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Academic year: 2022

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(Vorbemerkung: Dieser Text ist eine überarbeitete Fassung der Weihnachtsvorlesung vom 17.12.2021. Die Form des mündlichen Vortrages wurde weitgehend beibehalten; zwei Abbil- dungen sind nur über Weblinks abrufbar, weil die Bildrechte nicht kurzfristig eingeholt werden konnten.)

Weihnachten 2021. Fast zwei Jahre gibt es landauf landab nur ein bestimmendes Thema in vielen Variationen: Corona. Schon zum zweiten Mal findet die Weihnachtsvorlesung deshalb nicht im Hörsaal, sondern auf Zoom statt. Aber statt darüber zu klagen, freue ich mich dar- über, dass auf diese Weise viele dabei sind, die den Weg nach Mainz nicht extra auf sich ge- nommen hätten.

Meine Vorlesung habe ich unter den Titel „Gott bückt sich“ gestellt, weil ich glaube, dass das gut zum Jahr 2021 und gut zu Weihnachten passt.

Der Chor hat mit einem Lied die Stunde eröffnet, in dem es heißt: Löse uns von Furcht!

Das ist ein Programmsatz in unsere Stimmung hinein. Die aktuelle gesellschaftliche Atmo- sphäre ist geprägt nicht nur von Furcht, sondern von Angst. Schaut und hört man sich auf- merksam um, gewinnt man den Eindruck: Alle haben Angst.

In der Dominikanerkirche in Düsseldorf wird diese Gesamtstimmung durch ein großes, mitten im Hauptschiff aufgespanntes Tuch symbolisiert, das den Blick auf den Hochaltar unterbricht.

Auf dem weißen Tuch – einem Totentuch? – findet sich eine schwarze Trauerschleife auf der Covid-19 steht.

© privat: Thomas Möller

Alle haben Angst.

Wahlweise vor Corona oder Langzeitfolgen einer Impfung oder dem Klimawandel oder gesell- schaftlicher Spaltung oder, oder, oder … Es ist mehr als eine konkrete Bedrohung, eine klar abzugrenzende Gefahr. Vielmehr breitet sich eine diffuse Grundstimmung aus: Alle haben Angst. Und in diese Grundstimmung hinein gilt es die Weihnachtsbotschaft zu hören.

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An wen richtet sich diese Weihnachtsbotschaft? Wenn man genau hinhört, sind die vornehm- lich angesprochenen Menschen die am Rand, die vergessenen, die gefährdeten.

Die Beschäftigung mit Corona hat dazu geführt, dass eine Vokabel, die bis dahin dem Gespräch unter Fachleuten vorbehalten war, in den ganz alltäglichen Wortschatz aufgenommen wurde.

An Hochschulen, im Blick auf benachteiligte gesellschaftliche Gruppen ist schon lange von Vul- nerabilität die Rede, aber dass in den Nachrichten „vulnerable Gruppen“ erwähnt würden, ist eine Veränderung des letzten Jahres. Durch die Pandemie wird etwas auffällig, was überhaupt nicht neu ist: Dass es Menschen gibt, die besonders verletzlich sind; Menschen, die auf beson- dere Rücksicht angewiesen sind, deren Leben schutzlos ist. Vulnerabilität und umgekehrt Vul- neranz, also Strukturen, die verletzen, wird zum Thema, ohne dass immer klar wäre, was zu tun ist, damit diejenigen, die es brauchen, geschützt werden.

© Katholische Hochschule Mainz

Auch wenn das Thema durch Corona stärker in die Öffentlichkeit gerückt wurde, ist es nicht darauf beschränkt: Vulnerable Gruppen sind keineswegs nur diejenigen, die eine Corona-In- fektion nicht überleben würden. Vulnerable Gruppen sind z.B. Frauen, die allein durch ihr Frau-Sein von Gewalt bedroht sind. 2020 wurden in Deutschland 139 Frauen im Rahmen von Partnerschaftsgewalt getötet – also mehr als zwei jede Woche! Die KH beteiligte sich am 25.11. auf Initiative von Sonja Burkard am Orange Day, dem internationalen Tag gegen „Ge- walt an Frauen“ und setzte so ein Zeichen. Besonderen Gefährdungen sind schwangere und gebärende Frauen ausgesetzt. Dass Frauen gebären, bevor die Hebamme es zu ihnen schafft, wie Ex 1,19 es erzählt, kann nur ein Pharao glauben. Alle, die von Geburtshilfe Ahnung haben, wissen, dass Geburten damals wie heute eine Sache auf Leben und Tod sind; für Mütter ge- nauso wie für die Kinder. Die Evangelien erzählen von Schwangerschaft und Geburt.

