januar 2020, S. 2 und an das VG Potsdam vom 23.

August 2019, S. 3.

Angesichts all dessen kommt es auch nicht in Betracht, die fehlende Sicherstellung der Unterbringung maßgeblich auf ein Verhalten der Klägerin, namentlich deren Ausreise,

zurückzuführen, welches entsprechend den oben aufgeführten Grundsätzen einen relevanten Verstoß gegen Art. 4 GRCh ausschließen könnte. Denn bezogen auf den maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt sind von den dargelegten Hindernissen zur Erlangung einer – bereit gestellten bzw.

mittels finanzieller Beihilfen anmietbaren – längerfristigen Unterkunft selbst diejenigen Schutzberechtigten betroffen, die das Land nicht willentlich verlassen haben, sondern in Griechenland verblieben sind.

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Notunterkünfte, die von Nichtregierungsorganisationen geführt werden, sind in Griechenland ebenfalls nicht in ausreichender Zahl vorhanden.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018, S. 3; vgl. auch die Aufstellung des VG Aachen, Urteil vom 12. Mai 2020 - 10 K 1208/19.A -, juris, Rn. 77 ff..

Im Übrigen dürfte es sich auch bei diesen Unterkünften, soweit ersichtlich, allenfalls um zeitlich begrenzte Wohnmöglichkeiten handeln.

Anerkannt Schutzberechtigte sind somit bei der Suche nach einer dauerhaften Unterkunft auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen, auf den sie jedoch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit - auch unter den von ihnen grundsätzlich im Rahmen der von ihnen zu erwartenden Eigeninitiative zu fordernden Anstrengungen - faktisch keinen Zugriff haben werden.

Bei der Anmietung privaten Wohnraums kommt es schon aufgrund des in Griechenland traditionell bevorzugten Vermietens an Familienmitglieder, hilfsweise Bekannte und Studenten, sowie

gelegentlich durch Vorurteile zu erheblichen Erschwernissen.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018, S. 5.

Darüber hinaus ist nach den Erkenntnissen aber auch beachtlich wahrscheinlich davon auszugehen, dass der Klägerin die finanziellen Mittel für eine dauerhafte Anmietung einer Unterkunft fehlen würden. Denn selbst für alleinstehende Erwerbsfähige kann nicht mit

beachtlicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass diese alsbald nach Rückkehr eine Arbeitsstelle finden, mit der sie ihren Lebensunterhalt, namentlich die Miete für eine Wohnung, selbstständig bestreiten könnten.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt steht zwar grundsätzlich - im Rahmen der Inländergleichbehandlung - auch Schutzberechtigten offen.

Vgl. OVG NRW Informations- und Dokumentationsstelle, Anfragebeantwortung: Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland, Stand: 29. Oktober 2019, S. 5 f..

Allerdings ist es für sie sehr schwer, in Griechenland tatsächlich Arbeit zu finden.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Berlin vom 4. Dezember 2019, S. 7.

Das Land verzeichnete im Februar 2020 eine Arbeitslosenquote von 16,3 %. Dies bedeutet nach wie vor die höchste Arbeitslosenquote in der Europäischen Union (Durchschnitt: 6,3 %).

Vgl. eurostat; pressemitteilung euroindikatoren vom 1. April 2020;

https://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/10662626/3-01042020-AP-DE.pdf/912afd78-a7d 9-e623-b680-8050ec39a5b4 ; abgerufen am 26. Juni 2020.

Durch die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich die Arbeitschancen, die in der Vergangenheit vor allem in den Branchen Landwirtschaft, Bauwesen, haushaltsnahe und sonstige Dienstleistungen bestanden, deutlich verschlechtert.

Vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4. Oktober 2019, letzte Information eingefügt am 19. März 2020, S. 31.

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Mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie auch auf Griechenland ist zu erwarten, dass sich die wirtschaftliche Situation des Landes weiter verschlechtern wird und dies zu einer noch höheren Arbeitslosenzahl führen wird.

Vgl. Handelsblatt, Neue Wirtschaftskrise, Griechenland droht Massenarbeitslosigkeit,

https://www.handelsblatt.com/politik/international/neue-wirtschaftskrisein-griechenland-droht-mass enarbeitslosigkeit/25879494.html?ticket=ST-3805653-E54pzGa7StRVvKd3Dg4y-ap1 ; Süddeutsche Zeitung, Coronavirus, Griechenland fürchte die Schockwellen der Krise,

https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-griechenlandwirtschaft-tourismus-1.4882443 ; jeweils abgerufen am 26. Juni 2020.

