Gaby Lindinger
Naturnahe Spielräume gestalten
Inhalt
Raus ins Grüne! 8
Er-lebe den Tag! 11
Aber bitte etwas wild! – Ein naturnahes Draußenparadies 14
Rauf und runter den ganzen Tag! 16
Graben, schaufeln, matschen! 19
Traumpfade für Streuner 20
Geschmeidige Grenzen 23
Klettern, wippen und verstecken! 24
Ein Heim für Tiere 25
Mut zur Unordnung! 28
Selbst gebaut! – Rückzugsorte zum Spielen & Träumen 30
Zelte 32
Höhlen 35
Spielhütten 36
Baumhäuser 39
Wasser marsch! – Orte zum Plantschen & Matschen 40
Wasserlandschaften 42
Bachlauf 45
Matschkuhle 46
Badewannen 49
Eine heiße Sache! – Das Element Feuer erleben 50
Lagerfeuer und Feuerschalen 52
Einfache Rezepte für die Lagerfeuerküche 54
Lehmbackofen 56
Von der Hand in den Mund! – Naschen im Naturgarten 58
Küchenkräuter 60
Duftpfl anzen 63
Aromapfl anzen für das Kita-Garten-Duftbeet 64
Hochbeete 67
Essbare Blüten 68
Einfache Rezepte für essbaren Blütenzauber 71
Beeren & Co. 72
Willkommen liebe Biene! – Tiere im Naturgarten 74
Kröten, Molche, Schnecken, Feuerwanzen 76
Vögel und Schmetterlinge 79
Wildbienen und Hummeln 80
Kleine Künstler, große Wirkung! – Kreativprojekte im Naturgarten 82
Die Draußenwerkstatt 84
Der Kita-Eingang 87
Ein Mosaikdrache 88
Werkeln mit Lehm 91
Land-Art für Groß & Klein 92
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Raus ins Grüne!
Kinder sind von Haus aus neugierig, experimentier- freudig, spontan und lernfähig. Tag für Tag sind sie in der Kita als Entdecker und Gestalter ihrer eigenen Möglichkeiten unterwegs. Dazu brauchen sie abwechs- lungsreiche Lern- und Erfahrungsräume, und ein un- erschöpflicher, faszinierender Spiel- und Bildungs- raum kann der Kinder-Garten sein. Um sich draußen optimal entfalten zu können, brauchen Kinder mehr als eine glatte Rasenfläche mit ein paar Spielgeräten, sondern eine vielfältiges, naturnahes „Draußen“, wo sie ihren unterschiedlichen Bedürfnissen nachgehen können: bewegen, spielen, gestalten, toben, aber auch zur Ruhe kommen, Geborgenheit spüren, mit anderen kommunizieren …
Wie ein Kindergarten zum Draußenparadies werden kann, dazu möchte ich Ihnen in diesem Buch Anre- gungen geben. Sie werden sehen: Es sind nicht immer die großen Umbaumaßnahmen mit schwerem Gerät, die den Garten für Kinder zu einem Erlebnisraum ma- chen. Es geht um kleine Schritte, ums Wachsenlassen.
Denn Wachsenlassen ist die große Herausforderung heute – das gilt für die pädagogische Arbeit mit Kin-
dern ebenso wie ganz konkret für den Kinder-Garten:
Unser wundervoller Garten im Kinderhaus Naturkin- der Sankt Georg in Pöring, den ich Ihnen auf den fol- genden Seiten vorstellen möchte, hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Bäume und Hecken wurden groß, ohne von Menschen dramatisch gepflegt zu werden.
„Wachsen“ dürfen Kinder heute selten. Sie haben oft wenige Freiräume und kaum mehr Zeit, ihren eigenen Ideen und Spielen nachzugehen und sich nach ihren eigenen Bedingungen zu entfalten.
Ein SINN-voll gestalteter Garten gibt Kindern nicht nur die Chance für vielfältige Naturerfahrungen, sondern eröffnet ihnen auch die Möglichkeit, sich als Gestalter ihres eigenen Lebens zu erleben: ob beim Klettern, Malen, Säen, Ernten, Naschen, Schaukeln, Plantschen, Gießen, Matschen – das Draußenparadies bietet eine Fülle von Möglichkeiten für sinnlich-konkrete Erfah- rungen, die die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwick- lung unterstützen.
Wie kann der Kinder-Garten zu einem Paradies für Kin- der werden? Lassen Sie sich inspirieren!
Gaby Lindinger
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„Der Erzieher ist nicht verpfl ichtet, Verantwortung für die entfernte
Zukunft auf sich zu nehmen _ aber er ist voll verantwortlich
für den heutigen Tag.“
Janusz Korczak (1878–1942)
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Er-lebe den Tag!
Gehen wir doch einfach mal nach draußen und lassen die Kin- der spielen: einfach spielen – im ureigensten Sinne verstanden!
Lernen
Kinder lernen bei allem, was sie tun. Sie brauchen dazu gute Beziehungen, Zeit und Dinge, die sie selber verändern können.