Dass Kinder vulnerable Gruppen sind, weiß eigentlich jeder. In der katholischen Kirche reali- sieren wir in den letzten Jahren leider, dass kirchliche Räume keine Schutzräume waren, son- dern gefährliche Räume. Das Erschrecken darüber holt uns immer wieder neu ein.

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Der Inbegriff verletzlicher Menschen sind Neugeborene. Wie in keiner anderen Lebensphase sind sie auf Schutz angewiesen. Von einem solchen verletzlichen Menschen erzählt die Weih- nachtsgeschichte.

Und als letzte Gruppe verweise ich auf die Gruppe geflohener Menschen. Ohne soziales Netz sind sie vollkommen darauf verwiesen in der fremden Umgebung mit dem, was zum Leben notwendig ist, versorgt zu werden.

Zu alle diesen vulnerablen Gruppen gibt es von Deutschland über Weißrussland bis Brasilien in der Gegenwart Beispiele in Fülle. Alle genannten Gruppen sind aber genau in den biblischen Weihnachtserzählungen von zentraler Bedeutung. Es ist wichtig, zu realisieren, dass die Texte nicht von „holdem Knaben im lockigen Haar“ und „himmlischer Ruh“ handeln, sondern von der göttlichen Zusage des Friedens inmitten einer friedlosen Umgebung.

Dazu möchte ich zunächst einen groben Überblick über die Geburtserzählungen des NT bie- ten:

Von den vier Evangelien des Neuen Testaments finden sich nur bei Mt und Lk Kindheitserzäh- lungen; Die unterscheiden sich in allem mit Ausnahme der drei Figuren Vater, Mutter, Neuge- borenes und der Ortsangabe Betlehem. Alle Elemente der Erzählung sind jeweils für Lk bzw.

Mt spezifisch. Daraus lässt sich ableiten, dass es nicht um historische Details rund um die Ge- burt Jesu geht, sondern um in die Kindheit zurückprojizierte Aussagen über Jesus und seine Bedeutung, um nachösterliche Glaubensbekenntnisse.

Nun aber zur Grundstruktur der beiden Erzählungen:

Das Mt beginnt mit der Gefährdung der Mutter: Es erzählt aus der Perspektive Josefs. Er muss sich zur Schwangerschaft seiner Verlobten verhalten. Eine außereheliche Schwangerschaft ist für sie und damit für das Ungeborene mit lebensgefährlich, weil sie mit Steinigung geahndet werden durfte. Die Geburt selbst spielt überhaupt keine Rolle, stattdessen wird von magoi erzählt, die im Volksmund als die drei Hl. Könige Karriere gemacht haben. Sie kommen nicht ohne Umwege an ihr Ziel und als Wirkung ihres Auftretens am Jerusalemer Königshof wird die Hl. Familie zur Flüchtlingsfamilie.

Das Lk bietet als wesentliche Elemente die Verkündigung an Maria, wobei die Aufforderung

„Fürchte dich nicht!“ deutlich macht, dass es Grund zur Furcht gibt; daran schließt sich die Erzählung von der Begegnung zwischen Maria und Elisabeth an, in deren Zentrum mit dem Magnifikat ein Lied steht, das die Weltordnung in Frage stellt. Am stärksten rezipiert worden ist die Erzählung vom Neugeborenen im Futtertrog.

Wie sehr damit in jeder einzelnen Erzählung verletzliche Menschen im Mittelpunkt stehen, kann man vor lauter Weihnachtsglitter leicht übersehen. Da hilft es, Querbezüge zur Gegen- wart des 21. Jahrhunderts herzustellen. Die anglikanische Gemeinde „St. Matthew in the city“

in Auckland stellt seit ein paar Jahren provokative Reklametafeln vor ihrer Kirche auf. 2011 war es eine mit dem Titel „Mary is in the pink“ – Maria ist schwanger.

https://www.adsoftheworld.com/media/outdoor/st_matthewinthecity_mary_christmas Ein Detail der Reklamewand in Auckland ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Diese Ma- donna hat einen Schwangerschaftstest in der Hand und wird so in unsere Erfahrungswelt ge- holt: Was für ein Schock! Unverheiratet, blutjung, bettelarm. Diese Schwangerschaft verän- dert alles. Und diese Sätze treffen nicht nur auf Maria zu, sie war nicht die erste, der das pas- siert und auch nicht die letzte.