Von dieser Lage ist die Klägerin als anerkannte Schutzberechtigte besonders betroffen.

Die staatliche Arbeitsagentur OAED hat bereits für Griechen kaum Ressourcen für die

Arbeitsvermittlung und noch kein Programm zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen aufgestellt.

Vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Griechenland, Gesamtaktualisierung am 4. Oktober 2019, letzte Information eingefügt am 19. März 2020, S. 31.

Initiativen zur Arbeitsvermittlung bestehen auch durch Nichtregierungsorganisationen, diese sind aber nicht flächendeckend lokal verfügbar und nur zum Teil erfolgreich.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Berlin vom 4. Dezember 2019, S. 7.

In der Praxis werden Griechen und EU-Bürger auf dem Arbeitsmarkt oft bevorzugt behandelt.

Vgl. Bundesamt, Länderinformation Griechenland, Stand Mai 2017, S. 3.

Dies liegt (auch) daran, dass international Schutzberechtigte nicht die gleichen

Grundvoraussetzungen wie griechische Staatsangehörige, wie z. B. Sprachkenntnisse, erfüllen. Es gibt außerdem keine Mechanismen zur (rechtlich vorgesehenen) Prüfung von bestehenden

Berufsqualifikationen, was weitere Probleme beim Zugang zu Erwerbsarbeit oder Berufsfortbildung nach sich zieht.

Vgl. Pro Asyl, Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 23. Juni 2017, S. 22 f.; siehe auch AIDA, Country Report Greece, Stand: 31. Dezember 2018, S. 187 f..

Darüber hinaus stellt sich insbesondere für Neuankömmlinge das weitere Problem, dass für die Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit der Nachweis eines Wohnsitzes erforderlich ist, da hieran wiederum die Möglichkeit geknüpft ist, sich bei den Steuerbehörden zu melden und ein Bankkonto zu eröffnen.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018, S. 6; AIDA, Country Report Greece, Stand 31. Dezember 2018, S. 187.

Die Möglichkeit der Anmietung einer Wohnung erscheint wiederum ohne Nachweis eines regelmäßigen Einkommens unrealistisch.

Insofern finden sich die wenigen Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge vornehmlich in der Schattenwirtschaft und sind schlecht bezahlte, hochprekäre, unsichere und oft gefährliche

(7)

Tätigkeiten ohne Sozialversicherung mit der Gefahr der Ausbeutung.

Vgl. Pro Asyl, Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 23. Juni 2017, S. 22 f.; so auch AIDA, Country Report Greece, Stand 31. Dezember 2018, S.

187 f..

Auf illegale, unversicherte Arbeit in der Schattenwirtschaft, in der die ständige Gefahr der Ausbeutung besteht, müssen sich anerkannt Schutzberechtigte jedoch nicht verweisen lassen.

Vgl. hierzu etwa VG Minden, Urteile vom 6. Februar 2020 - 12 K 491/19.A -, juris, Rn. 135, sowie vom 6. Februar 2020 - 12 K 492/19.A -, juris, Rn. 138; VG Meiningen, Urteil vom 28. Januar 2020 - 2 K 648/19 -, juris, Rn. 49; VG Oldenburg, Urteil vom 20. November 2019 - 11 A 265/19 -, juris, Rn.

37; VG Magdeburg, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 6 A 390/19 -, juris, Rn. 39.

Bestätigt wird die zuvor erläuterte Situation im Hinblick auf die fehlende realistische Möglichkeit, unmittelbar bzw. zumindest alsbald nach Rückkehr eine hinreichende Unterkunft zu erhalten auch durch die Auskünfte, nach denen viele international Schutzberechtigte, die eine Unterkunft suchen, aber nicht über die nötigen Geldmittel verfügen, um selbst eine Wohnung zu mieten, obdachlos bleiben oder in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen unter menschenunwürdigen Standards leben müssen.

Vgl. AIDA, Country Report: Greece, Stand: März 2019, S. 185; Pro Asyl, Stellungnahme zu den Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Update vom 30. August 2018, S. 5; Dresdener Neueste Nachrichten, In Athens Armenvierteln, So geht es Griechenland nach der Krise,

https://www.dnn.de/Nachrichten/Politik/In-den-Armenvierteln-von-Athen-So-geht-es-Griechenland-n ach-der-Krise , abgerufen am 26. Juni 2020.

Insbesondere in den Großstädten Athen und Thessaloniki gibt es informelle Wohnprojekte in Form besetzter Gebäude, z. B. ehemaliger Schulen oder Krankenhäuser, worauf wohl - neben der in der Vergangenheit geübten Praxis, dass Anerkannte in den ESTIA-Unterkünften verbleiben konnten und der bislang noch geringen Anzahl rückgeführter Schutzberechtigter - auch der Umstand

zurückzuführen ist, dass Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen noch kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt.

