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Rede zum 10-jährigen Jubiläum Glas/Werke/Langen 2019 von Gunther Sehring

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Rede zum 10‐jährigen Jubiläum der „Glas/Werke/Langen“ am 17.11.2019 

Vorstellung des neuen Glasbildes der Sammlung „Glas/Werke/Langen“ – S.D.G. 10/2013/F,  Alternative zum Chorscheitelfenster der Ev. Laurentiuskirche zu Frohburg‐Frauendorf   

   

Guten Abend, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste und Freunde! 

Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ – Ludwig Wittgensteins  vielzitierter Satz aus seinem philosophischen Hauptwerk „Tractatus“ lässt sich offenbar auch  recht leicht auf die Kunstbetrachtung und ‐vermittlung  beziehen. Denn zuweilen scheint es  ja eine große Torheit zu sein, klug über Kunst reden zu wollen!  

Wenn es so einfach wäre, könnten wir getrost zu den nächsten Events des Abends 

übergehen und die Musik unseres Duos und im Anschluss das Konzert der KuK im Saal der  Stadthalle genießen… über das wir dann ebenfalls kein Wort zu verlieren bräuchten. Denn  wie die bildende Kunst ist ja auch die Musik ein Phänomen, welches sich nur schwer  verbalisieren lässt – ein Phänomen, das wir als Hörer zwar „erleben“, jedoch nicht „eins zu  eins“ in Worte kleiden könnten.  

Aus diesem Grund schöpfen wir gern sämtliche Intuitions‐, Assoziations‐ und 

Interpretationsmöglichkeiten aus und sind uns mit dem Künstler Johannes Schreiter einig,  dass es der vorbegriffliche Charakter der Kunst ist, der die rein diskursiven Möglichkeiten  menschlicher Kultur übersteigt. Und deswegen kann sie – die Kunst –, so vermerkt es der  Glasmaler, „… uns auch heute noch zum Quellgrund alles vorbegrifflichen Begreifens leiten  und bereichern“.  

Nun, was ist zu sehen? – Das neue Glasbild unserer Langener Sammlung repräsentiert  sozusagen den „ganzen Schreiter“. Eine bildnerische Einheit aus Gegensätzen, Dissonanzen  und Harmonien: Spannungsvolle Formvariationen und Primärfarben mitsamt dem 

Helldunkelkontrast geben dem zweibahnigen Maßwerkfenster seine spezifische 

Ausdruckskraft. Die konstruktiv‐geometrische Komposition, vorwiegend aus senkrechten  und waagrechten Elementen, bildet die Basis des Ganzen, während präzise gesetzte  Formakzente, sanfte Farbverläufe und die Schreiter‐typischen freien Linien (Bleiruten und 

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Schwarzlotzeichnung) Bedrohliches oder Unwägbares sowie Unberechenbares andeuten und  die Bildordnung ebenso stören wie beleben. – Gerade aufgrund seiner ordnenden Rhythmik  und konstruktiven Strenge vermittelt das Bild eine wohltuende Ruhe und Klarheit.  

Es passt im Übrigen wunderbar zu dem seinerzeit von der Langener Sparkasse gestifteten  freien Glasbild aus den frühen 90ern nebenan, das mit seinem diagonalen gläsernen 

„Pinselhieb“ die bekannte Brushstroke‐Serie des amerikanischen Pop‐Artisten Roy  Lichtenstein ironisch aufs Korn nimmt. 

Von oben her kommend, das runde, zweiteilige Fischblasenmuster des Maßwerks 

hinterfangend, senkt sich entlang der vertikalen Mittelachse eine strahlend weiße Bahn bis  zur Basis des Fensters herab. Im Bildmittelgrund beherrscht ein monumentales 

schwarzbraunes T‐Kreuz die Szenerie, oben begleitet von einem blutroten horizontalen  Streifen. – Unten links eine liegende, wie „durchstochen“ wirkende schlanke U‐Form, deren  morscher, erdiger Farbton sich zusehends ins Helle verwandelt; unten rechts ist ein 

stehendes, offengelassenes dunkles Rechteck zu sehen, aus dem quasi stichflammenartig ein  stacheliges Gebilde emporschießt, das sich als straffe, kraftvoll‐dynamische Linie 

manifestiert, um schließlich einer leicht schräg gelagerten weißen, pfeilartigen 

Klammergestalt Raum zu geben, die wiederum oben in einem dunkelroten Farbkontinuum  aufgeht. 

Selbstverständlich darf man nicht verschweigen – um noch einmal kurz an das Eingangszitat  zu erinnern –, dass dieser Alternativentwurf von 2013 zum Chorscheitelfenster der gotischen  Laurentiuskirche im sächsischen Frauendorf (kürzlich ausgeführt mit den renommierten  Taunussteiner Derix Glasstudios) das zentrale Thema der klassischen christlichen 

Ikonographie aufgreift: die Kreuzigung auf Golgatha. Das Schwarzbraun des Tau‐Kreuzes ist  geradezu ein Synonym für Verhängnis und Todesnähe, während das festliche, österliche  Goldgelb des Bildgrundes allegorisch auf jenes überirdische Lichtreich verweist, das bis zum  Spätmittelalter auf den Altartafeln der Altmeister erstrahlte.  

Jesus geht als Mensch durch den Tod hindurch – symbolisiert durch die liegende U‐Form  unten links (und analog der abendländischen Leserichtung) –, doch dieser hat nicht das  letzte Wort. Das nachtdunkle „Kastengrab“, unten rechts, bricht auf: Im roten 

Flammenstrom göttlicher Liebe vollzieht sich das Mysterium der Auferweckung, das 

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Osterfest. In seinem reinweißen Auferstehungsleib, ein Stück himmlisches Blau umfassend,  strebt Christus – und falls wir an ihn glauben: wir alle! – schließlich dem himmlischen Vater  in der Höhe zu.  

Gottes Sein ist über jede Begrifflichkeit erhaben: Opfer, Tod, Auferstehung, Himmelfahrt –  wir haben hier gleichsam ein Simultanbild vor uns, also eine bildnerische Darstellung, bei der  Ereignisse aus verschiedenen Zeitphasen der biblischen Geschichte geschildert und 

zusammengefasst sind. Mit wenigen Bildmetaphern und ‐chiffren gelingt es dem Künstler,  das christliche Heilsgeschehen auf seine Weise mit Glas und Licht neu zu erzählen und eine  transzendente, jenseitige Wirklichkeit aufscheinen zu lassen.  

Freilich sind noch weitere Deutungs‐ und Interpretationsmöglichkeiten gegeben und erlaubt! 

Der Betrachter ist aufgerufen, selbst auf „Entdeckungsreise“ zu gehen, denn erst in ihm, in  der Person des Betrachters nämlich, so hat es Johannes Schreiter selbst einmal schriftlich  festgehalten, „kommt ein Kunstwerk zur Vollendung“. 

Auf dieser „Entdeckungsreise“ wünsche ich uns allen offene Augen und Herzen. 

Vielen Dank!   

 

Gunther Sehring (November  2019)   

 

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