Es ist echt. Weihnachten geht es um eine reale Schwangerschaft, eine reale Schwangere, eine reale Geburt und ein reales Neugeborenes. Die Bibeltexte handeln von echter Angst, von Rat- losigkeit, von Schmerzen und Verzweiflung. Da ist kein Platz für Gefühlsduselei.

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Die Texte handeln aber auch vom Mut und von der Hoffnung echter Menschen und von der Ermutigung durch ihren Glauben. Sie sind damit auch ein Spiegel für Mut und Hoffnung vieler Menschen in unserer Gesellschaft. Menschen, die zu den vulnerablen Gruppen zählen, gefähr- det durch Armut, Krankheit, Gewalt... Weihnachtliche Freude spielt sich im Kontext solcher Gefährdungen ab und das Versprechen einer Welt in denen diese Gefährdungen obsolet ge- worden sind, richtet sich an genau diese Menschen. Im Folgenden werde ich auf drei Elemente näher eingehen.

©privat: Lisa Kötter

Das Bild, das Sie hier sehen, ist hat Lisa Kötter, einer der Initiatorinnen von Maria 2.0 zu Beginn der Bewegung gemalt. Sie wollte darstellen, dass Schweigen, insbesondere Schweigen von Frauen in der Kirche als Reaktion auf sexualisierte Gewalt nicht mehr akzeptabel ist. Die Frauen von Maria 2.0 wollen Macht und Missbrauch von Macht benennen.

Damit bewegen sie sich auf biblischen Spuren.

Das Lied der Maria bei der Begegnung mit Elisabeth, das im Zentrum der lukanischen Kind- heitserzählungen steht ist durch tausendjährige Routine abgestumpft. Wer sich dem Magnifi- cat unvoreingenommen nähert, entdeckt einen prophetischen, ja revolutionären Text. Wo die Einheitsübersetzung von der „Niedrigkeit seiner Magd“ spricht, legt der griechische Urtext die Übersetzung mit „Die Erniedrigung seiner Sklavin“ nahe. Maria stellt sich damit in die Erzäh- lung von den erniedrigten Sklaven, die Gott beim Exodus rettete. Diese Befreiungsgeschichte wird im gesamten AT variiert und mit dem Magnificat ins NT getragen. Sie gipfelt darin, dass die Hochmütigen vertrieben, die Gewaltherrscher entmachtet und die Reichen mit leeren Händen weggeschickt werden. Im Gegenzug werden die Sklaven glücklich gepriesen, die Er- niedrigten aufgerichtet und die Hungernden reich beschenkt. Wenn das keine Gottesrede ist, die die geltende Ordnung auf den Kopf stellt, dann weiß ich es nicht.

Ein zweiter Blick gilt der lukanischen Geburtsdarstellung. Manche mittelalterlichen Krippen- Darstellungen (so z.B. der Cod. 290 Besancon Stundenbuch aus dem 15. Jh, Fitzwilliam-Mu- seum in Cambridge https://curatingcambridge.co.uk/products/mary-reading-christmas-card- pack) räumen mit unseren Geschlechterkonstruktionen auf: Während Maria die Bibel studiert, spielt Josef mit dem Jesuskind! Maria liest natürlich nicht irgendetwas, einen Roman womög- lich. Maria liest die Heilige Schrift, weil die Erinnerung der Gotteserfahrungen Israels, die sie dort nachlesen kann, eng mit der Botschaft Jesu verbunden ist. Wie schon im Magnifikat der

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Jubel über die Rettung der Armen, ist die Lektüre des Alten Testaments der Schlüssel für die Deutung der Person Jesu.

Lukas stellt die Geburt Jesu in den Kontext der Weltgeschichte. Wenn sie mit den Worten „In den Tagen des Kaisers Augustus“ beginnt, ist das nicht eine Frage der Datierung, sondern eine Frage der Politik: Wer das Kind im Futtertrog in den Mittelpunkt stellt, stellt die Ansprüche des „Retters aus Rom“, des Kaisers, in Frage. Retter, Gesalbter, Herr, Friedensbringer zu sein ist der Anspruch des Kaisers und Teil der Kaiserideologie. Wenn Engel Hirten als prophetische Botschaft mitteilen, dass sie in der Futterstelle den Retter, Gesalbten und Herrn finden, ist das Herrschaftskritik. Die eigentliche Macht ist nicht römischer Prunk, sondern sie ist im unschein- baren, unauffälligen, gefährdeten Neugeborenen zu entdecken. Der Evangelist verpackt die Rede des Engels in direkte Rede: „Heute ist euch der Retter geboren, der Christus, der Herr.“

Heute ist euch! Heute ist vor 2000 Jahren und heute ist heute, oder nächste Woche am 25.