Vgl. so u.a. auch VG Aachen, Urteil vom 16. März 2020 - 10 K 875/19.A -, juris, Rn. 121 ff.; AA, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018.

Auf eine solche Unterkunft kann die Klägerin jedoch unabhängig davon, dass dort oft menschenunwürdige Zustände (fehlender Zugang zu Wasser, Elektrizität, ausreichenden

Sanitäranlagen) bestehen, nicht verwiesen werden, weil die Besetzung fremder Gebäude illegal ist.

Darüber hinaus sehen sich die Bewohner immer deutlicher dem Risiko der Räumung ausgesetzt. Ab August 2019 begann die Regierung, besetzte Häuser in Athen zu räumen. Betroffene waren

hauptsächlich Flüchtlingsfamilien, die ohne vorherige Konsultation, ordnungsgemäße

Benachrichtigung oder Bereitstellung angemessener alternativer Unterkünfte vertrieben wurden.

Vgl. Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019 vom 16. April 2019.

Neben der mithin fehlenden Existenzsicherung im Hinblick auf eine menschenwürdige

Unterbringung/Unterkunft ist ferner auch eine ausreichende sonstige Versorgung rückkehrender Schutzberechtigter - und zwar selbst auf dem rudimentären Niveau der Rechtsprechung des EuGH

(8)

(Brot, Seife) - nicht anzunehmen.

Das gilt auch unter Berücksichtigung der ihnen zukommenden Pflicht zur Vornahme eigener

Anstrengungen. Wie bereits oben dargelegt, spricht weit Überwiegendes dagegen, dass anerkannte Flüchtlinge, noch dazu unmittelbar nach Rückkehr, eine auskömmliche Arbeitsstelle finden können.

Sie sind daher, insbesondere in der Zeit nach ihrer Ankunft, auf staatliche

Unterstützungsleistungen oder solche Leistungen anderer Hilfsorganisationen angewiesen.

Erstere sind indes für anerkannt Schutzberechtigte, die zurückkehren, faktisch ausgeschlossen.

Der Bezug von staatlichen Sozialleistungen im Rahmen der sozialen Grundsicherung setzt den Nachweis eines dauerhaften (inzwischen) zweijährigen Mindestaufenthalts im Inland durch die inländischen Steuererklärungen der beiden Vorjahre voraus. Aus dem Ausland zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte sind daher - ungeachtet der für diese bestehenden Schwierigkeiten bei der Erlangung der zusätzlich erforderlichen Nachweise über die Unterbringung in einer Wohnung oder alternativ den Status als Obdachlose - bereits mangels des erforderlichen legalen Voraufenthalts in Griechenland von einem Bezug regelmäßig ausgeschlossen.

Vgl. AA, Auskunft an das VG Leipzig vom 28. Januar 2020, S. 2 f..

Im Ergebnis das Gleiche gilt für die zum 1. Januar 2019 eingeführte wohnungsbezogene

Sozialleistung, die ein monatliches Wohngeld von 70 Euro bzw. maximal 210 Euro pro Haushalt umfasst. Voraussetzung hierfür ist ein fünfjähriger dauerhafter und legaler Aufenthalt in

Griechenland, der von rückgeführten Schutzberechtigten regelmäßig selbst dann nicht

nachzuweisen sein dürfte, wenn die Aufenthaltsdauer ab Asylantragstellung angerechnet wird.

Vgl. AA, Auskünfte an das VG Berlin vom 4. Dezember 2019, S. 5, an das VG Potsdam vom 23.

August 2019, S. 2, an das VG Chemnitz vom 1. Februar 2019, S. 2, und an das VG Stade vom 6.

Dezember 2018, S. 2.

Arbeitslosenhilfe werden aus dem Ausland rückgeführte anerkannt Schutzberechtigte nicht erhalten, weil Voraussetzung hierfür u. a. Vorversicherungszeiten sind, die von zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten regelmäßig nicht erfüllt werden.

Vgl. hierzu AA, Auskünfte an das VG Chemnitz vom 1. Februar 2019, S. 4.

Einem Anspruch auf Kindergeld steht schließlich ebenfalls entgegen, dass der Empfänger in den letzten fünf Jahren fest und ohne Unterbrechung in Griechenland gelebt haben muss.

Vgl. die Erläuterung der Europäischen Kommission zu „Griechenland - Familienleistungen“, https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1112&intPageId=4560&langId=de , abgerufen am 2.