Dadurch erleben sie ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit – „Ich kann das!“ Spiele in naturnahen Gärten ergeben sich von und mit dem, was die Natur im Garten zu bieten hat.
Den Kindern Zeit zurückzugeben bedeutet für uns als „Kind- heitsbegleiter“ oder „Kindergärtner“ vor allem, Zeit zur freien Verfügung zu stellen und eine gute Umgebung zu schaffen. Wir müssen uns mit unseren Programmvorstellungen zurückneh- men und „Hüter“ des freien Spiels werden. Kinder sind Exper- ten des Spiels, und als Experten müssen wir sie akzeptieren und ihnen Vertrauen schenken. Wir müssen zuhören, beobachten, nachdenken, mit bei der Sache sein, gegebenenfalls Hilfestel- lung und Unterstützung leisten.
Fundamentale Grundkenntnisse werden automatisch im freien Spiel gestärkt. Soziale Kompetenzen, Beziehungen zu anderen Menschen, ob Groß oder Klein, sind von großer Bedeutung.
Spielen
Kindheit hat sich verändert, und es wird oft unter dem Wort Spiel nur ein Vorwand gesehen, um die Kindheit in Lerneinhei- ten für das spätere Leben zu verpacken. Wie aber unser Leben in zwanzig Jahren aussieht, kann man nur schwer vorhersagen.
Kinder haben ihren eigenen Rhythmus im Leben. Sie entwi- ckeln sich nicht alle gleich. Jedes ist für sich einzigartig. Kinder sind neugierig, kreativ, fantasievoll, spontan und haben Lust am eigenen Tun. Sie sollen entdecken, beobachten und experimen- tieren können. Sie brauchen vielfältige Anregungen, damit jedes Kind die Chance hat, sich im ganz eigenen Tun zu erproben.
Ein facettenreicher Erfahrungsraum, der individuelle Entwick- lung und nachhaltiges Lernen fördert, die Potenziale der Kinder sichtbar werden lässt und vielfältige Fördermöglichkeiten bietet, der ist nicht schwer zu fi nden, sondern liegt eigentlich ganz nah:
Draußen!
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Wurzeln
Kinder brauchen Wurzeln. Sie brauchen sichere Bindungen zu ihren Bezugspersonen. Um sich mit allem, was das Leben bie- tet, verbunden fühlen zu können, müssen Kinder eigene Erfah- rungen machen, mit allen Sinnen, mit Leib und Seele. Eine Ver- bindung zu allem Lebendigen kann nur entstehen, wenn sich die Kinder selbst als lebendig wahrnehmen.
In einem naturnahen Spielraum erleben die Kinder nicht nur das Miteinander mit den anderen Kindern, sondern sie lernen auch die verschiedenen Formen des Miteinanders in der Natur kennen. Wo leben Tiere? Welche Tiere leben an welchem Ort?
Können wir die Tiere unterstützen? Was schadet ihnen? Ähnli- ches gilt auch für das Verhältnis zu den Pfl anzen, wenn die Kin- der den Kreislauf von säen, wachsen, ernten, essen erleben. So lernen sie den achtsamen Umgang mit sich selbst, mit anderen, aber auch mit Tieren und Pfl anzen.
Spuren
Spuren hinterlassen, eigene Wege fi nden – das ist essenzieller Bestandteil eines selbstbestimmten Lebens. Es ist ein magischer Moment in der Entwicklung des Kindes, wenn es erlebt, dass es in der Lage ist, dauerhafte Spuren zu hinterlassen –
vielleicht mit einem Wachsmalstift auf weißer Fläche. Im Kita- Garten hinterlassen alle Spuren, und das ist auch gut so. Es gibt geheime Wege, die nur wenige kennen, Trampelpfade, die be- sonders beliebt sind und die zu Lieblingsplätzen führen. Es gibt Geheimverstecke, aber auch Ameisenstraßen …
Dauerhafte Spuren hinterlassen wir manchmal beim Gestalten, wenn zum Beispiel ein Klangspiel aus Tonscherben seinen Platz im Eingangsbereich fi ndet. Eher kurzlebige Kunstwerke entste- hen bei Land-Art Aktionen mit Naturmaterialien. Ähnlich sind die Erlebnisse in der Wasserlandschaft, die sich ständig verän- dert – da spielen Lust und Laune eine Rolle, aber auch das Wet- ter. Bei Regen wird die Kuschelkuhle zur Pfütze, der Steinpfad wird zum Mini-Wildbach und lässt sich nur über eine Brücke queren. Es entstehen immer Spuren. Langlebige, manchmal auch vergängliche. Dinge verändern, pfl egen, wachsen lassen – im Tun und Spielen draußen im Garten entwickeln die Kinder eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Das ist nachhaltig lehr- reich – besonders wichtig aber: Es beschert den Kindern Tag für Tag glückliche Momente, in denen sie ganz bei sich sein können und sich lebendig, aktiv und autonom erleben.