Dezember 2021. Die Wahrheit dieses Satzes bezieht sich nicht auf ein Datum, sondern auf ein Ereignis, das Ereignis, das abseits der alltäglichen hierarchischen Ordnung die andere Frie- densordnung Gottes aufscheinen lässt.

Wer sich darauf einlässt, hört das himmlische Gloria, die Ankündigung eines Friedens, der die- sen Namen verdient und nicht nur Tarnung von feindlichem Expansiongebahren ist.

Statt Gloria hören wir nun den Chor mit dem Titel „Sing us a song of christmas day.“

Mit einem näheren Blick in die Kindheitserzählungen, wie sie sich bei Mt finden, werden ich meine Beobachtungen der biblischen Erzählungen abschließen:

Mt kennt keine Verkündigung an Maria, sondern er gestaltet die gesamte Kindheitserzählung durch Initiativen Josefs. Josef gilt schon als gerecht, wenn er Maria nicht der Steinigung aus- setzt. Aber um zu seiner Verlobten zu stehen, bedarf es einer eigenen Offenbarung durch ei- nen Engel. Es zeigt sich, dass Nichtisraeliten, ungläubige Ausländer, Magier, die Familie su- chen, weil sie dort einen König vermuten. Indem sie in die Fremde ziehen, setzen sie sich der Unsicherheit aus, machen sie sich verletzlich, vulnerabel. Naiv, wie sie sind, ziehen Sie in die Metropole, um das Kind zu finden. Bei einem machtgierigen König nach dem neuen König zu fragen, ist ein gefährliches Unternehmen. Die Erfahrungen mit Herodes zwingen die Magier, sich einen neuen, anderen Weg nach Hause zu suchen. Es bewirkt die Gefährdung der Kinder in Betlehem, die gewissermaßen als Kollateralschäden in Kauf genommen werden. Und es ist gefährlich auch für die Familie, die sich vor diesem König durch Flucht nach Ägypten in Sicher- heit bringen muss, und sich damit zugleich in die verletzliche Rolle von Geflohenen begibt.

Wohlgemerkt: Wir haben es hier mit klar konzipierter theologischer Rede zu tun, mit der Er- zählung davon, dass die Befreiungsgeschichte mit dem Auszug der Sklaven aus Ägypten ihre Fortsetzung in der Geschichte Jesu von Nazaret hat.

Stärker als Lk nimmt Mt auf die Zusage der Geburt des Immanuel beim Propheten Jesaja Be- zug: Das Heilswort an König Ahas in Jes 7, das davon handelt, dass dem Haus David in einer ausweglosen Situation ein Sohn geboren wird, zeigt, dass die Geschichte Gottes mit seinem Volk weitergeht. Deshalb kann man ihn (bei Jesaja) das Gott-mit-uns-Kind nennen. Mt greift diese Verheißung auf und bezieht sie auf den Menschen, der den Namen Jeschua trägt: Gott rettet. Das Programm ist das gleiche. Gott rettet aus größter Not. Er ist mit den Leidenden.

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© privat: Heiko Gaub

Gut ins Bild kommt das in einer Installation an der Mauer zwischen Israel und Palästina in Betlehem. Heiko Gaub, ein Absolvent der KH hat das Foto auf einer unserer Israelreisen 2014 aufgenommen: Man sieht ein heruntergekommenes Bett vor der Mauer, eine Taube mit der Aufschrift „messenger“ – Bote, ein Graffiti eines Mannes mit der Inschrift „Jesus wept“ als Anspielung auf die Passionserzählung und unter allem, größer als alles andere, das Wort

„Freedom“.

Dieses Bild bringt weihnachtliche Motive (Krippe, Frieden) und Passionsmotive (Jesus wept) zusammen. Die Geburt Jesu ist eingebettet in Erfahrungen von Vulnerabiltät und Jesu Leben scheint zu scheitern mit seiner Ermordung am Kreuz. Erst durch das Ja Gottes zu seinem

„messenger“ wird deutlich, dass das nur die oberflächliche Wahrnehmung ist. Erst durch Os- tern wird klar, was der Name bedeutet: Jeschua – Gott rettet.