Juli 2020.

Für rückgeführte anerkannt Schutzberechtigte ist überdies ein Neueintritt in das EUfinanzierte Cash-Card-Programm, welches für eine Übergangszeit von 6 bis 12 Monaten Geldleistungen gewährt (150 Euro für alleinreisende Männer pro Monat), nicht möglich.

Vgl. AA, Auskünfte an das VG Berlin vom 4. Dezember 2019, S. 6 f. und an das VG Stade vom 6.

Dezember 2018, S. 10 f..

Auch insofern kommt es nicht in Betracht, die fehlende Existenzsicherung als maßgeblich

(9)

verhaltensbedingt, nämlich durch die Ausreise hervorgerufen, zu bewerten. Denn unbeschadet weiterer Fragen hätte der Klägerin selbst im Falle des Verbleibs in Griechenland zum maßgeblichen jetzigen Zeitpunkt allenfalls die Grundsicherung zugestanden, welche sich auf 200 EUR für

alleinstehende Personen beläuft und sich bei weiteren im Haushalt lebenden erwachsenen

Personen um jeweils 100 EUR bzw. bei solchen minderjährigen Personen um jeweils 50 EUR erhöht, vgl. AA, Auskunft an das VG Stade vom 6. Dezember 2018, S. 4 f.,

was indes nicht ausgereicht hätte, um sowohl eine Unterkunft als auch die sonstige Existenzgrundlage der Klägerin sicherzustellen.

Im Übrigen können (rückkehrende) Schutzberechtigte, wie oben bereits dargelegt, nicht an sonstigen Programmen der EU bzw. des UNHCR teilnehmen. Auch Nichtregierungsorganisationen bieten keine finanziellen Unterstützungsleistungen an. Hilfe bei der Beschaffung anderer für ein menschenwürdiges Dasein erforderlicher Güter (Nahrung, Kleidung, notwendige

Haushaltsgegenstände) werden nur in begrenztem Umfang und zudem auch nicht flächendeckend in Griechenland angeboten. Darüber hinaus stehen sie zum Teil nur bestimmten Personengruppen oder bloß Asylbewerbern zur Verfügung.

Vgl. OVG NRW Informations- und Dokumentationsstelle, Anfragebeantwortung: Lebensbedingungen für Personen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland, Stand: 29. Oktober 2019, S. 3.

Nach alldem ist die Kammer davon überzeugt, dass im Falle einer Rückführung nach Griechenland für die Klägerin das ernsthafte Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK besteht.

Vgl. so u.a. auch: VG Aachen, Urteil vom 16. März 2020 - 10 K 875/19.A -, juris, Rn. 65 ff.; VG

Minden, Urteil vom 6. Februar 2020 - 12 K 491/19.A -, juris, Rn. 131 ff. m.w.N.; VG Düsseldorf, Urteil vom 25. März 2020 - 12 K 7300/19.A -, juris, Rn. 46 ff..

Schließlich steht der Feststellung, dass der Klägerin im Falle einer Rückführung nach Griechenland eine gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung droht, nicht die Erklärung des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 entgegen, anerkannten Schutzberechtigten sämtliche ihnen aus der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (sog. Anerkennungsrichtlinie) sowie der EMRK zustehenden Rechte zu gewähren. Denn diese erfüllt nicht die vom Bundesverfassungsgericht in seinem

Beschluss vom 31. Juli 2018 - 2 BvR 714/18 -, juris, aufgestellten Voraussetzungen einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Zusicherung einer Unterbringung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2020 - 11 A 2480/19.A -, juris, Rn. 27 ff..

Urteil

1.3 VG Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2018, 12 K 3103/18.A

Die Kläger sind besonders schutzbedürftige international Schutzberechtigte. Sie werden nicht in der Lage sein, ihre vier minderjährigen Kinder im schulpflichtigen Alter und darunter in

Griechenland zu versorgen. Den Klägern droht im Fall einer Überstellung nach Griechenland unmittelbar ab ihrer Ankunft Verelendung und Obdachlosigkeit.

(10)

Dabei ist aber zu beachten, dass das Gericht die „besondere Schutzbedürftigkeit“ betont, die eben aus dem Umstand folgt, dass die Kläger eine Familie mit vier Kindern im schulpflichtigen Alter sind.

Demgegenüber lässt es ausdrücklich offen, „ob angesichts dieser Umstände in Bezug auf

international Schutzberechtigte in Griechenland generell ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vorliegt“. Es wäre also durchaus denkbar, dass das Gericht im Falle eines „alleinstehenden gesunden jungen Mannes“ anders entschieden hätte.

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