Voriges Jahr wurde oft gesagt: Dieses Jahr fällt Weihnachten aus. Dieses Jahr höre ich oft die Frage, wann wir denn endlich wieder RICHTIG Weihnachten feiern können.

Richtig heißt in dem Fall mit Weihnachtsmärkten, Glühweinseligkeit, Ansammlung vieler Men- schen. Es reicht von „Oh Tannenbaum“ bis zu Händels „Glory to God“. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich weiß das sehr zu schätzen und mir geht es nicht pauschal um Kulturkritik. Alle Elemente vom Himmelsglanz bis zum Gloriagesang haben ihren Ursprung in der biblischen Verkündigung. Aber sie werden hohl, wenn man ihnen den Kern der Zusage nimmt, dass in- mitten der Verletzlichkeit menschlichen Lebens nicht der Mensch Gott wird, sondern Gott Mensch wird. Anders gesagt, dass Gott sich in die Niederungen des Menschseins begibt.

Roncalli-Haus Magdeburg

© Benita Joswig

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Wenn wir jetzt Revue passieren lassen, wie in der Bibel von der Geburt Jesu die Rede ist und bedenken, dass dieses Thema im Johannesevangelium nicht erzählerisch umsetzt wird, son- dern mit einem Gedicht über die Inkarnation, die Fleischwerdung des Logos, dann wird deut- lich, dass das eigentliche Thema von Weihnachten nicht das faszinierende Wunder eines Neu- geborenen ist. Das eigentliche Thema ist: Gott bückt sich. Damit ist endlich der Titel meiner Vorlesung im Spiel: Mitten in die Situation von Armut, Fremdheit, Flucht bückt sich Gott. Da geschieht Menschwerdung Gottes.

Diese Dunkelheiten sind der Kontext der biblischen Weihnachtsverkündigung. Im Mk ist der erste öffentliche Satz Jesu: Die Zeit ist erfüllt. Die Herrschaft Gottes ist nahe. Das heißt, dass die von den Zeitgenossen Jesu erhoffte Wende von einer Zeit unerträglicher Unterdrückung hin zu einer endgültigen, von Gott bewirkten Heilszeit, endlich da ist.

Und nun: 2000 Jahre später. Von Heilszeit ist nichts zu merken. Unrecht, Gewalt und Rück- sichtslosigkeit, wohin man schaut.

Aber Moment: Das ist nicht die ganze Wahrheit! Überall da, wo Menschen sich wirklich auf die Spuren dieses Menschen Jeschua – Gott rettet, begeben, da gelten andere Regeln. Wo Menschen sich die Seligpreisungen der Bergpredigt zu eigen machen, die Traurigen, Hungern- den, Verfolgten glücklich sind, da kann man erfahren, was mit Gottesherrschaft gemeint ist.

© Monika Sander / pixelio.de

Ob also die neue Zeit angebrochen ist, hängt auch vom Handeln der Menschen ab:

Richtig Weihnachten feiern können wir erst, wenn wir uns der erschütternden Realität von Armut, Gewalt und Verletzungen stellen. Richtig Weihnachten feiern heißt, nicht die Dunkel- heit durch Kunstlicht zu übertünchen. Richtig Weihnachten feiern heißt, die Entmachtung der Mächtigen zu bejubeln und sich in den Dienst des Befreiergottes zu stellen, statt an Macht zu partizipieren. Richtig Weihnachten feiern wir, wenn wir an der Bewegung Gottes teilhaben und uns bücken.

Ich komme ans Ziel meiner Vorlesung:

Dafür habe ich eine Ikone ausgesucht, die ich in der Geburtskirche in Betlehem entdeckt habe.

Die Familie mitsamt Ochs und Esel sitzt im Schwarz der Höhle, umgeben von undurchdringli- chen Felsen. Aber von oben her durchdringt etwas den Felsen. Das Dunkel ist nicht weg, aber inmitten dieses Dunkels gibt es im Glanz des Goldes eine Ahnung davon, was es bedeutet, dass dieses Kind Jeschua – Gott rettet genannt wird.

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© privat: Eleonore Reuter

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest.

Und bitte den Chor um eine letzte musikalische Interpretation. Das Stück spricht von einem go- between-of god und von einem Hope-for-peace-child. Wie passend!

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